Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 3; TVG § 4; Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg § 3; Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg § 4; Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg § 5; Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg § 10
Instanzenzug: LAG Berlin-Brandenburg, 20 Sa 1218/07 vom ArbG Brandenburg - 2 Ca 53/07 - Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer sogenannten nichtdynamischen Zulage in Höhe von 33,43 Euro brutto monatlich für die Zeit von August 2006 bis Januar 2007 aus dem Änderungstarifvertrag Nr. 1 zu dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Krankenhäuser - (TVöD-BT-K), der zum in Kraft getreten ist (1. ÄndTV).
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte war jedenfalls bis zum Sommer 2006 Vollmitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes B (KAV), der wiederum Mitglied der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) ist.
Die VKA verhandelte am und am mit der Gewerkschaft ver.di über einen Tarifvertrag für die in Krankenhäusern beschäftigten Arbeitnehmer auf Grundlage des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD). Am verständigten sich die Verhandlungspartner auf "Eckpunkte für krankenhausspezifische Regelungen" (Eckpunkte). Der Tarifvertrag sollte nach den Eckpunkten am in Kraft treten.
Das Präsidium des KAV fasste in einer außerordentlichen Sitzung am folgenden Beschluss:
"1. Mitglieder des KAV B ohne Tarifbindung (Gastmitglieder gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung) haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie Vollmitglieder, in den Organen jedoch nur Gaststatus ohne aktives und passives Wahlrecht. Sie sind nicht an die vom KAV B oder der VKA für tarifgebundene Arbeitgeber abgeschlossenen Tarifverträge gebunden und daher weder verpflichtet, die Verbandstarifverträge einzuhalten noch auf den Abschluss eigener Tarifverträge zu verzichten. Sie haben das Recht vom Verband in Tarifauseinandersetzungen mit den Gewerkschaften vertreten zu werden. Der Präsidiumsbeschluss vom wird aufgehoben.
2. Sofern ein kommunales Krankenhaus bis Ende August 2006 den Erwerb der Gastmitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung (OT-Mitgliedschaft) beantragt, liegt ein wichtiger Grund vor, der es am Erwerb der Mitgliedschaft mit Tarifbindung hindert. Die Zustimmung des Präsidiums zur OT-Mitgliedschaft gilt in diesem Fall als erteilt.
3. Sofern ein kommunales Krankenhaus bis Ende August 2006 die sofortige einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft gemäß § 4 Abs. 1 Buchst. d der Satzung (Auflösungsvereinbarung) beantragt und zugleich unwiderruflich den Erwerb der Gastmitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung (OT-Mitgliedschaft) beantragt, ist die sofortige Beendigung der Mitgliedschaft zu vereinbaren."
Unter Bezugnahme auf diesen Präsidiumsbeschluss beantragte die Beklagte mit Schreiben vom "die sofortige einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft gem. § 4 Abs. 1 Buchst. d der Satzung (Auflösungsvereinbarung)" und beantragte "zugleich unwiderruflich den Erwerb der Gastmitgliedschaft gem. § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung (OT-Mitgliedschaft)." Mit Schreiben vom gleichen Tag übersandte der KAV eine Auflösungsvereinbarung zur Mitgliedschaft und bestätigte der Beklagten, dass sie "ab als Mitglied ohne Tarifbindung (Gastmitglied gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Verbandssatzung) geführt" werde. Die Satzung des KAV regelt die Gastmitgliedschaft wie folgt:
"§ 3 Erwerb der Mitgliedschaft, Gastmitgliedschaft
(1) Verbandsmitglieder können sein:
...
(4) Andere juristische Personen, die nicht die Anforderungen an die Mitgliedschaft gemäß Absatz 1 erfüllen, können die Gastmitgliedschaft im Verband erwerben, wenn sie ein begründetes Interesse nachweisen. Gastmitglieder haben die gleichen Rechte wie ordentliche Mitglieder (§ 5), jedoch kein Stimm- und Mitwirkungsrecht in den Organen des Verbandes und kein Recht auf rechtliche Beratung und gerichtliche Vertretung. Die Gastmitgliedschaft begründet keine Tarifbindung. ... Juristische Personen, die die Anforderungen an die Mitgliedschaft gemäß Absatz 1 erfüllen, können nur ausnahmsweise die Gastmitgliedschaft erwerben, wenn wichtige Gründe sie am Erwerb der Mitgliedschaft hindern. Über das Vorliegen wichtiger Gründe gemäß Satz 6 entscheidet das Präsidium.
...
§ 5 Rechte der Verbandsmitglieder
Jedes Verbandsmitglied hat im Interesse aller Verbandsmitglieder das Recht,
a) in allen tarif-, arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten beraten zu werden,
b) die Hilfe des Verbandes bei tarif-, arbeits- und sozialrechtlichen Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften in Anspruch zu nehmen,
c) vor den Arbeitsgerichten nach Maßgabe der von der Hauptversammlung hierzu erlassenen Richtlinien vertreten zu werden,
d) die Dienstleistungen und Einrichtungen des Verbandes nach Maßgabe der Satzung und der Beschlüsse der Verbandsorgane in Anspruch zu nehmen,
e) entsprechend der Verbandssatzung in den Organen des Verbandes mitzuwirken und sich an Beratungen und Entscheidungen zu beteiligen."
Das Eckpunktepapier vom wurde in der Folgezeit in den 1. ÄndTV zum TVöD-BT-K umgesetzt, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im März 2007 unterzeichnet worden ist und in § 52 Abs. 2 einen Anspruch auf die streitgegenständliche nichtdynamische Zulage einräumt.
Die Klägerin hat mit ihrer am zugestellten Klage diese Zulage in Höhe von 33,43 Euro brutto monatlich für die Monate August 2006 bis Januar 2007, insgesamt also 200,58 Euro verlangt. Der 1. ÄndTV gelte im Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Eckpunkte noch tarifgebundenes Mitglied im KAV gewesen sei. Eine Gastmitgliedschaft sei zudem nicht wirksam begründet worden. Jedenfalls sei der kurzfristige Statuswechsel der Beklagten nach dem verbindlichen Abschluss der Verhandlungsergebnisse und während der laufenden Redaktionsverhandlungen wegen fehlender Transparenz für die vertragsschließende Gewerkschaft tarifrechtlich unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 200,58 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe ihre Mitgliedschaft mit Tarifbindung rechtzeitig beendet und eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung begründet, bevor es zum Abschluss des 1. ÄndTV gekommen sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen werden. Da es für eine abschließende Entscheidung an Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Die Revision ist allerdings nicht bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagte im Sinne der § 547 Nr. 4 ZPO, § 72 Abs. 5 ArbGG in der Berufungsinstanz nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre. Dieser absolute Revisionsgrund dient dem Schutz der nicht ordnungsgemäß vertretenen Partei, wie sich ohne weiteres aus dem Umstand ergibt, eine fehlerbehaftete Prozessführung zu genehmigen. Die Beklagte, die in der Berufungsinstanz durch den KAV vertreten war, während sie in der Revisionsinstanz durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, hat indes stets den vom Landesarbeitsgericht gut nachvollziehbar geteilten Rechtsstandpunkt eingenommen, ordnungsgemäß vertreten zu sein. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin hierzu in der Revisionsinstanz überhaupt als eine Rüge nach § 547 Nr. 4 ZPO zu verstehen ist; die Klägerin ist insoweit nicht rügebefugt.
II. Die Revision der Klägerin hat indes Erfolg, weil mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entschieden werden kann, ob der tarifgebundenen Klägerin aufgrund tarifrechtlicher Bindung der Beklagten an den 1. ÄndTV die nichtdynamische Zulage für den Streitzeitraum zusteht. Der kurzfristige Wechsel der Beklagten in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung bedurfte zu seiner tarifrechtlichen Wirksamkeit der Transparenz für die ebenfalls am Tarifabschluss beteiligte Gewerkschaft. Hierbei handelt es sich um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt, zu welchem den Parteien Gelegenheit gegeben werden muss, ergänzend vorzutragen.
1. Eine normative Bindung der Beklagten an den TVöD-BT-K folgt nicht aus deren ordentlicher Mitgliedschaft im KAV bei Abschluss der Eckpunkte am . Bei dem schriftlich niedergelegten Verhandlungsergebnis handelt es sich nicht bereits um einen Tarifvertrag, der kraft beiderseitiger Tarifbindung normativ für das Arbeitsverhältnis der Parteien wirken könnte. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist nicht ersichtlich, dass die Eckpunkte von hierzu bevollmächtigten Vertretern der Tarifvertragsparteien unterzeichnet wurden. Darüber hinaus sollten nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien mit dem erzielten Verhandlungsergebnis noch keine Rechtsnormen geschaffen werden. Das verdeutlichen die nachfolgend geschlossenen eigenständigen Tarifverträge. Erst diese sollten - ua. durch den ÄndTV-BT-K - das erzielte Verhandlungsergebnis tarifrechtlich umsetzen.
Ob es sich bei den Eckpunkten um einen Vorvertrag handelte, kann dahinstehen. Ein solcher würde lediglich einen Anspruch auf Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags begründen ( - Rn. 37, BAGE 119, 1, 14; - 4 AZR 305/82 - BAGE 39, 346, 348). Eine unmittelbare Tarifbindung der Beklagten an einen im Anschluss an einen solchen Vorvertrag abgeschlossenen Tarifvertrag würde durch einen Vorvertrag nicht begründet.
2. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Tarifbindung nicht aus einer unwirksamen Begründung einer Gastmitgliedschaft der Beklagten im KAV folgen würde. Die Beklagte hat bereits vor dem Abschluss des ÄndTV-BT-K vereinsrechtlich wirksam ihre die Tarifgebundenheit vermittelnde Mitgliedschaft im KAV beendet und eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung begründet.
a) Die Beklagte konnte nach § 4 Abs. 1e der Satzung ihre Mitgliedschaft im KAV durch einvernehmliche Auflösungsvereinbarung beenden. Anders als bei einem Austritt, der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Satzung nur unter Wahrung einer sechsmonatigen Frist zum Ende des Geschäftsjahres erfolgen kann, ist für die zweiseitige Auflösungsvereinbarung eine Frist nicht vorgesehen. Zu einer solchen Regelung ist der KAV kraft der ihm gewährleisteten Satzungsautonomie befugt (ausf. - Rn. 46 mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95; s. auch - Rn. 30).
b) Die Beklagte hat eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung begründet.
aa) Dabei hat der Senat nicht zu entscheiden, ob sich die Klägerin darauf berufen könnte, die Voraussetzungen für den Erwerb einer Gastmitgliedschaft nach § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung hätten nicht vorgelegen, oder ob diese Regelung nur dem gemeinsamen Verbandsinteresse an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche und nicht dem Schutz Dritter dienen, so dass bei einem Verstoß allenfalls die Rechte der anderen Verbandsmitglieder berührt würden (vgl. - Rn. 56, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Auch wenn nach dem Verbandsaustritt eine Gastmitgliedschaft der Beklagten im KAV nicht satzungsgemäß wirksam begründet worden wäre, könnte die Klägerin daraus für eine Tarifbindung der Beklagten und damit für ihr Klageziel nichts herleiten (vgl. nur - zu 3 der Gründe, BAGE 12, 285, 290).
bb) Der nach § 3 Abs. 4 Satz 3 der Satzung vorgesehene Ausschluss der Tarifbindung für Gastmitglieder ist wirksam.
(1) Eine Gastmitgliedschaft führt nicht zu einer vereinsrechtlichen Mitgliedschaft iSd. § 3 Abs. 1 TVG, wenn dem Gastmitglied nach der Satzung die mit der Mitgliedschaft verbundenen wesentlichen Rechte nicht in einem Mindestmaß eingeräumt werden. Hierzu gehören insbesondere das Stimmrecht sowie das aktive und passive Wahlrecht in den Vereinsorganen ( - zu II 2 f bb der Gründe, BAGE 103, 9, 14; - 10 AZR 299/04 - zu II 2 b bb der Gründe mwN, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 15; - 6 AZR 236/84 - zu 4 der Gründe, BAGE 51, 163, 167; - 1 AZR 167/61 - zu 2 der Gründe, BAGE 12, 285, 289).
(2) Danach sind die Gastmitglieder des KAV keine Mitglieder im vereinsrechtlichen Sinn, weshalb für sie auch in der Satzung ein Ausschluss der Tarifbindung vorgesehen werden konnte.
Den Gastmitgliedern steht nach § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung kein Stimm- und Mitwirkungsrecht in den Organen des Verbandes zu. Zu diesen Organen zählen sowohl die Verbands- als auch die Gruppenorgane iSd. § 10 der Satzung. Das folgt aus § 5 Buchst. e der Satzung, der das Beteiligungsrecht der Vereinsmitglieder "in den Organen des Verbandes" regelt, sowie aus § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung. Mit der Formulierung, dass die Gruppenausschüsse als Organe der Verbandsgruppen nach § 10 Abs. 2 der Satzung Empfehlungen ua. an "andere Organe des Verbandes" geben können, wird deutlich, dass die Gruppenausschüsse zu den Organen des Verbandes zählen. Zudem ist es den Gastmitgliedern durch den Ausschluss des Mitwirkungsrechts verwehrt, Ämter zu übernehmen. Darüber hinaus sind sie von den in § 5 Buchst. a und c der Satzung festgelegten Rechten der Verbandsmitglieder auf rechtliche Beratung und gerichtliche Vertretung ausgeschlossen. Ihr Status beschränkt sich darauf, gegen Zahlung des pauschalierten Jahresbeitrags für Gastmitglieder Leistungen des KAV nach § 5 Buchst. b und d der Satzung in Anspruch zu nehmen. Ob der Ausschluss der Mitwirkungsrechte auch das Recht zur Teilnahme an den Beratungen in der Mitglieder- oder den Gruppenversammlungen entsprechend § 5 Buchst. e der Satzung umfasst, kann dahinstehen. Ein Teilnahme- und Mitberatungsrecht zählt weder zu den wesentlichen Mitgliedschaftsrechten noch begründet es einen unmittelbaren Einfluss auf Vereinsentscheidungen (ebenso zum Beratungsrecht bei einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung - Rn. 39 mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95; - 4 AZR 179/08 - Rn. 24).
3. Eine Tarifbindung der Beklagten folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der ÄndTV-BT-K rückwirkend zum in Kraft getreten ist, als sie noch ordentliches Mitglied im KAV war. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages gelten nur dann unmittelbar und zwingend in einem Arbeitsverhältnis, wenn beide Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind. Die Legitimation zur Normsetzung durch Mitgliedschaft muss im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages bestehen (st. Rspr., etwa - Rn. 23 mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Das ist vorliegend durch den im Monat August 2006 vollzogenen Wechsel in eine Gastmitgliedschaft nicht der Fall.
4. Die Beklagte kann aber nach § 3 Abs. 1 TVG an den 1. ÄndTV zum TVöD-BT-K gebunden sein, wenn die Beendigung ihrer ordentlichen Mitgliedschaft im KAV trotz satzungsmäßiger Zulässigkeit und sich daraus ergebender vereinsrechtlicher Wirksamkeit tarifrechtlich nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG als eine die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede unwirksam ist, weil der Wechsel nach Beginn der Tarifverhandlungen, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erfolgte und für die an der Verhandlung beteiligte Gewerkschaft vor dem endgültigen Tarifabschluss nicht erkennbar war.
a) Sowohl ein kurzfristiger vereinsrechtlich wirksamer Austritt aus dem Arbeitgeberverband als auch ein kurzfristiger Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbandes von der Vollmitgliedschaft in eine (Gast-)Mitgliedschaft ohne Tarifbindung bedürfen, wenn sie während laufender Tarifverhandlungen erfolgen, zu ihrer tarifrechtlichen Wirksamkeit der Transparenz im Verhältnis zu den an der Verhandlung beteiligten Gewerkschaften. Unterbleibt eine solche Offenlegung, bleibt der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an den Tarifvertrag gebunden, der Gegenstand der Tarifverhandlungen war.
aa) Während laufender Tarifverhandlungen stellt die vereinsrechtlich wirksame einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Anbetracht der genannten konkreten Umstände eine Beeinträchtigung der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit - zu der auch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gehört - dar, so dass sie tarifrechtlich wegen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB unwirksam ist (ausf. - Rn. 57 ff., 72, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95; vgl. auch - Rn. 41 ff., AP GG Art. 9 Nr. 134 = EzA GG Art. 9 Nr. 94 m. zust. Anm. Brecht-Heitzmann). Hieran hält der Senat auch in Anbetracht der zwischenzeitlich geäußerten Kritik (Willemsen/Mehrens NJW 2009, 1916, 1918; Bauer/Haußmann RdA 2009, 99, 104 ff.; kritisch auch Hensche NZA 2009, 815, 819) fest.
bb) Durch die tarifrechtliche Unwirksamkeit der kurzfristigen Beendigung der Tarifgebundenheit wird nicht unmittelbar in die negative Koalitionsfreiheit eingegriffen.
Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet als individuelles Freiheitsrecht das Recht des Einzelnen, eine Koalition zu gründen, einer Koalition beizutreten, ihr fernzubleiben oder aus ihr auszutreten, sowie das Recht, durch koalitionsgemäße Betätigung die in der Verfassungsvorschrift genannten Zwecke zu verfolgen. Elemente der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit sind demnach insbesondere die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens (ausf. - Rn. 38 mwN). Die Freiheit, sich einer anderen als der vertragsschließenden oder keiner Koalition anzuschließen, wird durch die Rechtsprechung des Senats nicht beeinträchtigt. Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft werden nicht ausgeübt. Die negative Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers kann also nicht unmittelbar (so aber Bauer/Hausmann RdA 2009, 99, 104), sondern allenfalls mittelbar dadurch betroffen sein, dass er sich von der die Tarifbindung vermittelnden Mitgliedschaft zum Verband gelöst hat, die von diesem danach geschlossenen Tarifverträge, für die die Tarifverhandlungen aber bereits begonnen hatten, gleichwohl für ihn unmittelbar und zwingend gelten. Die Senatsrechtsprechung bleibt jedoch schon dann ohne tarifrechtliche Wirkung und lässt eine solche mittelbare Beeinträchtigung gar nicht erst entstehen, wenn der Arbeitgeberverband oder der Arbeitgeber selbst (dazu - Rn. 67, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95; dies übersehen Bauer/Haußmann RdA 2009, 99, 105, wenn sie kritisieren, nach der Rechtsprechung des Senats treffe die Informationspflicht den Verband, während die Tarifgeltung den Arbeitgeber erfasse) die Gewerkschaft rechtzeitig über die kurzfristige Beendigung der Verbandsvollmitgliedschaft und damit der Tarifgebundenheit in Kenntnis setzt. So hat es auch der betreffende Arbeitgeber selbst mit in der Hand, durch Erfüllung der Informationsobliegenheit eine Tarifbindung zu vermeiden. Dieser Obliegenheit steht ein in besonderer Weise schützenswertes berechtigtes Interesse nicht entgegen ( - Rn. 70, aaO.). Sie ist zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gerechtfertigt.
cc) Das Erfordernis der Transparenz eines Statuswechsels während Tarifverhandlungen dient der Verhinderung konkreter Störungen der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie auch unter dem Gesichtspunkt der für die Tarifverhandlungen erforderlichen grundlegenden Verfahrensregelungen (ausf. - Rn. 64, 68, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Diese Funktion wird übersehen, wenn in der Kritik an dieser Senatsrechtsprechung vorgeschlagen wird, die Möglichkeit einer nachfolgenden Anfechtung des Tarifvertrages nach § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft des Arbeitgeberverbandes (so Bauer/Haußmann RdA 2009, 99, 105) oder die Option, die Gewerkschaft könne den Abschluss des unter die aufschiebende Bedingung der Information über den Mitgliederbestand verbunden mit einem Widerrufsrecht stellen (Willemsen/Mehrens NJW 2009, 1916, 1918), sei ausreichend. Solche nachträglichen Handlungsmöglichkeiten betreffen nicht den entscheidenden Moment der Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie.
Die verhandelnde Gewerkschaft soll im Rahmen der laufenden Tarifvertragsverhandlungen überprüfen und entscheiden können, ob sich durch den Statuswechsel die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifvertragsabschluss wesentlich geändert haben (ausf. - Rn. 66, aaO.). Es sind bereits die konkreten Umstände des Statuswechsels eines Verbandsmitgliedes nach Beginn der Tarifvertragsverhandlungen und vor Abschluss des Tarifvertrages, die zur Störung der Funktionsfähigkeit grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie führen (ausf. - Rn. 62 ff., aaO.). Dies ist der maßgebende Bezugspunkt zur Bestimmung der sich hieraus ergebenden Rechtsfolge - die tarifrechtliche Unwirksamkeit des Statuswechsels hinsichtlich derjenigen Tarifverträge, die während des Wechsels verhandelt wurden ( - Rn. 72, aaO.).
b) Das Erfordernis der Transparenz betrifft nicht nur den Zeitraum der Tarifverhandlungen. Sie ist auch dann erforderlich, wenn der Wechsel nach einer Verständigung der Tarifvertragsparteien, aber vor dem endgültigen Abschluss des Tarifvertrages erfolgt. Auch in einer solchen Situation kann eine Störung der Tarifautonomie dadurch erfolgen, dass diejenigen Arbeitgeber, die vertreten durch den Verband an den Tarifverhandlungen teilnehmen, nicht mit denjenigen übereinstimmen, die nach Tarifabschluss an diesen gebunden sind ( - Rn. 65, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Während der betreffende Arbeitgeber nicht nur zu Beginn der Verhandlungen und bei der Festlegung von Tarifzielen und möglichen Kampfformen, sondern auch noch bei der Verständigung über das Verhandlungsergebnis voll verantwortlich mitentscheiden kann, entzieht er sich mit dem nachfolgenden Wechsel in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung der Wirkung der von ihm mitgestalteten Tarifergebnisse (dazu bereits - Rn. 65, aaO.; für eine gesonderte Betrachtung des kurzfristigen Wechsels im Falle eines paraphierten Verhandlungsergebnisses auch Bauer/Haußmann RdA 2009, 99, 104).
c) Die genannten Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei den vereinbarten Eckpunkten bereits um einen schuldrechtlichen Vorvertrag auf Abschluss des ÄndTV-BT-K handeln würde.
aa) Ob ein bindender Vorvertrag auf Abschluss eines Tarifvertrages bereits durch die Eckpunkte vorliegt, muss vorliegend nicht entschieden werden. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom (- 4 AZR 381/05 - Rn. 57, BAGE 119, 1, 20) ausdrücklich offengelassen, ob ein Vorvertrag über den Abschluss eines genau bestimmten Tarifvertrags aufgrund dessen normativer Wirkung nicht gleichfalls der Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG bedarf, die für die Eckpunkte vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt wurde. Auch kann offenbleiben, ob die in den Eckpunkten festgehaltene Einigung hinreichend klar bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (dazu - Rn. 43 mwN, BAGE 119, 1,16), weil es etwa für die vorgesehene Jahressonderzahlung an der Vereinbarung einer Bemessungsgrundlage fehlt.
bb) Für die tarifrechtliche Wirksamkeit des kurzfristigen Statuswechsels der Beklagten ist es auch bei Vorliegen eines Vorvertrages auf Abschluss eines Tarifvertrages erforderlich, dass der Austritt für die Gewerkschaft rechtzeitig vor dem endgültigen Tarifabschluss transparent ist. Die vertragliche Bindung der tarifschließenden Gewerkschaft führt nicht dazu, dass die Mitteilungsobliegenheit entfällt. Die Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch einen kurzfristigen Wechsel in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung kann nicht nur während laufender Tarifverhandlungen, sondern auch nach einer Verständigung über das Verhandlungsergebnis, aber vor dem endgültigen Abschluss des Tarifvertrages erfolgen.
(1) Allein ein zwischen den Tarifvertragsparteien geschlossener Vorvertrag führt nicht dazu, dass die zwischen seinem und dem endgültigen Tarifabschluss erfolgte kurzfristige Beendigung der Tarifbindung einzelner Mitglieder tarifrechtlich unwirksam ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert nicht die generelle Beschränkung von kurzfristigen Beendigungen von Mitgliedschaften mit Tarifbindung (ausf. - Rn. 45, AP GG Art. 9 Nr. 134 = EzA GG Art. 9 Nr. 94).
(2) Dem steht nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien im Falle eines bereits geschlossenen Vorvertrages verpflichtet sind, einen entsprechenden Tarifvertrag abzuschließen. Wird die Gewerkschaft über kurzfristige Veränderungen der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nach Abschluss eines Vorvertrages informiert, obliegt es ihr zu entscheiden, ob sie an dem Vorvertrag festhält oder ob sie sich in Anbetracht der Änderungen auf eine Störung der Geschäftsgrundlage entsprechend den in § 313 BGB festgelegten Grundsätzen beruft, um eine etwaige Anpassung des Vorvertrags an die geänderte Situation oder einen Rücktritt vom Vorvertrag zu erreichen. Das grundsätzliche Vertrauen der Gewerkschaft, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbandes sind, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden, bildet aus ihrer Sicht als Verhandlungspartner die Geschäftsgrundlage des Ergebnisses der Tarifverhandlungen ( - Rn. 45, AP GG Art. 9 Nr. 134 = EzA GG Art. 9 Nr. 94). Erhält sie erst nach Abschluss des Vorvertrages von einem kurzfristigen Wechsel Kenntnis, ist es aufgrund der Tarifautonomie ihre Sache, als Verhandlungspartner zu überprüfen und zu entscheiden, ob sich durch den Statuswechsel die Rahmenbedingungen für den vereinbarten Abschluss wesentlich geändert haben. Eine gerichtliche Überprüfung, ob die als solche feststehende Änderung tatsächlich wesentlich ist, ist mit der Tarifautonomie unvereinbar (so auch zur Vereinbarkeit von Warnstreiks mit dem ultima-ratio-Prinzip und der Frage, ob alle Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind - zu A I 3 b der Gründe, BAGE 58, 364, 380).
d) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatten sich die Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt der Begründung der Gastmitgliedschaft der Beklagten bereits über die in den Eckpunkten niedergelegten Verhandlungsergebnisse verständigt, sodass eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Betracht kommt. Ob der Austritt der Beklagten aus dem KAV für die Gewerkschaft ver.di vor dem endgültigen Tarifabschluss transparent war, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Soweit die Revision anführt, dies sei mangels Mitteilung an die Gewerkschaft nicht der Fall gewesen, handelt es sich um einen neuen, zwischen den Parteien streitigen Vortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ebenso wenig zu berücksichtigen ist, wie der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat streitig gebliebene entscheidungserhebliche Vortrag der Beklagten, es gebe ein Schreiben des KAV an die tarifschließende Gewerkschaft zu Händen von deren Landesbezirksleiterin vom , in dem auf den sofortigen Austritt ua. der Beklagten aus dem KAV hingewiesen worden sei.
III. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht entsprechend den vorstehenden Ausführungen und unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast (dazu - Rn. 73 mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95) aufzuklären haben, ob, aufgrund welcher Umstände und wann die Gewerkschaft ver.di Kenntnis von dem Wechsel der Beklagten von einem tarifgebundenen Verbandsmitglied in den Status eines Gastmitgliedes ohne Tarifbindung hatte. Dabei kann ggf. auch der Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses aufzuklären sein. In diesem Zusammenhang kann weiter von Bedeutung sein, ob die Gewerkschaft zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat, zu dem sie noch in der Lage war, auf den Statuswechsel der Beklagten zu reagieren. Hiervon kann ggf. dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Gewerkschaft ver.di bereits einen bindenden Antrag auf Abschluss des ÄndTV-BT-K abgegeben hatte, was nach ihrer Unterzeichnung der endgültigen Tariffassung anzunehmen wäre.
Fundstelle(n):
CAAAD-37244