Provisionen bei ringweiser Vermittlung von Lebensversicherungen; keine Minderung der vereinnahmten Provision um weitergeleiteten Betrag
Leitsatz
Treffen mehrere Steuerpflichtige die Abrede, sich ringweise Lebensversicherungen zu vermitteln und die dafür erhaltenen Provisionen an den jeweiligen Versicherungsnehmer weiterzugeben, so kann die als Gegenleistung für die Vermittlung von der Versicherungsgesellschaft vereinnahmte und nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare Provision nicht um den Betrag als Werbungskosten gemindert werden, die der Vermittler an den Versicherungsnehmer weiterleiten muss, wenn er umgekehrt einen Auskehrungsanspruch gegen denjenigen hat, der den Abschluss seiner Versicherung vermittelt. Dieser Anspruch beruht auf einer die Vermittlungsleistungen umfassenden Verwendungsvereinbarung, die den Aufwandscharakter der (Weiterleitungs-)Zahlungen entfallen lässt.
Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Berechtigten und Verpflichteten einer derartigen Verwendungsvereinbarung nahe Angehörige sind. Unerheblich ist auch, ob ein Mitarbeiter der Versicherung der Urheber dieser Vereinbarungen gewesen ist.
Gesetze: EStG § 22 Nr. 3, AO § 169 Abs. 2 Satz 2, AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 9
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1995) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist als Steuerberater tätig und beteiligte sich mit drei anderen Gesellschaftern an einer KG. Zur Finanzierung von Investitionskosten aufgenommene Darlehen sollten über Lebensversicherungen getilgt werden. Um die vom Versicherer gezahlten Vermittlungsprovisionen jeweils persönlich zu erhalten, vereinbarten sechs Personen, darunter auch Gesellschafter der KG, sich gegenseitig oder ihre Ehegatten als Vermittler einzusetzen, die dann auch mit dem Versicherer Verträge über Einmalvermittlungen abschlossen. Die Vermittler verpflichteten sich gegenüber den jeweiligen Versicherungsnehmern, die Provision an sie bis auf einen Betrag von jedenfalls 450 DM weiterzuleiten. So geschah es, dass der Kläger seine aufgrund des Vermittlungsvertrags vom im Streitjahr vereinnahmte Vermittlungsprovision von 27.411 DM in Höhe von 26.911 DM weiterleitete, selbst aber abredegemäß von einem anderen Vermittler 39.496 DM erhielt.
Die Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr aus dem Jahr 1997 enthielt keinerlei Hinweis auf diesen Sachverhalt. Erst durch eine Kontrollmitteilung im Jahr 2002 erfuhr der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) davon und änderte nach einer Außenprüfung den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr am , indem er die vom Versicherer gezahlte Provision von 27.411 DM als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfasste.
Die Klage blieb erfolglos. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 854 veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts (FG) habe zwar die Vermittlungsleistung wegen des an den Versicherungsnehmer gezahlten und als Werbungskosten zu berücksichtigenden Betrags nicht zu den vom FA ermittelten Einkünften geführt, wohl aber die weitere Leistung des Klägers, mit der er einer anderen Person die Möglichkeit verschafft habe, als Vermittler für ihn tätig zu werden und aus der er 39.496 DM erlangt habe. Verfahrensrechtlich sei das FA berechtigt gewesen, den Einkommensteuerbescheid zu ändern, zwar nicht gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), weil der Vorbehalt der Nachprüfung nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist entfallen gewesen sei und § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht anwendbar sei (§ 164 Abs. 4 Satz 2 AO), wohl aber nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, weil sich die Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Verkürzung der Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bis zum verlängert habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung von § 22 Nr. 3 EStG stützen. Allein das Einräumen der Möglichkeit, als Vermittler tätig zu werden, sei noch keine Leistung. Die aufgrund der Vermittlungsleistung erbrachte Provision sei um die weitergeleiteten Beträge zu vermindern.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil und den Änderungsbescheid vom in Gestalt des Einspruchsbescheids vom aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision abzuweisen.
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FG Einkünfte des Klägers nach § 22 Nr. 3 EStG erfasst, wenngleich es seiner Entscheidung nicht den richtigen zur sonstigen Leistung führenden Vorgang zugrunde gelegt hat.
1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1 a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Die maßgebende Leistung des Klägers liegt —insoweit ist der Revision beizupflichten— entgegen der Auffassung des FG allerdings nicht schon darin, es einem anderen ermöglicht zu haben, einen Versicherungsvertrag abzuschließen und dadurch einen Provisionsanspruch zu erwerben (vgl. dazu das , BFHE 205, 253, BStBl II 2004, 506, m.w.N.). Das Verhalten des Klägers erfüllt aber —wovon das FA zutreffend ausgeht— den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG, indem er aufgrund des Vertrags vom eine Vermittlungsleistung erbrachte und hierfür im Streitjahr eine Provision von 27.411 DM erhielt (vgl. zur abgabenrechtlichen Wirksamkeit , BFH/NV 2007, 657, m.w.N.).
2. Die aus dem Vermittlungsvertrag eingenommene Provision führt entgegen der Auffassung des FG auch zu Einkünften. Der vom Kläger weitergeleitete Betrag von 26.911 DM bildet keine Werbungskosten im Zusammenhang mit den Vermittlungseinkünften.
a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie erwachsen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), und das bedeutet, durch die sie veranlasst sind. Treffen mehrere Steuerpflichtige die Abrede, sich ringweise Lebensversicherungen zu vermitteln und die dafür erhaltenen Provisionen an den jeweiligen Versicherungsnehmer weiterzugeben, so kann die als Gegenleistung für die Vermittlung von der Versicherungsgesellschaft vereinnahmte und nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare Provision nicht um den Betrag als Werbungskosten gemindert werden, die der Vermittler an den Versicherungsnehmer weiterleiten muss, wenn er umgekehrt einen Auskehrungsanspruch gegen denjenigen hat, der den Abschluss seiner Versicherung vermittelt. Dieser Anspruch beruht auf einer die Vermittlungsleistungen umfassenden Verwendungsvereinbarung, die den Aufwandscharakter der (Weiterleitungs-)Zahlungen entfallen lässt (vgl. eingehend dazu , BFHE 224, 252, BStBl II 2009, 532). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Berechtigten und Verpflichteten einer derartigen Verwendungsvereinbarung nahe Angehörige sind.
b) Im Streitfall liegt eine Verwendungsvereinbarung zwischen den Vermittlern der jeweiligen Versicherungsverträge als Provisionsberechtigten und den Versicherungsnehmern als Empfänger der Provisionen vor. Sie beruht auf mündlichen Abreden, nach denen jeder Ringteilnehmer, der eine Versicherung vermittelt und den Provisionsbetrag —abgesehen von 450 DM— an den Versicherungsnehmer/die Versicherungsnehmerin abführt, auch seinerseits erwarten darf, dass die aufgrund des für ihn vermittelten Versicherungsvertrags ausgezahlte Provision an ihn weitergeleitet wird. So hat der Kläger eine Versicherung für X vermittelt, den als Provision empfangenen Betrag an ihn herausgegeben und seinerseits die Provision des Y kassiert, der für ihn eine Versicherung vermittelt hat. In Bezug auf den Kläger wie auch auf alle anderen Ringteilnehmer ist der Ring geschlossen. Unerheblich ist, ob —wie der Kläger zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat— ein Mitarbeiter der Versicherung der Urheber dieser Vereinbarungen gewesen sein sollte. Die ringweise Vereinbarung ergibt sich aus den Akten und ist überdies —für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend— vom FG ausdrücklich festgestellt.
3. Das FA war aus den Gründen, die das FG angeführt hat, auch zur Korrektur des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids verpflichtet. Das FA hat von der ringweisen Vermittlung erst nachträglich, nämlich im Jahr 2002, erfahren. Der Kläger hat den Sachverhalt dem FA nicht offenbart, obschon er sich im Vermittlungsvertrag verpflichtet hatte, „die Versteuerung selbst vorzunehmen”. Hieraus ergeben sich eine jedenfalls leichtfertige Steuerverkürzung und eine auf fünf Jahre verlängerte Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass das FA den Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bis zum ändern konnte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 195 Nr. 2
EStB 2010 S. 14 Nr. 1
HFR 2010 S. 168 Nr. 2
PAAAD-33132