Zustimmung einer Sprungklage; keine Entscheidung über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens, da die Sprungklage als ein im Zeitpunkt der Klageerhebung eingelegter Einspruch zu behandeln ist
Leitsatz
Eine Anfechtungsklage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt.
Stimmt die Behörde nicht oder nicht fristgerecht zu, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln.
§ 45 Abs. 3 FGO bewirkt, dass die Sprungklage als ein im Zeitpunkt der Klageerhebung eingelegter Einspruch zu behandeln ist, wodurch die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend beseitigt wird. In einem solchen Fall ist über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht zu entscheiden, weil ein solches Verfahren nicht rechtshängig war.
Gesetze: FGO § 45, AO § 89 Abs. 3, FGO § 143
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Nachdem das FA dem Begehren des Klägers entsprochen hatte, setzte es mit Verwaltungsakt vom für die Erteilung der Auskunft eine Gebühr in Höhe von 121 € gemäß § 89 Abs. 3 der Abgabenordnung —AO— (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007) fest. Grundlage der Gebührenberechnung war der Ansatz des gesetzlichen Mindestgegenstandswerts von 5.000 €.
Dagegen erhob der Kläger mit am beim Finanzgericht (FG) eingegangen Schriftsatz Sprungklage, die dem FA am zugestellt wurde. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass die der Gebührenfestsetzung zugrunde liegenden Regelungen der AO gegen Verfassungsrecht verstießen. Am ging ein Schriftsatz des FA vom bei Gericht ein. Darin machte die Behörde Ausführungen zur Sache und stimmte zugleich der Sprungklage zu.
Das FG wies mit dem angegriffenen Urteil die Sprungklage als unbegründet ab, weil die Gebührenfestsetzung auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruhe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger weiterhin, die Gebührenerhebung sei verfassungswidrig.
Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil und damit den Bescheid des FA vom aufzuheben, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 89 Abs. 3 bis 5 AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 verfassungsgemäß ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Gebühr werde dem Grunde und der Höhe nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Der Senat entscheidet gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache und gibt die als Einspruch zu behandelnde Sprungklage gemäß § 45 Abs. 3 FGO an das FA ab.
1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerichtliche Sachentscheidung ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, , BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266; vom VI R 88/97, BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445). Über eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt darf grundsätzlich nur entschieden werden, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist (§ 44 Abs. 1 FGO). Ausnahmsweise ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO). Stimmt die Behörde nicht zu, dann ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln (§ 45 Abs. 3 FGO).
Da die Wirksamkeit der Zustimmung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO an eine Frist geknüpft ist, binnen deren sie erklärt werden muss, ist die Anfechtungsklage ohne Vorverfahren nicht zulässig, wenn die Zustimmung nicht oder nicht fristgerecht erklärt worden ist (BFH-Beschlüsse vom IV B 20/68, BFHE 93, 41, BStBl II 1968, 661; vom VII B 39/72, BFHE 110, 179, BStBl II 1973, 852; , BFH/NV 1986, 176; in BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266).
2. Danach ist im Streitfall die Sprungklage als Einspruch zu behandeln mit der Folge, dass dem FG eine Entscheidung in der Sache verwehrt war.
Die Klageschrift wurde dem FA am zugestellt. Die Monatsfrist lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am ab. Die Zustimmung zur Sprungklage wurde erst am und damit zwei Wochen verspätet erklärt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO. Über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens ist nicht zu entscheiden, weil ein solches Verfahren nicht rechtshängig war. § 45 Abs. 3 FGO bewirkt, dass die Sprungklage als ein im Zeitpunkt der Klageerhebung eingelegter Einspruch zu behandeln ist, wodurch die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend beseitigt wird (vgl. Brandt in Beermann/Gosch, FGO, § 143 Rz 23 f.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 44 Nr. 1
HFR 2010 S. 61 Nr. 1
WAAAD-31903