BGH Beschluss v. - IV ZR 69/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 286; BGB § 667

Instanzenzug: LG Hanau, 9 O 258/05 vom OLG Frankfurt am Main, 16 U 110/06 vom

Gründe

Die Beschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache. Die Verurteilung des Beklagten auf der Grundlage des vom Kläger behaupteten Darlehens (1.) beruht ebenso wie die hilfsweise angenommene Herausgabepflicht aus einem vom Beklagten behaupteten Spielauftrag (2.) auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG.

1.

Das Landgericht hatte sich nach Vernehmung der Zeugen K. und Frau C. , Einsichtnahme in Fotos und mehrfache Anhörung der Parteien nicht vom Abschluss eines Darlehensvertrages überzeugen können. Das Berufungsgericht ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und nach Anhörung der Parteien zu der Überzeugung gelangt, der dem Beklagten vom Kläger übergebene Geldbetrag sei als bis Weihnachten 2004 rückzahlbares Darlehen gewährt und nicht zur Durchführung eines Spielauftrags überlassen worden. Den Beweis der Darlehensabsprache hat es durch die erstinstanzliche Aussage des Zeugen K. als geführt angesehen.

a)

Dieses verfahrensrechtliche Vorgehen verstößt gegen § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und verletzt zugleich den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 253/05 - VersR 2006, 949 Tz. 1). Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht zu vom Landgericht abweichenden Tatsachenfeststellungen jedenfalls nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen K. und auch nicht ohne Vernehmung des vom Beklagten benannten Zeugen H. gelangen durfte.

aa)

Der Zeuge K. musste schon deshalb vom Berufungsgericht vernommen werden, weil das Landgericht von einer Würdigung seiner Aussage mangels Entscheidungserheblichkeit ganz abgesehen hatte. In einem solchen Fall ist das Berufungsgericht verpflichtet, den Zeugen selbst zu vernehmen (vgl. - NJW-RR 2000, 432 unter II 2 b). Das drängte sich hier insbesondere deshalb auf, weil aufgrund der vom Beklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Kellners H. und der Fotos der Hotellobby beachtliche Zweifel daran erkennbar waren, ob die vom Zeugen K. angegebene Entfernung zum Tisch des Klägers und des Beklagten stimmte und ob er wegen anderer Gäste und laufender Musik in der Lage war, den Gesprächsinhalt ausreichend wahrzunehmen.

bb)

Die Vernehmung des Zeugen H. hält das Berufungsgericht für überflüssig, weil er nach dem Inhalt seiner eidesstattlichen Versicherung lediglich habe mutmaßen können, der Zeuge K. habe das Gespräch gar nicht hören können. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 9/06 - VersR 2008, 659 Tz. 3 m.w.N.). Die Vernehmung des Zeugen H. hätte auch nicht deshalb abgelehnt werden dürfen, weil er nur in erster Instanz, nicht aber ausdrücklich in der Berufungserwiderung benannt war. Der Hinweis auf dessen eidesstattliche Versicherung genügte, um daraus konkludent den Antrag auf dessen Vernehmung ersehen zu können (vgl. zur konkludenten Bezugnahme BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 182/04 - NJW 2008, 1740 Tz. 11, 12 und vom - XII ZB 7/95 - NJW 1995, 2112 unter II 1 b). Der Beklagte durfte sich im Übrigen in seiner Berufungserwiderung auf die Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils beschränken (vgl. - NJW 2007, 2106 Tz. 43, 44 m.w.N.). Eine Regelung, die es dem Berufungsbeklagten auferlegte, erstinstanzliches Vorbringen zu wiederholen oder jedenfalls in Bezug zu nehmen, existiert nicht (BVerfG NJW 2000, 131).

b)

Das Landgericht hat die Abweisung des Darlehensrückzahlungsanspruchs maßgeblich auf Äußerungen des Klägers bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom gestützt. Es hatte aus diesen spontanen Angaben des Klägers, dem anschließenden Eingreifen seines Anwalts durch Zuschieben eines Zettels und der folgenden Erklärung des Klägers den festen Eindruck gewonnen, dieser habe das Geld dem Beklagten tatsächlich im Zusammenhang mit einem Spielauftrag überlassen. Das Berufungsgericht misst diesen Äußerungen des Klägers keine Bedeutung bei, weil er bei seiner persönlichen Befragung in der Berufungsverhandlung habe klarstellen können, dass folgende Sätze hypothetisch unter der Annahme eines Spielvertrages gestanden hätten: "Wenn der Beklagte mich gefragt hätte, wäre ich sicherlich mitgekommen. Es ging ja um mein Geld."

Auch das ist verfahrensrechtlich zu beanstanden und verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

aa)

Das Berufungsgericht nimmt den vom Landgericht mit Recht für bedeutsam gehaltenen vorangehenden Satz nicht zur Kenntnis: "Der Beklagte hat erklärt, dass ich nicht mitkommen solle, um nicht sein Spielsystem kennen zu lernen." Dieser Satz 1ässt für hypothetische Überlegungen oder konjunktivische Formulierungen im Sinne des Klägers schwerlich Raum. Es verstößt auch gegen § 286 ZPO, die sorgfältige, abgewogene und nachvollziehbare Würdigung des Landgerichts mit kurzen und inhaltsleeren formelhaften Wendungen beiseite zu schieben (vgl. zur ordnungsgemäßen Würdigung nach § 286 ZPO a.a.O.).

bb)

Schließlich hätte das Berufungsgericht von der auf die konkrete Verhandlungssituation abstellenden Würdigung des Landgerichts nicht ohne die vom Beklagten beantragte Vernehmung der Richterin und des Prozessbevollmächtigten des Beklagten abweichen dürfen.

2.

Dem auf einen Spielauftrag gestützten Hilfsvorbringen des Klägers hat das Landgericht nach Parteivernehmung des Beklagten den Erfolg versagt. Es hat sich davon überzeugt, dass er das Geld beim Spielen für den Kläger verloren hat. Demgegenüber bejaht das Berufungsgericht einen Herausgabeanspruch nach § 667 BGB, weil der Beklagte die Ausführung des Auftrags nicht bewiesen habe. Die Parteivernehmung sei unzulässig gewesen. An der Beweisbarkeit der Behauptungen des Beklagten fehle nicht nur das "Tüpfelchen auf dem i", vielmehr spreche im Gegenteil mehr für den Wahrheitsgehalt der Behauptung des Klägers.

Dieser Beurteilung ist schon wegen der vorstehenden Ausführungen unter 1. der Boden entzogen. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, dass das Berufungsgericht nicht mitteilt, welcher Behauptung des Klägers Wahrheitsgehalt beigemessen werde. Davon abgesehen ist die Würdigung des Berufungsgerichts für sich genommen verfahrensfehlerhaft und als Gehörsverstoß zu werten, weil es sich mit der ausführlichen Beweiswürdigung des Landgerichts und dem Vorbringen des Beklagten nicht auseinandergesetzt hat. Es geht insbesondere nicht darauf ein, dass bei einem Spielauftrag Beweismittel für den Verlust nach dem Vortrag des Beklagten grundsätzlich nicht vorhanden sind (vgl. zur Parteivernehmung in solchen Fällen - NJW 1990, 1721 unter I 1 b). Der Kläger behauptet auch nicht, wie von ihm zu beweisen wäre (vgl. - NJW-RR 2004, 927 unter II 1), dass die Sicherung von Beweismitteln Inhalt des Auftrags gewesen sei.

3.

Der Senat verweist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurück.

Fundstelle(n):
AAAAD-34858

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein