Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 34; SGB V § 37
Instanzenzug: LSG Hessen, L 8 KR 353/07 vom SG Darmstadt, S 10 KR 262/06 vom
Gründe
I
Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Erstattung der Kosten der Inanspruchnahme eines Pflegedienstes für die Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente mittels intramuskulärer Injektionen bei seiner am verstorbenen Ehefrau.
Die 1918 geborene Versicherte litt an Altersgebrechlichkeit, Appetitlosigkeit und Gehstörungen. Zur Behebung altersbedingter Mangelerscheinungen verordnete ihr als Vertragsarzt tätiger Hausarzt zwei apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Vitaminpräparate (B 12 und Folsäure = B 9) auf Privatrezept. Beide Medikamente waren einmal wöchentlich per intramuskulärer Injektion zu verabreichen. Da die Versicherte und ihr 1913 geborener Ehemann hierzu nicht in der Lage waren, verordnete der Hausarzt durch Kassenrezept vom (Erstverordnung) für die Zeit vom 18.5. bis zum häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung in Form einmal wöchentlich zu verabreichender Medikamente mittels intramuskulärer Injektionen.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Versicherten vom auf Übernahme der Kosten der häuslichen Krankenpflege ab (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ). Zur Begründung führte sie aus, die Krankenkassen dürften seit dem die Kosten eines Pflegedienstes für die Medikamentengabe nur noch dann übernehmen, wenn die Arzneimittel verschreibungspflichtig und damit auch von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst seien. Das sei bei den hier verordneten Vitaminpräparaten nicht der Fall, weil sie zwar apothekenpflichtig, nicht aber verschreibungspflichtig seien; zudem seien die Medikamente nicht in dem Ausnahmekatalog gemäß Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V enthalten. Demgemäß habe der Hausarzt für die Verschreibung der Medikamente auch ein Privatrezept und nicht ein Kassenrezept verwendet. Der Pflegedienst hat der Versicherten die im Mai 2006 verabreichten Injektionen (11.5., 18.5. und 25.5.) mit 29,47 Euro und die im Juni 2006 verabreichten Injektionen (1.6., 8.6., 13.6., 22.6. und 29.6) mit 41,20 Euro in Rechnung gestellt; zumindest den ersteren Betrag hat die Versicherte beglichen.
Im Klageverfahren hat die Versicherte zur Stützung ihres zunächst auf Kostenfreistellung, später aber auf Kostenerstattung gerichteten Begehrens geltend gemacht, der Gesetzgeber habe zum nur die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel selbst von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen, nicht aber Folgeleistungen wie die Medikamentengabe oder die Injektion durch einen Pflegedienst, wenn sie - wie hier - zur Sicherung der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung erforderlich seien. Auch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (ab : Gemeinsamer Bundesausschuss) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und Abs 7 SGB V (HKP-RL) vom verlangten nur, dass die Medikamente "ärztlich verordnet" worden seien. Von einer Verschreibung auf Kassenrezept sei dort nicht die Rede. Im Übrigen wäre ein Ausschluss notwendiger medizinischer Leistungen allein durch die HKP-RL auch unzulässig.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil auf die Berufung der Versicherten geändert und dem Kostenerstattungsbegehren stattgegeben (Urteil vom ): Weder der Wortlaut des Gesetzes (§§ 31, 34, 37 SGB V) noch die Materialien des zum in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom (BGBl I 2190) rechtfertigten die Annahme der Beklagten, der Gesetzgeber habe über die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (§§ 31, 34 SGB V) hinaus auch die im Einzelfall mit ihnen verbundenen Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) aus der Leistungspflicht der GKV ausklammern wollen. Es hätte vielmehr einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers bedurft, wenn die Änderung des § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V Auswirkungen auf einen anderen Leistungsbereich wie zB die häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V) hätte haben sollen. Die HKP-RL stünden der Leistungspflicht ebenfalls nicht entgegen, weil der dort verwendete Begriff der "ärztlich verordneten" Medikamente nicht mit dem Begriff der "Verordnung auf Kassenrezept" gleichzusetzen sei, was sich insbesondere aus der Differenzierung der Medikamentenverordnung "auf Kassenrezept" zu Lasten der GKV sowie "auf Privatrezept" zu Lasten der Versicherten in den Arzneimittel-Richtlinien ergebe. Die Verabreichung der von einem Vertragsarzt auf Privatrezept verordneten Medikamente durch einen Pflegedienst sei also von der Krankenkasse zu tragen, sofern nur die häusliche Krankenpflege als solche auf Kassenrezept verordnet worden sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 34, 37 SGB V). Sie hält an ihrer Auffassung fest, die GKV sei nur dann für die Medikamentengabe durch einen Pflegedienst eintrittspflichtig, wenn auch das Medikament selbst von der Leistungspflicht umfasst sei, was wiederum dessen Verschreibung auf einem Kassenrezept voraussetze. Mit der Aufnahme der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel in die Regelung des § 34 SGB V über "ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel" habe der Gesetzgeber diese Medikamente der Gesetzessystematik mit allen Konsequenzen unterworfen. Im Übrigen habe das LSG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, weil es nicht ohne konkrete medizinische Ermittlungen hätte feststellen dürfen, dass die häusliche Krankenpflege hier zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung notwendig gewesen sei (§ 37 Abs 2 SGB V). Sie habe schon im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Ablehnungsentscheidung aus formalen Gesichtspunkten getroffen worden sei und eine materiell-rechtliche Prüfung des Leistungsanspruchs nicht stattgefunden habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen zu ändern und die Berufung der früheren Klägerin gegen das Urteil des SG Darmstadt vom zurückzuweisen.
Der Kläger ist als Rechtsnachfolger seiner am verstorbenen Ehefrau in das Revisionsverfahren eingetreten. Er verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist rechtswidrig. Der Versicherten stand die beantragte häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 18.5. bis zum als Sachleistung zu (§ 37 Abs 2 SGB V). Die Beklagte hat deshalb die der Versicherten in Rechnung gestellten Kosten für die in diesem Zeitraum erfolgten drei Maßnahmen in Höhe von 29,47 Euro zu tragen. Dies hat das LSG zutreffend entschieden.
1. Streitgegenstand ist ein Kostenerstattungsanspruch über 29,47 Euro nach § 13 Abs 3 SGB V. Nur in der Klageschrift selbst hatte die Versicherte von einem Kostenfreistellungsanspruch gesprochen, weil sie den in Rechnung gestellten Betrag bis dahin nicht an den Pflegedienst gezahlt habe. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Versicherte aber auf einen Kostenerstattungsanspruch übergegangen, wie sich insbesondere aus ihrer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am ergibt. Der Umstellung des Klagebegehrens war konkludent zu entnehmen, dass sie den Rechnungsbetrag zwischenzeitlich überwiesen hat; dies hat das SG sogar ausdrücklich festgestellt. Auch im Berufungsverfahren ist stets nur von der Kostenerstattung die Rede gewesen. Dementsprechend hat das LSG die Beklagte auch zur Kostenerstattung und nicht zur Kostenfreistellung verurteilt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen in den Entscheidungsgründen des LSG ist davon auszugehen, dass die Forderung von der Versicherten beglichen worden ist.
2. Der Kläger ist klagebefugt und aktiv legitimiert. Er ist als Ehemann der am verstorbenen Versicherten Alleinerbe geworden (Erbschein des Amtsgerichts Groß-Gerau vom ). Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ist daher gemäß § 58 Satz 1 SGB I iVm § 1922 Abs 1 BGB auf ihn übergegangen. Eine Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I hat nicht stattgefunden, weil ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V keine "laufende Geldleistung" darstellt.
3. Das Berufungsurteil ist insoweit unrichtig, als das LSG zur Begründung des Kostenerstattungsanspruchs allein auf die Rechnung des Pflegedienstes vom abgestellt hat. Dabei hat das LSG übersehen, dass der Pflegedienst seine Leistungen jeweils für einen Kalendermonat abgerechnet hat, sich die drei streitigen Maßnahmen aus dem Zeitraum vom 18.5. bis zum also auf zwei Rechnungen verteilen. Die Rechnung vom enthält die Injektionen vom 18.5. und sowie die - hier nicht streitige, von der Verordnung vom nicht erfasste und daher von der Versicherten selbst zu tragende - Injektion vom . Die Rechnung vom betrifft hingegen die Leistung vom sowie die - ebenfalls nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gehörenden - Leistungen vom 8.6., 13.6., 22.6. und . Dies ergibt sich aus den der Klageschrift beigefügten Leistungsnachweisen des Pflegedienstes für die Monate Mai und Juni 2006.
Es ist deshalb - hinsichtlich des insoweit unrichtigen Tenors des Berufungsurteils - klarzustellen, dass sich die Klageforderung nicht allein aus der Rechnung vom , sondern auch aus der Folgerechnung vom ergibt. An der zuerkannten Höhe des Kostenerstattungsanspruches von 29,47 Euro ändert sich dadurch allerdings nichts. Für einen Einsatz hat die Beklagte jeweils 3,48 Euro für die Injektion sowie 4,76 Euro Fahrkosten an normalen Wochentagen bzw 9,51 Euro an Sonn- und Feiertagen zu zahlen. Dieser doppelte Fahrkostensatz war hier für den zu entrichten, weil es sich um den Feiertag "Christi Himmelfahrt" handelt. Für die drei Einsätze vom 18.5., 25.5. und errechnet sich daraus ein Gesamtbetrag von 29,47 Euro. Dieser stimmt nur zufällig mit dem Endbetrag der Rechnung vom überein, weil er einerseits den - von der Beklagten nicht zu bezahlenden - Einsatz vom über 8,24 Euro enthält, andererseits aber der Einsatz vom in gleicher Höhe erst mit der Folgerechnung vom abgerechnet worden ist. In der Klageschrift ist der Sachverhalt zutreffend beschrieben worden, indem die Versicherte auf die Einsätze des Pflegedienstes während des in der vertragsärztlichen Verordnung vom genannten Zeitraums vom 18.5. bis zum abgestellt und zum Beleg der Erstattungsforderung die Rechnungen sowie die Leistungsnachweise für die Monate Mai und Juni 2006 beigefügt hat.
4. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsbegehrens ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die hier allein in Betracht kommende zweite Alternative dieser Vorschrift ist erfüllt. Die Beklagte hat die am beantragten Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit Bescheid vom zu Unrecht abgelehnt. Daraufhin hat sich die Versicherte die Leistungen vom 18.5., 25.5. und , die in der vertragsärztlichen Verordnung genannt waren, auf eigene Kosten beschafft.
5. Der Leistungsanspruch bestimmt sich hier nach § 37 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V in der bis zum geltenden Fassung (BGBl I 2003, 2190). Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die intramuskulären Injektionen zählen zu den verordnungsfähigen Leistungen der Behandlungspflege. Dies ergibt sich aus Nr 18 der Anlage zu den HKP-RL. Als Leistungsbeschreibung intramuskulärer Injektionen ist dort das Aufziehen, Dosieren und Einbringen von ärztlich verordneten Medikamenten genannt, wobei sich Dauer und Menge der Dosierung streng nach Maßgabe der Verordnung des Präparates zu richten haben. Rechtsgrundlage der HKP-RL ist § 37 Abs 6 SGB V, der auf die Richtlinien-Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 SGB V verweist. Gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 iVm Abs 7 Nr 1 SGB V regeln die HKP-RL die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung. Nach Teil I Nr 3a der HKP-RL umfasst die häusliche Krankenpflege Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und die üblicherweise an Pflegefachkräfte/Pflegekräfte delegiert werden können (Behandlungspflege). Die Voraussetzungen für eine positive Bescheidung des Leistungsantrages der Versicherten vom lagen danach vor. Die verordneten Vitaminpräparate (B 12 und Folsäure = B 9) waren nach den insoweit nicht angegriffenen und daher für den erkennenden Senat verbindlichen (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG zur möglichst weitgehenden Behebung der mit der Altersgebrechlichkeit und der Appetitlosigkeit verbundenen körperlichen Mangelerscheinungen der Versicherten medizinisch notwendig. Die Verordnung auf dem Privatrezept erfolgte lediglich, weil diese Medikamente in ihrer konkreten Zusammensetzung und Kombination zwar apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind und daher bei erwachsenen Versicherten nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V von der Leistungspflicht der Krankenkassen seit dem nicht mehr umfasst werden (vgl die jeweils 1. Alternative des § 29 Abs 11 Satz 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte [BMV-Ä] und des § 15 Abs 10 des Bundesmantelvertrages-Ärzte/Ersatzkassen [EKV-Ä]). Die Verordnung auf Privatrezept erfolgte hingegen nicht, weil die Medikamente für die ambulante ärztliche Behandlung nicht medizinisch notwendig gewesen wären (vgl die jeweils 2. Alternative des § 29 Abs 11 Satz 1 BMV-Ä und des § 15 Abs 10 EKV-Ä).
6. Unerheblich ist der Einwand der Beklagten, das LSG habe nicht ohne medizinische Ermittlungen feststellen dürfen, die verordneten Präparate und die verordnete Verabreichung in Form intramuskulärer Injektionen seien notwendig gewesen. Es kann offen bleiben, ob es die Präparate mit gleicher Wirkungsweise auch in anderer Form, zB als Tabletten, gibt, sodass die häusliche Krankenpflege im Ergebnis möglicherweise entbehrlich gewesen wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte hierzu weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren konkrete Angaben gemacht hat, die Anlass zu Ermittlungen des LSG (§ 103 SGG) hätten geben können, ist festzuhalten, dass im Verhältnis zum Versicherten ein vom Arzt als notwendig verordnetes Arzneimittel sogar dann nicht der Genehmigung der Krankenkasse unterliegt (vgl § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä und § 15 Abs 1 Satz 2 EKV-Ä), wenn es - anders als hier - um ein von der Leistungspflicht der GKV umfasstes Arzneimittel geht. Die Genehmigungsfreiheit betrifft nicht nur das Medikament selbst, sondern auch die Dosierung sowie die Form der Einnahme oder Gabe. Eine diesbezügliche Notwendigkeitsprüfung findet im Verhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse auch nicht über den "Umweg" der nach Nr 21 der HKP-RL vorgeschriebenen Genehmigungsprüfung für vertragsärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege statt. Die Krankenkasse ist im Verhältnis zum Versicherten an die vertragsärztliche Verordnung gebunden und kann Verstöße des Vertragsarztes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot der vertragsärztlichen Versorgung in diesem Bereich nur im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 106 SGB V) ahnden. Sie kann dem Versicherten gegenüber deshalb nicht geltend machen, dass das Arzneimittel, das im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verabreicht werden soll, unwirtschaftlich sei, um damit den Anspruch nach § 37 SGB V insgesamt abzulehnen (so auch Padé in: jurisPK-SGB V, 2008, § 37 RdNr 44 mwN). Das Prüfungsrecht der Krankenkassen beschränkt sich im Verhältnis zum Versicherten auf die Fragestellung, ob die Krankenpflege erforderlich ist, um die verordnete konkrete Pflegemaßnahme durchzuführen, und ob ein im Haushalt lebender Dritter die Maßnahme übernehmen kann (§ 37 Abs 3 SGB V sowie Nr 22 und 23 der HKP-RL). Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den erkennenden Senat daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Durchführung der einmal wöchentlich zu verabreichenden Injektionen durch einen Pflegedienst notwendig, weil die Versicherte und ihr Ehemann dazu selbst nicht in der Lage waren.
7. Dem Leistungsanspruch nach § 37 Abs 2 SGB V steht auch nicht entgegen, dass die intramuskulär verabreichten Vitaminpräparate bei Erwachsenen nicht verschreibungspflichtig sind (ebenso Padé, aaO, § 37 RdNr 45) und die Versicherte sich diese Arzneimittel deshalb auf eigene Kosten beschaffen musste. Der Umfang der von der GKV zu leistenden häuslichen Behandlungspflege ist nicht durch die Neuregelung des § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V zum beschränkt worden. Die Änderungen dieser Vorschrift durch das GMG lassen nicht darauf schließen, dass auch der Leistungsumfang der GKV bei der häuslichen Krankenpflege eingeschränkt werden sollte.
a) Der Wortlaut des § 37 SGB V gibt für die gegenteilige Ansicht der Beklagten nichts her; er ist durch das GMG nicht geändert worden. Nach § 37 Abs 2 SGB V ist Voraussetzung für den Anspruch auf häusliche Behandlungspflege nur, dass diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die Beklagte kann sich zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auch nicht auf die Gesetzesmaterialien stützen. Seit der Neufassung des § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V durch das GMG zum werden nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich nicht mehr von der Medikamentenversorgung der GKV umfasst. Dies bedeutet jedoch nur, dass die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel selbst aus dem Leistungskatalog der GKV herausgenommen wurden. Nach der Begründung zum GMG (BT-Drs 15/1525 S 75) sollten mit dieser Einschränkung der Versorgung die Ausgaben der GKV gesenkt werden. So heißt es dort zu den Zielen der gesetzlichen Neuregelung: "Die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln erfolgt auf der Grundlage eines vielfältigen Angebots. Die Ausgaben der GKV in diesen Bereichen sind in den letzten fünf Jahren überproportional angestiegen, ohne dass dies allein medizinisch zu begründen wäre. Deshalb sind steuernde Maßnahmen erforderlich, die die Effizienz der Versorgung in diesen Bereichen erhöhen. ... Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden grundsätzlich aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen. Ausgenommen bleiben Verordnungen für Kinder bis zum 12. Lebensjahr sowie für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen. Ferner gelten Ausnahmen bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, für die nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zum Therapiestandard gehören. Der Gemeinsame Bundesausschuss erarbeitet entsprechende Ausnahmen in seinen Arzneimittelrichtlinien. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen." Dies macht deutlich, dass nur die Anschaffungskosten der Medikamente, nicht jedoch die Kosten der Verabreichung aus dem Leistungskatalog der GKV gestrichen werden sollten. Entsprechend lautet auch die konkrete Begründung zur Änderung des § 34 SGB V (BT-Drs 15/1525 S 86): "Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden bereits bisher in den Apotheken zum überwiegenden Anteil ohne Rezept abgegeben. Es handelt sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung, sodass die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV für den einzelnen Versicherten sozial vertretbar ist." Von Folgeänderungen in anderen Leistungsbereichen wie zB der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede.
b) Die Beklagte kann ihre Rechtsauffassung auch nicht auf die Bestimmungen der HKP-RL stützen. Ihr kann nicht gefolgt werden, wenn sie meint, dass durch Teil I Nr 4 Satz 1 und 2 der HKP-RL iVm Nr 18 der Anlage (ähnlich auch Nr 26) die Verordnung häuslicher Krankenpflege zum Zwecke der Medikamentengabe nur zum Verabreichen von auf Kassenrezept verordneten Medikamenten zugelassen sei. Diese Einschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Nr 18 und 26 der Anlage, denn hierin ist nur die Rede von "ärztlich verordneten" Medikamenten. Eine Unterscheidung danach, ob die ärztliche Verordnung auf Privatrezept oder Kassenrezept erfolgt ist oder eine Beschränkung auf Medikamente, die zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind, ergibt sich aus dem Richtlinientext nicht. Im Recht der GKV ist der Begriff "ärztlich verordnet" auch nicht generell mit dem Begriff "auf Kassenrezept verordnet" gleichzusetzen. Nach Nr 4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) vom setzt die Versorgung mit Arzneimitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eine Arzneimittelverordnung des Vertragsarztes voraus. Allerdings stellt nicht jede Arzneimittelverordnung eines Vertragsarztes eine Verordnung zu Lasten der GKV dar. Die zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittel hat der Arzt vielmehr "auf Kassenrezept" zu verordnen (Nr 9 Satz 1 AMR). Andererseits "soll" der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel iS des § 34 Abs 1 SGB V zu Lasten der Versicherten verordnen, wenn sie zur Behandlung einer Erkrankung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind (Nr 16.10 Satz 2 AMR).
Hieraus ergibt sich, dass im Recht der GKV einschließlich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durchaus zwischen "ärztlich" verordneten, zu Lasten der GKV "auf Kassenrezept" verordneten und zu Lasten der Versicherten "auf Privatrezept" verordneten Medikamenten unterschieden wird. Soweit daher in den HKP-RL lediglich von "ärztlich verordneten" Medikamenten die Rede ist, bedeutet dies nicht, dass hiermit nur vertragsärztlich "auf Kassenrezept" zu Lasten der GKV verordnete Medikamente gemeint sein könnten. Vielmehr können auch vom Vertragsarzt "auf Privatrezept" verordnete, also vom Versicherten selbst zu bezahlende Medikamente erfasst sein, sofern nur die häusliche Krankenpflege als solche vom Vertragsarzt zu Lasten der GKV verordnet wurde. Mit dem Tatbestandsmerkmal der "ärztlich verordneten" Medikamente in Nr 18 und 26 der HKP-RL wollte der Gemeinsame Bundesausschuss also lediglich sicherstellen, dass die zu verabreichenden Medikamente zuvor von einem Vertragsarzt - auf Kassenrezept oder auf Privatrezept - verordnet (also nicht vom Versicherten aus eigenem Entschluss und ohne Rücksprache mit dem Arzt beschafft) und auf ihre medizinische Notwendigkeit hin geprüft worden sind.
c) Wenn der Gesetzgeber die Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch einen Pflegedienst aus dem Leistungsspektrum der GKV bei der häuslichen Krankenpflege hätte ausklammern wollen, hätte dies einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz bedurft. Der in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich geregelte Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV hat nicht zur Folge, dass eine solche Leistungseinschränkung automatisch auch in § 37 SGB V zu beachten wäre. Die häusliche Krankenpflege ist im Gesetz eigenständig geregelt und stellt nicht lediglich einen Annex zu den §§ 31 und 34 SGB V dar, soweit es um die Verabreichung von Medikamenten geht. Auch aus dem Begriff der "ärztlichen Behandlung" in der die Krankenbehandlung zu Lasten der GKV umschreibenden Grundnorm des § 27 Abs 1 SGB V (vgl hierzu Follmann in: jurisPK-SGB V, 2008, § 27 RdNr 12) lässt sich nicht ableiten, dass häusliche Krankenpflege nur bei zu Lasten der GKV verordneten Medikamenten zu leisten ist. Zwar kann der Begriff der "ärztlichen Behandlung" in § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V nur im Sinne einer "vertragsärztlichen" Behandlung verstanden werden. Im Bereich der Arzneimittelversorgung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) kann jedoch der Vertragsarzt ein Medikament - wie bereits ausgeführt - auf Kassenrezept, im Einzelfall aber auch auf Privatrezept verordnen (Nr 9 Satz 1 und Nr 16.10 Satz 2 AMR). Demgemäß kann sich die vertragsärztlich verordnete häusliche Krankenpflege in Form der Verabreichung von Medikamenten als Leistung der GKV auf beide Arten der Arzneimittelverordnung beziehen (zum ähnlich gelagerten Fall einer von der GKV zu leistenden häuslichen Krankenpflege, die unter Benutzung von Hilfsmitteln zu erfolgen hat, deren Kosten vom Versicherten zu tragen sind, vgl Nr 14 der Anlage zu den HKP-RL).
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2009 S. 2874
TAAAD-31755