Grundsatz der Neutralität; kein ermäßigter Steuersatz für Filmvorführungen mit Filmen pornographischen Inhalts
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7b, Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 3a, Richtlinie 77/388/EWG Anhang H
Instanzenzug:
Gründe
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Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
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1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) oder sind nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
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a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene, entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 1840, m.w.N.), oder wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat (vgl. z.B. , BFHE 213, 427, BStBl II 2006, 732). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist zu bejahen, wenn die nicht entfernte Möglichkeit besteht, dass in einem künftigen Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) einzuholen sein wird (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 37, m.w.N.).
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aa) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob die Versagung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) für Filmvorführungen, die nicht nach § 6 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) gekennzeichnet sind und nicht vor dem erstaufgeführt wurden, gegen Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) und damit gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße.
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Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
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Denn der BFH hat bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, für sämtliche Leistungen einer Kategorie oder eines Begriffs des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG denselben Steuersatz anzuwenden (vgl. , BFHE 213, 88, BStBl II 2006, 694). Er hat in erster Linie auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH Bezug genommen ( —Kommission/Frankreich—, Slg. 2001, I-3369, Randnrn. 23 ff., insbesondere 26 ff.; vom Rs. C-384/01 —Kommission/Frankreich—, Slg. 2003, I-4395, Randnr. 27, und vom , Rs. C-246/04 —Turn- und Sportunion Waldburg—, Slg. 2006, I-589, Randnrn. 35, 42). Ergänzend hat er die Auffassung der Generalanwältin in der Rs. C-453/02, C-462/02 —Linneweber— (Schlussanträge vom , Slg. 2005, I-1131, Randnr. 43) dargestellt, wonach ein Mitgliedstaat durch den Grundsatz der Neutralität nicht zu einer „Alles-oder-nichts-Lösung” gezwungen werden könne. Auch nach Auffassung der Europäischen Kommission seien die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, auf alle Leistungen einer Kategorie denselben Steuersatz anzuwenden.
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Soweit die Klägerin geltend macht, die Auffassung des BFH lasse sich aus den zitierten EuGH-Urteilen nicht ableiten, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ergibt sich aus ihnen zweifelsfrei, dass der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit, auf Waren und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, einen selektiven Gebrauch machen darf, soweit er dabei nicht gegen den Grundsatz der Neutralität verstößt.
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Das Vorabentscheidungsersuchen des BFH zur Steuerpflicht von sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz i.S. des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) führt zu einem anderen Ergebnis (, BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434). Denn die Zweifel des BFH an der Vereinbarkeit von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 2005 in der ab geltenden Fassung mit dem Gemeinschaftsrecht in diesem Beschluss beruhen darauf, dass Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL eine Steuerbefreiung anordnen und fraglich ist, ob der deutsche Gesetzgeber diese Bestimmung gemeinschaftsrechtskonform umgesetzt hat, wenn die in der nationalen Regelung enthaltene Einschränkung zu einem Überwiegen der steuerpflichtigen Umsätze führt (BFH-Beschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, Randnr. 38). Vergleichbares gilt für das Verhältnis der „gekennzeichneten” zu den nicht entsprechend „gekennzeichneten” Filmen in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG nicht.
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bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Frage, ob § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG in der bis zum geltenden Fassung gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt, nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie offensichtlich nur so beantwortet werden kann, wie das FG dies getan hat. Der Senat teilt dessen Auffassung, dass Filme, die nach § 6 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 JÖSchG gekennzeichnet sind, nicht vergleichbar sind mit Filmen, bei denen dies nicht der Fall ist, weil sie einen pornographischen oder gewaltverherrlichenden Inhalt haben. Wegen der fehlenden Vergleichbarkeit kann im Einklang mit der Auffassung des FG auch nicht angenommen werden, dass die Verbraucher wegen des höheren Mehrwertsteuersatzes von einem Besuch der Filmtheater der Rechtsvorgängerin der Klägerin, in denen Filme mit pornographischem Inhalt gezeigt wurden, Abstand genommen haben.
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b) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) rügt, ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
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Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich. In der Beschwerdeschrift ist insbesondere der geltend gemachte Verfassungsverstoß näher zu begründen. Dazu gehört eine fundierte Stellungnahme zu der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (vgl. , BFH/NV 2005, 1081).
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Im Streitfall hat die Klägerin innerhalb der Frist für die Beschwerdebegründung lediglich in allgemein gehaltener Form ausgeführt, es sei gleichheitswidrig, wenn die „Umsatzsteuerhöhe…—wie hier durch § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG— davon abhängig gemacht wird, in welchem Bundesland der steuerpflichtige Unternehmer sein Unternehmen betreibt”. Dies folge aus der Zuständigkeit der obersten Landesjugendbehörden, die in ihrer Entscheidung, ob sie einen Film nach § 6 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 JÖSchG „kennzeichnen”, nicht an die Prüfungsergebnisse der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) gebunden seien. Mit diesem Vorbringen behauptet die Klägerin eine möglicherweise unterschiedliche Verfahrensweise der jeweiligen obersten Landesjugendbehörden, ohne sich inhaltlich im Einzelnen mit der Rechtsprechung des BFH und des BVerfG zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG auseinanderzusetzen. Der lapidare Hinweis auf eine Entscheidung des BVerfG zur Rechtssetzungsgleichheit ( (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) genügt insoweit nicht. Der Hinweis auf den (BVerfGE 87, 209) ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist erfolgt und deshalb nicht zu berücksichtigen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 480 Nr. 3
KAAAD-37049