Keine Erledigung des Bescheids über eine Zwangsgeldfestsetzung durch Zahlung des Zwangsgelds
Gesetze: AO § 37 Abs. 2, AO § 328, AO § 335, MRK Art. 6
Instanzenzug:
Gründe
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) reichte für sein Unternehmen, das als Großbetrieb ständig der Betriebsprüfung unterliegt, die Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001 nicht ein. Mehrere Aufforderungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) zur Abgabe der ausstehenden Erklärungen, zuletzt mit Hinweis auf ein mögliches Zwangsgeldverfahren, blieben erfolglos. Der Kläger wandte ein, die Erklärungen könnten nicht abgegeben werden, weil aus den die Vorjahre betreffenden Betriebsprüfungen keine Abschlüsse vorhanden seien. Dem hielt das FA entgegen, dass dem Kläger bereits vor der ersten Mahnung ein Zwischenbericht mit angepassten Bilanzansätzen für die Jahre 1995 bis 1998 auf der Grundlage einer tatsächlichen Verständigung übersandt worden sei, so dass nichts mehr entgegenstehe, die Bilanzen 1999 ff. zu erstellen. Deshalb drohte das FA Zwangsgelder unter Fristsetzung für die Abgabe der Gewerbesteuererklärungen an. Zeitgleich forderte das FA den Kläger —ebenfalls unter Androhung von Zwangsgeldern— zur Abgabe der Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen 1999 bis 2001 auf.
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Gegen die Zwangsgeldandrohungen legte der Kläger Einsprüche ein, insbesondere weil er alle geforderten Vorauszahlungen geleistet habe und die letzte Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen sei. Nachdem die angeforderten Erklärungen sämtlich zu dem gesetzten Termin nicht vorlagen, setzte das FA die angedrohten Zwangsgelder fest. Auch dagegen legte der Kläger Einsprüche ein. Die Zwangsgelder wurden entrichtet und danach die Erklärungen eingereicht. Die Einsprüche gegen die Androhungen und Festsetzungen der Zwangsgelder wies das FA mit am gleichen Tag erlassenen Einspruchsentscheidungen zurück.
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Auf die Klage gegen die Androhung von Zwangsgeldern wegen Nichtabgabe der Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass wegen der fortlaufenden Betriebsprüfungen für keine Steuerart ein Grund zur Eile und zu Zwangsmaßnahmen bestanden habe, hob das Finanzgericht (FG) die Zwangsgeldandrohungen für die Jahre 2000 und 2001 wegen unangemessen kurz bemessener Frist für die Abgabe der Erklärungen auf. Hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes für das Jahr 1999 wies es die Klage unter Hinweis auf die nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur eingeschränkte Überprüfbarkeit der im pflichtgemäßen Ermessen des FA stehenden Androhung eines Zwangsgeldes ab.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die klageabweisende Entscheidung des FG macht der Kläger geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung, wegen Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Er hält die Zulässigkeit einer erstmaligen Ermessensausübung bzw. Nachholung von Ermessenserwägungen der Behörde nach Erledigung des Verwaltungsakts —durch Zahlung des Zwangsgeldes und Abgabe der geforderten Erklärung— für klärungsbedürftig und meint, das FG habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es nicht eruiert habe, ob das FA bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung Ermessenserwägungen angestellt habe.
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II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der gebotenen Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO jedenfalls unbegründet.
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1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) ist die Zulassung der Revision nur dann geboten, wenn die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in dem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sind.
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Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Frage nach der Zulässigkeit einer erstmaligen Ermessensausübung bzw. Nachholung von Ermessenserwägungen der Behörde in einer nach Erledigung des Verwaltungsakts ergangenen Einspruchsentscheidung könnte sich nur dann stellen, wenn sich die Androhung und Festsetzung eines Zwangsmittels nach § 328 der Abgabenordnung (AO) mit der Zahlung des Zwangsgeldes im Einspruchsverfahren erledigt hätte. Davon ist aber weder das FG noch das FA ausgegangen und auch der Kläger selbst streitet um die Aufhebung der Bescheide über die Zwangsgeldandrohung und –festsetzung und nicht —wie im Falle der Erledigung geboten— um die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Bescheide.
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Die Bescheide sind auch in der Tat nicht dadurch erledigt, dass die Zwangsgelder gezahlt sind. Denn sie sind der Rechtsgrund dafür, dass das FA die gezahlten Beträge behalten darf. Um etwa die Rückzahlung gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erreichen, müssen sie im Anfechtungsverfahren aufgehoben werden.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger der mit der Zwangsgeldandrohung und –festsetzung verbundenen Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärungen nach Zahlung des Zwangsgeldes nachgekommen ist. Denn dadurch hat sich nur das auf Erzwingung der Abgabe der Steuererklärungen gerichtete Vollstreckungsverfahren erledigt, der Vollzug der Zwangsgeldfestsetzung ist —sofern nicht schon eingetreten— gemäß § 335 AO einzustellen. Ist das Zwangsgeld in diesem Zeitpunkt schon bezahlt, so erhält es der Pflichtige regelmäßig nicht zurück (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 10. Aufl., § 335 Rz 1; Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 335 AO Rz 6). Das kann aber nicht bedeuten, dass ihm mit Hinweis auf die Erledigung der Zwangsgeldandrohung und –festsetzung Rechtsschutz versagt werden darf, wenn er ausnahmsweise ein Rechtsschutzinteresse darlegen kann, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des Zwangsmittels nicht erfüllt waren.
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2. Das FG hat auch keinen Verfahrensfehler begangen, indem es nicht aufgeklärt hat, ob das FA bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung Ermessenserwägungen angestellt hat. Der Verfahrensmangel einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) setzt voraus, dass nach der insoweit maßgebenden materiellen Rechtsauffassung des FG die nicht berücksichtigten Umstände entscheidungserheblich gewesen wären (, BFH/NV 2006, 1122). Dem Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, dass das FG der Frage, ob das FA sein Ermessen schon bei den Zwangsgeldandrohungen bzw. -festsetzungen oder erst —nach der vermeintlichen Erledigung dieser Verfügungen durch Zahlung der Zwangsgelder und Abgabe der geforderten Erklärungen— in der Einspruchsentscheidung betätigt hat, eine Bedeutung beigemessen hat.
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3. Allein der Vorhalt, dass das FG die vermeintlich fehlende Ermessensbetätigung des FA in den Zwangsgeldandrohungen bzw. -festsetzungen zu Unrecht unbeanstandet gelassen hat, rechtfertigt nicht die Revisionszulassung. Denn die Überprüfung einer Ermessensentscheidung des FA durch das FG (§ 102 FGO) ist Rechtsanwendung im Einzelfall (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom VII B 83/07, BFH/NV 2008, 737, m.w.N.).
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4. Der gerügte Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten scheitert schon daran, dass —wie schon das FG zutreffend ausgeführt hat— die Zwangsmittel der AO keine Strafe, sondern Beugemittel sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 385 Nr. 3
FAAAD-35179