BFH Beschluss v. - I B 48, 49/09

Beweiskraft der Zustellungsurkunde; Beginn der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde

Gesetze: FGO § 53 Abs. 2, FGO § 54, FGO § 56, FGO § 116 Abs. 3 Satz 1, ZPO § 180, ZPO § 187, ZPO § 222, ZPO § 418

Instanzenzug: 2 K 1722/07

Gründe

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Rechtsanwalt, hat für die Streitjahre 1996 und 1997 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben. Er wendet sich gegen die auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 der Abgabenordnung) beruhenden Einkommensteuerbescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) für die Streitjahre. Seine Klagen vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) blieben ohne Erfolg; das FG hat sie mit Urteilen vom 2 K 2772/06 (betreffend 1996) und 2 K 1722/07 (betreffend 1997) als unbegründet abgewiesen. Nach dem Inhalt der Zustellungsurkunde wurden beide Urteile am Samstag, den vom Postbediensteten in den zur Wohnung des Klägers gehörigen Briefkasten eingelegt, nachdem eine Übergabe nicht möglich war.

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Gegen die FG-Urteile richten sich die am (einem Montag) eingelegten und mit am Donnerstag, den per Telefax beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsätzen des Klägers begründeten Nichtzulassungsbeschwerden. Der Kläger ist der Auffassung, er habe die Frist zur Begründung der Beschwerden nicht versäumt; hilfsweise begehrt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

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Der Kläger beantragt, die Revision gegen die FG-Urteile zuzulassen.

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Das FA beantragt (sinngemäß), die Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig zu verwerfen.

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II. Die vom Senat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig und deshalb zu verwerfen. Der Kläger hat die gesetzliche Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht eingehalten.

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1. Die FG-Urteile wurden dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am Samstag, den durch Einlegung in seinen Briefkasten zugestellt (Ersatzzustellung gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 der ZivilprozessordnungZPO—). Die Behauptung des Klägers, am seinen Briefkasten selbst geleert und keine Zustellungsurkunden vorgefunden zu haben, kann die Beweiskraft der Zustellungsurkunden als öffentliche Urkunden i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 249/05, BFH/NV 2007, 1465; vom V E 1/09, juris) nicht erschüttern. Zwar ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Beweis der Unrichtigkeit der durch die Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zulässig. Dazu ist aber der volle Nachweis eines anderen Geschehensablaufs erforderlich. Die bloße Behauptung des Zustellungsadressaten, er habe die Sendung nicht erhalten, reicht zur Entkräftung nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1465). Im Übrigen wird die Behauptung des Klägers dadurch widerlegt, dass sich auf den mit den Beschwerdeschriftsätzen eingereichten Urteilskopien jeweils Eingangsstempel des Klägers mit dem Datum des befinden.

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Ohne Relevanz für die Wirksamkeit der Zustellung ist der vom Kläger bemängelte Umstand, dass sie nicht am frühen Morgen erfolgt sei. Anderes könnte nur gelten, wenn die Sendungen erst zu einem Zeitpunkt in den Briefkasten eingelegt worden wären, zu dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mehr mit der Zustellung von Postsendungen zu rechnen gewesen wäre. Dafür besteht hier indes kein Anhalt.

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2. Der Lauf der Beschwerdebegründungsfrist beginnt gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 ZPO, § 187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am auf die Zustellung folgenden Tag; im Streitfall begann er mithin am . Dass dieser Tag ein Sonntag war, spielt für den Fristbeginn keine Rolle (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 54 FGO Rz 13); denn die Bestimmung des § 222 Abs. 2 ZPO bezieht sich nur auf das Fristende.

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3. Mithin sind die Begründungsfristen nach Ablauf von zwei Monaten am Dienstag, den abgelaufen. Die erst am eingegangenen Beschwerdebegründungen des Klägers haben die gesetzliche Frist deshalb nicht gewahrt.

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4. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht stattgegeben werden. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO); die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

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Der Kläger hat nicht dargetan, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Zur Begründung des Antrags hat er ausgeführt, er hätte bei Kenntnis vom tatsächlichen Ablauf der Frist rechtzeitig Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung beantragt. Aus welchen Gründen der Kläger jedoch von einem unzutreffenden Fristablauf ausgegangen ist und warum diese Gründe ein Verschulden ausschließen könnten, ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen. Die fehlende Kenntnis der Regeln über den Fristbeginn ist bei einem berufsmäßigen Vertreter, auch wenn er in eigener Sache tätig wird, kein hinreichender Entschuldigungsgrund (, BFH/NV 1996, 358). Gleiches gilt für die behauptete Arbeitsüberlastung (Senatsbeschluss vom I B 99-101/03, BFH/NV 2004, 358).

Fundstelle(n):
TAAAD-35170