Keine „Änderung der Verhältnisse” bei
bereits von Anfang an bekanntem Sachverhalt
Inhaltliche
Änderung eines Kindergeld-Aufhebungsbescheids bei nachträglicher
Angabe von § 70 Abs. 3 EStG anstelle von § 70 Abs. 2 EStG als
Rechtsgrundlage
1. War der Familienkasse bei der
Festsetzung von Kindergeld für ein arbeitsloses volljähriges Kind
bereits bekannt, dass das Kind bei der Agentur für Arbeit nicht als
arbeitsplatzsuchend gemeldet und einer Einladung der Arbeitsvermittlung nicht
gefolgt war, so konnte eine Aufhebung dieser Kindergeldfestsetzung mangels
einer „Änderung der Verhältnisse” nicht
rechtmäßig auf § 70 Abs. 2 EStG gestützt werden.
2. Ändert die Familienkasse
später den Aufhebungsbescheid dahingehend ab, dass als Rechtsgrundlage
anstelle des – eine Ermessensausübung nicht zulassenden –
§ 70 Abs. 2 EStG nunmehr der –Ermessenserwägungen zulassende
– § 70 Abs. 3 EStG angegeben wird, so wurde damit nicht lediglich
eine andere Begründung i. S. v. § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO nachgeschoben,
sondern der Bescheid wegen der grundsätzlich gebotenen Nachholung von
Ermessenserwägungen inhaltlich geändert, so dass nach § 70 Abs.
3 Satz 2 EStG bezogen auf das Datum des Änderungsbescheides nur eine
Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit Wirkung für die Zukunft, nicht
aber rückwirkend für den streitigen Zeitraum zulässig war.
3. Das der Familienkasse in der als
„Kann-Vorschrift” ausgestalteten Regelung des § 70 Abs. 3
Satz 1 EStG eingeräumte Ermessen ist zwar regelmäßig dahin
eingeengt, dass ein einmal erkannter Fehler beseitigt werden muss. Trotz der
damit im Regelfall verbundenen „Vorprägung” der
Ermessensausübung in eine bestimmte Richtung bedeutet das aber nicht, dass
§ 70 Abs. 3 Satz 1 EStG entgegen seinem Wortlaut von vornherein jedes
Ermessen ausschließt, dass also eine „gebundene”
Entscheidung vorläge.
4. Ist die Familienkasse bei der
Anwendung von § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG entsprechend der maßgebenden
Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem
X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (im Streitfall: Tz. 70.5.1 Abs. 1 Satz
2, BStBl I 2004, 742) von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen, so ist der
Bescheid wegen eines „Ermessensnichtgebrauchs” rechtswidrig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2010 S. 13 Nr. 1 IAAAD-30833
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