Gemeinschaftsrechtliche Milchabgabenregelung (Verordnung (EG) Nr. 1788/2003) mit höherrangigem Recht vereinbar; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gesetze: EG Art. 33, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger. Im Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 überlieferte er mit der einer Molkerei verkauften Milch seine Referenzmenge. Der gegen die entsprechende Abgabeanmeldung durch die Molkerei erhobene Einspruch des Klägers blieb ebenso ohne Erfolg wie der im Einspruchsverfahren gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzgericht (FG) lehnte den auf nach Ansicht des Klägers bestehende gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Mängel der Milchabgaberegelung gestützten AdV-Antrag mit Beschluss vom 3 V 133/05 ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Senatsbeschluss vom VII B 60/06 (nicht veröffentlicht, vgl. dazu den im Parallelverfahren ergangenen Senatsbeschluss vom VII B 54/06, BFHE 215, 418, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2007, 54), auf den verwiesen wird, zurückgewiesen.
Das FG wies auch die Klage, mit der der Kläger seine gegen die Gültigkeit der Milchabgaberegelung vorgetragenen Gründe vertiefte und ergänzte, ab.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. In Anbetracht des am von den Berufsrichtern unterschriebenen Urteilstenors, des Tenors in der Urteilsausfertigung und der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung geht der beschließende Senat davon aus, dass das FG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen hat und der vorletzte Satz der Urteilsgründe unzutreffend ist und auf einem Schreibfehler beruht.
Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob die Erhebung einer Milchabgabe im hier streitigen Zwölfmonatszeitraum 2004/ 2005 unter Berücksichtigung bis dahin eingetretener gemeinschaftsrechtlicher Veränderungen (Aufhebung des Preisstützungsmechanismus durch Abschaffung des Richtpreises, zeitliche und mengenmäßige Begrenzung der Interventionen sowie kontinuierliche Reduzierung der Aufwendungen für den Milchmarkt) noch verhältnismäßig ist und die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen einer Abgabenerhebung erfüllt, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
Die die Milchabgabe betreffenden Regelungen sind sowohl vom beschließenden Senat als auch vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mehrfach auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht geprüft und bisher nicht grundsätzlich beanstandet worden. Wie der Senat mit dem im AdV-Verfahren des Streitfalls ergangenen Beschwerdebeschluss vom VII B 60/06 ausgeführt hat, vermag auch das Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Gültigkeit der Milchabgaberegelung zu begründen.
Auch die ergänzenden Ausführungen des Klägers aus dem finanzgerichtlichen Verfahren sowie der Beschwerdebegründung im vorliegenden Verfahren, mit denen er seine Auffassung ergänzend begründet, dass die Milchabgabe im Zwölfmonatszeitraum 2004/ 2005 unverhältnismäßig und damit gemeinschaftsrechtswidrig sei, ändern daran nichts. Auch wenn sich der beschließende Senat —wie die Beschwerde geltend macht— in dem Beschluss vom VII B 60/06 mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der in der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor vom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 270/123) geregelten Milchabgabe nicht befasst hat und frühere Entscheidungen sich nicht auf die VO Nr. 1788/2003 beziehen, bedarf diese Frage gleichwohl keiner grundsätzlichen Klärung, weil der EuGH, der in einem Revisionsverfahren um Vorabentscheidung zu ersuchen wäre, wenn der beschließende Senat die Zweifel des Klägers an der Verhältnismäßigkeit der Milchabgaberegelung teilte, mit Urteil vom C-34/08 (ZfZ 2009, 219) entschieden hat, dass die Prüfung der VO Nr. 1788/2003 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nichts ergeben habe, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte. Der EuGH betont in dieser Entscheidung, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EG—) über ein weites Ermessen verfüge, das er mit dem Erlass der VO Nr. 1788/2003 nicht überschritten habe, indem er das in Art. 33 Abs. 1 Buchst. c EG ausdrücklich erwähnte Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt habe. Die gerichtliche Kontrolle des Ermessensspielraums des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik sei auf die Überprüfung beschränkt, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme zur Erreichung des jeweils verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet sei. Auf die VO Nr. 1788/2003 treffe dies nicht zu. Ihr Erlass sei erforderlich gewesen, um das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Milch und Milcherzeugnissen und die daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern und dadurch ein besseres Marktgleichgewicht zu erreichen. Mit den in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b EG genannten Zielen sei die VO Nr. 1788/2003 vereinbar.
In Anbetracht dieses EuGH-Urteils gäben die im Streitfall vorgetragenen Argumente des Klägers in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren keinen ausreichenden Anlass, die Frage der Verhältnismäßigkeit der Milchabgaberegelung unter der Geltung der VO Nr. 1788/2003 dem EuGH erneut zur Vorabentscheidung vorzulegen.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Soweit das FG —wie die Beschwerde bemängelt— sich in dem angefochtenen Urteil mit Vorbringen des Klägers aus dem vorangegangenen AdV-Verfahren auseinandergesetzt bzw. dieses wiedergegeben hat und offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger von diesem Vorbringen nicht Abstand nehmen, sondern es auch zum Gegenstand des Klageverfahrens machen wollte —worauf im Übrigen Verweise in der Klagebegründung auch hindeuten—, stellt dies keinen Verfahrensfehler dar, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Auch liegt kein Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO oder einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, soweit die Beschwerde rügt, dass das FG auf Teile der Klagebegründung nicht eingegangen sei. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden, da das FG, wenn es auch nicht ausdrücklich auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der Milchabgabe eingeht, sich doch jedenfalls mit der Vereinbarkeit der VO Nr. 1788/2003 mit den Vorschriften des EG über die Befugnisse des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Regelung der Agrarmärkte befasst und ebenso wie der EuGH in seinem Urteil in ZfZ 2009, 219 auf die Stabilisierung des Milchmarkts als Ziel der VO Nr. 1788/2003 hingewiesen hat. Insbesondere in Anbetracht des vom beschließenden Senat mit dem im AdV-Beschluss vom VII B 60/06 gegebenen ausdrücklichen Hinweises, dass weder auf Seiten des Senats noch des EuGH Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Milchabgaberegelung mit höherrangigem Recht bestehen, musste das FG auf Fragen der Verhältnismäßigkeit nicht ausdrücklich eingehen, zumal große Teile der Argumentation des Klägers nicht rechtlicher, sondern rechtspolitischer Natur sind und den Bereich des dem Gemeinschaftsgesetzgeber eingeräumten Gestaltungsermessens im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik betreffen. Angesichts des EuGH-Urteils in ZfZ 2009, 219 ist die FG-Entscheidung jedenfalls im Ergebnis zutreffend (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Beschwerdeverfahren: Senatsbeschluss vom VII B 279/98, BFH/NV 2000, 324).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 267 Nr. 2
CAAAD-33320