Strafverfahren: Beweis des Protokolls für die Kenntnisnahme der Richter von einem Prüfbericht in Tabellenform im Selbstleseverfahren
Gesetze: § 249 Abs 1 StPO, § 249 Abs 2 S 1 StPO, § 261 StPO
Instanzenzug: Az: 608 KLs 10/07 - 6700 Js 87/06 Urteil
Tenor
Die Revision des Angeklagten O. gegen das wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Senat bemerkt ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:
1. Die Rüge, das Landgericht habe Urkunden entgegen § 249 Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO und § 261 StPO verwertet, ist unbegründet. In der Sitzung vom hat der Vorsitzende die Durchführung des Selbstleseverfahrens auch hinsichtlich eines 515 Seiten umfassenden, zahlreiche Zahlenwerke in Tabellenform enthaltenden Prüfberichts angeordnet, der im Urteil unter III.1 „Geschichte der Volksbank Lauenburg in den Tatzeiträumen“ (UA S. 25 bis 30) hinsichtlich einer gebotenen Verdoppelung des Risikovorsorgebedarfs im Zusammenhang auch mit an den Angeklagten ausgereichten Krediten in die Feststellungen eingeflossen ist (UA S. 30).
Bei dem Prüfbericht handelt es sich um eine verlesbare Urkunde im Sinne des § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO. Sie ist geeignet, durch ihren Gedankeninhalt Beweis zu erbringen (vgl. BGHSt 27, 135, 136). Dies gilt auch für die Zahlenwerke in Tabellenform. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des Protokolls hier lediglich, dass die Berufsrichter und die Schöffen vom „Inhalt“ (auch) des Prüfberichts Kenntnis genommen haben. Dies erfasst indes - worauf es gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO ankommt - auch deren Wortlaut (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 227 [bei Becker]). Nach dem Inhalt des Protokolls steht außer Frage, dass die festgestellte Kenntnisnahme der Berufsrichter und der Schöffen nach deren abgegebenen Erklärungen im Selbstleseverfahren erfolgt ist. Dann aber haben die Erklärenden auch vom Wortlaut insgesamt Kenntnis genommen (vgl. BGH aaO), weil anders eine Kenntnisnahme vom „Inhalt“ der Urkunde nicht möglich ist (möglicherweise anders, indes nicht tragend BGHR StPO § 249 Kenntnisnahme 1). Eine näher an den Gesetzeswortlaut angelehnte Formulierung im Protokoll hätte überdies keinen Beweis dafür erbringen können, dass Richter und Schöffen tatsächlich vom Wortlaut insgesamt Kenntnis genommen haben (BGH NStZ-RR 2004, 227 [bei Becker]).
2. Die den Grundstückssachverständigen K. betreffende Beweisantragsrüge ist zulässig.
Das ausgeführt: „Die Behauptung, dass der Marktwert des Geschäftsgebäudes Hotel Riviera gemäß dem Gutachten des K. vom 7,5 Mio. € betragen hat, ist durch die Selbstlesung des Gutachtens (Urkundenliste 1 Rdn. 54) bereits erwiesen.“ Hiernach bedurfte es der Vorlage des Gutachtens nicht, um geltend machen zu können, dass die Strafkammer in ihren Feststellungen von dem als bewiesen erachteten Grundstückswert abgewichen ist.
Dies ist auch der Fall, soweit das Landgericht auf UA S. 47 von einem „angeblichen Wert“ von 7,5 Mio. € ausgeht und davon, dass dem Angeklagten bewusst gewesen sei, „dass das Ergebnis des Gutachtens mit Vorsicht zu behandeln war“ (UA S. 47). Indes schließt der Senat aus, dass die Überzeugungsbildung des Landgerichts auf dieser, das Kerngeschehen - die Ausreichung eines Kredits an einen Strohmann ohne ausreichende Sicherheiten - nicht betreffenden Abweichung beruht.
3. Es stellt keinen sachlichrechtlich durchgreifenden Widerspruch dar, soweit das Landgericht einerseits angenommen hat (UA S. 83, 86, 251), eine Vertretung der Firma L. habe bei den notariellen Vertragsschlüssen in Skopje am 18. und aufgrund erteilter Einzelvollmachten durch Rechtsanwalt T. stattgefunden, und andererseits festgestellt hat, dass dieser Rechtsanwalt ein beratendes Mandat ausschließlich für den Angeklagten und R. und später für die Bauträgergesellschaft LI. wahrgenommen hat (UA S. 83, 251). Die beschriebene allgemeine Vertretung der L. durch Rechtsanwalt T. (UA S. 256) stellt lediglich eine missverständliche Verallgemeinerung des Vertretungsumfangs dar, die indes im Zusammenhang mit den dort beschriebenen Voraussetzungen für eine Eintragung einer Hypothek sachlich ohne Aussagegehalt gewesen ist. Die Erwähnung der Vertretungsverhältnisse ist nicht im Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlichen Vertretung erfolgt, sondern es standen lediglich die der Bauträgergesellschaft LI. obliegenden Nachweise über den Zahlungsfluss von L. an diese Gesellschaft und deren Weiterreichung an den Notar in Frage.
Basdorf Raum Brause
Schneider Bellay
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 2068 Nr. 28
wistra 2010 S. 188 Nr. 5
MAAAD-38110