BSG Urteil v. - B 8 SO 35/07 R

Leitsatz

1. Eine Stromkostenerstattung ist in dem Monat, in dem sie zufließt, Einkommen iS des Sozialhilferechts.

2. Einmalzahlungen sind nicht auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen, solange sie den Bedarf eines Monats nicht übersteigen.

Gesetze: SGB XII F: § 82 Abs 1 S 1; SGB XII F: § 90 Abs 1; SGB XII F: § 32; SGB XII F: § 30; SGB XII F: § 29 Abs 1 S 1; SGB XII F: § 29 Abs 1 S 6; SGB XII F: § 29 Abs 3 S 1; SGB XII F: § 28 Abs 1; SGB XII F: § 27; SGB XII F: § 19 Abs 1; SGB XII F: § 2 Abs 1; VO zu § 82 SGB XII F: § 8 Abs 1 S 3; VO zu § 82 SGB XII F: § 3 Abs 3 S 2; VO zu § 82 SGB XII F: § 3 Abs 3 S 3; SGG § 103; GG Art 1 Abs 1; GG Art 2 Abs 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 20 Abs 1; GG Art 20 Abs 3

Instanzenzug: SG Detmold, S 6 SO 97/06 vom LSG Essen, L 12 SO 26/06 vom

Gründe

I

Im Streit sind zusätzliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von 204,98 Euro für den Monat Februar 2006, insbesondere ob die Erstattung von Stromkosten als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Der 1971 geborene Kläger erhielt im streitigen Monat Sozialhilfe nach dem SGB XII. Die Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich auf monatlich 325,27 Euro. Daneben fielen monatliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 116,42 Euro an. Im Februar 2006 erstatteten die Stadtwerke für den Zeitraum vom bis einen Guthabensbetrag aus den geleisteten Stromkostenvorauszahlungen in Höhe von 204,98 Euro. Der Beklagte bewilligte - nachdem er zunächst die Leistungen ab eingestellt hatte (Bescheid vom ) - für den Monat Februar 2006 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 581,71 Euro. An den Kläger wurden hiervon 140,02 Euro ausgezahlt, an den Vermieter 325,27 Euro (212,71 Euro Kaltmiete und 112,56 Euro Betriebskostenvorauszahlung) sowie 116,42 Euro an die Kranken- und Pflegekasse; bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigte der Beklagte die Stromkostenerstattung in Höhe von 204,98 Euro als Einkommen (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Detmold vom ; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Nordrhein-Westfalen vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Stromkostenerstattung sei als Einkommen zu berücksichtigen. Anders als in Fällen, in denen das Geld aus der Regelsatzleistung angespart werde, bereits vor dem Bedarfszeitraum zur Verfügung stehe und deshalb als Vermögen zu berücksichtigen sei, seien die in der Vergangenheit an die Stadtwerke geflossenen Zahlungen für den Kläger zunächst verloren. Ob irgendwann eine Nachzahlung erfolge, sei ungewiss, auch deshalb, weil sich die Höhe der Abschlagszahlungen in der Regel am Verbrauch der Vergangenheit orientiere. Der Leistungsberechtigte habe es in der Hand, rechtzeitig für eine Anpassung des Abschlags zu sorgen.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, der erstattete Guthabensbetrag sei kein Einkommen iS des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII, sondern Schonvermögen (§ 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII). Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Sozialhilfeempfänger, die sich im Rahmen ihrer Verfügungsmöglichkeiten entscheiden könnten, Kosten für den Verbrauch elektrischer Energie einzusparen, würden im Vergleich zu Sozialhilfeempfängern, die bei anderen Bedarfen als elektrischer Energie Geld einsparten, sowie zu Sozialhilfeempfängern, die vorab geringere Abschläge zahlten, benachteiligt. Er habe keine Möglichkeiten, einen geringeren Verbrauch an elektrischer Energie im Vergleich zur Höhe seiner Abschläge zu kontrollieren und geringere Abschläge durchzusetzen, wenn es zu keiner Vereinbarung mit den Stadtwerken hierüber komme. Daneben verstoße die angefochtene Entscheidung gegen Art 1 Abs 1 GG iVm dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 und 3 GG, weil mit ihr eine reale Kürzung des Regelsatzes ohne sachlichen Grund verbunden sei, auf die er sich nicht habe einstellen können. Schließlich widerspreche die angefochtene Entscheidung dem gesetzgeberischen Ziel einer CO2-Reduzierung. Der Petitionsausschuss des Bundestages habe sich dafür ausgesprochen, Stromkostenrückerstattungen nicht als Einkommen auf die Sozialhilfe anzurechnen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihm für den Monat Februar 2006 weitere 204,98 Euro Sozialhilfe zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Entscheidung des LSG sei nicht zu beanstanden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie den Bescheid vom betrifft (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Ob dem Kläger für Februar 2006 weitere Sozialhilfeleistungen zustehen, kann nicht abschließend entschieden werden. Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG zur Bedürftigkeit des Klägers und zu seiner Erwerbsunfähigkeit, um beurteilen zu können, ob überhaupt die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gegeben sind, und - soweit diese vorliegen - zu den Voraussetzungen, die es dem Beklagten ermöglichen, Leistungen für die Unterkunft nach § 29 Abs 1 Satz 6 SGB XII an den Vermieter und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 32 SGB XII an die Kranken- und Pflegekasse zu zahlen. Daneben kann unabhängig von der Frage, ob eine Stromkostenerstattung als Einkommen zu berücksichtigen ist, nicht beurteilt werden, ob dem Kläger, der nach Aktenlage an einer psychischen Erkrankung leidet, weitere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zustehen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nicht nur der Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , mit dem dieser dem Kläger für den Monat Februar 2006 Sozialhilfe gewährt hat, sondern auch der Bescheid vom , mit dem der Beklagte (zunächst) die Sozialhilfeleistungen eingestellt hatte. Der Kläger hat ausdrücklich die Aufhebung auch dieses Bescheides beantragt. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG.

Der Beklagte ist als Behörde der Stadt Bielefeld, die ihrerseits als kreisfreie Stadt nach § 97 Abs 1 SGB XII (hier idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom - BGBl I 3022) iVm Art 1 § 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom (Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl] NRW 816) Träger der Sozialhilfe ist, beteiligtenfähig iS von § 70 Nr 3 SGG (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom - B 8 SO 26/07 R -, SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 12).

Die Klage gegen den Entziehungsbescheid vom ist schon unzulässig. Er entfaltet keine Wirkung mehr, nachdem mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom Leistungen wieder bewilligt wurden. Hierdurch ist der Regelungsgegenstand des Bescheides vom entfallen. Der Bescheid vom hat sich auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X]).

Die Begründetheit der Revision misst sich im Übrigen an § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 27 ff SGB XII oder an § 19 Abs 2 SGB XII iVm §§ 41 ff SGB XII (jeweils in der Fassung, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom - BGBl I 3022 - erhalten haben), ggf iVm § 48 SGB X. Nach § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können, Hilfe zum Lebensunterhalt, soweit sie nicht schon nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) dem Grunde nach leistungsberechtigt sind (§ 21 SGB XII). Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind Erwerbsfähige, also Personen, die nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit (mindestens 6 Monate, vgl nur Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 8 RdNr 28) außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II). Nach § 19 Abs 2 SGB XII iVm §§ 41 ff SGB XII erhalten Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr vollendet haben (Nr 1) oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind und bei denen zudem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (Nr 2), auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Zwar hat das LSG angegeben, dass der Kläger "nach Aktenlage" voll erwerbsgemindert sei, dies jedoch nicht dauerhaft, sodass auch Leistungen nach § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 27 ff in Frage kommen. Genauere Feststellungen zur Erwerbsminderung fehlen jedoch.

Zudem fehlen ausreichende Feststellungen des LSG zur Bedürftigkeit des Klägers. Der Anspruch besteht nur, sofern der Leistungsberechtigte seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII), beschaffen kann (§ 19 Abs 1 Satz 1 SGB XII, bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung §§ 19 Abs 2 Satz 1, 41 Abs 2 SGB XII). Der notwendige Lebensunterhalt umfasst nach § 27 SGB XII insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII wird nach Regelsätzen erbracht (§ 28 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (§ 29 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Der Regelsatz betrug in der Zeit vom bis zum für den Haushaltsvorstand und für Alleinstehende 345 Euro (Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom - GVBl NRW 612). Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung betrugen im Monat Februar 2006 325,27 Euro, die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung (§ 32 SGB XII) 116,42 Euro. Ob dem Kläger bei unterstellter Bedürftigkeit über den so errechneten Bedarf in Höhe von 786,69 Euro hinaus - ohne Berücksichtigung von Einkommen - höhere Leistungen zustehen, kann der Senat nicht beurteilen. In Frage kommen wegen Erkrankung bzw Behinderung des Klägers insbesondere Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII - etwa bei Eingliederungshilfeleistungen ein Mehrbedarf nach § 30 Abs 4 SGB XII. Feststellungen des LSG fehlen auch hierzu. Selbst wenn höhere Leistungen danach nicht in Betracht kommen, ist die Leistungsklage ggf in Höhe der an den Vermieter gezahlten Kosten der Unterkunft begründet. Leistungsberechtigter ist der Kläger. Er hat grundsätzlich Anspruch auf Zahlung der Leistung an sich selbst, es sei denn, er hat um Zahlung an den Vermieter gebeten - was nach Aktenlage wohl der Fall ist - oder die zweckentsprechende Verwendung der Unterkunftskosten ist durch ihn nicht gewährleistet (§ 29 Abs 1 Satz 6 SGB XII). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hätte der Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers insoweit noch nicht erfüllt. Ebenso wird das LSG ggf prüfen müssen, ob der Beklagte die von ihm übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (§ 32 SGB XII) ohne Umweg über den Kläger an die Krankenkasse zahlen durfte.

Zu Recht hat das LSG aber ausgeführt, dass von dem zu errechnenden Gesamtbedarf die Stromkostenerstattung in Höhe von 204,98 Euro, die dem Kläger im Monat Februar 2006 zugeflossen ist, in Abzug zu bringen ist. Dieser Betrag ist Einkommen iS des § 82 Abs 1 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom - BGBl I 818). Danach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einkommen in diesem Sinne ist alles, was jemand in dem Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende also erst in der Bedarfszeit erhält - hier die Stromkostenerstattung im Februar 2006 -, sind regelmäßig als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in einer vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, Vermögen. Für die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht normativ ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (modifizierte Zuflusstheorie; BVerwGE 108, 296 ff, unter Aufgabe seiner Rechtsprechung zur Zeitraumidentität in BVerwGE 29, 295 ff; ebenso für das Recht des SGB II: - und vom - B 4 AS 29/07 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 15, sowie - B 4 AS 57/07 R).

Dass der Kläger ggf eine noch nicht fällige (bedingte) Forderung gegen den Energielieferanten bereits vor dem Zeitpunkt des Zuflusses hatte, ändert hieran nichts. Zwar stellt eine Forderung bzw Anwartschaft einen wirtschaftlichen Wert dar, der zu dem Vermögen des Sozialhilfeempfängers gehört. Der Regelung des § 82 Abs 1 SGB XII ist aber zu entnehmen, dass im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung sozialhilferechtlich grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung interessiert, sondern allein auf das Erzielen von Einkünften in Geld oder Geldeswert (als Einkommen) abzustellen ist. Dies gilt ausnahmsweise nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei einer Sparkasse, weil anderenfalls der Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen gewertet würde (BVerwGE 108, 296 ff). Der aus einer bloßen Umschichtung von bestehendem Vermögen, etwa durch Veräußerung oder Geltendmachung einer Forderung, resultierende Zufluss wird dann als Surrogat der Forderung nicht zum (vorübergehenden) Einkommen, sondern behält den Charakter von Vermögen (zum Recht der Arbeitslosenhilfe: BSGE 46, 271, 272 f = SozR 4100 § 138 Nr 3 S 12; BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 4 RdNr 8). Daher gilt § 82 Abs 1 SGB XII nicht für die Auszahlung solcher Forderungen, die als fällige und liquide Forderungen bewusst nicht geltend gemacht, sondern etwa angespart werden (BVerwG aaO).

Hiernach ist die Auszahlung des Guthabens aus den Stromkostenvorauszahlungen - im Februar 2006 zugeflossenes - Einkommen. Der Zuordnung als Einkommen im Monat der Auszahlung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger in der Zeit zuvor zu hohe Abschläge gezahlt hat. Er hat diese Zahlungen nicht in dem oben genannten Sinne angespart, weil die Abschläge zur Erfüllung einer Forderung aus dem Energielieferungsvertrag gezahlt wurden und ein etwaiger Erstattungsbetrag erst nach der Jahresabrechnung bzw dem Bezugszeitraum des Stroms fällig werden und zufließen kann (im Ergebnis ebenso zur Betriebskostenerstattung B 14/7b AS 58/06 R -, SozR 4-4200 § 9 Nr 5). Dass vor Erstellen der Abrechnung überhaupt eine noch nicht fällige Forderung auf Auszahlung nicht verbrauchter Vorauszahlungen als Anwartschaft besteht und der Anspruch erst später entsteht, änder hieran nichts. Die Forderung und deren Höhe waren aufschiebend bedingt. Sie ist von dem Verbrauchsverhalten des Klägers abhängig und kann ihrer Höhe nach während des Abrechnungszeitraums variieren oder sogar ganz entfallen. Selbst der Kläger kann nicht wissen, dass, ob und ggf in welcher Höhe er mit einer Stromkostenerstattung rechnen kann. Sie hätte als Anwartschaftsrecht deshalb keinen wirtschaftlichen Wert und könnte deshalb nicht bereits als Vermögen berücksichtigt werden.

Die Berücksichtigung der Stromkostenerstattung als Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII verstößt nicht gegen Art 3 GG. Eine Regelung ist dann mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl nur BVerfGE 116, 229, 238). Der Gesetzgeber hat bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 16), der sich aber verringert, je stärker die nachteiligen Auswirkungen einer Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten sind (BVerfGE 88, 87, 96). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 51). Gemessen hieran ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht ersichtlich.

Ein Vergleich der vom Kläger genannten Gruppen von Normadressaten verbietet sich schon angesichts der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede. Sozialhilfeempfängern, die Bargeld aus dem Regelsatz ansparen, können selbst entscheiden, ob, wann und in welcher Höhe sie Beträge zurücklegen. Zudem können sie die angesparten Beträge jederzeit - etwa zur Befriedigung von Einmalbedarfen - einsetzen, ohne dass sie irgendwelchen Beschränkungen hinsichtlich Art, Zeitpunkt oder Umfang des Verbrauchs unterliegen. Sie unterscheiden sich damit wesentlich von den Normadressaten, die durch ihr Energieverbrauchsverhalten mit einer Stromkostenerstattung rechnen können. Die Abschläge an den Energielieferanten sind keine Beträge, die angespart werden. Die an den Stromlieferanten gezahlten Beträge sind, anders als aus dem Regelsatz angesparte Beträge, (zunächst) verbraucht. Die Höhe der Abschläge und der Zeitpunkt der Zahlung kann nicht frei gewählt werden, sondern beruht auf vertraglicher Verpflichtung. Ein der Abschlagszahlung nicht entsprechender geringerer Verbrauch an Energie eröffnet auch nicht die Möglichkeit, über das (noch nicht fällige) Guthaben zu verfügen. Ein geringer Energieverbrauch (etwa in den Sommermonaten) kann durch einen höheren Energieverbrauch in Folgemonaten wieder ausgeglichen sein. Die Erstattung durch das Energieunternehmen beruht nicht auf einem gesparten Vermögen, sondern allenfalls auf sparsamem Verhalten beim Verbrauch von Energie. Ebenso verbietet sich der Vergleich zu Sozialhilfeempfängern, die die Vorauszahlungen nicht leisten, weil diese sich nicht vertragskonform verhalten. Ein solcher Vertragsverstoß beinhaltet ohnehin kein "Ansparen" von Leistungen, weil den nicht gezahlten Abschlägen eine von dem Sozialhilfeempfänger zu erfüllende Forderung des Energieunternehmens in gleicher Höhe gegenübersteht.

Ein Verstoß gegen Art 1 Abs 1 GG iVm dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 und 3 GG findet sich ebenfalls nicht. Das Gebot zur Sicherung des Existenzminimums wird nicht dadurch verletzt, dass im Bedarfszeitraum zugeflossene Einnahmen für den Lebensunterhalt zu verwenden sind. Der Staat ist verpflichtet, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. Dabei ist dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel gewährt werden können, ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5 f). Danach ist nicht zu beanstanden, wenn Leistungen nicht gewährt werden, soweit sich der Hilfebedürftige selbst helfen kann. Insoweit gilt § 2 Abs 1 SGB XII, hier iVm §§ 19 Abs 1, 82 Abs 1 SGB XII, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich ua durch Einsatz seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann (so genannter Nachranggrundsatz). Entscheidend ist allein, dass eine vollständige Deckung des aktuellen sozialhilferechtlich relevanten Bedarfs gewährleistet ist. Der sich aus § 9 SGB XII ergebende Grundsatz, dass sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach den Besonderheiten des Einzelfalles richten, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfes und den örtlichen Verhältnissen, hat nach dem sich aus § 82 SGB XII ergebenden Willen des Gesetzgebers hier Vorrang vor der in § 28 SGB XII vorgesehenen Pauschalierung der Regelleistung. Es ist also verfassungsrechtlich nicht geboten, Beträge, die aus der Pauschale zu entrichten waren, später "auszugleichen", wenn diese teilweise erstattet werden. Das hier gefundene Ergebnis ist auch nicht unbillig. Der Kläger selbst hat es in der Hand, seinen Vertrag mit dem Energieunternehmen so zu gestalten, dass der Energieverbrauch den Abschlägen entspricht. Die Höhe der Abschlagszahlungen folgt dem Verbrauchsverhalten des Beziehers der Energie. Sie wird bei geringerem (aber auch bei höherem) Verbrauch entsprechend angepasst. Dass dem Kläger die Möglichkeit fehlt, seinen Energieverbrauch jederzeit zu kontrollieren und aktuell die Herabsetzung der Abschläge gegenüber dem Energieunternehmen zu fordern, ändert hieran nichts. In einer entsprechenden Situation befindet sich ausnahmslos jeder Empfänger von Sozialhilfe, der mit einem Energieunternehmen einen Vertrag über die Lieferung von Energie abschließen muss.

Das Vertrauen des Klägers wird durch die Berücksichtigung der Stromkostenerstattung als Einkommen nicht verletzt. Ein Vertrauen kann schon deshalb nicht verletzt sein, weil der Kläger nicht wissen kann, dass, ob und ggf in welcher Höhe er mit einer Stromkostenerstattung rechnen kann. Schließlich ist nicht erkennbar, wieso die behauptete Verletzung des Vertrauens eine höhere Sozialhilfe zur Folge haben kann. Letzteres gilt ebenso für den von ihm behaupteten Widerspruch mit dem gesetzgeberischen Ziel der CO2-Reduzierung.

Zu Recht hat der Beklagte das an den Kläger im Februar 2006 ausgezahlte Guthaben in vollem Umfang in diesem Monat berücksichtigt, nicht auf einen über Monate andauernden Zeitraum aufgeteilt und mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag angesetzt. Nach § 8 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII (VO zu § 82 SGB XII) sind andere als die in §§ 3, 4, 6 und 7 VO zu § 82 SGB XII genannten Einkünfte (hier die Stromkostenerstattung), wenn sie nicht monatlich erzielt werden, als Jahreseinkünfte zu berechnen. Für Einmalzahlungen sieht § 8 Abs 1 Satz 3 VO zu § 82 SGB XII allerdings davon abweichend eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs 3 Satz 2 und 3 VO zu § 82 SGB XII vor. Danach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen, hier also im Februar 2006. Sie sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

Entfällt durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nicht in vollem Umfang, liegt allerdings grundsätzlich kein Regelfall vor, der eine Aufteilung der einmaligen Einnahme über mehrere Monate rechtfertigen könnte. Für einen Verteilzeitraum ist im vorliegenden Fall mangels sachlichen Grundes kein Raum. Der Regelfall ist nur dann anzunehmen, wenn die Hilfebedürftigkeit bei vollständiger Berücksichtigung des Einkommens im Bedarfszeitraum, hier im Monat Februar 2006, ganz entfallen würde, die Leistungen also von dem Sozialhilfeträger für einen begrenzten Zeitraum, in dem die Hilfebedürftigkeit fehlt, einzustellen wären. Hierfür sprechen schon Gründe der Verwaltungspraktikabilität, weil andernfalls bereits geringe Beträge - gegebenenfalls mehrfach und sich überschneidend - auf längere Zeiträume verteilt werden müssten. Der Verwaltungsaufwand stünde in keinem Verhältnis zu dem - ohnehin kaum erkennbaren - Schutzbedürfnis des Hilfebedürftigen.

Anders verhält es sich bei Einmalzahlungen, deren Höhe den Bedarf im Bedarfszeitraum übersteigt. Eine anteilige Berücksichtigung des Einkommens ist hier in der Regel schon deshalb erforderlich, um ggf die "Quasiversicherung" in der gesetzlichen Krankenversicherung aufrechtzuerhalten. Zwar regelt das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) anders als bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB II bei Leistungsempfängern nach dem SGB XII keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. § 264 SGB V sieht aber eine Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung vor. Nach § 264 Abs 2 SGB V wird die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse übernommen. Wenn der Sozialhilfeempfänger nicht mehr bedürftig iS des SGB XII ist, meldet der Träger der Sozialhilfe diesen bei der jeweiligen Krankenkasse ab (§ 264 Abs 5 SGB V). Um dieses Ergebnis zu vermeiden, gilt zum Schutz des SGB-XII-Leistungsempfängers deshalb der Grundsatz, dass ein Regelfall iS des § 3 Abs 3 Satz 2 VO zu § 82 SGB XII, der eine Aufteilung der einmaligen Einnahmen über mehrere Monate rechtfertigt, immer dann vorliegt, wenn der über § 264 SGB V gewährte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahmen entfällt (vgl zum Recht des SGB II: -, SozR 4-4200 § 11 Nr 15, und - B 4 AS 57/07 R). Der Kläger, der freiwillig oder gesetzlich krankenversichert ist, bedarf nicht einmal dieses Schutzes, sodass nach oben dargelegten Grundsätzen eine anteilige Berücksichtigung des Einkommens auf einen angemessenen Zeitraum erst recht ausscheidet.

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Fundstelle(n):
CAAAD-29601