BFH Urteil v. - IX R 47/08

Prozesskosten als Werbungskosten abziehbar

Leitsatz

Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren.
Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit einer günstigeren Gestaltung des Finanzierungskonzepts hinsichtlich der Anschaffungskosten eines Vermietungsobjekts stehen, stellen abziehbare Werbungskosten dar, wenn die Finanzierungskosten (Darlehenszinsen) als Werbungskosten abziehbar sind.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten, erwarben im Jahr 1997 jeweils zur Hälfte eine Eigentumswohnung, aus deren Vermietung sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Zur Kaufpreisfinanzierung nahmen sie einen Kredit bei der Landesbank X (LB) auf. In der Folgezeit machten sie gegenüber der LB geltend, dass der Darlehensvertrag aufgrund eines Verstoßes gegen das Haustürwiderrufsgesetz und das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei. Sie beauftragten einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber der LB, dies im Jahr 2005 im Wege der Klage auf Rückzahlung der Darlehenszinsen und Freigabe sämtlicher Sicherheiten.

2

Die Kläger zahlten an den beauftragten Rechtsanwalt im Streitjahr Gebühren in Höhe von 9 361,65 €, welche sie in ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machten. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) nicht. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos.

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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1783), da alle mit dem Darlehen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar seien, wenn das Darlehen selbst durch die Einkünfteerzielung veranlasst sei. Unerheblich sei insoweit, dass die Kläger nicht nur die Rückzahlung der ihrer Meinung nach überhöhten Darlehenszinsen, sondern auch die Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Darlehensvertrags sowie die Freigabe der gewährten Sicherheiten verlangt hätten. Im Vordergrund des Klagebegehrens habe die Loslösung von den nach Meinung der Kläger überhöhten Darlehenszinsen gestanden.

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Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts rügt. Soweit das FG das Klagebegehren der Kläger im zivilgerichtlichen Verfahren dahin auslege, dass im Vordergrund die Loslösung von den überhöhten Darlehenszinsen gestanden habe, sei dem nicht zu folgen. Eine Loslösung von überhöhten Schuldzinsen geschehe mit der Geltendmachung eines niedrigeren Zinssatzes und nicht mit dem Antrag auf Schuldbefreiung. Der Antrag auf Befreiung von einer Schuld sei der Vermögensebene zuzurechnen. Das Klagebegehren habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Vermietungstätigkeit gehabt, sondern nur auf die Höhe der Einkünfte durch Wegfall der Schuldzinsen.

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Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zutreffend hat das FG die Anwaltskosten der Kläger als abziehbare Werbungskosten behandelt.

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1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (, BFHE 212, 45, BStBl II 2006, 258).

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2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Rechtsanwaltskosten der Kläger um abziehbare Werbungskosten.

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Die an die LB gezahlten —nach Meinung der Kläger überhöhten— Darlehenszinsen stellen Werbungskosten der Kläger dar. Das Vorgehen der Kläger gegen die LB diente einer aus der Sicht der Kläger günstigeren Gestaltung ihres Finanzierungskonzepts hinsichtlich der Anschaffungskosten des Vermietungsobjekts (vgl. zur Maßgeblichkeit des Gesamtkonzepts zur Finanzierung der Anschaffungskosten , BFHE 224, 351, BStBl II 2009, 459). Unabhängig davon, ob es den Klägern darum ging, nach Aufhebung der ursprünglichen Darlehensverträge solche mit besseren Konditionen abzuschließen, oder darum, einen günstigeren Vergleich mit der LB zu erreichen, sind die Rechtsanwaltskosten Bestandteil einer Neuausrichtung des Finanzierungskonzepts der Kläger. Danach stellen auch sie abziehbare Werbungskosten dar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 396 Nr. 3
EStB 2010 S. 100 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2010 S. 482
StBW 2010 S. 98 Nr. 3
KAAAD-35588