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FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil v. - 4 K 691/05 EFG 2010 S. 13 Nr. 1

Gesetze: EStG § 70 Abs. 2 S. 1EStG § 70 Abs. 3 S. 1EStG § 70 Abs. 3 S. 2EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1AO § 5AO § 126 Abs. 1 Nr. 2FGO 102 S. 1 FGO 102 S. 2

Keine „Änderung der Verhältnisse” bei bereits von Anfang an bekanntem Sachverhalt

Inhaltliche Änderung eines Kindergeld-Aufhebungsbescheids bei nachträglicher Angabe von § 70 Abs. 3 EStG anstelle von § 70 Abs. 2 EStG als Rechtsgrundlage

§ 70 Abs. 3 Satz 1 EStG als Ermessensvorschrift

Leitsatz

1. War der Familienkasse bei der Festsetzung von Kindergeld für ein arbeitsloses volljähriges Kind bereits bekannt, dass das Kind bei der Agentur für Arbeit nicht als arbeitsplatzsuchend gemeldet und einer Einladung der Arbeitsvermittlung nicht gefolgt war, so konnte eine Aufhebung dieser Kindergeldfestsetzung mangels einer „Änderung der Verhältnisse” nicht rechtmäßig auf § 70 Abs. 2 EStG gestützt werden.

2. Ändert die Familienkasse später den Aufhebungsbescheid dahingehend ab, dass als Rechtsgrundlage anstelle des – eine Ermessensausübung nicht zulassenden – § 70 Abs. 2 EStG nunmehr der –Ermessenserwägungen zulassende – § 70 Abs. 3 EStG angegeben wird, so wurde damit nicht lediglich eine andere Begründung i. S. v. § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO nachgeschoben, sondern der Bescheid wegen der grundsätzlich gebotenen Nachholung von Ermessenserwägungen inhaltlich geändert, so dass nach § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG bezogen auf das Datum des Änderungsbescheides nur eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft, nicht aber rückwirkend für den streitigen Zeitraum zulässig war.

3. Das der Familienkasse in der als „Kann-Vorschrift” ausgestalteten Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG eingeräumte Ermessen ist zwar regelmäßig dahin eingeengt, dass ein einmal erkannter Fehler beseitigt werden muss. Trotz der damit im Regelfall verbundenen „Vorprägung” der Ermessensausübung in eine bestimmte Richtung bedeutet das aber nicht, dass § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG entgegen seinem Wortlaut von vornherein jedes Ermessen ausschließt, dass also eine „gebundene” Entscheidung vorläge.

4. Ist die Familienkasse bei der Anwendung von § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG entsprechend der maßgebenden Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (im Streitfall: Tz. 70.5.1 Abs. 1 Satz 2, BStBl I 2004, 742) von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen, so ist der Bescheid wegen eines „Ermessensnichtgebrauchs” rechtswidrig.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EFG 2010 S. 13 Nr. 1
IAAAD-30833

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