BGH Urteil v. - VII ZR 255/08

Leitsatz

[1] Belässt es der Bieter in einem vergaberechtlichen Verhandlungsverfahren nach § 3 b Nr. 1 c) VOB/A im Rahmen von Verhandlungen mit dem Auftraggeber über die durch eine Zuschlagsverzögerung bedingte Anpassung seines Angebots hinsichtlich der Bauzeit bei der Ankündigung von verzögerungsbedingten Mehrvergütungsansprüchen, so ist eine tatrichterliche Auslegung nicht zu beanstanden, die darin lediglich den Vorbehalt der Durchsetzung möglicher vertraglicher Ansprüche, nicht jedoch eine Abstandnahme von dem abgegebenen Angebot sieht.

Vertragliche Ansprüche können bei einer solchen Auslegung ausgeschlossen sein, wenn der Bieter die bestehende Möglichkeit nicht genutzt hat, den Abschluss des Vertrages von einer Anpassung des Preises für die durch die Bauzeitverschiebung entstandenen Mehrkosten abhängig zu machen.

Gesetze: VOB/A § 3 b Nr. 1 c)

Instanzenzug: OLG Stuttgart, 10 U 97/08 vom LG Stuttgart, 34 O 17/08 vom

Tatbestand

Die Klägerin macht aus einem Bauvertrag mit der Beklagten Mehrkosten für Stahl geltend, die durch eine Verschiebung der Bauzeit infolge einer Zuschlagsverzögerung eingetreten sein sollen.

Die Beklagte beauftragte die ARGE N.U. nach Durchführung eines Vergabeverfahrens mit Bauleistungen im Zusammenhang mit der Tieferlegung von Bahnanlagen in N.-U. Die ARGE, die im Vergabeverfahren als Bietergemeinschaft aufgetreten war, bestand ursprünglich aus der Klägerin und der M. GmbH & Co. KG. Nach Beginn der Bauarbeiten schied die M. GmbH & Co. KG aus der ARGE aus.

Die Bauleistungen wurden im August 2003 europaweit im Verhandlungsverfahren nach § 3 b Nr. 1 c) VOB/A ausgeschrieben. Nach den Vorgaben der Beklagten in einer der Bietergemeinschaft (im Folgenden: Klägerin) übersandten Aufforderung zur Angebotsabgabe vom endete die Zuschlags- und Bindefrist am ; die voraussichtliche Ausführungszeit sollte im Winter 2003/2004 beginnen und im Sommer 2007 enden. Zugleich mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe erhielt die Klägerin die Vergabeunterlagen, zu denen die Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten gehören. Dort sind unter Ziffer 9. lit. a) als Termin für den Beginn der Arbeiten auf der Baustelle der und als Fertigstellungstermin der angegeben. Auf dieser Grundlage gab die Klägerin am ein erstes Angebot mit einer nach den Vergabeunterlagen vorgesehenen Bindefrist von sechs Monaten ab.

In einem Aufklärungsgespräch am legten die Parteien unter anderem fest, dass die angebotenen Preise als Festpreise bis zum Bauzeitende gelten sollten. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die vorbereitenden Arbeiten nach Vergabe zum , die eigentlichen Bauarbeiten Anfang Januar 2004 beginnen und am fertiggestellt sein sollten. Mit Rücksicht auf die Ergebnisse dieses Aufklärungsgesprächs gab die Klägerin unter dem ein modifiziertes Angebot ab und unterbreitete der Beklagten nach einem weiteren Aufklärungsgespräch am unter dem ein abermals überarbeitetes Angebot. Änderungen betreffend die Bauzeit und die hier interessierenden Baupreise enthielten diese Angebote nicht. In einem dritten Aufklärungsgespräch am legten die Parteien als Ausführungs-/Planungsbeginn den und für den Baubeginn auf der Baustelle den fest. Darüber hinaus sollte dem Bieter ein entsprechend überarbeiteter Bauablaufplan übergeben werden.

Wegen eines von einem Mitbieter eingeleiteten vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens verzögerte sich der für Dezember 2003 vorgesehene Zuschlag. Deshalb verabredeten die Parteien nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens in einer Besprechung am einen neuen Bauablaufplan, mit dem u.a. der Vertragstermin für den Beginn der Bauleistung auf der Baustelle auf den verschoben wurde. Demgegenüber sollte die bereits nach den Vereinbarungen vom am endende Vertragsfrist für die Fertigstellung der Bauleistungen durch eine Änderung und Optimierung des Bauablaufs eingehalten werden. Für den durch die Verschiebung der Bauzeit und die Optimierung des Bauablaufs bedingten Mehraufwand (ausgenommen bauablaufbedingte Massenänderungen und Mehrkosten für zusätzliche Maßnahmen der Wasserhaltung) versprach die Beklagte der Klägerin eine Zusatzvergütung von pauschal 250.000 EUR. Abschließend sind im Verhandlungsprotokoll unter Ziffer 4. folgende Erklärungen der Parteien wiedergegeben:

"Die ARGE macht darauf aufmerksam, dass durch die verzögerte Vergabe im Hinblick auf den ursprünglich vorgesehenen Baubeginn eine erhebliche Preiserhöhung im Bereich der Materialkosten Stahl eingetreten ist und kündigt hieraus resultierende Mehrkosten an. Der AG weist diese Mehrkostenforderung mit Blick auf die Preisbindung aus dem Angebot des AN zurück."

Unter dem erteilt die Beklagte der ARGE auf der Grundlage der Angebote vom , und sowie ihrer Vertragsbedingungen den Auftrag zur Ausführung der ausgeschriebenen Bauleistungen zu einem Gesamtnettopreis von 65.478.318,94 EUR. Dem Auftragsschreiben beigefügt waren u.a. die Protokolle über die oben genannten Aufklärungs-/Vergabegespräche, die zudem nach den Unterschriften der Repräsentanten der Beklagten auf Seite 3 des Auftragsschreibens gesondert als "Anhänge" aufgeführt sind. Mit Schreiben vom erklärte die Klägerin ihr "Einverständnis mit dem Inhalt des Auftragsschreibens nebst Anlagen und Anhängen sowie der Angebote vom , und ."

Die Klägerin macht eine in ihrer Abschlagsrechnung Nr. 33 vom als Nachtrag ausgewiesene Mehrvergütung in Höhe von 3.805.462,30 EUR geltend, die sie mit einer explosionsartigen Erhöhung der Stahlpreise in der Zeit zwischen dem ursprünglich festgelegten und dem tatsächlichen Baubeginn begründet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageanliegen weiter.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch für Stahlpreiserhöhungen nicht für gerechtfertigt erachtet. Die Klägerin sei an die von ihr angebotenen Preise gebunden, weil sie die von der Beklagten in der Ausschreibung vorgesehene Bindefrist von sechs Monaten durch ihre entsprechenden Erklärungen im Angebot vom wirksam akzeptiert habe. Allerdings sei die Angebotsbindung in dem von der Beklagten gewählten Verhandlungsverfahren dadurch eingeschränkt gewesen, dass die Parteien entsprechend dem Sinn und Zweck dieses Verfahrens über den Inhalt jenes Angebots verhandelt und dieses mehrfach abgeändert und ergänzt hätten. Der darin zu Tage tretende Widerspruch zwischen Angebotsbindung und Verhandlungsverfahren sei dadurch aufzulösen, dass die Beklagte als Auftraggeber gemäß dem Ergebnis der Verhandlungen und nach ihren Vorgaben auf die Bindung hinsichtlich einzelner Punkte des Angebots verzichtet und die Klägerin im Rahmen dieses Verzichts von der ihr so eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, ihr Angebot zu modifizieren.

Der Vertrag zwischen der Beklagten und der ARGE sei durch das Auftragsschreiben der Beklagten vom mit dem sich aus den Angeboten der Klägerin vom 1. Oktober, 19. November und sowie aus dem protokollierten Ergebnis der Besprechung vom ergebenden Inhalt zustande gekommen. Gegenstand dieser rechtsgeschäftlichen Einigung seien demnach die von der Klägerin in ihren Angeboten genannten Preise und die in der Besprechung am getroffenen Abreden zum Bauablauf und zur Bauzeit.

Aus den unter Ziffer 4. des Verhandlungsprotokolls über die Besprechung am niedergelegten Erklärungen könne die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die im Verlauf der Besprechung getroffenen Vereinbarungen zu einem geänderten Bauablauf nebst Entschädigung und zur Bauzeit seien zu einem Teil ihres Vertragsangebots geworden, welches sie nicht von einer Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung von Mehrkosten für Stahl abhängig gemacht habe. Hinsichtlich der Materialkosten für Stahl sei sie an ihr ursprüngliches Angebot gebunden gewesen, weil die Beklagte einer Erstattung dieser Mehrkosten ausdrücklich widersprochen und deshalb insoweit nicht auf die Bindungswirkung verzichtet habe.

Eine Erstattung der geltend gemachten Mehrvergütung für erhöhte Stahlpreise könne die Klägerin grundsätzlich nur kraft rechtsgeschäftlicher Einigung mit der Beklagten beanspruchen. Zu einer solchen Einigung sei es mit Rücksicht auf den Widerspruch der Beklagten gegen die von der Klägerin angekündigten Mehrforderungen nicht gekommen. Weil die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, ihr Angebot hinsichtlich Bauablauf und -zeit ohne Berücksichtigung ausreichend bestimmter Mehrkosten für Stahl zu modifizieren, sei es ihr eigenes Verhandlungsversäumnis gewesen, keine Zustimmung der Beklagten zur Vergütung preissteigerungsbedingter Mehrkosten erwirkt zu haben. Für die Folgen dieses Versäumnisses habe die Beklagte nicht einzustehen.

Auch die Verhandlungen und Gespräche, welche die Parteien nach dem Vertragsschluss über die Stahlpreiserhöhungen geführt hätten, hätten nicht zu einer Abänderung des geschlossenen Vertrages geführt. Ebenso wenig sei aus dem vorgetragenen Inhalt dieser Gespräche der Schluss zu ziehen, dass die Parteien beim Vertragsschluss übereinstimmend die Stahlpreise ausgeklammert hätten. Vielmehr habe es sich insoweit um Nachverhandlungen über bereits vertraglich festgelegte Preise gehandelt, die durch die zwischen den Parteien streitige Zweifelsfrage hinsichtlich des Umfangs der Bindungswirkung des Angebots motiviert gewesen seien.

Ein zusätzlicher Vergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B stehe der Klägerin nicht zu, weil keine nach Vertragsschluss eingetretene Änderung der Preisgrundlagen vorliege. Insbesondere sei der Vertrag mit den tatsächlich für die Bauausführung maßgeblichen Ausführungsfristen geschlossen worden. Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB sei vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, weil die Parteien den Vertrag mit dem festgestellten Inhalt in Kenntnis der Stahlpreiserhöhungen geschlossen hätten.

Schließlich rechtfertige sich die Klageforderung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung durch die Vorgabe einer überlangen Bindefrist von Seiten der Beklagten. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei durch das Verlangen einer über den ursprünglichen Termin für den Baubeginn hinausgehenden Bindefrist unter Verstoß gegen § 9 Abs. 2 VOB/A ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt worden. Denn die Klägerin habe die lange Bindefrist gekannt und sich in ihrem Angebot zu eigen gemacht.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Bezahlung der geltend gemachten Mehrkosten für Stahl nicht zu. Diese Mehrkosten sind von den vertraglichen Preisabsprachen der Parteien nicht umfasst (dazu unten 1.). Die Voraussetzungen für eine Anpassung der Vertragspreise liegen nicht vor (dazu unten 2.).

1.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Vertrag durch das Auftragsschreiben der Beklagten vom mit dem sich aus den schriftlichen Angeboten der Klägerin und den im Protokoll über die Besprechung am niedergelegten Vereinbarungen zum Bauablauf und zur Bauzeit ergebenden Inhalt zustande gekommen ist. Zu diesem Ergebnis gelangt es im Wege der Auslegung der wechselseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie lässt keinen Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze erkennen (vgl. , BGHZ 152, 153, 156; Urteil vom - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32, 37; Urteil vom - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 72; Urteil vom - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, 138).

a)

Zu Recht hebt das Berufungsgericht im Ausgangspunkt hervor, dass die Beklagte für die in Rede stehende Vergabe das Verhandlungsverfahren nach § 3 b Nr. 1 c) VOB/A (2002) gewählt hat. Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist es, dem Auftraggeber die Möglichkeit zu eröffnen, mit den Bietern über deren (Eingangs-) Angebote und die Vertragspreise (OLG Frankfurt, VergabeR 2001, 299, 302; OLG Celle, VergabeR 2002, 299, 301) zu verhandeln, um - ggf. durch Anpassung und Fortschreibung bereits abgegebener Angebote (, dokumentiert bei IBR-online 2007, 99) - das entsprechend den Anforderungen der Vergabeunterlagen wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln (Kapellmann/Messerschmidt-Stickler, VOB Teile A und B, 2. Aufl., § 3 a VOB/A Rdn. 65 m.w.N.). Dementsprechend findet § 24 VOB/A für das Verhandlungsverfahren keine Anwendung (Ingenstau/Korbion/Müller-Wrede, VOB Teile A und B, 16. Aufl., § 3 a VOB/A Rdn. 31; Beck'scher VOB-Komm./Jasper, 2. Aufl., Teil A § 24 Rdn. 9; Kapellmann/Messerschmidt-Stickler; VOB Teile A und B, 2. Aufl., § 3 a VOB/A Rdn. 65; VK-Bund, Beschluss vom , VK 1-93/02, S. 26, n.v.), so dass eine Änderung des Angebots, anders als in den Fällen einer öffentlichen Ausschreibung (vgl. dazu: , BauR 2009, 1131, 1135 = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574 Tz. 39), grundsätzlich möglich ist. Allerdings hat der Auftraggeber die allgemeinen vergaberechtlichen Prinzipien des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung zu beachten (, VergabeR 2007, 73, 75 Tz. 14 = NZBau 2006, 797, 798 = ZfBR 2007, 40, 41).

b)

Die Revision wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Vertrag sei mit den von der Klägerin in ihren schriftlichen Angeboten genannten Preisen zustande gekommen. Sie bringt hiergegen im Wesentlichen vor, die Klägerin habe am durch die Ankündigung von Mehrkosten hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, die Bauleistungen wegen der Verschiebung des Baubeginns nicht zu den von ihr zuvor angebotenen Baupreisen, sondern nur unter Zubilligung einer zusätzlichen Vergütung für eben jene Mehrkosten erbringen zu wollen. Allenfalls mit diesem Inhalt habe die Klägerin in Ansehung der Vereinbarungen vom ein abermals modifiziertes Vertragsangebot abgegeben. Einen Vertrag unter Verzicht auf die Bezahlung dieser Mehrkosten habe sie jedenfalls nicht geschlossen. Mit diesen Erwägungen dringt die Revision nicht durch.

aa)

Die Klägerin hat ihre Leistungen auf der Grundlage der ihr von der Beklagten übersandten Vergabeunterlagen unter dem angeboten und dieses Angebot in Ansehung der in mehreren Aufklärungs-/Vergabegesprächen mit der Beklagten getroffenen Abreden zunächst zweimal, nämlich am und am modifiziert. Dadurch ist, wie das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze annimmt, das ursprüngliche Vertragsangebot der Klägerin entsprechend dem Sinn und Zweck des vergaberechtlichen Verhandlungsverfahrens inhaltlich teilweise abgeändert und im Übrigen fortgeschrieben worden. Demgegenüber beinhalteten die nach Maßgabe der beiderseits unterzeichneten Gesprächsprotokolle getroffenen Abreden über die Ausgestaltung und Anpassung des Eingangsangebots der Klägerin (noch) keine rechtsgeschäftliche Einigung über den Abschluss des in Aussicht genommenen Bauvertrages. Dieser sollte vielmehr erst durch die Erteilung des Zuschlags und die damit verbundene Annahme des im Verhandlungswege modifizierten Vertragsangebots der Klägerin zustande kommen.

Mit der Abgabe des ergänzenden Angebots vom waren die Verhandlungen der Parteien nicht abgeschlossen. Sie wurden wegen der durch ein Nachprüfungsverfahren bedingten Verzögerung der Vergabe am mit dem sich aus dem von beiden Parteien unterzeichneten Besprechungsprotokoll ergebenden Ergebnis fortgesetzt. Ziel jener Besprechung war es, das bisherige Vertragsangebot der Klägerin mit den durch das Verhandlungsverfahren eröffneten Möglichkeiten den veränderten Umständen anzupassen. Zu diesem Zweck haben die Parteien einen neuen Termin für den Baubeginn und unter Beibehaltung des Fertigstellungstermins einen beschleunigten Bauablauf gegen Zahlung einer Zusatzvergütung von 250.000 EUR verabredet. Schon daraus folgt, dass die Erwägung der Revision nicht zutrifft, die Beklagte habe die Bauzeitverschiebung angeordnet und solcherart von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist jedenfalls die Sichtweise des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin die Verkürzung der Bauzeit gegen Zahlung einer Mehrvergütung im Verhandlungswege akzeptiert und auf diese Weise ihr Vertragsangebot in eben diesem Sinne ein weiteres Mal modifiziert hat.

bb)

Weitere, über die Zusage einer zusätzlichen Vergütung von 250.000 EUR für Beschleunigungsmaßnahmen hinausgehende und vom Angebot abweichende Preisvereinbarungen haben die Parteien am nicht getroffen. Daraus folgert das Berufungsgericht im Rahmen der Auslegung, die Klägerin habe die Vertragsleistungen trotz der Bauzeitverschiebung zu den in ihrem ursprünglichen Vertragsangebot genannten Preisen angeboten. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

(1)

Die Klägerin meint, aus ihrer im Besprechungsprotokoll vom 4./ unter Ziffer 4. wiedergegebenen Ankündigung stahlpreisabhängiger Mehrkosten eine Abstandnahme von den Preisen für die durch Stahlpreiserhöhungen beeinflussten Leistungspositionen ihres Ausgangsangebots ableiten zu können. Demgegenüber hat das Berufungsgericht die rechtsgeschäftliche Aussage jener Ankündigung auf die Erklärung der Klägerin beschränkt gesehen, sich die Geltendmachung von Mehrvergütungsansprüchen wegen der Erhöhung von Stahlpreisen vorbehalten zu wollen. Dieses Verständnis hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Es findet eine ausreichende Grundlage im Wortlaut der oben genannten Erklärung, die, wie das Berufungsgericht zu Recht hervorhebt, keinen Bezug zu den Preisen des Ausgangsangebots erkennen lässt, sondern sich auf die Anmeldung von (darüber hinausgehenden) Mehrkosten beschränkt.

Zu Recht hat das Berufungsgericht zudem im Rahmen der Auslegung berücksichtigt, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Beteiligten im Vergabeverfahren regelmäßig so auszulegen und zu verstehen sind, dass sie im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen stehen (, BGHZ 124, 64; , BauR 2009, 1131, 1135 = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574). Dem widerspräche es, wenn die Mehrkostenankündigung von der Beklagten in dem ihr von der Klägerin beigegebenen Sinn hätte verstanden werden müssen. Notwendige Konsequenz dessen wäre es nämlich gewesen, dass deren Vertragsangebot teilweise unbepreist gewesen wäre. Das wiederum wäre vergaberechtlich bedenklich, weil die auch im Verhandlungsverfahren gemäß § 97 Abs. 1 GWB erforderliche Transparenz in aller Regel konkrete Preisangaben des Bieters voraussetzt (für das förmliche Vergabeverfahren unter Hinweis auf § 15 VOB/A: , BauR 2009, 1131, 1135 = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574; vgl. insoweit auch §§ 5, 6 VOB/A). Nur dann kann sein Angebot mit denen anderer Bieter verglichen und in angemessener Weise bewertet werden.

(2)

Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, dass die Klägerin ein Interesse an der Bildung eines neuen Preises hat, jedoch darauf hingewiesen, dass die Klägerin es versäumt habe, ihre im Verhandlungsverfahren bestehende Möglichkeit zu nutzen, die von der Beklagten geforderte Änderung des Vertrages davon abhängig zu machen, dass diese die Mehrkosten übernimmt. Das vom Berufungsgericht angenommene Verständnis der Erklärungen im Protokoll vom läuft darauf hinaus, dass die Klägerin den Vertrag ungeachtet der fehlenden Zustimmung der Beklagten zu einer Preisanpassung wegen der Stahlmehrkosten hat schließen und damit auch das Risiko hat übernehmen wollen, dass sie auf der Grundlage dieses Vertrages die Mehrkostenansprüche werde durchsetzen können. Ein solches Verständnis ist möglich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin sich mit Blick insbesondere auf die vergütungsrelevanten Regelungen in § 642 BGB bzw. in § 2 Nr. 5 VOB/B lediglich einen Mehrvergütungsanspruch vorbehalten, nicht hingegen ihr Preisangebot für die betroffenen Leistungspositionen insgesamt zurückziehen wollte. Sie hat, was diesem Verständnis entsprechen würde, diese Mehrvergütung in ihrer Abrechnung gesondert als Nachtrag ausgewiesen und in Höhe der Klageforderung auf die ursprünglichen Vertragspreise aufgeschlagen. Alles das hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in Betracht gezogen.

(3)

Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, das Verhalten der Klägerin entspreche den in der Literatur vorgeschlagenen Handlungsweisen, um vergütungsrechtliche Nachteile zu vermeiden. Sie beruht ersichtlich auf den in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Fällen, in denen der Auftraggeber in einem förmlichen Vergabeverfahren den Zuschlag mit einer gegenüber dem Vertragsangebot des Bieters veränderten Bauzeit erteilt, ohne die Angebotspreise anzupassen. Dann kann es sich um eine Annahme unter Änderungen und damit gemäß § 150 Abs. 2 BGB um ein neues Angebot des Auftraggebers handeln (, BauR 2009, 1131, 1134 f. = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574 Tz. 33 m.w.N.), welches der Bieter konkludent dadurch annehmen kann, dass er die Arbeiten kommentarlos aufnimmt. Will er in einer solchen Konstellation den Verlust etwaiger Mehrvergütungsansprüche vermeiden, muss er diese vor Baubeginn ankündigen, um seinem Handeln den Erklärungswert einer rechtsgeschäftlichen Annahme des (neuen) Angebots ohne Abänderung zu nehmen (vgl. zum Ganzen: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil, Rdn. 102). Hier liegen die Dinge anders. Vorliegend geht es nicht um den Rechtsverlust durch widerspruchslose Annahme eines Vertragsangebots, sondern um die Auslegung eines Angebots, dessen Inhalt die anbietende Partei im Wesentlichen frei bestimmen konnte.

cc)

Auf die vergaberechtlich begründete Bindung der Klägerin an ihr ursprüngliches Angebot und die von der Revision angegriffenen Erwägungen des Berufungsurteils zu den Auswirkungen des Verhandlungsverfahrens auf diese Bindung kommt es nicht an. Die Klägerin hat ihre Leistungen trotz des veränderten Bauablaufs und der Verschiebung des Baubeginns weiterhin zu den ursprünglich genannten Preisen angeboten. Ob sie sich zuvor wirksam an diese Preise gebunden hatte, ist für die Auslegung ebenso wenig von Belang wie der von der Revision hervorgehobene Umstand, dass die Beklagte den Mehrvergütungsansprüchen der Klägerin (nur) unter Hinweis auf die angebliche Bindungswirkung des Angebots widersprochen hat.

dd)

Die von der Revision gegen die Auslegung des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

c)

Die Beklagte hat das Vertragsangebot der Klägerin durch ihr Auftragsschreiben vom ohne Änderung angenommen. Die dahin gehenden Feststellungen des Berufungsgerichts sind nicht zu beanstanden. Danach haben die Parteien auch für die von Stahlpreiserhöhungen betroffenen Leistungspositionen eine Vergütung vereinbart, die den im Ausgangsangebot genannten Preisen entspricht.

2.

Es kann dahin stehen, ob die Klägerin durch die Vereinbarungen vom mit der Geltendmachung einer nachträglichen Anpassung der vertraglichen Preise an die angeblich erhöhten Stahlbeschaffungskosten ausgeschlossen ist. Ein dahin gehender Preisanpassungsanspruch steht der Klägerin ohnehin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Deshalb kommt es für die Entscheidung auf den von der Revision dargestellten Gang und den Inhalt der nach Vertragsschluss zwischen den Parteien geführten Nachtragsverhandlungen ebenfalls nicht an.

a)

Eine Preisanpassung nach den vom Senat im Urteil vom (VII ZR 11/08, BauR 2009, 1131 = NZBau 2009, 370 = ZfBR 2009, 574) entwickelten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung kommt mangels Regelungslücke im Vertrag nicht in Betracht. Die Parteien haben einen Vertrag mit den für die tatsächliche Bauzeit maßgeblichen Terminen und Fristen geschlossen und auch die Vergütung geregelt. Dass sie sich über eventuelle verzögerungsbedingte Mehrvergütungsansprüche nicht haben einigen können, beruht auf ihren rechtsgeschäftlichen Entscheidungen und kann nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung korrigiert werden (vgl. BGH, aaO). Eine Vereinbarung darüber, dass der Vertrag nach seinem Abschluss im Hinblick auf die erhöhten Stahlpreise angepasst wird, kommt angesichts des Widerspruchs der Beklagten ebenfalls nicht in Betracht.

b)

Eine Anpassung der Vertragspreise für Stahl kann nicht aus § 2 Nr. 5 VOB/B abgeleitet werden. § 2 Nr. 5 VOB/B setzt eine Änderung des Bauentwurfs oder eine sonstige Anordnung des Auftraggebers voraus, die den bereits geschlossenen Vertrag abändert. Daran fehlt es hier.

c)

Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zu Recht stellt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf ab, dass die Parteien den Vertrag in Kenntnis der Stahlpreisentwicklung und damit in Kenntnis der für eventuelle Mehrvergütungsansprüche maßgeblichen Umstände geschlossen haben. Dabei unterlagen sie weder einem gemeinsamen Irrtum über die für den Vertragsschluss maßgeblichen Preisgrundlagen (§ 313 Abs. 2 BGB), noch haben sich diese nach dem Vertragsschluss bzw. zu einem Zeitpunkt geändert, in dem die Klägerin nicht mehr über den Inhalt ihrer vertragsbildenden Erklärungen disponieren konnte (§ 313 Abs. 1 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 527 Nr. 8
VAAAD-29933

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja