Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: VOB/B § 2 Nr. 5; ZPO § 263; BGB § 148; VOB/A § 19 Nr. 3
Instanzenzug: OLG Saarbrücken, 4 U 500/07 170 vom LG Saarbrücken, 11 O 142/06 vom
Tatbestand
Die Klägerin fordert als Auftragnehmerin von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Mehrvergütung nach einem verzögerten Vergabeverfahren.
Die Beklagte schrieb Anfang 2005 Arbeiten an einem Brückenbauwerk der Bundesautobahn A 6 bei S. aus. Die Leistungsbeschreibung enthielt u.a. die Vorgabe, dass "die Arbeiten im Frühjahr/Sommer 2005 ausgeführt werden". Am gab die Klägerin ein Angebot ab. Das Ende der Zuschlagsfrist war auf den bestimmt. Die Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mehrfach verlängert, zuletzt von der Klägerin mit Schreiben vom bis zum . Grund hierfür war nach Behauptung der Beklagten ein Beweissicherungsverfahren des Landeskriminalamtes, auf welches sie keinerlei Einfluss gehabt habe. Am wurde der Klägerin der Zuschlag für das Bauvorhaben zu einer Zuschlagssumme von 1.384.098,10 EUR erteilt.
Im Rahmen eines Einweisungs- bzw. technischen Gesprächs am wurde der Baubeginn auf den festgelegt. Noch im März 2006 reichte die Klägerin Nachtragsangebote über Zusatzkosten für eine Schutzwand sowie für die Entsorgung von Fräsgut ein, die die Beklagte mit Schreiben vom ablehnte. Am erteilte die Klägerin eine erste Abschlagsrechnung, welche unter der Position NA 1 Mehrkosten in Höhe von 3.888 EUR für eine transportable Schutzwand und unter der Position NA 3.3 Mehrkosten für die Entsorgung von Abdichtungen in Höhe von 14.334,78 EUR, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, enthielt. Nachdem die Beklagte diese Positionen nicht anerkannte und nicht ausglich, hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage diese Beträge nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.
Die Klägerin behauptet unter näherer Darlegung im Einzelnen, dass sich ihre angebotenen Einheitspreise zu den entsprechenden Positionen aufgrund der Verschiebung der Ausführungszeiten der Baumaßnahme unter Berücksichtigung der ihr entstandenen Mehrkosten um diese Beträge erhöht hätten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in NZBau 2008, 577 veröffentlicht ist, hält einen Anspruch der Klägerin durch Anpassung der angebotenen Einheitspreise für nicht gegeben. Die im Rahmen des Bietergesprächs hierzu ausgetauschten Erklärungen besäßen keinen Erklärungsinhalt im Sinne eines Anerkenntnisses der Beklagten für Mehrkosten. Auch könne eine Vertragsanpassung nicht durch eine rechtsanaloge Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B erfolgen. Die Verlängerung der Bindefrist besäße den rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt, dass sich der Bieter bis zum festgelegten Datum an sein Angebot halte. Er sage hiermit verbindlich zu, im Falle des fristgerechten Zuschlags die Arbeiten zu dem angebotenen Preis auch tatsächlich auszuführen. Könne er die Angebotspreise nicht halten, müsse er notfalls aus dem Vergabeverfahren ausscheiden.
Eine Vertragsanpassung könne allenfalls nach den Rechtsgrundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorgenommen werden. Soweit die Klägerin sich in der Berufungsinstanz hilfsweise ergänzend auch hierauf berufen habe, stelle dies eine unzulässige Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO dar. Dieser Klagegrund könne deshalb nicht sachlich beschieden werden; indes fülle der Sachvortrag der Klägerin darüberhinaus die Anspruchsgrundlage auch nicht aus.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte das Bauvorhaben mit einer Ausführungsfrist im Frühjahr/Sommer 2005 ausgeschrieben hatte. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Vorgabe des Leistungsverzeichnisses. Die Klägerin gab dementsprechend ein Angebot mit dieser Bauzeit ab.
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht stillschweigend mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass die erbetenen Zustimmungen zur Verlängerung der Zuschlagsfrist dahin zu verstehen sind, dass die Bieter und damit auch die Klägerin die Frist verlängern sollten, bis zu der sie sich an ihr Angebot gebunden halten wollten. Zu Unrecht misst das Berufungsgericht allerdings der Erklärung des Bieters zur Bindefristverlängerung den Inhalt bei, im Falle des fristgerechten Zuschlags die Arbeiten zu dem angebotenen Preis zu einem sich aus der Fristverlängerung ergebenden neuen, von der Ausschreibung abweichenden Termin auszuführen. Eine solche Auslegung berücksichtigt nicht hinreichend, dass Erklärungen zur Bindefristverlängerung regelmäßig so zu verstehen sind, dass sie im Einklang mit vergaberechtlichen Bestimmungen stehen. Dies hat der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils bereits entschieden und im Einzelnen begründet. Hierauf wird Bezug genommen (, BauR 2009, 1131 = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, Tz. 22 bis 27). Hiernach hat die einfache Bindefristverlängerung durch einen Bieter nur die Bedeutung, dass das ursprüngliche Vertragsangebot inhaltlich konserviert und die rechtsgeschäftliche Bindungsfrist an das Angebot gemäß § 148 BGB, zugleich Bindefrist nach § 19 Nr. 3 VOB/A, verlängert werden soll. Aussagen dazu, was vertraglich zu gelten hat, wenn die Ausführungsfristen der Ausschreibung und des Angebots nicht mehr eingehalten werden können, sind damit nicht verbunden. Insbesondere ändert der Bieter hiermit nicht sein Angebot hinsichtlich der Ausführungstermine ab.
3. Damit erweist sich auch die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, durch den Zuschlag der Beklagten sei der Vertrag mit einer an den verzögerten Zuschlag angepassten Ausführungszeit zu den alten Preisen zustande gekommen, als unzutreffend.
Vielmehr hat die Beklagte das vorliegende Angebot der Klägerin unverändert angenommen. Die Zuschlagserklärung hat keinen anderen Inhalt als bereits die Ausschreibung und das Angebot des Bieters, wenn nicht etwas anderes klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird (vgl. , a.a.O., Tz. 34 bis 41). Letzteres hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird im Revisionsverfahren auch nicht geltend gemacht.
Nach einem solchen Vertragsschluss kann es bei der vereinbarten Ausführungszeit nicht verbleiben. Sie ist aus tatsächlichen Gründen bereits gegenstandslos. Ein ersatzloser Wegfall entspricht jedoch nicht dem Willen der Parteien. Das Verhalten der Parteien ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen oder Termine und ihre Folgen auf die Vergütung jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollen (vgl. , a.a.O., Tz. 44, 49). Das ist hier teilweise geschehen, indem der Baubeginn einvernehmlich auf den festgelegt wurde. Zu den Folgen dieser Änderung auf die Vergütung haben die Parteien dagegen keine Einigung getroffen. Die durch diese fehlende Einigung entstandene Lücke des Vertrages ist durch ergänzende Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen ist (vgl. , a.a.O., Tz. 44, 46, 49).
4. Der zwischen den Parteien so zustande gekommene Vertrag enthält damit die Vereinbarung, dass die angebotenen Einheitspreise gelten, jedoch durch die eingetretene Verschiebung der Bauzeit Änderungen der Preise in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B in Betracht kommen. Haben sich die Parteien wie hier über neue Preise nicht geeinigt, kann der Auftragnehmer die erhöhte Vergütung unmittelbar einklagen (vgl. , BGHZ 50, 25, 39).
5. Inwieweit eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn die Klägerin Anlass für die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens gegeben hätte, kann dahinstehen. Anhaltspunkte dafür sind weder den Feststellungen des Berufungsgerichts zu entnehmen noch sind sie der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vorgetragen worden. Hat die Klägerin keinen Anlass für die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens gegeben, so ist dies dem Fall vergleichbar, in dem die Verzögerung durch ein Nachprüfungsverfahren eines übergangenen Bieters verursacht worden ist. Die Parteien hätten auch dann redlicherweise eine entsprechende Anpassungsmöglichkeit vereinbart.
III.
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Feststellungen dazu, ob und inwieweit die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Mehrvergütungsanspruchs vorliegen, fehlen bisher.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
MAAAD-34773
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein