Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GWB § 54 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Düsseldorf, VI Kart 8/08 V vom
Gründe
I.
Das Universitätsklinikum Greifswald (Beteiligte zu 1) ist als Anstalt öffentlichen Rechts Teil der Universität Greifswald (Beteiligte zu 2). Das Land Mecklenburg-Vorpommern (Beteiligter zu 3) ist Träger der Universität Greifswald. Das Universitätsklinikum Greifswald meldete mit Schreiben vom beim Bundeskartellamt das Vorhaben an, vom Landkreis Ostvorpommern (Beteiligter zu 5) 94,5% der Anteile am Kreiskrankenhaus Wolgast (Beteiligte zu 4), zu erwerben. Nach Einleitung des Hauptprüfungsverfahrens untersagte das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben mit Beschluss vom . Daraufhin beantragte das Universitätsklinikum die Erteilung einer Ministererlaubnis, die der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie am erteilte.
Mit Schriftsatz vom , eingegangen beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am , hat die Antragstellerin, die ebenfalls ein Klinikum in Vorpommern betreibt, ihre Beiladung zu dem Ministererlaubnisverfahren beantragt. Das Bundesministerium hat diesen Antrag am aus verfahrensökonomischen Gründen zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Beiladungsantrag weiter.
Sie beantragt,
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zu verpflichten, sie beizuladen,
hilfsweise
das Bundesministerium unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, über den Beiladungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
hilfsweise
festzustellen, dass die Ablehnung des Beiladungsantrags rechtswidrig war,
höchst hilfsweise
den Rechtsstreit an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat außerdem Beschwerde gegen die Ministererlaubnis eingelegt, die beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Kat 7/08 (V) - anhängig ist.
II.
Das Beschwerdegericht hat den Beiladungsantrag der Antragstellerin für unzulässig gehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Beiladungsantrag nur bis zum Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens, vorliegend also bis zur Erteilung der Ministererlaubnis, gestellt werden. Der am eingegangene Beiladungsantrag sei somit verspätet gewesen, weil das Verfahren durch Erteilung der Ministererlaubnis am beendet worden sei. Dass die Antragstellerin den Beiladungsantrag am zur Post gegeben habe, ändere hieran nichts. Maßgeblich sei der Eingang des Antrags bei der Behörde. Die Antragstellerin sei bereits vor der mündlichen Verhandlung im Ministererlaubnisverfahren am umfassend mündlich und schriftlich angehört worden und habe jederzeit mit einer verfahrensabschließenden Entscheidung rechnen müssen. Es sei ihr daher möglich gewesen, für einen rechtzeitigen Eingang ihres Beiladungsantrags Sorge zu tragen.
III.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg. Eine Beiladung nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB kam im Streitfall nicht in Betracht, weil die Antragstellerin den Beiladungsantrag erst nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens, hier des Ministererlaubnisverfahrens (§ 48 Abs. 1, § 42 GWB), gestellt hat.
1.
Auf einen Beiladungsantrag, den der Beiladungspetent erst nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens stellt, kann eine Beiladung nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB nicht gestützt werden.
a)
Nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB können auf ihren Antrag Personen und Personenvereinigungen zu einem kartellbehördlichen Verfahren beigeladen werden, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden. Diese Beiladung dient in erster Linie der Sachaufklärung im Verfahren vor der Kartellbehörde. Durch die Beteiligung Dritter, die in ihren wirtschaftlichen Interessen durch die das Verfahren abschließende Verfügung betroffen werden, soll es der Kartellbehörde ermöglicht werden, ihre Entscheidung auf eine breitere, den Interessen der anderen Marktbeteiligten Rechnung tragende Grundlage zu stellen (BGHZ 169, 370 Tz. 12 - pepcom). Ist das kartellbehördliche Verfahren bereits abgeschlossen, wenn die Beiladung beantragt wird, kann eine Beteiligung diesen Zweck nicht mehr erfüllen.
b)
Eine Beiladung aufgrund eines erst nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens gestellten Beiladungsantrags kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass die Beteiligteneigenschaft des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 GWB) ebenfalls zur Sachaufklärung beitragen kann. Anders als für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (§ 65 Abs. 1 VwGO) sieht das Gesetz für das kartellgerichtliche Verfahren keine eigenständige Beiladung vor. Eine entsprechende Bestimmung war zwar ursprünglich im Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgesehen (§ 53 RegE, BT-Drucks. II/1158, S. 14 f.), ist jedoch nicht in das Gesetz aufgenommen worden (vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, BT-Drucks. II/3644, S. 44). Der Umstand, dass die Beteiligung eines Beigeladenen möglicherweise auch das gerichtliche Verfahren fördern kann, stellt danach lediglich einen Reflex der Stellung des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren dar, der sich allein daraus ergibt, dass jeder, der am Kartellverwaltungsverfahren beteiligt war, auch am Beschwerdeverfahren beteiligt ist (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 GWB; vgl. K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 67 Rdn. 5).
c)
Eine Beiladung aufgrund eines verspäteten Beiladungsantrags hätte unter diesen Umständen allein die Funktion, dem Beiladungspetenten nachträglich eine Beschwerdebefugnis zu verschaffen (§ 63 Abs. 2 i.V. mit § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB). Nachdem der Senat entschieden hat, dass das Beschwerderecht nicht nur dem Beigeladenen, sondern auch demjenigen zusteht, der zwar die subjektiven Voraussetzungen der Beiladung erfüllt, dessen Antrag aber aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt worden ist (BGHZ 169, 370 - pepcom), kommt diesem Gesichtspunkt verstärkt Bedeutung zu. Dennoch rechtfertigt es dieser Zweck nicht, Beiladungsanträge auch noch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zuzulassen (a.A. Bien, WuW 2009, 166, 170). Denn der Beiladungspetent hat während des kartellbehördlichen Verfahrens hinreichend Gelegenheit, seine Beiladung zu beantragen. Ließe man nachträglich gestellte Beiladungsanträge zu, könnten sich durch die Entscheidung der Kartellbehörde wirtschaftlich betroffene Dritte auf diese Weise nachträglich ein Beschwerderecht verschaffen, ohne dass es für ein solches, die Bestandskraft der behördlichen Entscheidung hinauszögerndes Recht ein schutzwürdiges Interesse gäbe.
Auf die vor der pepcom-Entscheidung ergangene Rechtsprechung des Senats (, WuW/E 2077, 2078 - Coop-Supermagazin; , WuW/E DE-R 1544 - Zeiss/ Leica) und des Kammergerichts (KG WuW/E OLG 2970, 2971; WuW/E DE-R 4363, 4364) kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg berufen. Zum einen bezieht sich die zitierte Senatsrechtsprechung allein auf eine noch nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens zu treffende Entscheidung über einen Beiladungsantrag, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob dies auch für Fälle gelten soll, in denen der Beiladungsantrag erst nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens gestellt worden ist. Zum anderen hatte es - solange nur die erfolgte Beiladung die Beschwerdebefugnis vermittelte - die Kartellbehörde durch die - nach Abschluss des behördlichen Verfahrens regelmäßig ermessensfehlerfreie - Ablehnung einer nachträglichen Beiladung in der Hand, Dritte von der Beschwerdebefugnis auszuschließen. Aufgrund der pepcom-Rechtsprechung müsste hingegen jedem, der durch die bereits ergangene kartellbehördliche Entscheidung in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen unmittelbar und individuell betroffen ist, nachträglich ein Beschwerderecht eingeräumt werden, auch wenn er die Beiladung erst nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens beantragt hat.
Aufgrund der pepcom-Rechtsprechung kommt dem Erfordernis des (rechtzeitigen) Beiladungsantrags mithin die Funktion zu, den Kreis der Beschwerdeberechtigten zu bestimmen (vgl. , WuW/E-DE-R 2138, 2141 Tz. 20 - Anteilsveräußerung; ferner Begründung des Entwurfs eines GWB, BT-Drucks. II/1151, S. 51 zu § 49). Die Beschränkung auf die vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens gestellten Beiladungsanträge ermöglicht darüber hinaus eine Zustellung der Verfügung an die abgelehnten Beiladungspetenten bzw. an die Beiladungspetenten, über deren Beiladungsantrag die Kartellbehörde noch nicht entschieden hat. Auf diese Weise wird die formelle Bestandskraft der kartellbehördlichen Entscheidung nicht hinausgezögert (BGHZ 169, 370 Tz. 22 - pepcom).
d)
Eine Ausnahme von dem Erfordernis des rechtzeitigen Beiladungsantrags gilt nur, wenn der Drittbetroffene den Beiladungsantrag deshalb nicht stellen konnte, weil die Behörde den Bescheid erlassen hat, ohne dass das Verfahren in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (vgl. , WuW/E DE-R 2535 Tz. 16 - citiworks, zu § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
2.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der Beiladungsantrag der Antragstellerin erst nach Abschluss des Ministererlaubnisverfahrens beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eingegangen ist.
Das Verfahren vor der Kartellbehörde wird durch deren Entscheidung, im Streitfall also durch die Ministererlaubnis nach § 42 GWB, abgeschlossen. Diese Entscheidung ist im Streitfall dadurch existent geworden, dass sie zumindest einem Teil der Beteiligten am per E-Mail übersandt worden ist.
a)
Das Beschwerdegericht ist offenbar davon ausgegangen, dass die Ministererlaubnis als verfahrensabschließende Entscheidung bereits mit der Unterzeichnung des entsprechenden Schreibens durch den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie erteilt worden ist. Auf diesen Zeitpunkt kommt es indessen nicht an. Denn ein Verwaltungsakt wird erst dadurch existent, dass er zumindest einem von mehreren Adressaten nach § 41 VwVfG bekanntgemacht wird (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rdn. 20 und § 41 Rdn. 3 ff. m.w.N.; Sachs ebd. § 43 Rdn. 164 f.; , NJW 1998, 3555 f.). Die Bekanntgabe muss freilich nicht erst durch die förmliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz, sondern kann auch auf anderem Wege erfolgen. Im Streitfall wurde die Ministererlaubnis ungeachtet der veranlassten förmlichen Zustellung noch am als Vorabkopie per E-Mail übermittelt. Dass es sich dabei um die verfahrensabschließende Entscheidung - und nicht etwa nur um einen zur Stellungnahme übersandten Entwurf - handelte, wurde jedenfalls dadurch deutlich, dass dem Schreiben ein Empfangsbekenntnis beigefügt war. Die Empfangsbekenntnisse der Beteiligten zu 1 und 4 sowie der Beigeladenen sind noch am selben Tag per E-Mail an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zurückgesandt worden. Damit ist das Ministererlaubnisverfahren am abgeschlossen worden.
b)
Der Beiladungsantrag der Antragstellerin ist erst am und damit nach Abschluss des Ministererlaubnisverfahrens beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eingegangen. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Beiladung nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB auch noch nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens zulässig ist (s. oben unter III 1 d a.E.), liegen im Streitfall nicht vor.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 GWB.
Fundstelle(n):
DAAAD-29618
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein