BFH Beschluss v. - VII B 11/09

Festsetzung der Einfuhrabgaben gegen Gesamtschuldner; schlüssige Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Gesetze: ZK Art. 213, ZK Art. 218 Abs. 3, ZK Art. 221 Abs. 1, ZK Art, 239, AO § 5, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Anlässlich der Ausreise des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) im Mai 2001 aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft in die Schweiz, bei der er auf einem PKW-Anhänger ein auf seinen Arbeitgeber (Fa. I) zugelassenes Kraftfahrzeug mit sich führte, stellte sich im Rahmen der Ausreisekontrolle heraus, dass dieses Kraftfahrzeug im Oktober 2000 schon einmal in die Schweiz zu einer dort ansässigen Vertragswerkstatt verbracht worden war, wo es im Rahmen einer Inspektion zum Teil repariert, zum Teil auch mit Ersatzteilen versehen worden war. Anschließend hatte der Kläger das Kraftfahrzeug für die Fa. I aus der Schweiz abgeholt und in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, ohne eine Zollanmeldung abzugeben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) setzte deshalb die auf das Fahrzeug entfallenden Einfuhrabgaben gegen den Kläger fest. Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Abgabenbescheid mit der Begründung auf, dass die Abgabenschuld zwar in der festgesetzten Höhe entstanden sei, dass aber neben dem Kläger auch die Fa. I als Abgabenschuldner in Betracht komme, das HZA sein insoweit bestehendes Auswahlermessen jedoch nicht ausgeübt habe.

Mit Bescheid vom . Juni 2005 setzte das HZA die Einfuhrabgaben erneut gegen den Kläger fest und begründete dessen Inanspruchnahme damit, dass die Abgaben gegen die Fa. I wegen der ihr gegenüber zwischenzeitlich abgelaufenen Festsetzungsfrist nicht festgesetzt werden könnten. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Das FG blieb bei seiner mit dem vorangegangenen Urteil vertretenen Auffassung, dass hinsichtlich des vorschriftswidrig verbrachten Kraftfahrzeugs die Abgabenschuld entstanden sei und dass Abgabenschuldner sowohl der Kläger als auch die Fa. I seien. Die Inanspruchnahme des Klägers sei rechtmäßig, denn dass die Abgaben wegen der abgelaufenen Festsetzungsfrist nicht mehr von der Fa. I erhoben werden könnten, bedeute nicht, dass sie auch nicht mehr gegen den Kläger festgesetzt werden dürften. Dem Einwand des Klägers, das HZA habe die gegenüber der Fa. I abgelaufene Festsetzungsfrist zu vertreten, weil es die Einfuhrabgaben nicht vor Fristablauf gegen die Fa. I festgesetzt habe, könnte allenfalls dann gefolgt werden, wenn seinerzeit das ursprüngliche Ermessen des HZA in Richtung auf eine Inanspruchnahme der Fa. I als einzige rechtmäßige Entscheidung eingeschränkt gewesen wäre. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Es ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, sondern durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, dass im Fall mehrerer Schuldner, die gemäß Art. 213 des Zollkodex (ZK) gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Abgabenschuld verpflichtet sind, die Entscheidung, welcher Schuldner in Anspruch genommen werden soll, im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde liegt, für das die allgemeinen Grundsätze des § 5 der Abgabenordnung gelten. Der einzelne Abgabenschuldner kann deshalb nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Tatbestandsverwirklichung in Anspruch genommen werden. Die Ermessensentscheidung ist nach § 102 FGO vom Gericht daraufhin zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Senatsurteil vom VII R 17/03, BFHE 204, 380, m.w.N.).

Im Übrigen hatte das HZA im Streitfall bei Erlass des Einfuhrabgabenbescheids vom . Juni 2005 keine Auswahlentscheidung zu treffen, weil hinsichtlich der Fa. I als Abgabenschuldner Festsetzungsverjährung eingetreten und somit nur der Kläger als Abgabenschuldner verblieben war. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde sinngemäß bezeichnete Frage, ob Einfuhrabgaben gegen einen Abgabenschuldner auch dann festgesetzt werden können, wenn die Zollbehörde es versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine andere als Schuldner in Betracht kommende Person in Anspruch zu nehmen, ist fraglos zu bejahen und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Ist die Einfuhrabgabenschuld —wie im Streitfall— gemäß Art. 202 ZK entstanden und der Abgabenschuldner bekannt, hat die Zollbehörde den Abgabenbetrag buchmäßig zu erfassen und dem Schuldner mitzuteilen (Art. 218 Abs. 3, Art. 221 Abs. 1 ZK); es steht nicht in ihrem Ermessen, von der Abgabenfestsetzung abzusehen.

2. Ob es —wie die Beschwerde meint— unbillig ist, einen Abgabenschuldner in Anspruch zu nehmen, der aufgrund eines Fehlverhaltens der Zollbehörde als einziger von vormals mehreren in Betracht kommenden Schuldnern „übrig geblieben” ist, ist keine Frage der Abgabenfestsetzung, sondern eine Frage des Erlasses bzw. der Erstattung gemäß Art. 239 ZK, die in einem gesonderten Verfahren zu beantworten ist, welches nach Angaben der Beschwerde im Streitfall auch bereits anhängig ist.

Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ließe sich aber von einem Fehlverhalten der Behörde ohnehin nur dann sprechen, wenn das Ermessen der Zollbehörde zu der Zeit, als die Inanspruchnahme eines anderen Abgabenschuldners noch möglich war, dahin reduziert war, die Einfuhrabgaben allein gegen diesen Schuldner festzusetzen. Dass es sich im Streitfall so verhielt, das HZA also vor Ablauf der Festsetzungsfrist allein die Fa. I als Schuldner hätte auswählen dürfen, hat das FG verneint. Klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich insoweit nicht; es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dass die Beschwerde diese Entscheidung für falsch hält, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

3. Die schlüssige Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) in Gestalt der Divergenz erfordert, dass abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des Bundesfinanzhofs (BFH) so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, m.w.N.; vom X B 26/87, BFH/NV 1988, 239). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass das FG mit seiner Entscheidung, hinsichtlich der damals möglichen Wahl zwischen mehreren Abgabenschuldnern habe keine Ermessensreduktion auf null vorgelegen, von den seitens der Beschwerde angegebenen BFH-Entscheidungen abgewichen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 263 Nr. 2
AAAAD-33124