BSG Urteil v. - B 6 KA 22/08 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 73 Abs 1 Satz 3

Instanzenzug: LSG Hessen, L 4 KA 26/07 vom SG Marburg, S 12 KA 861/06 vom

Gründe

I

Im Streit steht die Berechtigung des Klägers, auch in den Quartalen ab II/2005 bestimmte fachärztliche Leistungen abrechnen zu dürfen.

Der Kläger ist seit dem als Arzt, seit März 1995 als Facharzt für Allgemeinmedizin in R. (R.) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und nimmt seit 1996 als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zugleich ist er Facharzt für Chirurgie, ohne hierfür zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu sein. Mit Schreiben vom hatte ihm die Bezirksstelle Kassel der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) mitgeteilt, dass er aufgrund eines Beschlusses ihres Geschäftsausschusses vom bis zur Niederlassung eines Chirurgen in R. chirurgische Leistungen auf Überweisung durchführen dürfe. Im Hinblick auf die Änderungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum und zur Klärung von Zweifeln am Fortbestand seiner Abrechnungsberechtigung beantragte der Kläger im September 2005 bei der Beklagten, ihm auch für die Quartale ab 2/2005 die Abrechnung von chirurgischen Leistungen zu genehmigen, da in R. nach wie vor kein Chirurg niedergelassen sei und die nächstgelegenen Praxen von Chirurgen 13 km (Eschwege) bzw 28 km (Eisenach) entfernt lägen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab; der Kläger sei nicht berechtigt, chirurgische Leistungen aus dem Kapitel 7 EBM-Ä sowie von ambulanten und belegärztlichen Operationen aus dem Abschnitt 31.2 EBM-Ä abzurechnen (Bescheid vom ). Widerspruch, (Widerspruchsbescheid vom ), Klage (Urteil des Sozialgerichts vom ) und Berufung sind erfolglos geblieben.

Das Landessozialgericht hat ausgeführt, dem - im Berufungsverfahren auch auf die Abrechnung von im Zusammenhang mit ambulanten und belegärztlichen Operationen erbrachten anästhesiologischen Leistungen nach Kapitel 7 EBM-Ä erstreckten - Anspruch des Klägers stehe die rechtmäßige Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung entgegen. Danach dürften die Vertragsärzte grundsätzlich nur Leistungen aus dem Versorgungsbereich abrechnen, dem sie angehörten. Ausnahmeregelungen seien nicht einschlägig; eine analoge Anwendung des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V komme nicht in Betracht, da es bereits an einer Regelungslücke fehle. Die streitgegenständlichen fachärztlichen Leistungen dürften von Fachärzten für Allgemeinmedizin im hausärztlichen Versorgungsbereich nicht erbracht und abgerechnet werden.

Angesichts der abschließenden gesetzlichen Regelung könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich aus der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM-Ä zum (DÄ 2005, A 77 f - nachfolgend als "Ergänzende Vereinbarung" bezeichnet) eine eigenständige Rechtsgrundlage für die KÄVen ergebe, aus Sicherstellungsgründen allen Vertragsärzten sowohl eine Erweiterung des abrechnungsfähigen Leistungsspektrums als auch die Abrechnung einzelner ärztlicher Leistungen zu bewilligen. Beim Sicherstellungsauftrag nach § 72 Abs 1, § 75 Abs 1 SGB V handele es sich um einen gesetzgeberischen Auftrag, nicht aber um die Einräumung von Befugnissen für einzelne Maßnahmen. Soweit das Gesetz spezielle Regelungskompetenzen besonderen Gremien zugewiesen habe, könne der KÄV unter dem Gesichtspunkt des Sicherstellungsauftrags keine eigene Kompetenz mehr zukommen. Der Kläger genieße auch keinen Vertrauensschutz. Der Inhalt der 1984 erteilten Genehmigung sei vor dem Hintergrund der damals bestehenden Rechtslage zu sehen; ihr könne nicht entnommen werden, dass sie bei späteren - nach Erteilung der Genehmigung eintretenden und für den Kläger nachteiligen - Rechtsänderungen dauerhaften Bestandsschutz bewirke. Zudem beschränke sich ihr Regelungsinhalt auf die Durchführung chirurgischer Leistungen auf Überweisung, da der Kläger nach der damaligen Rechtslage ohnehin berechtigt gewesen sei, chirurgische Leistungen auf Originalkrankenschein zu erbringen (Urteil vom ).

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Der Gesetzgeber habe - wie die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 1 Satz 3 SGB V belege - selbst erkannt, dass das Prinzip der Trennung von fachärztlichen und hausärztlichen Leistungen in einigen Punkten durchbrochen werden müsse, um in der Praxis eine noch sinnvolle Leistungserbringung durch den zugelassenen Fach- oder Allgemeinarzt zu gewährleisten. Wenn der Gesetzgeber aber derartige Ausnahmeregelungen schaffe, dürfe er nicht gleiche Sachverhalte ungleich regeln; die vorgenommene Differenzierung erscheine willkürlich. Es sei nicht einzusehen, warum ein Kinderarzt oder Internist auch hausärztliche Leistungen erbringen dürfe, umgekehrt ein Hausarzt aber keine fachärztlichen Leistungen, für die er die erforderliche Qualifikation besitze. Er habe als typischer Landarzt einen Allgemeinversorgungsauftrag, der sich über den rein hausärztlichen Versorgungsbereich hinaus auch auf ambulant chirurgische und weitere Bereiche erstrecke. Daher gefährde die weitgehend ausnahmslose Trennung der Leistungsbereiche den ärztlichen Versorgungsauftrag und verletze auch sein Grundrecht auf Berufsfreiheit. In der faktischen Entziehung der einmal erteilten Genehmigung liege zudem eine Verletzung des Art 14 GG. Absatz 3 der "Ergänzenden Vereinbarung" stelle eine vertragliche Vereinbarung darüber dar, wie zukünftig verfahren werden solle. Die bloße Wiedergabe von Rechtsauffassungen dürfe den Vertragspartnern der "Ergänzenden Vereinbarung" fremd sein. Daher ergebe sich aus der Regelung das Recht, aber auch die Verpflichtung der KÄV, zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags und zur Schließung von Versorgungslücken im Einzelfall auch einem Allgemeinarzt die Erbringung fachärztlicher Leistungen zu gestatten. Nur wenn die "Ergänzende Vereinbarung" in diesem Sinne ausgelegt werde, sei eine noch verfassungskonforme Anwendung des EBM-Ä und der §§ 73, 87 SGB V möglich.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Marburg vom und des Hessischen Landessozialgerichts vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Abrechnung der Leistungen nach Kapitel 7 und Abschnitt 31.2 des EBM-Ä sowie der damit zusammenhängenden anästhesiologischen Leistungen für die Quartale ab 2/2005 zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Wenn der Kläger fordere, ihm müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, gemäß seiner fachlichen Qualifikation tätig zu werden, sei er auf die Möglichkeit zu verweisen, nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V die ausschließliche Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zu beantragen. Selbst wenn die Regelung des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V sinngemäß auf den Kläger zu übertragen wäre, erforderte eine Berechtigung zur Erbringung fachärztlicher Leistungen, dass andernfalls eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet wäre; dies sei jedoch nicht der Fall. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der "Ergänzenden Vereinbarung"; die Ausführungen in deren Absatz 3 stellten eine Auslegung des § 72 SGB V durch die Vertragspartner dar, aus der keine Bindungswirkung für die Beklagte resultiere. Die aus dem Jahre 1984 stammende Genehmigung habe sich mit der Änderung der Gebührenordnung erledigt, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedurft habe.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§§ 165, 153 iVm § 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die Vorinstanzen haben die Bescheide der Beklagten, mit denen sie die vom Kläger beantragte Abrechnungsgenehmigung versagt haben, zu Recht nicht beanstandet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Befugnis zu, chirurgische Leistungen, ambulante und belegärztliche Operationen sowie damit zusammenhängende anästhesiologische Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzurechnen.

1. Der begehrten Abrechnungsgenehmigung steht die gesetzlich vorgegebene (§ 73 Abs 1 Satz 1 SGB V) und verfassungsgemäße (stRspr von Bundessozialgericht [BSG] und Bundesverfassungsgericht [BVerfG], vgl zB BSGE 80, 256, 258 ff = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 3 ff; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 13; BVerfG [Kammer], NJW 1999, 2730, 2731 = SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 16 f) Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung entgegen. Danach nehmen die Allgemeinärzte zwingend an der hausärztlichen Versorgung teil (§ 73 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB V); eine gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung ist grundsätzlich ausgeschlossen (BSGE 80, 256, 257 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 2). Zur Umsetzung der durch § 73 Abs 1 SGB V vorgegebenen Gliederung auf der Ebene des Bewertungsmaßstabs als Verzeichnis der abrechnungsfähigen Leistungen bestimmt § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V (der inhaltlich § 87 Abs 2a Satz 5 in der bis zum geltenden Fassung entspricht), dass alle im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern sind. Die Zuordnung der Leistungen hat entsprechend der in § 73 Abs 1 SGB V festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung mit der Maßgabe zu erfolgen, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen solche der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung und solche der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen. Inhalt der Regelung ist damit - neben der Gliederung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs - zugleich die Festlegung der von der jeweiligen Gruppe abrechenbaren Leistungen. Auf dieser Rechtsgrundlage hat der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss vom (DÄ 2000, A-1920 ff) ua die Leistungen, deren Abrechenbarkeit der Kläger begehrt, ausschließlich dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet.

Nach den dargestellten Regelungen kann dem Kläger nicht gestattet werden, weiterhin die in Rede stehenden Leistungen - chirurgischen Leistungen nach Kapitel 7 EBM-Ä, ambulante und belegärztliche Operationen nach Abschnitt 31.2 EBM-Ä sowie damit im Zusammenhang stehende Anästhesien nach Abschnitt 31.5 EBM-Ä - abzurechnen, da diese, wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, dem fachärztlichen Versorgungsbereich vorbehalten sind. Er ist als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hat von der durch § 73 Abs 1a Satz 5 SGB V eröffneten Möglichkeit, die ausschließliche Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht. Er nimmt daher an der hausärztlichen Versorgung teil mit der Folge, dass er in der vertragsärztlichen Versorgung nur Leistungen, die nach der vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Aufgliederung dem hausärztlichen Versorgungsbereich zuzuordnen sind, abrechnen darf. Bei dieser Zuordnung ist kein Raum für eine Berücksichtigung seiner - durch Fachkundenachweis belegten - persönlichen Befähigung zu chirurgischen Leistungen (s schon BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 - zur Erbringung von Laborleistungen durch Allgemeinärzte; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 - zur Erbringung von gastroenterologischen Leistungen durch Allgemeinärzte).

2. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürfen, sind nur in engem Rahmen vorgesehen (BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 14) und vorliegend nicht einschlägig. So bestimmt § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V, dass der Zulassungsausschuss für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von § 73 Abs 1a Satz 1 SGB V abweichende befristete Regelung treffen kann, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Gemäß § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V können Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Den Interessen von Allgemeinärzten, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, wird dadurch Rechnung getragen, dass ihnen der Zulassungsausschuss auf ihren Antrag hin die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen kann (§ 73 Abs 1a Satz 5 SGB V). Damit hat der Gesetzgeber die Zuordnung zur haus- oder fachärztlichen Versorgung umfassend und abschließend geregelt; weitere Ausnahmen sind auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht erforderlich (s BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 16 f; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 18 f). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung lückenhaft sein könnte, bestehen nicht (BSG, aaO, RdNr 16 bzw RdNr 18). Dies steht, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (BSG, aaO, RdNr 16 bzw RdNr 18), auch einer analogen Anwendung des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V entgegen.

Ebenso wenig kommt eine partielle Einbeziehung der Allgemeinärzte in die fachärztliche Leistungserbringung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots des Art 3 Abs 1 GG in Betracht. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 19) ist die Begrenzung der Regelung des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V auf Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung durch einen ausreichenden sachlichen Grund gerechtfertigt. Insoweit kann auf die angeführten Entscheidungen Bezug genommen werden.

3. Der Kläger kann auch keine Rechte aus der "Ergänzenden Vereinbarung" herleiten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vertragspartner der Bundesmantelverträge, als deren Anlage die Vereinbarung getroffen wurde (vgl Präambel, DÄ 2005 A 77 f), überhaupt die Kompetenz besitzen, den KÄVen die Berechtigung einzuräumen, aus Sicherstellungsgründen allen Vertragsärzten eine - von den Vorgaben des EBM-Ä abweichende - Erweiterung des Spektrums der abrechnungsfähigen Leistungen bzw die Abrechnung einzelner ärztlicher Leistungen zu genehmigen. Denn Absatz 3 der Vereinbarung enthält überhaupt keine Regelung dieser Art, sondern nimmt - wie der Wortlaut zweifelsfrei ergibt - lediglich auf (vermeintliche) Kompetenzen der KÄVen Bezug ("Unbeschadet der Verpflichtung ..., wonach ..."). Eine eigenständige Regelung enthält der Absatz 3 der "Ergänzenden Vereinbarung" lediglich hinsichtlich der Fachgruppe der Internisten, nicht aber der der Allgemeinärzte.

4. Im Übrigen sind die KÄVen auch unter dem Gesichtspunkt des ihnen übertragenen Sicherstellungsauftrags (§ 72 Abs 1 Satz 1, § 75 Abs 1 SGB V) nicht berechtigt, dem Kläger die begehrte Abrechnungsgenehmigung zu erteilen. Denn der Gesetzgeber hat mit § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V eine abschließende Kompetenzzuweisung an den Bewertungsausschuss getroffen; allein diesem obliegt es danach, zu bestimmen, welche Leistungen von Hausärzten abgerechnet werden dürfen. Im Übrigen ergäbe sich selbst dann, wenn den KÄVen die Kompetenz zur Abweichung von Regelungen des EBM-Ä einzuräumen wäre, noch keine Verpflichtung, dem Kläger die begehrte Abrechnungsgenehmigung zu erteilen, weil nicht erkennbar ist, dass dies aus Sicherstellungsgründen erforderlich sein könnte.

5. Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf gleichzeitige Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung auch nicht daraus herleiten, dass ihm die Bezirksstelle Kassel der Beklagten mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass er aufgrund eines Beschlusses des Geschäftsausschusses vom chirurgische Leistungen auf Überweisung durchführen dürfe. Denn dieser Bescheid hat seine Wirksamkeit mit der Änderung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen - insbesondere durch die vom Gesetzgeber vorgegebene Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung und die Umsetzung dieser Vorgabe durch entsprechende Abrechnungsbestimmungen - verloren, weil er sich iS des § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise erledigt hat; einer Aufhebung durch die Beklagte bedurfte es nicht (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 23 ff - zur Befreiung von einer Teilnahme am Notdienst; BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13 f - für statusbegründende Verwaltungsakte).

Eine solche Erledigung liegt vor, wenn durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage das Regelungsobjekt des Verwaltungsakts entfällt (BSG, aaO, RdNr 24 bzw S 13). Für die Gegenstandslosigkeit des Verwaltungsakts bei nachträglicher Änderung der Sach- und Rechtslage ist maßgeblich, ob er auch für den Fall geänderter Umstände noch Geltung beansprucht oder nicht (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5, aaO, mwN). Waren Bestand oder Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes von vornherein für den Adressaten erkennbar an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, wird er gegenstandslos, wenn diese Situation nicht mehr besteht (BSG, aaO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Zum einen lag der dem Kläger im Jahre 1984 - also vor einem Vierteljahrhundert - erteilten Genehmigung die damals geltende Rechtslage zugrunde. Durch die zum eingeführte Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung (s hierzu BSGE 80, 256, 257 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1) ist eine gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung jedoch ausgeschlossen worden und damit auch der Genehmigung zur gleichzeitigen Abrechnung fachärztlicher und hausärztlicher Leistungen die Grundlage entzogen worden. Zum anderen war Regelungsgegenstand der damaligen Genehmigung allein die Erbringung chirurgischer Leistungen auf Überweisung; sie erweiterte lediglich die seinerzeit nicht eingeschränkte Möglichkeit des Klägers zur Erbringung chirurgischer Leistungen in eigenen Behandlungsfällen auf solche durch Überweisung. Eine generelle Gestattung zur Erbringung chirurgischer Leistungen entgegen dem gesetzlichen und vertraglichen Regelwerk enthielt die Genehmigung mithin schon seinerzeit nicht. Erst recht kann ihr dann nicht entnommen werden, dass sie auch nachfolgend eintretende Rechtsänderungen - die der Genehmigungsgeber seinerzeit nicht einmal in Betracht ziehen konnte - mit erfassen und dem Kläger einen Dispens von den gesetzlichen Regelungen zur Trennung der hausärztlichen von der fachärztlichen Versorgung gewähren soll. Dies war für den Kläger auch ohne Weiteres erkennbar.

6. Soweit sich der Kläger auf Art 14 GG beruft, hat bereits das SozR 3-2500 § 73 Nr 3, S 16, mwN) klargestellt, dass sich die entfallene Möglichkeit, gleichzeitig an der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen, auf die berufliche Tätigkeit insgesamt und nicht auf deren Ergebnisse bezieht, so dass Art 14 GG als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht kommt (zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Art 14 GG und Art 12 GG s auch BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14, jeweils RdNr 13). Für den Wegfall einer dem (teilweise) entsprechenden Abrechnungsgenehmigung gilt nichts anderes. Dass die den angefochtenen Bescheiden der Beklagten zugrunde liegende Trennung der Versorgungsbereiche - mithin auch die sich hieraus für den einzelnen Vertragsarzt zwingend ergebenden Folgen - mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar sind, bedarf keiner erneuten Entscheidung (s hierzu BVerfG [Kammer] SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 16 und BSGE 80, 256, 260 f = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 5 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 und 3 iVm § 159 Satz 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom , die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz).

Fundstelle(n):
WAAAD-34453