Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BVG § 60 Abs 1
Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 6 VG 12/08 vom SG Köln, S 8 VG 507/06 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über den Beginn der dem Kläger zuerkannten Leistungen der Beschädigtenversorgung (Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage, Ausgleichsrente) nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am geborene Kläger ist das Kind von B. (Mutter) und Br. (Vater). Die unverheirateten Eltern bezogen kurz nach der Geburt des Klägers () eine gemeinsame Wohnung. Wegen erheblicher Spannungen in der Beziehung zum Vater zog die Mutter mit dem Kläger Anfang September 1998 wieder zurück zu ihrer Mutter in die elterliche Wohnung.
Als der Vater sie dort am besuchte und im Kinderzimmer allein mit dem Kläger war, legte er das damals drei Monate alte Kind in einen mitgebrachten, großen Müllsack, knotete diesen fest zu und versteckte ihn im Kinderwagen unter anderen Bettsachen. Dadurch erlitt der Kläger schwerste Schädigungen (insbesondere eine Cerebralparese).
Nachdem die Mutter die Polizei gerufen hatte, wurde der Vater noch am Tatort vorläufig festgenommen. Aufgrund eines Haftbefehls vom darauffolgenden Tag befand sich dieser seitdem in Haft. In der Hauptverhandlung des Schwurgerichts legte der Vater ein Geständnis ab. Er wurde am vom Landgericht K. wegen versuchten Totschlags zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Mutter, die nach der Tat des Vaters alleinige gesetzliche Vertreterin des Klägers war, wurde im Rahmen des Strafverfahrens auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach dem OEG hingewiesen. Sie machte davon jedoch keinen Gebrauch, weil sie finanzielle Nachteile für den Vater befürchtete.
Die Mutter hatte schon während der Untersuchungshaft wieder brieflich Kontakt zum Vater aufgenommen. Ab dem besuchte sie diesen regelmäßig in den Justizvollzugsanstalten. Sie wurde in der Folgezeit auch zum Langzeitbesuch (Zeitraum von drei Stunden unkontrolliert) zugelassen. Es kam im Gefängnis zu sexuellen Kontakten. Im Frühjahr 2000 verlobten sich die Mutter und der Vater des Klägers. Sie planten, nach der Haftentlassung wieder zusammen zu ziehen und später zu heiraten. Am wurde der Vater erstmals in die Wohnung der Mutter ausgeführt. Am beendete diese die Beziehung zum Vater endgültig.
Am beantragte die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Klägers - auf eindringliches Zureden der Versorgungsverwaltung - beim damaligen Versorgungsamt K. für diesen die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Zuvor hatte sie bereits am bei der Pflegekasse für den Kläger Pflegegeld beantragt, das ab bewilligt wurde. Außerdem hatte sie am beim damaligen Versorgungsamt K. erfolgreich die Feststellung des Grades der Behinderung des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht beantragt.
Mit Bescheid vom stellte das Versorgungsamt K. beim Kläger ua eine Cerebralparese als Folge einer Schädigung im Sinne des OEG fest und gewährte ihm ab Leistungen der Beschädigtenversorgung in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des BVG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH, im einzelnen Grundrente, Kleiderverschleißpauschale nach der Bewertungszahl 65, Pflegezulage der Stufe V und Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe VI.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, einen früheren Leistungsbeginn. Ihm könne die nicht rechtzeitige Antragstellung seiner Mutter nicht zugerechnet werden. Diese habe sich in einer Konfliktsituation zwischen ihm (dem geschädigten Kind) und dem Täter befunden. Diese Konfliktlage werde von der Rechtsordnung zB durch ein Zeugnisverweigerungsrecht geschützt, das hier spätestens seit der Verlobung mit dem Vater bestanden habe. Die Frist zur Antragstellung habe sich deshalb nach § 60 Abs 1 Satz 3 BVG verlängert. Die Bezirksregierung M. (Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt) wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Dagegen hat der Kläger am Klage erhoben.
Mit Bescheid vom gewährte das Versorgungsamt K. dem Kläger außerdem Ausgleichsrente ab .
Mit Wirkung zum sind die Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung durch Art 4 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (= Art 1 Zweites Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom , GVBl NRW 482, [Eingliederungsgesetz]) auf die Landschaftsverbände übertragen worden.
Auf entsprechenden Klageantrag hat das Sozialgericht Köln (SG) den nunmehr beklagten Landschaftsverband R. verurteilt, "unter Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes Köln vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom und des Bescheides vom dem Kläger auch für die Zeit von September 1998 bis August 2004 Beschädigtenversorgung nach dem OEG iVm den Vorschriften des BVG nach einem GdS um 100 vH zu gewähren" (Urteil vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21./).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom ). Es hat ausgeführt: Richtiger Beklagter sei seit dem der Landschaftsverband R.. Das SG habe diesen zu Recht verurteilt, dem Kläger "nach Maßgabe des § 60 Abs 1 Satz 2 BVG" Versorgung nach dem OEG iVm dem BVG bereits ab September 1998 zu zahlen. Dem im Zeitpunkt der Gewalttat erst drei Monate alten Kläger könne das pflichtwidrige Verhalten seiner allein sorgeberechtigten Mutter im Hinblick auf die verspätete Antragstellung nicht zugerechnet werden. Das SG habe die vom aufgestellten Grundsätze zu Recht auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen. Es habe richtigerweise darauf abgestellt, dass sich die Mutter in einer Konfliktsituation befunden habe. Bis zur Trennung vom Vater habe ein erheblicher täterbezogener Konflikt vorgelegen, in dem die Mutter das Interesse an der Aufrechterhaltung der Liebesbeziehung zum Vater über das Wohl des Klägers gestellt habe. Die Beziehungen seien jedenfalls ab Frühjahr 1999 wieder eng verflochten gewesen. Es liege damit genau die vom BSG angesprochene Situation vor, dass die Antragstellung nach dem OEG und der aus Sicht der Mutter zu erwartende Regress gegen den Vater zu einem Bruch oder einer erheblichen Belastung der Beziehung zu dem straffällig gewordenen Familienangehörigen habe führen können. Dem Kläger sei ein solches Versagen der allein sorgeberechtigten Mutter im Rahmen des § 60 Abs 1 BVG nicht als Verschulden zuzurechnen. Der Senat habe deshalb nicht mehr unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu prüfen gehabt, ob es sich der Krankenkasse im Jahre 1999, der Pflegekasse im Jahre 2000 oder insbesondere der Versorgungsverwaltung im September 2001 hätte aufdrängen müssen, die Mutter dazu anzuhalten, zu Gunsten des Klägers einen Antrag nach dem OEG zu stellen.
Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 60 Abs 1 BVG (iVm § 1 Abs 1 Satz 1 OEG). Nach § 60 Abs 1 Satz 3 BVG könnten Leistungen vor der Antragstellung im September 2004 nur gewährt werden, wenn eine unverschuldete Verhinderung, den Antrag zu stellen, angenommen werden könne. Der Kläger habe zwar als (sozialrechtlich) Handlungsunfähiger keinen Antrag stellen können. Ihm sei jedoch zuzurechnen, dass seine Mutter es als seine gesetzliche Vertreterin schuldhaft unterlassen habe, rechtzeitig einen Antrag nach dem OEG zu stellen. Bei der hier vorliegenden Konfliktsituation sei entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keine Ausnahme von dem Grundsatz der Zurechnung zu machen. Es habe kein tatbezogenes Motiv für die Mutter gegeben, keinen Versorgungsantrag zu stellen, denn der Täter sei unmittelbar nach der Tat verhaftet worden. In den ersten Monaten nach der Tat habe auch kein täterbezogener Hinderungsgrund bestanden, denn die Mutter habe sich kurz vor der Tat von dem Täter getrennt und sich diesem erst während der Haft wieder zugewandt. Auch nachdem sie im Strafverfahren auf die Möglichkeit der Antragstellung nach dem OEG hingewiesen worden sei, habe sie eine solche unterlassen, weil sie Nachteile für den Täter befürchtet habe. Diese Umstände reichten nicht aus, um eine Ausnahme von dem Grundsatz der Zurechnung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
das und das in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21./ aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 SGG).
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil des ist aufzuheben. Der Berufung des Beklagten ist insoweit stattzugeben, als in dem in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21./ über den Bescheid vom entschieden worden ist, denn dieser Bescheid ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Im Übrigen ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senats über einen früheren Leistungsbeginn nicht zu.
1. Gegenstand der Revision ist das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des LSG. Dieses hat die Entscheidung des SG bestätigt, das der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) des Klägers auf früheren Leistungsbeginn von Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage, Schwerbeschädigtenzulage und Ausgleichsrente stattgegeben hat, indem es den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes Köln vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom und des Bescheides vom " verurteilt hat, "dem Kläger auch für die Zeit von September 1998 bis August 2004 Beschädigtenversorgung nach dem OEG iVm den Vorschriften des BVG nach einem GdS um 100 vH zu gewähren".
Zu Unrecht haben die Vorinstanzen den nach Klageerhebung erlassenen Bescheid vom , in dem das damals zuständige Versorgungsamt Köln über die Ausgleichsrente entschieden hat, in das Verfahren einbezogen. Sie sind irrtümlich davon ausgegangen, dass dieser Verwaltungsakt nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand der am erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geworden ist. Nach dieser Vorschrift (in der vor dem geltenden Fassung) wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn er nach Klageerhebung den (angefochtenen) Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies ist hier nicht der Fall.
Gegenstand der am erhobene Anfechtungsklage ist die durch Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom erfolgte Ablehnung der Gewährung von Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage und Schwerstbeschädigtenzulage für die Zeit vor dem . Soweit der Kläger mit der Leistungsklage "Beschädigtenversorgung ab dem " geltend macht, ist dieses Begehren nach § 123 SGG dahingehend auszulegen, dass er alles zugesprochen haben möchte, was ihm auf Grund des Sachverhalts zusteht. In zulässiger Weise kann er jedoch nur genau bestimmte Leistungen einklagen, über die bereits eine mit der Klage angefochtene Verwaltungsentscheidung vorliegt, also Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage und Schwerstbeschädigtenzulage. Durch Bescheid vom hat das damals zuständige Versorgungsamt über eine weitere Leistung und deren Beginn entschieden und dem Kläger ebenfalls erst ab Ausgleichsrente gewährt. Damit hat es den angefochtenen Verwaltungsakt weder abgeändert noch ersetzt, denn der Regelungsgegenstand des neuen Verwaltungsakts ist nicht mit dem des früheren Verwaltungsakts identisch (vgl BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 19 f; BSGE 77, 279, 281 = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S 55; BSGE 78, 98, 100 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 36 f; BSGE 90, 143, 144 f = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 29 f). Dies kommt auch im Wortlaut des Bescheids zum Ausdruck ("im Anschluss an den Bescheid vom ergeht weiterer Bescheid").
Vorliegend sprechen auch keine Gründe der Prozessökonomie für eine weite Auslegung oder eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (dazu etwa BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 20; BSGE 78, 98, 101 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 36 ff; BSGE 90, 143, 145 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 29 f; BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 8; BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, jeweils RdNr 10 ff; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 14). Denn in Bezug auf den Bescheid über die Ausgleichsrente für einen jugendlichen Schwerbeschädigten müsste auf zusätzliche für den konkreten Anspruch rechtserhebliche tatsächliche Gesichtspunkte eingegangen werden. Gemäß § 34 Abs 2 Satz 1 BVG ist diese Leistung nämlich nur insoweit zu gewähren, als dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschädigten und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen gerechtfertigt ist. Die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse für den Zeitraum September 1998 bis August 2004, die hier die Vorinstanzen unterlassen haben, würde zu einer Komplizierung des Verfahrens führen, die dem Zweck des § 96 Abs 1 SGG, eine schnelle, erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis zu ermöglichen, widersprechen würde. Der Kläger erleidet dadurch auch keinen Rechtsnachteil, denn das damals zuständige Versorgungsamt K. hatte ihn in der Rechtsbehelfsbelehrung zutreffend darüber belehrt, dass gegen den Bescheid vom Widerspruch erhoben werden kann, den er auch fristgerecht eingelegt hat.
Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es zwar nicht aus, dass die Beteiligten den Bescheid vom im Wege der (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 SGG zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens gemacht haben. Aus den Akten ergeben sich jedoch weder Anhaltspunkte dafür, dass das SG insoweit eine Klageänderung für sachdienlich gehalten hat (§ 99 Abs 1 Nr 1 SGG), noch dass darin der Beklagte eingewilligt hat (§ 99 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGG). Zudem setzt eine Klageänderung grundsätzlich voraus, dass die neue Klage zulässig ist, also ein Vorverfahren durchgeführt worden ist (§ 78 SGG; vgl etwa BSG SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 14). Dies ist hier nicht der Fall.
Die fehlerhafte Einbeziehung eines neuen Verwaltungsakts hat das Revisionsgericht ohne Rüge von Amts wegen als Verfahrensfehler zu berücksichtigen (vgl etwa BSG SozR 3-1500 § 29 Nr 1 S 6; BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 6). Das hat hier zur Folge, dass die Urteile der Vorinstanzen schon aus diesem Grund insoweit aufzuheben sind, als darin über den Bescheid des Versorgungsamts Köln vom entschieden worden ist. Auf die Berufung des Beklagten ist deshalb insoweit das Urteil des SG in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.
2. Im Übrigen ist die Revision des Beklagten im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Ob das SG - bestätigt vom LSG - der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, soweit sich diese gegen die Ablehnung eines früheren Leistungsbeginns von Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage und Schwerstbeschädigtenzulage im Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom richtet, zu Unrecht stattgegeben hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Er lässt insoweit offen, ob der Urteilsausspruch des SG hinsichtlich aller streitigen Leistungen hinreichend bestimmt ist. Zwar ergibt sich entgegen der Auffassung von SG und LSG ein früherer Leistungsbeginn als ab (Beginn des Antragsmonats) nicht aus § 1 Abs 1 Satz 1 OEG iVm § 60 Abs 1 Satz 3 BVG. Ob der Kläger jedoch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als habe seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin den Antrag früher gestellt, kann nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts vom Senat nicht beurteilt werden.
a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass bereits während des Klageverfahrens ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, jeweils RdNr 13 f; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6 RdNr 13) stattgefunden hat und seit dem der beklagte Landschaftsverband passiert legitimiert ist, denn § 4 Abs 1 Eingliederungsgesetz hat die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung mit Wirkung zum auf die Landschaftsverbände übertragen. Wie der Senat bereits entschieden hat, verstößt diese Aufgabenübertragung nicht gegen höherrangiges Recht (vgl Urteile vom - B 9 V 3/07 R zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und - B 9 VS 1/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Urteil vom - B 9 VG 1/08 R -). Sie hat zur Folge, dass allein der im Lauf des Verfahrens zuständig gewordene Rechtsträger die vom Kläger beanspruchten Leistungen gewähren kann, sodass sich hier die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ab gegen den Landschaftsverband Rheinland zu richten hatte.
b) Ein Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrten Leistungen für die Zeit vor dem richtet sich nach § 1 OEG iVm den Vorschriften des BVG. Dass er am Opfer einer Gewalttat iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG geworden ist und dadurch eine bleibende gesundheitliche Schädigung erlitten hat, steht nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG außer Zweifel; die damalige Versorgungsverwaltung hat dem Kläger auch ab dem Beginn des Antragsmonats () Leistungen nach dem OEG iVm dem BVG zuerkannt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen lässt sich ein früherer Beginn der betreffenden Leistungen (Grundrente, Kleiderverschleißpauschale, Pflegezulage und Schwerstbeschädigtenzulage) nicht aus § 1 Abs 1 Satz 1 OEG iVm § 60 Abs 1 Satz 3 BVG herleiten; denn die Mutter des Klägers war als dessen gesetzliche Vertreterin nicht ohne Verschulden gehindert, vor Ablauf der Jahresfrist des § 60 Abs 1 Satz 2 BVG Antrag auf Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem OEG zu stellen.
Nach § 1 Abs 1 Satz 1 OEG iVm § 60 Abs 1 Satz 1 BVG beginnen auch bei Opfern von Gewalttaten die Leistungen der Beschädigtenversorgung im Grundsatz mit dem Antragsmonat, wenn die sonstigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausnahmsweise eröffnet § 60 Abs 1 Satz 2 BVG eine Rückwirkung, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird. Die Jahresfrist wird nach § 60 Abs 1 Satz 3 BVG wiederum um den Zeitraum verlängert, in dem eine unverschuldete Verhinderung der Antragstellung vorlag. Ihrer Wirkung nach ermöglicht die (verlängerte) Jahresfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Eintritt der Schädigung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind hier die Voraussetzungen des Verlängerungstatbestands des § 60 Abs 1 Satz 3 BVG nicht gegeben, denn der Kläger war nicht ohne Verschulden gehindert, bis zum Ablauf der Jahresfrist (beginnend mit dem Eintritt der Schädigung) Leistungen der Beschädigtenversorgung nach § 1 Abs 1 Satz 1 OEG iVm § 9, §§ 10 ff, §§ 29 ff BVG zu beantragen.
Ein eigenes Verschulden des Klägers scheidet allerdings schon deshalb aus, weil dieser als Kleinkind in der Zeit vom bis zum (also während der Jahresfrist des § 60 Abs 1 Satz 3 BVG) weder geschäftsfähig (§ 104 Nr 1 BGB) noch sozialrechtlich handlungsfähig (§ 36 Abs 1 SGB I) war und deshalb keine rechtswirksamen Willenserklärungen abgeben, mithin auch keinen Antrag nach dem OEG stellen konnte (zum Antrag als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung stellvertretend BSG SozR 3-1200 § 16 Nr 2 S 5; BSG SozR 4-1200 § 44 Nr 2 RdNr 23; B 9/9a VG 1/07 R - RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Der Kläger muss sich jedoch entsprechend der in § 27 Abs 1 Satz 2 SGB X getroffenen Regelung sowie den zu § 67 Abs 1 SGG von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ein Verschulden seiner Mutter als seiner gesetzlichen Vertreterin zurechnen lassen (vgl BSGE 59, 40, 41 f = SozR 3800 § 1 Nr 5 S 13; BSG SozR 3-3100 § 60 Nr 3 S 5; BSGE 94, 282 = SozR 4-3800 § 1 Nr 8, jeweils RdNr 6; B 9/9a VG 1/07 R -, RdNr 21, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zur Zurechnung des Verschuldens des gesetzlichen Vertreters auch § 51 Abs 2 ZPO). Danach liegt ein Verschulden nur dann nicht vor, wenn der Vertreter die nach den Umständen des Falles zu erwartende Sorgfalt beachtet hat. Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab. Es sind insbesondere der Geisteszustand, das Alter, der Bildungsgrad und die Geschäftsgewandtheit zu berücksichtigen. Rechtsunkenntnis schließt ein Verschulden allerdings nicht aus (vgl BSG SozR 3-3100 § 60 Nr 3 S 5).
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG war gesetzlicher Vertreter des Klägers allein seine Mutter (§§ 1626, 1629 BGB). Diese war entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht gehindert, bis zum Ablauf der Jahresfrist - also bis zum (§ 187 Abs 1, § 188 Abs 2 BGB) - einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG zu stellen.
Als gesetzliche Vertreterin des Klägers wäre die Mutter des Klägers verpflichtet gewesen, dessen Interessen wahrzunehmen. Zu ihren objektiven Betreuungspflichten hätte es gehört, rechtzeitig (innerhalb der Jahresfrist des § 60 Abs 1 Satz 2 BVG) einen Versorgungsantrag nach dem OEG zu stellen. Dass diese Möglichkeit besteht, hat sie spätestens nach dem Hinweis des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht im März 1999, also etwa ein halbes Jahr nach der Tat, gewusst. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mutter im Hinblick auf ihren Geisteszustand, ihr Alter, ihren Bildungsstand und/oder ihre Geschäftsgewandtheit subjektiv nicht in der Lage gewesen wäre, die nach den Umständen des Falles zu erwartende zumutbare Sorgfalt bei der Antragstellung zu beachten. Auch ein Entschuldigungsgrund ist nicht ersichtlich.
Dem Gebot, im Interesse des Kindes rechtzeitig Antrag auf Leistungen nach dem OEG zu stellen, standen entgegen der Auffassung der Vorinstanzen im vorliegenden Fall keine eigenen schutzwürdigen tat- oder täterbestimmten Interessen entgegen, die dazu führen könnten, das Verschulden des gesetzlichen Vertreters ausnahmsweise nicht dem minderjährigen Gewaltopfer zuzurechnen. Allerdings hat das BSG von dem Grundsatz, dass eine pflichtwidrig unterlassene rechtzeitige Antragstellung des gesetzlichen Vertreters dem Opfer einer Gewalttat iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG zuzurechnen ist, in seiner bisherigen Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen:
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom - 9a RVg 4/83 - (BSGE 59, 40 = SozR 3800 § 1 Nr 5) das pflichtwidrige Unterlassen des gesetzlichen Vertreters dann nicht dem Opfer zugerechnet, wenn der gesetzliche Vertreter zugleich der Täter war und deshalb den Widerspruch zwischen seinem Eigeninteresse (als Täter unentdeckt zu bleiben) und den Interessen des von ihm Vertretenen zu dessen Lasten gelöst hat. Dieser Interessenwiderstreit darf sich nicht nachteilig auf den Versorgungsanspruch des Minderjährigen auswirken, denn nach dem Schutzzweck des OEG kann es nicht im Belieben des Schädigers liegen, den von der Gewalttat Betroffenen (oder dessen Hinterbliebene) von einer Entschädigung nach dem OEG auszuschließen (vgl BSGE 59, 40, 42 = SozR 3800 § 1 Nr 5 S 13; dazu auch B 9/9a VG 1/07 R - RdNr 23, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom - B 9a/9 VG 1/04 R - (BSGE 94, 282 = SozR 4-3800 § 1 Nr 8) fortgeführt: In dem damaligen Fall wurde das Opfer über Jahre hinweg vom Stiefvater (also dem Ehemann der allein personensorgeberechtigten Mutter) sexuell schwer missbraucht. Der Senat hat den vorgenannten Rechtsgrundsatz erweitert und dem minderjährigen Gewaltopfer das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters, der aus tat- und täterbestimmten eigenen Interessen keinen Antrag auf Beschädigtenrente stellt, nicht zugerechnet. Nach dem Schutzzweck des OEG darf es auch nicht in der Hand von sorgeberechtigten Eltern, die dem Gewalttäter familiär und durch gleichgelagerte Interessen eng verbunden sind, liegen, ihr Kind als Opfer einer Gewalttat von zügiger Entschädigung nach dem OEG auszuschließen (aaO, jeweils RdNr 9). Maßgebend für diese Wertung war der Interessenkonflikt, in dem die Mutter (in jenem Fall) stand. Einerseits durfte die Tat nicht offenbar werden, weil damit zumindest - auch eigener - empfindlicher Ansehensverlust verbunden gewesen wäre und dem gewalttätigen Familienangehörigen (Ehemann der gesetzlichen Vertreterin) Kriminalstrafe bis zum Freiheitsentzug drohte. Andererseits hätte sie in Erfüllung ihrer Pflichten dem Kind gegenüber für dieses einen Versorgungsantrag stellen und dabei grundsätzlich Tat und Täter angeben müssen. Diese Konfliktlage bestand in jenem Fall auch nach Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen fort, weil es den persönlichen Interessen des personensorgeberechtigten Elternteils zuwiderlief, an der vollständigen Aufdeckung des Tatgeschehens irgendwie mitzuwirken, insbesondere weil eine Antragstellung nach dem OEG zum Bruch der Beziehungen zu dem straffällig gewordenen Familienangehörigen (Ehemann der gesetzlichen Vertreterin) hätte führen können. Räumen Eltern in einer solchen Situation ihren eigenen und den damit eng verbundenen Interessen des Gewalttäters den Vorrang ein, so ist ein solches tatbestimmtes und täterbezogenes Versagen des gesetzlichen Vertreters dem kindlichen Gewaltopfer im Rahmen des § 60 Abs 1 OEG nicht als Verschulden zuzurechnen (aaO, jeweils RdNr 9).
An diese Ausführungen des erkennenden Senats haben die Vorinstanzen angeknüpft und auch im vorliegenden Fall eine schutzwürdige Konfliktsituation für gegeben erachtet, in der ausnahmsweise dem Gewaltopfer die schuldhaft unterlassene Antragstellung des gesetzlichen Vertreters nicht zugerechnet werden könne. Eine solche Lage haben die Vorinstanzen darin gesehen, dass die Antragstellung nach dem OEG und der aus der Sicht der Mutter zu erwartende Regress gegen den Vater zu einem Bruch oder einer erheblichen Belastung der Beziehung zwischen den Eltern des Klägers hätte führen können. Sie haben es deshalb für die Annahme eines Ausnahmetatbestandes als ausreichend angesehen, dass die Mutter des Klägers ihren Interessen an der Aufrechterhaltung der (Liebes-)Beziehung zum Vater, mit dem sie weder verheiratet war noch zusammenlebte, Vorrang eingeräumt hat. Dem vermag der erkennende Senat nicht uneingeschränkt zu folgen.
Der vorliegende Fall gibt allerdings Anlass, die bisherige Rechtsprechung weiterzuentwickeln: Ein die Zurechnung von Verschulden des gesetzlichen Vertreters ausschließender Interessenkonflikt liegt auch dann vor, wenn eine dem Gewalttäter eng verbundene Person durch die Antragstellung (als materiell-rechtliche Voraussetzung von Versorgungsansprüchen nach dem OEG) zivilrechtliche Regressansprüche des Kostenträgers des OEG (§ 5 Abs 1 OEG iVm § 81a Abs 1 Satz 1 BVG) gegen den Schädiger auslösen würde. Auch in diesem Falle besteht ein vom Schutzzweck des OEG erfasstes tat- und täterbestimmtes eigenes Interesse des gesetzlichen Vertreters, keinen Antrag nach dem OEG zu stellen.
Schutzwürdig ist dieser Interessenkonflikt jedoch nur bei Personen, die dem Gewalttäter hinreichend eng verbunden sind. Nur diesem Personenkreis gesteht die Rechtsordnung durch ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs 1 Nr 1 bis 3 ZPO) als Ausnahme von der allgemeinen öffentlich-rechtlichen Zeugnispflicht einen Schutz zu, nichts offenbaren zu müssen, was zu Konfliktslagen führen könnte. Durch das Zeugnisverweigerungsrecht sollen Konfliktsituationen innerhalb der Familie vermieden und damit zugleich der Zusammenhalt der Familie gestärkt werden (vgl zum Normzweck des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 383 Abs 1 Nr 1 bis 3 ZPO: Berger in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2006, § 383 RdNr 1; Damrau in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl 2008, § 383 RdNr 1; Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl 2009, § 383 RdNr 1a; zum Zeugnisverweigerungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Konfliktslage schon L 7 (5) VG 22/02 - Breith 2004, 674). Zu den in diesem Sinne familiär eng verbundenen Personen gehören nach § 383 Abs 1 Nr 1 ZPO der/die Verlobte einer Partei, also Personen, die sich nach bürgerlichem Recht (§ 1297 BGB) wechselseitig die Ehe versprochen haben. Eine Liebesbeziehung allein genügt nicht, da der Gesetzgeber bewusst nicht jede mögliche Konfliktsituation entschärfen wollte, sondern auf formale Kriterien abgestellt hat (vgl Damrau, aaO, RdNr 15).
Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Tatsachenfeststellungen haben sich die Mutter und der Vater des Klägers erst nach Ablauf der Jahresfrist (), nämlich im Frühjahr 2000, verlobt. Der Mutter hätte deshalb erst ab diesem Zeitpunkt ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs 1 Nr 1 ZPO zugestanden. Es ist mithin unerheblich, dass sich die Mutter bereits in dem Jahr nach der Schädigung des Klägers dem Vater wieder zugewandt hat, denn eine Liebesbeziehung begründet noch keine von der Rechtsordnung durch ein Zeugnisverweigerungsrecht anerkannte Konfliktlage. Damit bleibt es dabei, dass es dem Kläger als Verschulden des gesetzlichen Vertreters zuzurechnen ist, dass seine Mutter innerhalb der Jahresfrist nach Eintritt der Schädigung keinen Antrag nach dem OEG gestellt hat.
c) Ob der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als habe seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin den Antrag früher gestellt, kann nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts vom Senat nicht beurteilt werden. Das LSG hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht nicht näher geprüft.
aa) Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§ 14, § 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (stRspr vgl etwa BSGE 41, 126, 127 f = SozR 7610 § 242 Nr 5 S 3 f; BSGE 49, 30, 33 = SozR 4220 § 6 Nr 3 S 5 f; BSGE 57, 288, 290 = SozR 1200 § 14 Nr 18 S 42 f; BSGE 58, 283, 284 f = SozR 1200 § 14 Nr 20 S 50 f; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 49 ff; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 74; BSGE 79, 168, 171 ff = SozR 3-2600 § 115 Nr 1 S 5 ff; BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1, jeweils RdNr 24; BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, jeweils RdNr 25; BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1, jeweils RdNr 30 f).
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Regelung des § 60 BVG die Begründung eines früheren Leistungsbeginns im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ausschließt, insbesondere wenn feststeht, dass eine Behörde pflichtwidrig eine gebotene Beratung über bestehende Antragsmöglichkeiten unterlassen hat (vgl BSG SozR 3-3100 § 60 Nr 3 S 6; BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1, jeweils RdNr 24; -, juris RdNr 25; BSG SozR 4-3800 § 1 Nr 9 RdNr 32 ff; zur Antragsfiktion im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch BSGE 58, 283, 284 = SozR 1200 § 14 Nr 20 S 50; BSG SozR 3-5868 § 85 Nr 8 S 45 f; BSGE 92, 182 = SozR 4-6940 Art 3 Nr 1, jeweils RdNr 33; BSG SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 14 ff; BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, jeweils RdNr 19 ff; BSG SozR 4-4100 § 106 Nr 1 RdNr 14). Die Anwendungsbereiche beider Rechtsinstitute sind nicht deckungsgleich. § 60 Abs 1 Satz 3 BVG verschafft praktisch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Eintritt der Schädigung. Der Herstellungsanspruch erfasst ua Fristversäumnisse, die auf Behördenfehlern beruhen (zum Nebeneinander der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X und des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs: BSGE 96, 44 = SozR 4-1300 § 27 Nr 2, jeweils RdNr 21 ff).
Grundlage für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist insbesondere § 14 SGB I. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind (grundsätzlich) die Leistungsträger, denen gegenüber Rechte geltend zu machen oder Pflichten zu erfüllen sind. In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren des Berechtigten ausgelöst. Aber auch unabhängig davon ist der Leistungsträger gehalten, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Berechtigten mutmaßlich genutzt werden (sog Spontanberatung, vgl hierzu etwa BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 49 f; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 74; BSGE 91,1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1, jeweils RdNr 37; BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1, jeweils RdNr 29; BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9). Die Verletzung ua der Beratungspflicht kann zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Berechtigten gegen den betreffenden Leistungsträger führen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch aus einem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ergeben, das sich der zuständige Leistungsträger zurechnen lassen muss. Einer anderen Behörde als der für die Entscheidung über die Leistung befugten Stelle kann eine Beratungspflicht, deren Verletzung zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger führen kann, dann obliegen, wenn die andere Behörde vom Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit in das Verwaltungsverfahren "arbeitsteilig" eingeschaltet ist (vgl etwa BSGE 57, 288, 290 = SozR 1200 § 14 Nr 18 S 42 f; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 74 mwN; BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 13). Ebenso muss sich ein Leistungsträger das Fehlverhalten derjenigen Behörde zurechnen lassen, deren Funktionsnachfolge er angetreten hat (vgl BSGE 58, 283, 284 f = SozR 1200 § 14 Nr 20 S 50 f; -, juris RdNr 28). Eine zurechenbare Beratungspflichtverletzung wird von der Rechtsprechung des BSG auch dann angenommen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" des Berechtigten ist und sie - die Behörde - aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei dem Berechtigten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht (vgl BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 75).
bb) Ob im vorliegenden Fall eine behördliche Betreuungspflicht, insbesondere eine Beratungspflicht, verletzt worden ist, die zu einem sozialrechtlichen Nachteil (Unterlassen einer früheren Antragstellung) geführt hat, hat das LSG nicht näher geprüft. Nach seinen Feststellungen hatte die Mutter des Klägers zwischen dem Eintritt der Schädigung im September 1998 und der Antragstellung im September 2004 Kontakte zur Krankenkasse (im Jahre 1999), zur Pflegekasse (Antrag und Bewilligung von Pflegegeld im Jahre 2000) und zur Versorgungsverwaltung (Antrag und Feststellung einer Behinderung nach dem SGB IX im Jahre 2001). Feststellungen dazu, ob in diesem Rahmen eine behördliche Betreuungspflicht im vorgenannten Sinne dem Beklagten zurechenbar verletzt worden ist, fehlen. Da der erkennende Senat die danach noch fehlenden Tatsachenfeststellungen im Revisionsverfahren nicht nachholen kann, ist das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache - soweit er den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom betrifft - an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
3. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG eingehend zu prüfen haben, ob im Rahmen der festgestellten Kontakte zur Krankenkasse und zur Pflegekasse ein etwaiges Fehlverhalten einer anderen Behörde vorgelegen hat, das sich der Beklagte zurechnen lassen muss. Insoweit bestehen allerdings erhebliche Zweifel, denn die Krankenkasse, zu der die Mutter des Klägers nach den Feststellungen des LSG im Jahre 1999 Kontakt hatte, dürfte nicht arbeitsteilig in das Verfahren nach dem OEG iVm dem BVG eingebunden gewesen sein. Auch sind die Zuständigkeitsbereiche der für die Opferentschädigung und die gesetzliche Krankenversicherung zuständigen Leistungsträger erst nach Antragstellung des Geschädigten materiellrechtlich, insbesondere was die Heil- und Krankenbehandlung (§ 9 Nr 1, §§ 10 ff BVG) anbelangt, eng miteinander verknüpft (vgl BSGE 61, 180, 181 f = SozR 3100 § 19 Nr 17 S 50 ff). Die Krankenkasse dürfte demnach im Jahre 1999 nicht der aktuelle "Ansprechpartner" des Klägers in Sachen Opferentschädigung gewesen sein. Allenfalls aus eigenem Interesse hätte die Krankenkasse tätig werden können, denn vor einer Antragstellung als materiell-rechtlicher Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgung (§ 1 Abs 1 Satz 1 OEG iVm § 60 Abs 1 BVG) bestand keine - die Krankenkasse von ihrer Leistungspflicht befreiende - Leistungspflicht des für die Opferentschädigung zuständigen Leistungsträgers (vgl dazu BSG SozR 2200 § 205 Nr 55 S 151). Es gibt im Übrigen keine gesetzliche Vorschrift, nach der die Krankenkasse einen Antrag nach dem OEG unabhängig von der Willenserklärung des Geschädigten (oder seines gesetzlichen Vertreters) stellen kann (vgl dazu BSGE 61, 180 = SozR 3100 § 19 Nr 17), etwa vergleichbar der sich für das Jugendamt aus § 97 Satz 1 SGB VIII ergebenden Antragsbefugnis (hierzu B 9/9a VG 1/07 R -, juris RdNr 25, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für die Pflegekasse, zu der nach den Feststellungen des LSG die Mutter des Klägers im Jahre 2000 Kontakt hatte, gilt nichts anderes. Auch insoweit dürfte es sowohl an einer arbeitsteiligen Einbeziehung in das Verwaltungsverfahren nach dem OEG iVm dem BVG als auch - vor einer Antragstellung des Geschädigten - an einer engen materiell-rechtlichen Verknüpfung fehlen.
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, der sich ab gegen den Beklagten richten würde, könnte sich weiterhin aus dem Verhalten der Versorgungsverwaltung im Rahmen des im Jahre 2001 eingeleiteten Verfahrens zur Feststellung einer Behinderung nach dem SGB IX ergeben. Das LSG wird deshalb auch dazu Feststellungen zu treffen haben, ob in diesem Verfahren konkreter Anlass zu einer Spontanberatung bestanden hat. Dies könnte insbesondere dann der Fall gewesen sein, wenn sich aus den von der Mutter des Klägers eingereichten Unterlagen oder den beigezogenen medizinischen Befunden und Stellungnahmen Anhaltspunkte für eine Gewalttat mit gesundheitlichen Folgen ergaben; in diesem Fall hätte es sich der Versorgungsverwaltung offensichtlich aufdrängen müssen, die Mutter des Klägers auf die Antragsmöglichkeit nach dem OEG hinzuweisen. In diesem Zusammenhang wird das LSG allerdings auch die Frage der Kausalität zu klären haben, nämlich ob eine (möglicherweise) unterlassene (Spontan-)Beratung der Versorgungsverwaltung oder aber das Verhalten der Mutter des Klägers wesentliche Bedingung dafür war, dass vor September 2004 kein Antrag nach dem OEG gestellt worden ist (hierzu etwa BSGE 91,1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1, jeweils RdNr 61). Zweifel hinsichtlich der Kausalität bestehen vor allem deshalb, weil die Mutter des Klägers, wie das LSG festgestellt hat, einen Antrag nach dem OEG trotz des Hinweises durch das Schwurgericht im März 1999 - jedenfalls bis zur Beendigung der Beziehung zum Vater des Klägers Anfang September 2004 - deshalb nicht gestellt hat, weil sie finanzielle Nachteile für den Vater befürchtete. Dem Senat als Revisionsinstanz sind jedoch Rückschlüsse aus dem Verhalten der Mutter des Klägers verwehrt, denn die Beurteilung, welche die wesentliche, dh zumindest gleichwertige Bedingung für die unterlassene Antragstellung war, ist Aufgabe der Tatsacheninstanz (so auch BSG SozR 4-4100 § 106 Nr 1 RdNr 20).
Schließlich wird das LSG auch der von ihm im angefochtenen Urteil aufgeworfenen Frage nachzugehen haben, ob angesichts des Verhaltens der Mutter von der Versorgungsverwaltung das Jugendamt hätte eingeschaltet werden müssen. Das Jugendamt darf allerdings nur tätig werden, wenn es eine Aufgabe der Jugendhilfe nach § 2 SGB VIII wahrnimmt, wozu auch die Amtspflegschaft nach § 2 Abs 2 Nr 11, § 55 Abs 1 SGB VIII, §§ 1793, 1915 BGB gehört. Dies hätte wiederum vorausgesetzt, dass der Mutter des Klägers vom Familiengericht die Personensorge hinsichtlich der Antragsbefugnis nach dem OEG entzogen (§§ 1666 BGB) und dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen worden wäre (§ 1909 BGB; vgl hierzu auch B 9/9a VG 1/07 R -, juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ob die Betreuungspflicht der Versorgungsverwaltung soweit reicht und ob die Glieder dieser mehrgliedrigen Kausalkette im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden können, bedarf einer eingehenden Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (zur Fiktion von Handlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines Sozialleistungsträgers vgl etwa BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 330 Nr 3 [Lohnsteuerklassenwechsel]). Dabei wird das LSG vor allem auch zu berücksichtigen haben, dass das Antragserfordernis des OEG vor allem auch dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts jedes Geschädigten dient (vgl BSGE 61, 180, 182 f = SozR 3100 § 19 Nr 17 S 51 f). Die auf einem Interessenkonflikt beruhende Weigerung des gesetzlichen Vertreters, zu Gunsten des Geschädigten einen Antrag zu stellen, wird deshalb erst dann von Belang sein, wenn sie im Hinblick auf die Differenz zwischen den zu beanspruchenden Leistungen nach dem OEG iVm dem BVG und den Leistungen, mit denen der Lebensunterhalt des Geschädigten tatsächlich bestritten wird, gänzlich unverständlich erscheint.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-34748