BAG Urteil v. - 9 AZR 378/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GewO § 106; BGB § 315 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 2; MTV Nr. 1a § 7; MTV Nr. 1a § 7a; MTV Nr. 1a § 9

Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 17 Sa 1531/07 vom ArbG Frankfurt/Main, 12/21 Ca 9263/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.

Die Beklagte ist eine Luftverkehrsgesellschaft, die ca. 2.000 Mitarbeiter des fliegenden Personals beschäftigt. Der zentrale Einsatzort des fliegenden Personals ist Frankfurt am Main; daneben ist in geringerem Umfang fliegendes Personal auch in Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart stationiert. Außerdem waren bis ca. 100 Mitarbeiter des fliegenden Personals in Berlin stationiert. Bei der Beklagten besteht eine Personalvertretung für das fliegende Personal.

Die 1966 geborene, verheiratete, zwei Kindern unterhaltsverpflichtete und in B wohnende Klägerin ist seit Oktober 1990 als Flugbegleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft individualvertraglicher Bezugnahme die jeweils gültigen kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen Anwendung. Der noch mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag vom lautet auszugsweise:

"1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

...

Einsatzort ist grundsätzlich Berlin.

SÜDFLUG kann Frau ... auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen."

Die Klägerin wurde seit geraumer Zeit, zumindest aber in den letzten zwei Jahren vor den hier im Streit stehenden Maßnahmen, nur noch in geringem Umfang, etwa fünfmal im Jahr, von Berlin-Schönefeld aus eingesetzt. Für die restlichen Flugeinsätze wurde sie zu den an anderen Flughäfen beginnenden Flügen auf Kosten der Beklagten befördert (sog. Dead-Head-Zeit). Hierzu heißt es in dem ab geltenden Manteltarifvertrag Nr. 1a Kabinenpersonal Condor (MTV Nr. 1a) ua.:

"§ 7 Arbeits-, Flugdienst- und Ruhezeiten

(1) Die Arbeitszeit umfasst die Zeit, in der der Mitarbeiter auf Anordnung der Condor Dienst leistet.

Zur Arbeitszeit zählt:

...

b) die Zeit, in der der Mitarbeiter zum Antritt bzw. nach Beendigung des Dienstes ohne eigene Arbeitsleistung mitfliegt oder mit Ersatztransportmitteln befördert wird,

...

§ 7a Freie Tage am dienstlichen Wohnsitz

(1) Den Mitarbeitern stehen in jedem Kalenderjahr 122 freie Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz zu (dienstlicher Wohnsitz ist der im Arbeitsvertrag hierzu bestimmte Ort). ...

...

§ 9 Vergütung

...

(7) Die in jedem Monat erfolgten Dead-Head-Einsätze werden gesondert erfasst und ausgewiesen. Alle über 2,5 Stunden monatlich hinausgehenden Dead-Head-Stunden werden mit dem Stundensatz gemäß § 2 des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zusätzlich vergütet. ..."

Am schlossen die Beklagte und die bei ihr bestehende Personalvertretung des fliegenden Personals einen "Interessenausgleich/Sozialplan für die Beendigung der Stationierung von Cockpit- und Kabinenpersonal in Berlin-Schönefeld". Dieser lautet auszugsweise:

"Präambel

Um die Wettbewerbsfähigkeit der Condor abzusichern und darüber hinaus die notwendige Wachstumsfähigkeit des Unternehmens wieder zu erlangen, ist beabsichtigt, im Kalenderjahr 2006 den Stationierungsort Schönefeld für das fliegende Personal der Condor zu beenden. Dies ist im Hinblick auf die dauerhaft geringe Anzahl an An- und Abflügen von Schönefeld unumgänglich.

I. Interessenausgleich

...

§ 2 Beschreibung

Es wurde eine Crew-Bedarfsplanung für die Station SXF auf der Basis der langfristigen Netzplanung erstellt, das für diesen Stationierungsort mit Wirkung zum zu einer Betriebsschließung und damit zu einem Wegfall von insgesamt 100 Stellen führt:

...

§ 3 Zeitplan

Die notwendigen überörtlichen Versetzungen auf anderweitige Arbeitsplätze werden voraussichtlich bis ausgesprochen.

Die betroffenen Mitarbeiter werden über die Einzelheiten ihrer Weiterbeschäftigung individuell befragt. Mitarbeiter, die sich nicht oder nicht rechtzeitig erklären, erhalten einen Versetzungsvertrag zum Stationierungsort Frankfurt (FRA) zum Schließungstermin.

§ 4 Ziele/Maßnahmen

...

Für unmittelbar vom Arbeitsplatzverlust in SXF betroffene Mitarbeiter, die vor dem geboren sind, besteht trotz der grundsätzlichen Beendigung des Stationierungsortes SXF insoweit Bestandsschutz bis zum Ende ihrer aktiven fliegerischen Tätigkeit bei CFG.

Der Stationierungsort für diese Mitarbeitergruppe ist Berlin.

...

Im Übrigen ist der Personalabbau bei SXF vorrangig durch folgende Maßnahmen zu bewirken:

1. Weiterbeschäftigung bei Condor

Jedem vom Arbeitsplatzverlust in SXF betroffenen Mitarbeiter wird angeboten, an einem anderen Stationierungsort weiter in seiner bisherigen Funktion zu arbeiten. ...

...

§ 5 Personelle Maßnahmen

1. Versetzung/Änderungskündigung

a) Versetzungen können in Form der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als auch bei Änderungskündigungen schriftlich und unter Berücksichtigung nach § 2 Nachweisgesetz erfolgen.

..."

Die Beklagte bot den betroffenen Arbeitnehmern formularmäßig mit der Bitte um verbindliche Erklärung bis zum ua. eine einverständliche Versetzung zu den Flughäfen Frankfurt am Main, Hamburg und Stuttgart an. Die Flughäfen Hamburg und Stuttgart sind keine Stationierungsorte. Dasselbe gilt für die Flughäfen Düsseldorf, Hannover und München. Diese Flughäfen sind dennoch Einsatzorte von fliegendem Personal.

Mit Schreiben vom versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom an den Stationierungsort Frankfurt am Main. Die zunächst auch gegen diese Versetzung gerichtete Klage haben die Parteien für erledigt erklärt. Mit Schreiben vom beantragte die Beklagte bei der Personalvertretung die Zustimmung zur Versetzung der Klägerin an den neuen Stationierungsort Frankfurt am Main sowie zu einer vorsorglichen entsprechenden Änderungskündigung. Die Personalvertretung stimmte mit Schreiben vom zu.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin mit:

"...

Sehr geehrte Frau ...

in dem mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag ist das Recht vorbehalten, Sie an einem anderen Ort in Deutschland zu beschäftigen. Mit Wirkung zum werden sie daher unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion von Schönefeld nach Frankfurt versetzt.

...

Rein vorsorglich für den Fall der Nichtannahme dieser Vertragsänderung sind wir gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin, dies ist nach unserer Rechnung zum , zu kündigen.

Gleichzeitig bieten wir Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem zu den oben genannten geänderten Bedingungen an. Die Kündigung ist notwendig geworden, weil für Sie nach Schließung des Stationierungsortes Schönefeld dort kein Arbeitsplatz mehr vorhanden ist.

Sofern Sie zur Versetzung ihre Zustimmung nicht erteilen, endet Ihr Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des . Bitte bestätigen Sie uns Ihr Einverständnis mit der Versetzung durch Unterzeichnung und Rückgabe der Kopie dieses Schreibens bis spätestens .

..."

Mit Schreiben vom nahm die Klägerin das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen unter Vorbehalt an. Die Beklagte erläuterte der Klägerin mit auf den datiertem Schreiben, bei dem Schreiben vom habe es sich um eine unbedingte und nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängige Versetzung gehandelt. Mit Schreiben vom erklärte sie erneut die Versetzung der Klägerin von Berlin-Schönefeld nach Frankfurt am Main mit Wirkung vom .

Die vorgehende Versetzungserklärung und Änderungskündigung nahm sie dabei ausdrücklich nicht zurück.

Mit ihrer am beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage und späterer Klageerweiterung hat sich die Klägerin gegen die Versetzung und die Änderungskündigung gewandt. Sie ist der Auffassung, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag verstoße gegen das Transparenzgebot. Zudem halte die Versetzung einer Billigkeitsprüfung im Wege der Ausübungskontrolle nicht stand. Eine Verlegung des Wohnsitzes komme wegen der Berufstätigkeit des Ehemanns der Klägerin in Berlin nicht in Betracht. Sie müsse bei Wirksamkeit die Kosten des Transports und der Unterbringung selbst tragen. Zudem führe die Versetzung zur faktischen Erhöhung ihrer Arbeitszeit. Die Begünstigung der vor dem geborenen Mitarbeiter verstoße gegen das AGG. Der Flughafen Berlin-Schönefeld werde auch weiterhin angeflogen. Die Änderungskündigung sei unwirksam. Es seien schon die Grundsätze der Sozialauswahl nicht beachtet. Zudem sei eine Beschäftigung der Klägerin am Stationierungsort Berlin-Schönefeld weiter möglich.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. festzustellen, dass die mit Schreiben vom ausgesprochene Versetzung unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, ihre Geschäftsleitung habe im Frühjahr 2006 beschlossen, die Station Berlin-Schönefeld für das fliegende Personal vollständig zu schließen und den Betrieb stillzulegen. Dies habe sie zum umgesetzt. In Berlin-Schönefeld befänden sich nur noch der frühere Betriebsleiter für den Stationsbetrieb und der früher für die Crew-Betreuung zuständige Mitarbeiter. Beide seien nunmehr mit anderen Aufgaben betraut und jedenfalls nicht mehr für die Betreuung des fliegenden Personals zuständig. Die in Berlin-Schönefeld stationierten Mitarbeiter seien bis zum von der Stationsleitung Berlin-Schönefeld geführt worden und hätten von dort ihre Einsatzanweisung erhalten. Seit dem gebe es in Berlin-Schönefeld keine Einsatzleitung, keine Räumlichkeiten für die Stationsmitarbeiter, keine Postfächer und keine sonstigen Anlaufstellen mehr. Leitung und Einsatz erfolgten nunmehr von Frankfurt am Main aus. Die Aufgabe von Berlin-Schönefeld als Stationierungsort für das fliegende Personal sei daher mit einer Betriebsstilllegung gleichzusetzen. Die Betriebsorganisation am Standort sei beendet und aufgelöst. Die Stilllegung des gesamten Betriebsstandorts erschöpfe sich deshalb nicht in dem Ausspruch von Kündigungen. Flüge von Berlin-Schönefeld aus würden zwar noch unter der Condor-Nummer stattfinden, jedoch nicht mehr von der Beklagten selbst durchgeführt, sondern von der Condor Berlin GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten. Laut Flugplan für Herbst 2007 habe die Beklagte Berlin-Schönefeld nur noch sechsmal angeflogen und werde diesen Flughafen im Winter 2007/2008 planmäßig überhaupt nicht mehr anfliegen. Sie habe im Rahmen der Versetzungsentscheidung ihr wirtschaftliches Interesse gegen das Interesse der Mitarbeiter abgewogen. Dass auch die Interessen der nach dem geborenen Arbeitnehmer berücksichtigt worden seien, spiegele sich in den im Sozialplan vorgesehenen sozialen Abfederungen wider.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der in der Revision anhängigen Anträge stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Gründe

A. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen die klagestattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist gegenstandslos, soweit es trotz fehlenden Antrags auch über die Wirksamkeit der Versetzung mit Schreiben vom entschieden hat.

1. Das Landesarbeitsgericht hat auch darüber entschieden, dass eine im Schreiben der Beklagten vom möglicherweise enthaltene Versetzung unwirksam ist. Die Klägerin hat lediglich die im Schreiben der Beklagten vom ausgesprochene Änderungskündigung angegriffen, nicht aber die gleichzeitig ausgesprochene Versetzung. Das Arbeitsgericht hat deshalb nur über diese Änderungskündigung und die Versetzung vom entschieden. Dennoch hat das Landesarbeitsgericht mit der Zurückweisung der Berufung auch über die Wirksamkeit der Versetzung mit Schreiben vom entschieden. Das ergibt sich aus seinen Entscheidungsgründen. Das Landesarbeitsgericht hat dort angenommen, die Klägerin sei nicht vor dem durch Versetzungsanordnung vom wirksam versetzt worden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat damit gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es über einen Anspruch entschieden hat, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen ist. Das wird von der Revision zwar nicht gerügt. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO ist auch vom Revisionsgericht ohne Rüge von Amts wegen zu beachten (vgl. Senat - 9 AZR 677/07 - Rn. 20, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30; - zu II 3 b der Gründe, NJW-RR 2002, 255). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Versetzung vom ist deshalb gegenstandslos (vgl. zu dieser Rechtsfolge - Rn. 29, BAGE 117, 123).

II. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung der Klägerin von Berlin-Schönefeld nach Frankfurt am Main vom ist unwirksam.

1. Die Beklagte ordnete eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinn an, mit der die Zuordnung zum Einsatzort geändert werden sollte.

Eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort setzt in der Regel den dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle/in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers voraus. Dem Versetzungsbegriff ist immanent, dass mit dem Wechsel auch eine Änderung des Tätigkeitsbereichs, dh. der Art, des Orts oder des Umfangs der Tätigkeit verbunden ist (Senat - 9 AZR 362/06 - Rn. 15, EzTöD 100 TVöD-AT § 4 Abs. 1 Versetzung Nr. 2). Eine Versetzung setzt nicht notwendig die Zuordnung zu einem anderen Betrieb voraus. Auch die Zuweisung eines anderen regelmäßigen Arbeitsorts kann ausreichen. Das ist vor allem bei den Arbeitnehmern der Fall, die ihre regelmäßige Tätigkeit nicht in einer ortsgebundenen betrieblichen Organisation erbringen. So ist es hier. Regelmäßiger Arbeitsort der Flugbegleiter ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort (Senat - 9 AZR 815/07 - Rn. 43, EzA AWbG NW § 7 Nr. 32). Das Flugzeug wird auch nicht zwangsläufig am Einsatzort bestiegen. Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Eine Veränderung des Einsatzorts bedeutet deshalb nicht ohne Weiteres und nicht unmittelbar eine Änderung des tatsächlichen Arbeitsorts. Der Einsatzort hat eine andere Bedeutung. Nach § 7 Abs. 1 Buchst. b MTV Nr. 1a ist die Zeit, "in der der Mitarbeiter zum Antritt bzw. nach Beendigung des Dienstes ohne eigene Arbeitsleistung mitfliegt oder mit Ersatztransportmitteln befördert wird" (Dead-Head) Arbeitszeit. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 1a stehen dem Mitarbeiter in jedem Kalenderjahr 122 freie Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz zu. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Arbeitszeit. Weicht der Flughafen, an dem der Flug startet, hiervon ab, ändert dies nichts. Die Arbeit wird am Einsatzort angetreten. Der "Dead-Head"-Transport vom Einsatzort zum Flughafen des Abflugs gilt tariflich als Arbeitszeit. Eine Veränderung des Einsatzorts hat deshalb wesentliche Auswirkungen. Die Arbeitszeit und die notwendigen Ruhezeiten berechnen sich anders. Der in Berlin wohnende Flugbegleiter, dessen Einsatzort von Berlin nach Frankfurt am Main verlagert wird, muss die Fahrtkosten zum Abflughafen Frankfurt am Main selbst tragen. Die Fahrtzeit gilt nicht mehr als Arbeitszeit. Eine einseitige Veränderung des Einsatzorts, der den Beginn der für die Arbeitszeit maßgeblichen "Arbeitstätigkeit" bestimmt, ist deshalb eine Versetzung. Denn die tariflichen Regelungen lassen am Einsatzort die Arbeitszeit beginnen.

2. Die Versetzung der Klägerin vom Einsatzort Berlin-Schönefeld zum Einsatzort Frankfurt am Main ist unwirksam. Sie entspricht schon nicht billigem Ermessen. Deshalb kann der Senat offenlassen, ob die Versetzung überhaupt vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst ist.

a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar. Stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen fest, kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen (Senat - 9 AZR 557/05 - Rn. 50, aaO.). Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen ( - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).

b) Diesen Erfordernissen wird der Sachvortrag der Beklagten nicht gerecht. Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 106 GewO. Dazu gehört, dass er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht (Senat - 9 AZR 433/06 - Rn. 81, AP BGB § 307 Nr. 26). Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, welche berechtigten eigenen Interessen an der Versetzung bestehen. Sie beruft sich ausschließlich darauf, der Arbeitsplatz der Flugbegleiter sei weggefallen, weil die Station Berlin-Schönefeld zum vollständig stillgelegt worden sei. Das würde voraussetzen, dass nur Stationierungsorte auch Einsatzorte von Flugbegleitern sein können. Dies ist schon nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Sie hat vorgetragen, sie betreibe nicht an jedem Einsatzort des Personals auch einen Stationierungsort, wie etwa an den Flughäfen Düsseldorf, Hannover, Hamburg, München, Stuttgart und ab April 2007 Berlin-Tegel. Die Beklagte bot konsequenterweise betroffenen Arbeitnehmern formularmäßig an, sich mit einer Versetzung/Stationierung ua. nach Hamburg oder Stuttgart einverstanden zu erklären. Warum dort ein Einsatzort ohne vorhandene Station bestehen kann, in Berlin-Schönefeld aber nicht, ist nicht nachvollziehbar. Auf wirtschaftliche Gründe beruft sich die Beklagte nicht. Diese könnten daraus folgen, dass wegen veränderter Flugpläne nur noch wenige oder keine Flüge mehr in Berlin-Schönefeld starten würden. Dann könnten sich die "Dead-Head"-Zeiten der in Berlin wohnenden Flugbegleiter erheblich ausweiten mit der Konsequenz höherer unproduktiver Arbeitszeiten. Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen.

III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten sei nicht sozial gerechtfertigt. Es sei ohne Bedeutung für das fliegende Personal, ob die Station Berlin-Schönefeld geschlossen werde und dies eine Betriebsstilllegung sei.

1. Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen der §§ 2, 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist ( - Rn. 20, EzA KSchG § 2 Nr. 66). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand.

2. Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfällt. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die unternehmerische Organisationsentscheidung getroffen hat, eine Abteilung stillzulegen, bestimmte Arbeiten an ein anderes Unternehmen zur selbständigen Erledigung zu vergeben und/oder an einem bestimmten Standort zu konzentrieren ( - Rn. 23, EzA KSchG § 2 Nr. 66).

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht annimmt, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2, § 2 KSchG für eine Änderungskündigung von der Beklagten dargelegt wurden. Wie bereits ausgeführt, entfällt durch die Stilllegung einer Station nicht die Möglichkeit, dort dennoch den Einsatzort beizubehalten.

B. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
XAAAD-32487

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