Rückgewähr einer verdeckten Gewinnausschüttung; Rückzahlung der Ausschüttung als Einlage des Gesellschafters
Leitsatz
Die Rückgewähr offener oder verdeckter Gewinnausschüttungen ist sowohl aus Sicht der Kapitalgesellschaft als auch des Gesellschafters als Einlage zu behandeln, wenn die Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.
Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis besteht bei einer auf einer Satzungsklausel beruhenden Rückzahlung einer verdeckten Gewinnausschüttung und bei einer Rückzahlungsverpflichtung nach § 31 GmbHG sowie aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, KStG § 8 Abs. 1, GmbHG § 31, AO § 176
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf)
Gründe
I. Streitig ist die steuerrechtliche Behandlung der Rückzahlung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben des 1995 gestorbenen X. Dieser war zunächst zusammen mit seinem Bruder Gesellschafter einer GmbH. Als der Bruder 1972 starb, kam es über die Frage, ob dessen Anteil auf seinen Sohn, den Neffen von X, übergegangen war, zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Neffe und Onkel, die letzterer letztinstanzlich verlor. X wies daraufhin den Geschäftsführer der GmbH an, in deren Namen gegen seinen Neffen auf Feststellung zu klagen, dass dieser nicht Gesellschafter der GmbH geworden sei. Auch die Feststellungsklage ging durch alle Instanzen. Der Neffe obsiegte, sämtliche Prozesskosten wurden von der GmbH als der unterlegenen Klägerin getragen. Diese Aufwendungen wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) als vGA der GmbH an X in den betroffenen Jahren 1988 bis 1990 behandelt.
In einem weiteren Zivilprozess wurde X wegen Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht rechtskräftig verurteilt, der GmbH die Kosten der Feststellungsklage zu erstatten.
Daraufhin erstattete X im Streitjahr 1993 Anwalts- und Gerichtskosten in Millionenhöhe an die GmbH.
In der Einkommensteuererklärung 1993 erfasste X die Rückzahlung der vGA als negative Einnahme aus Kapitalvermögen. Im erstmaligen, bereits den Klägern bekannt gegebenen Einkommensteuerbescheid schloss sich das FA der Behandlung der Schadensersatzzahlung als negative Einnahme an. Der verbleibende Verlustabzug wurde dementsprechend mit Bescheid vom gesondert festgestellt (im Folgenden Erstbescheid). In dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid vom und dem zeitgleich ergangenen geänderten Feststellungsbescheid (im Folgenden Zweitbescheid) wurde die Rückzahlung der vGA nicht mehr als negative Einnahme berücksichtigt. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens änderte das FA die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom aus nicht im Streit befindlichen Gründen erneut und korrigierte auch die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs (im Folgenden Drittbescheid).
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) qualifizierte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 926 veröffentlichten Urteil die Rückzahlung der vGA als Einlage in das Vermögen der GmbH und nicht als negative Einnahme aus Kapitalvermögen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO.
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Rückzahlung einer vGA aufgrund einer Rückgewährpflicht kraft Satzung oder gemäß §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) als Einlage qualifiziert, im Hinblick auf Schadensersatzpflichten jedoch differenziert. Das FG habe den Schadensersatzanspruch der GmbH den Rückgewährpflichten zu Unrecht gleichgestellt. Ein Schadensersatzanspruch sei gewinnwirksam zu aktivieren, wenn aus der den Anspruch begründenden Handlung —wie im Streitfall— kein Vermögensvorteil für den Gesellschafter erwachsen könne. Der Rückfluss der vGA im Jahr 1993 sei von der GmbH mangels Aktivierung des Schadensersatzanspruchs in den Vorjahren erfolgswirksam zu erfassen und vom Erblasser als negative Einnahme aus Kapitalvermögen zu behandeln.
Dem Beklagten sei es zudem gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO verwehrt gewesen, einen geänderten Einkommensteuerbescheid zu erlassen. Nach Erlass des Erstbescheids habe eine steuerverschärfende Änderung der Rechtsprechung stattgefunden.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Rückzahlung der vGA durch den Vater der Kläger ist nicht als negative Einnahme aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, sondern als Einlage gemäß § 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG zu behandeln. Dem Erlass des angefochtenen geänderten Feststellungsbescheids steht auch kein Vertrauensschutz entgegen.
1. Zur Rückzahlung der vGA
a) Nach ständiger Rechtsprechung des I. und VIII. Senats des BFH ist die Rückgewähr offener oder verdeckter Gewinnausschüttungen sowohl aus Sicht der Kapitalgesellschaft als auch des Gesellschafters als Einlage zu behandeln, wenn die Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (, BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173). Seine frühere Rechtsprechung, wonach bei Bestehen einer rechtlichen oder tatsächlichen Rückzahlungsverpflichtung keine Einlage, sondern eine negative Einnahme anzunehmen sei, hat der erkennende Senat ausdrücklich aufgegeben (BFH-Urteil in BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173).
b) Die für die Annahme einer Einlage erforderliche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis besteht bei einer auf einer Satzungsklausel beruhenden Rückzahlung einer vGA (, BFHE 188, 569, BStBl II 2001, 226) und bei einer Rückzahlungsverpflichtung nach § 31 GmbHG (BFH-Urteil in BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173). Be-steht eine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht, ist ebenfalls eine gesellschaftliche Veranlassung gegeben. Denn ob der Gesellschafter aufgrund einer geschriebenen Abrede im Gesellschaftsvertrag (Satzungsklausel) zur Rückgewähr einer vGA verpflichtet ist oder aufgrund der ungeschriebenen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (hierzu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 IV, S. 587 ff. und § 35 I, S. 1035), begründet keinen Unterschied. In beiden Fällen wurzelt die Rückgewährpflicht unmittelbar im Gesellschaftsverhältnis. Die Rückzahlung ist die Kehrseite der vGA und wie diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 188, 569, BStBl II 2001, 226, zur Rückgewähr aufgrund einer Satzungsklausel).
c) Die nach den vorstehenden Ausführungen für die Annahme einer Einlage erforderliche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist gegeben.
Die Aufwendungen der GmbH für die Prozessführung stellen eine vGA dar. Im Streitfall findet die Rückzahlung dieser vGA ihre Grundlage in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und damit im Gesellschaftsverhältnis.
d) Die von der Revision im Anschluss an das (BFHE 207, 103) aufgeworfene Frage, ob Schadensersatzansprüche dann nicht als Einlageforderung zu behandeln sind, wenn aus der den Anspruch begründenden Handlung kein Vermögensvorteil für den Gesellschafter erwachsen kann oder der Anspruch einen weiter gehenden Schaden erfasst, stellt sich im Streitfall nicht. Denn der Vater der Kläger hatte aus seiner „Prozessführungsweisung” an den Geschäftsführer der GmbH einen eigenen Vorteil gezogen, weil die Gesellschaft auf ihre Kosten in den persönlichen Angelegenheiten ihres Gesellschafters einen Prozess geführt hat. Mit der Rückzahlungsverpflichtung wird dem Gesellschafter der nämliche Vorteil —ohne Kostenbelastung prozessiert zu haben— wieder entzogen. Die im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde Gewährung des Vorteils, also die vGA, wird aus gesellschaftlich veranlassten Gründen rückgängig gemacht.
2. Zum Vertrauensschutz
a) Nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO darf bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Festsetzung durch die Finanzbehörde angewandt worden ist.
§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gilt grundsätzlich auch bei einer Änderung von unter einem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden. Für Feststellungsbescheide gilt die Regelung gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend (vgl. , BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.).
§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erfasst nur Fälle, in denen sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen und vor dem Erlass des Änderungsbescheids geändert hat (vgl. , BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5; vom I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; in BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.). Vertrauensschutz wird daher nicht gewährt, wenn zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und erst im Anschluss hieran eine Rechtsprechungsänderung erfolgt, durch die der Änderungsbescheid materiell-rechtlich legitimiert wird (BFH-Urteile in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; vom V R 26/01, BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317).
Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nur und erst dann vor, wenn ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt abweichend von einer früheren höchstrichterlichen Entscheidung beurteilt worden ist, nicht hingegen, wenn sich eine Rechtsprechung erst allmählich entwickelt und konkretisiert hat bzw. präzisiert worden ist. Eine noch nicht geklärte Rechtslage verhindert das Entstehen eines Vertrauensschutzes. Der danach erforderliche Vergleich setzt in rechtlicher Hinsicht eine zwar nicht unbedingt ausdrückliche, so aber zumindest eine deutliche Aussage zu einem bestimmten Rechtsproblem voraus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall keine Änderung der Rechtsprechung i.S. des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO eingetreten.
aa) In dem ohnehin nur rund neun Monate dauernden Zeitraum zwischen dem Erstbescheid, in dem von einer negativen Einnahme aus Kapitalvermögen ausgegangen wird, und dem Zweitbescheid, dem die Qualifikation der Rückzahlung als Einlage zugrunde liegt, hat sich die BFH-Rechtsprechung nicht geändert. Der I. Senat vertrat bereits lange Zeit vor Erlass des Erstbescheids in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Rückzahlung einer vGA als Einlage zu qualifizieren ist (, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733; vom I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92). Auch der für die Besteuerung des Gesellschafters zuständige VIII. Senat hat seine Rechtsprechung in den Jahren 1996 und 1997 nicht geändert. Er hatte zunächst mit Urteil vom VIII R 26/78 (BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510) entschieden, dass eine negative Einnahme bei Bestehen einer rechtlichen oder tatsächlichen Rückzahlungsverpflichtung anzunehmen ist. Ob an dieser Auffassung festzuhalten ist, hat er mit Urteil vom VIII R 82/91 (BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561) —in nicht entscheidungstragender Weise— in Zweifel gezogen. Der endgültige Bruch mit der früheren Rechtsprechung ist erst mit den BFH-Urteilen in BFHE 188, 569, BStBl II 2001, 226 (Rückgewähr einer vGA aufgrund Satzungsklausel) und in BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173 (Rückgewähr einer vGA gemäß § 31 GmbHG) in den Jahren 1999 und 2000 vollzogen worden.
Im Streitfall hat das FA demnach im Zweitbescheid vom keine zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Rechtsprechung berücksichtigt. Vielmehr hat das FA in diesem Bescheid die erst später tatsächlich erfolgte Änderung der Rechtsprechung des VIII. Senats vorweggenommen. Der Änderungsbescheid aus dem Jahr 1997 wurde also nachträglich durch die BFH-Urteile in BFHE 188, 569, BStBl II 2001, 226 und in BFHE 192, 554, BStBl II 2001, 173 legitimiert.
bb) Der Hinweis der Revision, wonach durch diese Urteile die Rechtsprechung vor Erlass des Drittbescheids (Änderungsbescheid vom ) geändert worden sei, führt nicht zur Anwendbarkeit des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Das FA hat in diesem Bescheid und in der später ergangenen Einspruchsentscheidung lediglich auf die zwischenzeitlich erfolgte Legitimation ihrer im Zweitbescheid vertretenen Rechtsauffassung hingewiesen. Im Verhältnis des Drittbescheids zum Zweitbescheid ist kein Vertrauensschutz zu gewähren. Denn § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO schützt das Vertrauen in die Bestandskraft des zu korrigierenden (Erst-)Bescheids, dem eine für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 176 Rz 1; von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 176 AO Rz 71 und 90). Der Drittbescheid hat vorliegend nicht den für den Kläger günstigen und bestandskräftigen Erstbescheid, sondern den Zweitbescheid aus dem Jahr 1997 geändert. Diesem Bescheid lag aber weder eine günstige Rechtsprechung zugrunde noch war er in Bestandskraft erwachsen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1815 Nr. 11
DB 2010 S. 1486 Nr. 27
DStR 2009 S. 2142 Nr. 42
DStRE 2009 S. 1342 Nr. 21
EStB 2009 S. 388 Nr. 11
HFR 2010 S. 133 Nr. 2
FAAAD-29652