Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: TVG § 3 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 71 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 2; ArbGG § 67 Abs. 4; Lohnabkommen (vom ) zum Lohnrahmenabkommen Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen NRW § 5 Nr. 1 S. 1
Instanzenzug: LAG Hamm, 8 Sa 1136/07 vom ArbG Bocholt - 3 Ca 330/06 - Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Vergütungsansprüche.
Der Kläger ist seit Dezember 1978 als Lagerist und zuletzt als kaufmännischer Angestellter im Großhandelsunternehmen der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28,75 Stunden beschäftigt. Er erhält anteilig Entgelt nach der Gehaltsgruppe V - nach dem vierten Jahr der Tätigkeit in der Gruppe - des Gehaltsrahmenabkommens Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen NRW, zuletzt 2121,34 Euro brutto und zusätzlich eine als "Freiw. AT-Zulage" ausgewiesene Leistung von 65,61 Euro monatlich. Der Kläger ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).
Die Beklagte war ursprünglich im Unternehmens- und Arbeitgeberverband Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen W e.V. (Arbeitgeberverband) Vollmitglied. Bei diesem war zunächst die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) nicht vorgesehen. Sie wurde auf der Mitgliederversammlung des Verbandes am satzungsändernd beschlossen. Die Satzungsänderung wurde am notariell beurkundet und am in das Vereinsregister eingetragen.
Mit Schreiben vom beantragte die Beklagte beim Arbeitgeberverband die Aufnahme in die OT-Mitgliedschaft rückwirkend zum . Mit Schreiben vom bestätigte dieser die OT-Mitgliedschaft der Beklagten ab dem .
Zwischen der Tarifgemeinschaft Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen NRW, zu der auch der Arbeitgeberverband gehört, und der Gewerkschaft ver.di wurden das Lohnabkommen vom (Lohnabkommen 2005) und das Gehaltsabkommen vom (Gehaltsabkommen 2005) geschlossen. Beide wurden ausdrücklich für die in der Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Verbände, die namentlich in den Abkommen aufgeführt sind, geschlossen und traten - soweit hier von Bedeutung - am in Kraft. Darin wurde der "tarifliche Mindestlohn" bzw. das "tarifliche Monatsmindestgehalt" (jeweils § 2 der Abkommen) ab um jeweils 0,5 % angehoben. Nach § 4 des Lohnabkommens 2005 und nach § 5 des Gehaltsabkommens 2005 erhalten alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer für September 2005 bis April 2006 einen monatlichen Festbetrag in Höhe von je 32,50 Euro, insgesamt 260,00 Euro, fällig mit dem Monatsentgelt August 2005. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten den Festbetrag anteilig entsprechend ihrer vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage den tariflichen Festbetrag von - entsprechend seiner Teilzeitbeschäftigung - insgesamt 193,83 Euro sowie für die Monate September bis Dezember 2005 den Unterschiedsbetrag von 10,61 Euro brutto/Monat zwischen dem Tarifgehalt der Gehaltsgruppe V nach dem Gehaltsabkommen 2005 und dem zuvor geltenden Tarifgehalt, so dass sich seine Zahlungsforderung insgesamt auf 236,27 Euro brutto nebst Zinsen beläuft.
Er hat die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde das Gehaltsabkommen 2005 Anwendung, da es noch während der Tarifgebundenheit der Beklagten in Kraft getretenen sei. Die Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister besitze konstitutive Wirkung und eine Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt des satzungsändernden Beschlusses oder seiner notariellen Beurkundung scheide aus Rechtsgründen aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 236,27 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei ab als OT-Mitglied nicht mehr tarifgebunden. Aus diesem Grund finde das Gehaltsabkommen vom auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Spätestens am sei rückwirkend zum die Lossagung der Beklagten von der Tarifbindung rechtswirksam geworden. Jedenfalls habe dem Arbeitgeberverband mit Rücksicht auf die bereits beschlossene Satzungsänderung die Rechtsvollmacht gefehlt, den Tarifvertrag auch mit Wirkung gegenüber den OT-Mitgliedern abzuschließen. Außerdem sei in der Erklärung der Beklagten vom zum Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft in einem ersten Schritt der Austritt aus dem Arbeitgeberverband und in einem zweiten Schritt der Verbandsbeitritt als OT-Mitglied enthalten. Sollte die Begründung der OT-Mitgliedschaft unwirksam gewesen sein, verbleibe es jedenfalls bei dem wirksamen Verbandsaustritt. Zumindest sei der Wechsel zur OT-Mitgliedschaft vor der erst mit Fälligkeitszeitpunkt für den wirksam werdenden Tariflohnerhöhung erfolgt. Schließlich fehle es bei Annahme der Tarifgeltung an den Voraussetzungen für das Wirksamwerden einer Tariflohnerhöhung nach § 6 des Gehaltsabkommens 2005.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision des Kläger ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft erst nach Inkrafttreten des Tarifvertrags wirksam geworden und damit nicht geeignet sei, die bereits eingetretene Tarifgebundenheit zu beseitigen. Der erst am vorgenommenen, konstitutiv wirkenden Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister komme keine rückwirkende Bedeutung zu. Angesichts des ausdrücklich von den Tarifvertragsparteien bestimmten Zeitpunkts des Inkrafttretens des Tarifvertrags am sei für die Tarifbindung ohne Bedeutung, dass die Erhöhung des Tarifentgelts erst ab dem Monat September erfolge. Aus dem verbandsinternen - zunächst noch ohne satzungsgemäße Grundlage - vereinbarten Statuswechsel zur OT-Mitgliedschaft folge auch keine Beschränkung der Rechtsmacht des Verbands, einen Tarifvertrag für sämtliche Verbandsmitglieder abzuschließen. Soweit § 5 des Lohnabkommens 2005 - gemeint ist § 6 des Gehaltsabkommens 2005 - die Gewährung einer Lohnerhöhung daran binde, dass die arbeitsvertragliche Gesamtvergütung - mit Ausnahme von Leistungszulagen - den künftigen Tariflohn nicht überschreite, sei diese Regelung von der Regelungsmacht der Tarifparteien zur Schaffung von Mindestarbeitsbedingungen nicht gedeckt und führe darüber hinaus zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der betroffenen Arbeitnehmer. Gleichwohl könne der Kläger nicht die Zahlung der mit der Klage geltend gemachten Beträge verlangen, da die Beklagte nicht verpflichtet sei, die Tariflohnerhöhung sowie die tarifliche Einmalzahlung zusätzlich zu der weiter gewährten AT-Zulage zu zahlen. Auf eine besondere Anrechnungserklärung komme es nicht an.
II. Die hiergegen gerichtete zulässige Revision des Klägers ist erfolgreich, denn die Klage ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Gehaltsabkommen 2005 für den Groß- und Außenhandel NRW Anwendung. Daraus hat der Kläger Anspruch auf Zahlung des tariflichen Festbetrags von - entsprechend seiner Teilzeitbeschäftigung - insgesamt 193,83 Euro sowie auf Zahlung des begehrten Differenzbetrags für die Monate September bis Dezember 2005 von jeweils 10,61 Euro brutto, so dass sich insgesamt ein Zahlungsanspruch von 236,27 Euro brutto nebst Zinsen ergibt.
1. Das Gehaltsabkommen 2005 gilt gemäß § 4 Abs. 1 TVG für die Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend. Die tarifrechtliche Wirksamkeit eines Wechsels der Beklagten von der Verbandsvollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft scheitert bereits daran, dass die vereins- und satzungsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen hierfür fehlen.
a) Der Kläger war in dem Zeitraum, für den er Rechte aus dem Gehaltsabkommen 2005 in Anspruch nimmt, nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
b) Die Beklagte war im Zeitpunkt des Abschlusses des Gehaltsabkommens 2005 am Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband und ist damit an dieses Gehaltsabkommen gebunden. Die Satzung des Arbeitgeberverbands sah bei Abschluss des Gehaltsabkommens noch nicht wirksam die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft vor, so dass die Beklagte eine solche Mitgliedschaft durch ihre Erklärung vom auch nicht begründen konnte. Diese Erklärung kann zudem nicht dahingehend ausgelegt oder gar umgedeutet werden, dass die Beklagte vorübergehend oder gänzlich aus dem Verband ausgetreten ist.
aa) Im maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Gehaltsabkommens 2005 am war die Beklagte noch nicht wirksam von der bisherigen Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft des Arbeitgeberverbandes gewechselt.
(1) Maßgebend für die Feststellung der Tarifgebundenheit ist der Zeitpunkt der wirksamen und verbindlichen Tarifvereinbarung ( - Rn. 26, BAGE 124, 123), also der Zeitpunkt des Abschlusses des Gehaltsabkommens 2005 am . Demnach steht der Tarifgebundenheit der Beklagten entgegen ihrer Auffassung von vornherein nicht entgegen, dass die Tariferhöhung aus diesem Gehaltsabkommen erst zum fällig geworden ist.
(2) Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses am war die Beklagte noch nicht in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt. Der Arbeitgeberverband hat die Möglichkeit, in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung zu wechseln, wirksam erst mit Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister am eingeführt. Bei Abschluss des Gehaltsabkommens 2005 mangelte es dem Verband an einer wirksamen satzungsmäßigen Grundlage für eine OT-Mitgliedschaft. Ohne eine solche Grundlage konnte die Beklagte nicht wirksam von der bisherigen Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft wechseln.
(a) § 3 Abs. 1 TVG bestimmt, dass die Mitglieder der tarifschließenden Verbände an einen Tarifvertrag, den der Verband schließt, gebunden sind. Zur Tarifgebundenheit bedarf es keiner ausdrücklichen Unterwerfungserklärung der Verbandsmitglieder. Hierfür genügt der Verbandsbeitritt. Darin kommt der Wille zum Ausdruck, an die vom Verband geschlossenen Tarifverträge als dessen Mitglied gebunden zu sein. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie gründet sich entscheidend auf diese mitgliedschaftliche Legitimation (vgl. - mwN, BAGE 119, 103).
(b) Arbeitgeberverbände sind aufgrund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG verliehenen Satzungsautonomie (, 533/77, 419/78 - und - 1 BvL 21/78 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290, 367) grundsätzlich befugt, in ihren Satzungen eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vorzusehen. Eine solche Regelung widerspricht im Grundsatz weder einfachem Recht noch Verfassungsrecht ( - BAGE 119, 103; - 4 AZR 419/07 - Rn. 26, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95).
(c) Die Begründung einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband setzt aber voraus, dass es für diese Mitgliedschaftsform zu dem Zeitpunkt, in dem ein bisheriges Vollmitglied eine OT-Mitgliedschaft begründen will, eine wirksame satzungsmäßige Grundlage gibt. Das erfordert, dass eine dahin gehende Satzungsänderung bereits in das Vereinsregister eingetragen ist, wobei die Eintragung nicht auf den Tag der Beschlussfassung zurückwirkt. Erst dann, wenn ein Arbeitgeberverband in seiner Satzung die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne die Folge der Tarifgebundenheit wirksam vorsieht, sind die Mitglieder, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, keine Mitglieder iSv. § 3 Abs. 1 TVG.
(aa) Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB bedürfen Änderungen der Satzung, für die zunächst ein Beschluss der Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 iVm. § 33 BGB) oder eines nach § 40 BGB zuständigen Organs erforderlich ist, zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut wirkt diese Eintragung konstitutiv (vgl. Bamberger/Roth/Schwarz/Schöpflin BGB 2. Aufl. § 71 Rn. 1; MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 71 Rn. 1); erst mit ihr wird die Satzungsänderung integrierter Bestandteil der Satzung (vgl. - BGHZ 55, 381). Eine zwar beschlossene, aber nicht in das Vereinsregister eingetragene Satzungsänderung ist sowohl für das Verhältnis des Vereins zu Dritten wie für das interne Vereinsleben ohne Wirkung ( - BGHZ 23, 122).
(bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten wirkt die Eintragung einer Satzungsänderung in das Vereinsregister nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung hierüber zurück. Auch der Hinweis darauf, eine noch nicht eingetragene Satzungsänderung könne praktiziert werden, die Auffassung, Beschlüsse eines Vereins stünden unter der aufschiebenden Bedingung der des Wirksamwerdens der Satzungsänderung durch Eintragung in das Vereinsregister sowie die Behauptung, zumindest im Innenverhältnis des Verbandes sei eine Satzungsänderung mit Rückwirkung zulässig, verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
Dem steht bereits die konstitutive Wirkung der Eintragung von Satzungsänderungen in das Vereinsregister entgegen. Zudem erzeugt die vorliegende Satzungsänderung über die Einführung einer OT-Mitgliedschaft wegen ihres Einflusses auf die Tarifgebundenheit der Verbandsmitglieder nach § 3 Abs. 1, Abs. 3 TVG und ihrer damit verbundenen Einwirkung auf den Umfang der Normsetzungsbefugnis beider Tarifvertragsparteien eine derartige Wirkung nach außen, dass hierin nicht rückwirkend eingegriffen werden kann (dazu auch - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3 Nr. 20).
Die Beklagte kann sich für ihren Rechtsstandpunkt zur Rückwirkung auch nicht die auf die Entscheidung des stützen. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis dahinstehen lassen, ob die dortige Satzungsänderung mit der Eintragung im Vereinsregister rückwirkend wirksam wurde. Es hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Rückwirkung der Eintragung sich nicht mit ihrer vom Gesetz angeordneten konstitutiven Wirkung vereinbaren lasse ( - zu I 2 der Gründe, NJW-RR 1998, 966). Soweit es weiter angenommen hat, Beschlüsse des Vereins stünden in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Eintragung (OLG München zu I 2 der Gründe, aaO.), stützt das die Rechtsansicht der Beklagten nicht, weil damit nichts über eine Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ausgesagt wird.
(d) Die Beklagte konnte daher mangels wirksamer satzungsmäßiger Grundlage im Januar 2005 nicht sofort eine OT-Mitgliedschaft im Verband begründen. Erst mit der Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister als Wirksamkeitserfordernis am wurde der aufgrund der neuen Satzung beantragte und bestätigte Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft wirksam. Damit war die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gehaltsabkommens 2005 am noch tarifgebunden. Ihr späterer Wechsel in die OT-Mitgliedschaft führte dann nicht mehr zum Wegfall ihrer Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 3 TVG).
bb) Die mit Schreiben vom abgegebene Erklärung der Beklagten kann auch nicht als Verbandsaustritt vor Abschluss des Gehaltsabkommens bewertet werden.
Die Auffassung der Beklagten, der mit Schreiben vom beantragte Wechsel zwischen Verbandsmitgliedschaftsformen enthalte als ersten Rechtsakt einen vorübergehenden Verbandsaustritt und sei als solcher auch vom Arbeitgeberverband mit Schreiben vom angenommen worden, ist verfehlt. Die Beklagte spaltet nicht nur einen einheitlichen Lebensvorgang künstlich auf. Sie entnimmt ihrem Schreiben darüber hinaus einen Regelungswillen, der in seinen Rechtsfolgen (Austritt aus dem Verband statt bloßem Statuswechsel) weit über das hinausgeht, was in diesem Schreiben nicht zum Ausdruck kommt. Aus diesem Grund scheidet auch eine Umdeutung der Vereinbarung über den Statuswechsel in eine Vereinbarung über einen sofortigen Austritt aus, deren satzungsmäßige Wirksamkeitsvoraussetzungen die Beklagte im Übrigen auch nicht dargelegt hat.
c) Die Bindung beider Parteien an das Gehaltsabkommen 2005 lässt sich auch nicht mit dem Einwand der Revision in Frage stellen, der Arbeitgeberverband habe bei Abschluss des Gehaltsabkommens ohne Vollmacht der Beklagten gehandelt. Einer solchen individuellen Bevollmächtigung zum Tarifabschluss bedurfte es nicht. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gehaltsabkommens 2005 Vollmitglied des Arbeitgeberverbandes und unterlag als solches nach § 3 Abs. 1 TVG der Tarifbindung an diesen Tarifvertrag. Bei beiderseitiger Tarifgebundenheit folgt daraus nach § 4 Abs. 1 TVG die normative Wirkung im einzelnen Arbeitsverhältnis, die nicht zur Disposition einer Tarifvertragspartei oder von deren Mitgliedern steht (vgl. - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3 Nr. 20).
2. Den nach alledem auf das Gehaltsabkommen 2005 zu stützenden Klageforderungen steht entgegen der Auffassung der Beklagten § 6 Nr. 1 Satz 1 des Gehaltsabkommens 2005 nicht entgegen. Das hat das Landesarbeitsgericht - wenn auch im Hinblick auf den gleichlautenden § 5 des Lohnabkommens 2005 - im Ergebnis zutreffend erkannt. Abweichend von der Begründung des Landesarbeitsgerichts wird der hier begehrte Festbetrag bereits von § 6 Nr. 1 Satz 1 Gehaltsabkommen 2005 nicht erfasst. Im Übrigen ist - hinsichtlich des begehrten Differenzbetrags - dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis zuzustimmen, dass § 6 Nr. 1 Satz 1 Gehaltsabkommen 2005 keine Wirksamkeit entfaltet.
a) § 6 des Gehaltsabkommens 2005 lautet:
1. Aus Anlass des In-Kraft-Tretens dieses Gehaltsabkommens tritt eine Gehaltserhöhung nur für die Angestellten ein, die bisher einschließlich etwaiger Zulagen ein niedrigeres Gehalt erhielten als die in diesem Gehaltsabkommen vereinbarten Mindesttarifgehälter. Leistungszulagen bleiben davon unberührt. [...]
2. Durch das In-Kraft-Treten dieses Gehaltsabkommens werden rechtmäßig vereinbarte Gehälter, die über den neuen Mindesttarifgehältern liegen, nicht berührt. [...]"
b) Das Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, nach ihr solle die vereinbarte Tariferhöhung nicht sämtlichen Arbeitnehmern zustehen, sondern nur denjenigen, die die Voraussetzungen des § 5 des Lohnabkommens 2005 (bzw. § 6 Gehaltsabkommens 2005) erfüllten. Nur dann, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung hinter der Tarifvergütung zurückbleibe, könne letztere überhaupt beansprucht werden. Dieser Klausel zur Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen stünden Bedenken gegenüber, weil es den Tarifvertragsparteien nicht zustehe, den Bereich der außer- und übertariflichen Vertragsbedingungen zu regeln. Sie sei unwirksam, weil sie eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit willkürliche Ungleichbehandlung darstelle.
c) Es kann dahin stehen, ob dieses Verständnis von § 6 Nr. 1 Satz 1 des Gehaltsabkommens 2005 zutreffend ist. Jedenfalls erfasst die Norm bereits nach ihrem Anwendungsbereich nicht den monatlichen Festbetrag nach § 5 des Gehaltsabkommens 2005.
Der Wortlaut von § 6 Nr. 1 Satz 1 des Gehaltsabkommens 2005 stellt auf "die in diesem Gehaltsabkommen vereinbarten Mindesttarifgehälter" ab, die in § 2 des Gehaltsabkommens 2005 geregelt sind. Nur auf diese bezieht sich die Regelung. Damit sind die in § 5 des Gehaltsabkommens 2005 geregelten Festbeträge, die nicht zu den "Mindesttarifgehältern" nach § 2 des Gehaltsabkommens 2005 gehören, nicht erfasst. Zudem zeigt der Wortlaut durch Verwendung der Begriffe "Gehaltserhöhung" und "Zulagen" sowie durch den Bezug zu den "Mindesttarifgehältern", dass nur monatlich wiederkehrendes Entgelt unter die Regelung in § 6 Nr. 1 Satz 1 des Gehaltsabkommens 2005 fällt. Pauschalleistungen - wie hier die monatlichen Festbeträge -, sind keine Gehaltszahlungen in diesem Sinne und damit nicht erfasst. Auf sie besteht im Geltungsbereich des Gehaltsabkommens 2005 ein Anspruch, ohne dass es auf Inhalt und Wirksamkeit des § 6 Abs. 1 Gehaltsabkommens 2005 im Einzelnen ankommt.
d) Der Kläger hat neben dem Anspruch auf Zahlung des Festbetrags nach § 5 Gehaltsabkommen 2005 auch Anspruch auf das neue Tarifmindestgehalt nach § 2 Gehaltsabkommen 2005, woraus sich für ihn der begehrte monatliche Differenzbetrag für die Monate September bis Dezember 2005 von jeweils 10,61 Euro brutto ergibt. Auch dem steht § 6 Nr. 1 des Gehaltsabkommens 2005 nicht entgegen.
Es ist zweifelhaft, welches Regelungsziel die Tarifvertragsparteien mit § 6 Nr. 1 des Gehaltsabkommens 2005 verfolgen. Einer abschließenden Entscheidung insoweit bedarf es aber nicht, weil keine der denkbaren Auslegungsvarianten der hier behandelten Klageforderung entgegensteht.
aa) Nach dem Wortlaut der Bestimmung kommt zunächst das wohl auch vom Landesarbeitsgericht zu Grunde gelegte Verständnis der Bestimmung als besondere Geltungsbereichsregelung in Betracht. Die im Tarifvertrag vorgesehene Erhöhung des tariflichen Monatsmindestgehalts gilt nur für die Angestellten die bei Inkrafttreten des Gehaltsabkommens 2005 nach Maßgabe des § 6 Nr. 1 ein niedrigeres als das tarifliche Monatsmindestgehalt zu beanspruchen hatten. Versteht man die Klausel in diesem Sinne, was voraussetzt, dass man das Wort "Gehaltserhöhung" im ersten Halbsatz mit der Erhöhung des tariflichen Monatsmindestgehalts gleichsetzt, ist sie unwirksam. Sie verstößt gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist kein sachlich vertretbarer Grund erkennbar (zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab - Rn. 25 mwN, BAGE 120, 281, 287), das neue, für Tarifgebundene zwingend wirkende tarifliche Monatsmindestgehalt Arbeitnehmern nur deshalb vorzuenthalten, weil sie derzeit aufgrund privatautonomer Regelungen effektiv mehr als dieses Mindestgehalt verdienen, während anderen Arbeitnehmern dieses unabdingbare Mindestgehalt eingeräumt wird.
bb) Näher liegt ein Verständnis, das den Begriff der "Gehaltserhöhung" im ersten Halbsatz mit der Erhöhung des Effektivgehalts gleichsetzt, die Bestimmung also als sogenannte negative Effektivklausel begreift. Das bisher ausgezahlte Gehalt einschließlich etwaiger Zulagen - mit Ausnahme von Leistungszulagen - wird mit dem neu vereinbarten Tarifmindestgehalt verglichen; nur wenn letzteres höher ist, kommt es zu einer effektiven Gehaltserhöhung als "Mehr" an Auszahlung. Auf diese Weise werden Beträge, die bisher als außertarifliche Zulagen gezahlt wurden, in Höhe der Tarifgehaltserhöhung zu tariflich begründeten Entgeltbestandteilen. Auch in dieser Auslegungsvariante ist § 6 Nr. 1 Gehaltsabkommen 2005 unwirksam, was das Landesarbeitsgericht auch angesprochen hat. Die so verstandene Klausel verstößt zwar nicht unmittelbar gegen grundgesetzliche Gebote, aber gegen die dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu entnehmende Grenze der tariflichen Regelungsmacht: Die Tarifvertragsparteien dürfen nach § 4 Abs. 3 TVG grundsätzlich ihre Arbeitsbedingungen nicht gleichzeitig zu Höchst- und Mindestarbeitsbedingungen machen (vgl. - AP TVG § 4 Effektivklausel Nr. 5; Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 387 mwN). Der außertarifliche Bereich ist weder in die eine noch in die andere Richtung tarifierbar.
3. Entgegen der Auffassung des Landsarbeitsgerichts folgt aus alledem, dass die Klage begründet ist. Dass § 6 Nr. 1 Gehaltsabkommen 2005 unwirksam ist, ändert zwar nichts daran, dass die Beklagte im Rahmen der allgemeinen Regeln des Arbeitsvertrags- und des Betriebsverfassungsrechts (vgl. hierzu nur - BAGE 69, 134, 161 ff.; ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 419 ff. mwN) die Möglichkeit hat, Tarifentgelterhöhungen mit bis dahin gezahlten übertariflichen Gehaltsbestandteilen, insbesondere außertariflichen Zulagen, zu verrechnen, wenn dem nicht eine besondere Zweckbestimmung dieser Leistung entgegensteht. Insoweit bedarf es aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zumindest dann auch eines dahin gehenden Arbeitgeberverhaltens, wenn es um einen gesondert ausgewiesenen übertariflichen Entgeltbestandteil geht. Wer eine zusätzliche Leistung besonders kennzeichnet und als solche gewährt, muss gegenüber dem Begünstigten zum Ausdruck bringen, ob er von einer etwa bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen will, diese gesonderte Leistung nur noch in verringertem Umfang oder auch gar nicht mehr zu erbringen. Dies folgt auch aus der in der Mehrzahl erforderlichen Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, die an eine beabsichtigte Arbeitgebermaßnahme anknüpft. Der Senat sieht keinen Anlass, von der überkommenen Rechtsprechung in diesem Punkt (vgl. zB - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 85; - GS 2/90 - BAGE 69, 134, 139 ff.; - 1 AZR 405/90 - BAGE 71, 180, 185; unklar noch - BAGE 38, 118, 122) abzuweichen, zumal Anhaltspunkte für eine anderweitige Abrede (vgl. etwa - zu II 1 c der Gründe) nicht ersichtlich sind.
4. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
SAAAD-37243