BVerwG Beschluss v. - 2 B 2.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: VGH Baden-Württemberg, VGH 4 S 1802/05 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein

Gründe

Dem Kläger war die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren, weil er glaubhaft gemacht hat, dass sein Prozessbevollmächtigter die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Verschulden versäumt hat.

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Der Kläger ist Ruhestandsbeamter und begehrt weitere Beihilfeleistungen auf der Grundlage eines Bemessungssatzes von 100% statt von 70%. Er war zunächst Angestellter und bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand Beamter im Dienst der Beklagten. Er bezieht eine Berufsunfähigkeitsrente und ist Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Rentner, wo er sich für eine Teilnahme am Kostenerstattungsverfahren entschieden hat. Die Rentenkasse trägt einen Teil seines Krankenversicherungsbeitrags. Das Klageverfahren blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat den niedrigeren Bemessungssatz für Beihilfeleistungen bei Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenkasse sowie den vom Kläger ebenfalls beanstandeten Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sach- und Dienstleistungen für rechtmäßig erachtet.

Der Kläger hält die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil er die Gruppe der in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten gegenüber den freiwillig gesetzlich oder privat krankenversicherten Beamten gleichheitswidrig sowie unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 und Art. 14 Abs. 1 GG benachteiligt sieht, wenn der Bemessungssatz für sie nicht 100%, sondern nur 70% beträgt, und wenn Sach- und Dienstleistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden. Er ist der Auffassung, Zuschüsse der Rentenversicherung zu den Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung stünden einer Erhöhung des Beihilfesatzes auf 100% nicht entgegen, weil die Rentenzahlungen auf den zuvor geleisteten Beiträgen des Versicherten beruhten und deshalb als Eigenleistungen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genössen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss ( BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.

Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb ausscheidet, weil es sich bei den Beihilfevorschriften um auslaufendes Recht handelt, das nur noch für eine Übergangszeit anzuwenden ist ( BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105 ff.> = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123). Denn die vom Kläger aufgeworfenen Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt sind bzw. auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ohne Weiteres beantwortet werden können.

1. Die Frage, ob der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass der in der gesetzlichen Krankenkasse Pflichtversicherte an Stelle der möglichen Dienst- oder Sachleistungen eine Kostenerstattung gewählt und erhalten hat (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 b, Nr. 8 BhV), gegen Art. 33 Abs. 5, Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, kann auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung ohne Weiteres beantwortet werden. Der Senat hat durch BVerwG 2 C 35.04 - (BVerwGE 125, 21 Rn. 32 ff. = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17, vgl. auch - ZBR 2008, 318) entschieden, es verletze das Recht der gesetzlich krankenversicherten Beamten auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass ihre Zuzahlungen, Kostenanteile sowie Aufwendungen für von der Krankenversorgung ausgeschlossene Arznei-, Hilfs- und Heilmittel gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 BhV von der Beihilfe ausgeschlossen seien. Die beihilferechtliche Schlechterstellung gegenüber den Beamten mit einer beihilfekonformen privaten Krankenversicherung sei Folge der bewussten Entscheidung des Beamten für die gesetzliche Krankenversicherung. Daher müssten Nachteile hingenommen werden, die sich aus den grundlegenden strukturellen Unterschieden der Sicherungssysteme "gesetzliche Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe des Dienstherrn" ergeben.

Der Senat hat weiter ausgeführt, die beiden Sicherungssysteme unterschieden sich im Hinblick auf die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe keine Entsprechung von Beitrags- und Leistungshöhe nach versicherungsmathematischen Grundsätzen. Die Leistungen seien einheitlich auf volle Absicherung für den Krankheitsfall angelegt. Die Beiträge würden solidarisch finanziert und richteten sich ausschließlich nach dem Einkommen des jeweiligen Versicherungspflichtigen, ohne die zu erbringenden Leistungen und das individuelle Risiko zu berücksichtigen.

Beamte könnten im Regelfall nicht an der gesetzlichen Krankenversicherung teilnehmen. Daher träfen sie die bei der Beihilfegewährung vorausgesetzte Eigenvorsorge zumeist durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung, die auf dem reinen Versicherungsprinzip beruhe. Hätten sie von der ihnen ausnahmsweise eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich gesetzlich zu versichern, so müssten sie sich an dieser Systementscheidung hinsichtlich der damit verbundenen Vor- und Nachteile festhalten lassen. So müssten sie in Kauf nehmen, dass krankheitsbedingte Aufwendungen nach den jeweiligen Systembedingungen nicht vollständig gedeckt würden. Auch die durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Fürsorgepflicht des Dienstherrn führe zu keinem anderen Ergebnis, weil Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger vorrangig seien und die nach Kostenerstattung verbliebene Belastung des Beamten den Wesenskern der Fürsorge nicht berühre. Entscheidend sei, dass die Amtsangemessenheit der Alimentation gewährleistet sei (vgl. auch BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <280 ff.> = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1 S. 3).

Diese rechtliche Beurteilung beansprucht auch für die aufgeworfene Frage einer Leistungseinschränkung Geltung, die Folge der Entscheidung des Beamten für das Kostenerstattungsverfahren im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Der Umstand, dass im Kostenerstattungsverfahren - anders als bei der bedarfsdeckenden Gewährung von Dienst- und Sachleistungen - Aufwendungen teilweise ungedeckt bleiben, beruht auf der Wahlentscheidung des Pflichtversicherten. Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, die finanziell nachteiligen Folgen dieser Entscheidung vollständig auszugleichen. Kosten, die im System der gesetzlichen Krankenkasse nach der Entscheidung des Gesetzgebers aus Gründen der Kostendämpfung und Eigenbeteiligung bei dem grundsätzlich anspruchsberechtigten Versicherten verbleiben, müssen durch das eigenständige System des Beihilferechts nicht in vollem Umfang aufgefangen werden (Urteil vom a.a.O.; für den Fall einer doppelten Berücksichtigung der Praxisgebühr bei gesetzlich krankenversicherten Beihilfeberechtigten ebenso BVerwG 2 B 56.07 - Buchholz 270 § 12 BhV Nr. 2).

2. Soweit der Kläger weiter für klärungsbedürftig hält, ob die Beschränkung des Bemessungssatzes auf 70% der nach Anrechnung der Kassenleistungen beihilfefähigen Aufwendungen für die in der gesetzlichen Krankenkasse Pflichtversicherten gegen Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, lässt sich auch diese Frage auf der Grundlage der zitierten Senatsrechtsprechung ohne Weiteres beantworten.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) in der Fassung vom (GMBl S. 429) beträgt der Bemessungssatz für Beihilfeleistungen bei Empfängern von Versorgungsbezügen 70%. Dieser Satz erhöht sich nach Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift bei freiwillig versicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Höhe nach gleichen Leistungsansprüchen wie Pflichtversicherte auf 100%. Damit werden die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse gedeckten beihilfefähigen Aufwendungen bei dieser Gruppe in voller Höhe durch Beihilfeleistungen ersetzt. Wenn allerdings der freiwillig Versicherte für den von ihm zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag "Zuschüsse, Arbeitgeberanteile oder dergleichen" in einer bestimmten Mindesthöhe erhält, verbleibt es nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BhV bei einem Bemessungssatz von 70%.

Dies ist am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Denn der für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte geltende Bemessungssatz von 100% beruht auf dem Umstand, dass diese Versicherten ihren Krankenversicherungsschutz vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren, während dies bei Pflichtversicherten, deren Krankenversicherungsbeiträge zu einem substanziellen Teil von dritter Seite - etwa von der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 249a SGB V) - übernommen wird, nicht der Fall ist.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG verneint. Zwar sind die mit Hilfe von Beitragsleistungen der Versicherten erworbenen Versichertenrenten und Rentenanwartschaften dem Schutz des Eigentumsgrundrechts unterstellt ( u.a. - BVerfGE 53, 257). Die Berücksichtigung der Ansprüche des Klägers aus der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich als Bestimmungsfaktor für die Beihilfebemessung berührt aber weder die Höhe noch den Bestand seiner Ansprüche gegenüber dem Rententräger oder der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. - BVerfGE 76, 256; BVerwG 2 C 18.88 - BVerwGE 81, 27). § 14 Abs. 4 Satz 1 BhV betrifft ausschließlich den Beihilfeanspruch des Klägers.

Soweit der Kläger im vorliegenden Beschwerdeverfahren bereits einen Revisionsantrag formuliert hat, ist dieser gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
SAAAD-37029