Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 266a Abs. 4; StPO § 349 Abs. 2
Instanzenzug: LG Münster, vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und wegen Lohnsteuerhinterziehung jeweils in 22 Fällen sowie wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 17 Fällen (Schaden insgesamt: 1.278.498,76 EUR) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Der hiergegen gerichteten, auf die Sach- und eine Formalrüge gestützten Revision bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom dargelegten und durch die Gegenerklärung des Verteidigers nicht entkräfteten Gründen der Erfolg versagt. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Ergänzend zu bemerken ist Folgendes:
1.
Die Strafkammer legte ihrer Berechnung der nicht abgeführten Steuern und Sozialabgaben zugrunde, dass die Angeklagte "mindestens 70 Prozent" der "schwarz" erzielten beinhaltet keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten. Die entsprechenden Feststellungen folgerte die Strafkammer aus der umfassenden Einlassung der Angeklagten zu ihrer Geschäftstätigkeit, bestätigt durch Angaben früherer Mitangeklagter. Danach lag der Lohnanteil sogar bei 75%.
Die Angeklagte - gelernte Kauffrau im Groß- und Außenhandel - war seit 2001 als Angestellte in verschiedenen Unternehmen der Gerüstbaubranche tätig. Bei einigen konnte sie beobachten, dass ein Teil der Aufträge durch "Schwarzarbeit" erledigt wurde. Die Löhne der entsprechenden Gerüstbauer wurden dem Finanzamt und den Sozialkassen nicht gemeldet oder nur in wesentlich geringerem Umfang als tatsächlich bezahlt. Die Angeklagte erkannte, dass mit der Einsparung dieser Lohnnebenkosten ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gegenüber steuer- und abgabenehrlichen Unternehmen zu erzielen war; "man konnte günstigere Preise am Markt anbieten".
Bei ihrer Einlassung in der Hauptverhandlung hatte die Angeklagte dies einleitend wie folgt erläutert: "Die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Daher organisiert man sich eine Kolonne von Schwarzarbeitern. Die Arbeiter sind meist hochverschuldete Personen, für die es sich nicht lohnt, offiziell zu arbeiten, da ihnen das Gehalt bis zur Freigrenze gepfändet wird. Diese Arbeiter gibt es wie Sand am Meer."
In den Jahren 2003 und 2004 war sie erstmals selbst in die Organisation des Einsatzes der Schwarzarbeiterkolonnen bei ihrem damaligen Arbeitgeber einbezogen. Spätestens Ende 2005 machte sich die Angeklagte als Arbeitgeberin von Schwarzarbeiterkolonnen selbständig. Sie hatte sich in der Branche bereits einen Namen gemacht. Viele wollten bei ihr arbeiten, da sie sich um ihre Arbeitnehmer kümmerte. Zahlreiche Gerüstbauunternehmen sprachen sie gezielt auf die Übernahme von Nachunternehmeraufträgen an.
Zur Rechnungsstellung an die Auftraggeber schaltete die Angeklagte sukzessive verschiedene allein hierzu bestimmte Unternehmen ein, besetzt mit Strohleuten. In dem hier maßgeblichen Zeitraum von Juli 2006 bis April 2008 waren dies das Einzelunternehmen K. , anschließend die D. GmbH und schließlich - nur noch geringfügig - das Einzelunternehmen A. . Zu diesen Unternehmen standen die von der Angeklagten angestellten Arbeitnehmer in keinem Dienstverhältnis. Sie unterlagen ausschließlich den Weisungen der Angeklagten, die auch die Barlöhne ausbezahlte. Die Auftraggeber verhandelten ausschließlich mit ihr. Sie war deren Vertragspartner. Es störte die Auftraggeber nicht, dass die Rechnungsstellung über Dritte erfolgte, an die auch die fälligen Zahlungen zu überweisen waren.
Die Angeklagte rechnete mit ihren Auftraggebern mit einem Stundenverrechnungssatz in Höhe von 20,-- EUR ab. Sie bezahlte an die Arbeitnehmer 15,-- EUR je Arbeitsstunde, also 75% des Verrechnungssatzes. In der Schwarzarbeiterbranche im Gerüstbau seien das die üblichen Sätze gewesen. Die Angeklagte erzielte in den hier relevanten 22 Monaten einen Umsatz in Höhe von 2.032.531,-- EUR, also durchschnittlich 92.387,77 EUR in jedem Monat. Nach Bezahlung der Löhne und sonstiger Unkosten verblieben der Angeklagten nach ihrer Einlassung monatlich nur drei- bis viertausend EUR, also 3,25 bis 4,3 Prozent des Umsatzes.
Neben den Löhnen (75% bzw. mindestens 70% des Umsatzes wie die Strafkammer zugunsten der Angeklagten rechnete) fielen folgende Unkosten an:
Das Einzelunternehmen K. und die D. GmbH erhielten als Entgelt 10%, das Einzelunternehmen A. 12,5% des Umsatzes. Hieraus mussten diese jedoch die Büromiete sowie Telefon- und Fahrtkosten bestreiten. Bei der D. GmbH übernahm die Angeklagte zusätzlich die Kosten des Steuerberaters und des pro forma eingestellten Betriebsleiters. "Die Anmeldung und Zahlung von Lohn- und Umsatzsteuer sowie von Sozialabgaben sei in ihrem System nicht vorgesehen gewesen."
Die D. GmbH sollte dauerhaft betrieben werden und daher einen "seriösen Anstrich" erhalten. Auf Anraten eines tatbeteiligten Unternehmensberaters wurden deshalb einige Arbeitnehmer bei den Kassen und beim Finanzamt angemeldet, jedoch unter Angabe wesentlich geringerer als der tatsächlich bezahlten Löhne. Während der Tatzeit wurden insgesamt Löhne in Höhe von 227.499,-- EUR angemeldet. Dies sind 16% der Gesamtlohnsumme in Höhe von 1.422.772,-- EUR (= 70% des Umsatzes in Höhe von 2.032.531,-- EUR. Bei einem Lohnanteil von 75% des Umsatzes ergibt sich eine Gesamtlohnsumme in Höhe von 1.524.398,-- EUR. Die angemeldeten Löhne sind hiervon noch 14,9%). Die angemeldeten Lohnanteile wurden den Arbeitnehmern überwiesen. Den hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil zu den Sozialabgaben trug die Angeklagte. Ganz überwiegend wurden die Löhne bar - ohne Abzüge - ausbezahlt.
Zudem wurden bei der D. GmbH, um nicht aufzufallen, Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Das Entstehen von Zahllasten wurde allerdings durch das Einbuchen von Scheineingangsrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis vermieden. Die Kosten der Beschaffung dieser Abdeckrechnungen "habe sie ebenfalls aus ihrem Anteil genommen und insoweit nicht die Löhne gekürzt".
Über die genannten Posten hinaus hatte die Angeklagte keine größeren Ausgaben. Eigenes Gerüstmaterial benötigte sie als Subunternehmerin nicht. Dieses stellten die Auftraggeber zur Verfügung. Ein eigenes Büro unterhielt sie nicht. Sie hielt sich im Wesentlichen bei ihren Auftraggebern auf und nutzte deren Betrieb mit. Eine Buchhaltung führte die Angeklagte nicht. Anfallende Stundenzettel und andere Belege vernichtete sie möglichst rasch.
Bei der Angeklagten ergab sich nach allem etwa folgende Kostenstruktur:
Löhne:|70 bis 75%
Fixbetrag Strohmannfirmen|10% [Amtliche Anmerkung: Das Einzelunternehmen A. wurde nur noch bei den letzten drei Aufträgen mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 9.526,45 EUR einbezogen. Die hier um 2,5% höher bezahlte Vergütung muss daher bei der Gesamtbetrachtung unberücksichtigt bleiben.]
Gewinn der Angeklagten:|3,25 bis 4,3%
verbleiben für sonstige Unkosten [Amtliche Anmerkung: Insbesondere weitere Kosten bei der D. GmbH, wie Abdeckrechnungen, Arbeitgeberanteil, pro forma Betriebsleiter, Steuerberater, Arbeitgeberanteil soweit Löhne gemeldet.]|16,75 bis 10,7%
Der Senat verkennt nicht, dass die Angeklagte das ihr Verbliebene (3.000,-- bis 4.000,-- EUR pro Monat) möglicherweise zu gering ansetzte und deshalb in den - ohnehin zu hoch erscheinenden - sonstigen Unkosten (9.885,-- EUR bis 15.475,-- EUR pro Monat) eine weitere Gewinnmarge steckt. Dass die Angeklagte zu hohe Löhne nannte, kann nach den Feststellungen des Landgerichts ausgeschlossen werden.
Mit der Annahme eines Lohnanteils von 70 Prozent des Umsatzes, wie dies die Strafkammer ihren Berechnungen zugrunde legte, ist die Angeklagte nach allem sicherlich nicht beschwert.
2.
Zur Strafzumessung ist zu bemerken:
Die Strafkammer meint, die Angeklagte habe nicht aus grobem Eigennutz im Sinne des § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gehandelt, sie habe sich bei den Taten nicht in besonders anstößigem Maß vom Streben nach dem eigenen Vorteil leiten lassen. Dabei sei insbesondere zu sehen, dass die Arbeiter der Schwarzarbeit gewollt nachgegangen seien und die Beteiligten insoweit im allseitigen Einverständnis gehandelt hätten.
Dies hält rechtlicher Überprüfung zwar nicht stand, beschwert die Angeklagte aber nicht.
Geschütztes Rechtsgut der Absätze 1 und 2 des § 266a StGB ist in erster Linie das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherungen (vgl. ; Saliger in Satzger/Schmitt/Widmaier StGB § 266a Rdn. 2 m.w.N.). Kollusives Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Lasten der Solidargemeinschaft - und mittelbar zum Nachteil abgaben- und steuerehrlicher Unternehmer - entlastet deshalb nicht, sondern ergibt ein Tatbild, das durch ein gesteigertes Ausmaß an krimineller Energie geprägt ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
YAAAD-33009
1Nachschlagewerk: nein