BSG Urteil v. - B 2 U 25/08 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB VII § 47

Instanzenzug: LSG Chemnitz, L 2 U 126/07 vom SG Chemnitz, S 4 U 141/05 vom

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zu zahlenden Verletztengeldes streitig. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt selbstständiger Bauunternehmer; er erlitt einen Arbeitsunfall, als er einem Nachbarn bei Verfüllarbeiten an einer Baugrube half.

Der Kläger ist einer von zwei Gesellschaftern der L Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Am kam es bei Verfüllarbeiten an der Baugrube eines Nachbarn zu einem Unfall. Ein Stein fiel dem Kläger auf den rechten Fuß und verursachte eine Zehenfraktur. Der behandelnde Arzt stellte deshalb Arbeitsunfähigkeit vom Unfalltag bis zum fest.

Die Beklagte errechnete für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (56 Tage) zunächst ein Verletztengeld (Verlg) von 755,44 €. Auf die Leistung bewilligte sie dem Kläger einen Vorschuss in Höhe von 750,00 €. Sie wies den Kläger mit der Bewilligung darauf hin, dass die endgültige Berechnung des Verlg nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2002 erfolgen werde. Der Kläger überreichte der Beklagten im März 2004 den Einkommensteuerbescheid für 2002. Danach hatte er 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.328,00 € erzielt. Die Beklagte bewilligte ihm auf dieser Grundlage mit Bescheid vom Verlg in Höhe von 413,84 € (3.328 € : 360 = 9,24 € x 80 vH x 56 Tage). In demselben Bescheid forderte sie vom Kläger den Differenzbetrag zu dem gezahlten Vorschuss (336,16 €) zurück. Dieser erhob Widerspruch, der im Widerspruchsbescheid vom ohne Erfolg blieb.

Vor dem Sozialgericht (SG) Chemnitz hat er geltend gemacht, die Beklagte habe ein zu niedriges Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Der steuerrechtliche Gewinn des Unternehmens 2002 sei deswegen geringer ausgefallen, weil ein Verlustabzug nach § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 44.490,11 € vorgenommen worden sei. Zwei Schuldner der Gesellschaft seien in Insolvenz gegangen. Die gegen diese Schuldner bestehenden Forderungen, die in frühere Jahresergebnisse eingestellt worden seien, seien 2002 ausgebucht worden. Das SG hat die Klage mit Urteil vom abgewiesen. Der Kläger hat mit seiner Berufung gegen das Urteil des SG vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Verlustvor- und -rückträge nach § 10d EStG Besonderheiten, die nur für die steuerrechtliche Gewinnermittlung heranzuziehen seien. Bei der Berechnung des Arbeitseinkommens als Grundlage sozialrechtlicher Leistungen seien die Folgen solcher Sonderregelungen nicht zu berücksichtigen. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom zurückgewiesen. Der den Gewinn des Klägers mindernde Verlust von 44.490,11 € sei nicht nach § 10d EStG, sondern nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu Stande gekommen. Er sei deshalb bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen. Die Beklagte habe die Höhe des Verlg zutreffend ermittelt. Sie sei auch berechtigt, den zuviel gezahlten Vorschuss zurückzufordern.

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung von § 47 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Er habe im maßgeblichen Kalenderjahr 2002 nur Einnahmen aus der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erzielt. Der Steuerbescheid 2002 über das Einkommen der Gesellschaft weise einen Gewinn von 6.656,00 € aus; sein hälftiger Gewinnanteil betrage 3.328,00 €. Die Gesellschaft habe 2002 aber einen um 44.490,11 € höheren Jahresgewinn erwirtschaftet. Zu der Feststellung eines niedrigeren Gewinns sei es nur gekommen, da die Gesellschaft Forderungen von inzwischen insolventen Schuldnern ausgebucht habe, die zwischen 1997 und 2000 entstanden seien. Bei der Maßnahme handele es sich quasi um die Korrektur "falscher" Steuerbescheide der Vorjahre. Entsprechend den Ausführungen im ) sei auf den eigentlichen Gewinn abzustellen, während Verlustrück- und -vorträge nicht zu berücksichtigen seien. Ziel sei es, die finanzielle Leistungsfähigkeit zur Grundlage der Bemessung zu machen und nicht die Einkommenssituation wie sie sich aus steuerrechtlichen Sondervorschriften ergebe. Die Berechnung des LSG verletze das Prinzip der Jahresabschnittsbesteuerung. Dementsprechend betrage der Gewinn der Gesellschaft 51.146,00 €; hiervon stehe dem Kläger der hälftige Gewinnanteil zu. Er habe Anspruch auf Verlg für die Zeit vom 6.1. bis berechnet nach einem Einkommen von 25.573,00 €, so dass ihm weiteres Verlg iHv 2.432,48 € zustehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiteres Verletztengeld in Höhe von 2.432,48 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte verbleibt bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung und verweist auf die vorinstanzlichen Entscheidungen.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Der mit der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Anspruch auf Zahlung höheren Verletztengelds besteht nicht. Zwar hat der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Verlg (1.), Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag hat er aber nicht (2.), auch die Rückforderung von 336,16 € ist rechtmäßig (3.).

1. Der Kläger hat Anspruch auf Verlg, wie die Beklagte zu Recht bindend festgestellt hat.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Nr 1 SGB VII sind erfüllt, da der Kläger infolge des am erlittenen Arbeitsunfalls von diesem Tag an bis einschließlich arbeitsunfähig gewesen ist. Auch die Voraussetzung nach § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII liegt vor. Danach muss der Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld oder eine der weiteren dort aufgezählten Leistungen haben.

Der Kläger hat zeitlich unmittelbar vor Eintritt des Arbeitsunfalls eine selbstständige Tätigkeit als Bauunternehmer ausgeübt, aus der er Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift erzielt hat. Dass es rechtlich einen "Anspruch auf Arbeitseinkommen" nicht gibt, ist unschädlich, weil die Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut ersichtlich das Haben von Arbeitseinkommen dem Haben eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt gleichstellt. Unerheblich ist ferner, ob der Kläger zeitlich unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls aus seiner selbstständigen Tätigkeit tatsächlich einen Gewinn erzielt hat. Soweit ersichtlich, wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur noch von den Trägern der Unfallversicherung vertreten, dass ein versicherter Unternehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls - hier Arbeitsunfall - nur dann einen Anspruch auf Verlg hat, wenn er zeitlich unmittelbar zuvor ein positives Arbeitseinkommen erzielt hat.

Dies gilt auch für Unternehmer, die infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig werden, den sie außerhalb ihrer unternehmerischen Tätigkeit in einem anderen Versicherungsverhältnis - etwa bei einer ehrenamtlichen Betätigung iSd § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII - erleiden. Nach den §§ 45 f SGB VII ist ein Anspruch auf Verlg von vornherein für nichterwerbstätige Versicherte ausgeschlossen, sofern sie auch keinen Anspruch auf eine der in § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII bezeichneten Entgeltersatzleistungen haben (vgl - BSGE 39, 63 = SozR 2200 § 560 Nr 3).

§ 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Verlg entsteht, wenn der Versicherte "unmittelbar" vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung ein Arbeitseinkommen hat. Für die Entstehung eines Anspruchs auf Verlg ist bei einem selbstständig tätigen Versicherten nur notwendig, dass er vor der durch den Versicherungsfall verursachten Arbeitsunfähigkeit eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit ausgeübt (vgl - SozR 4-2700 § 45 Nr 1; ).

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Betrags an Verlg. Die Beklagte hat die Höhe seines Anspruchs zutreffend bestimmt.

a) Gemäß § 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) richtet sich die Höhe des Verlg nach dem Regelentgelt, das aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens des Versicherten in dem der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar vorangehenden Bemessungszeitraum berechnet wird. Bei versicherten Selbstständigen, die den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer erlitten haben, bildet demgegenüber nicht das Regelentgelt, sondern der Jahresarbeitsverdienst (JAV) die Bezugsgröße für die Berechnung des Verlg (§ 47 Abs 5 Satz 1, § 81 f SGB VII).

Im Falle des Klägers ist die Höhe des Verlg nicht nach der speziellen Regelung für die Berechnung des Verlg bei Versicherungsfällen infolge der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit zu berechnen (zum Verhältnis von Abs 1 zu Abs 5 des § 47 SGB VII vgl auch: - SozR 4-2700 § 47 Nr 2), sondern nach den allgemeinen Regelungen (§ 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 SGB V), denn im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls hat er keine Tätigkeit für sein Bauunternehmen verrichtet. Er hat den Versicherungsfall nicht in Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit, sondern als nachbarschaftlicher Bauhelfer erlitten.

b) Nach Maßgabe des § 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 SGB V besteht kein Anspruch auf höheres Verlg, insbesondere ist kein höheres Arbeitseinkommen zugrunde zu legen.

Nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verlg entsprechend § 47 Abs 1 und 2 SGB V mit der Maßgabe, dass das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist (§ 47 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VII). Das Verlg beträgt 80 vH des Regelentgeltes und darf das in Anwendung von § 47 Abs 2 SGB V berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen (§ 47 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VII). Nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB VII ist Arbeitseinkommen bei der Ermittlung des Regelentgelts mit dem 360. Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkommens zugrunde zu legen. § 47 Abs 1 Satz 2 SGB VII trifft insoweit eine Sonderregelung zur Bestimmung des für die Berechnung des Regelentgelts maßgeblichen Arbeitseinkommens (). § 47 Abs 1 Satz 3 SGB VII regelt weiter, dass die Satzung bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Verlg vorsehen kann, um sicher zu stellen, dass das Verlg seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.

Einschlägig für die Bestimmung des Begriffs "Arbeitseinkommen" ist - weil nicht im SGB VII definiert - § 15 Abs 1 SGB IV. Nach Satz 1 der Vorschrift ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Einkommen ist Arbeitseinkommen iSd § 15 Abs 1 SGB IV, wenn es nach dem Einkommensteuerrecht als solches zu bewerten ist ( - SozR 4-5868 § 3 Nr 2).

Die "allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts" beziehen sich ua auf den Gewinnermittlungszeitraum, das Wirtschaftsjahr. Dieses ist in der Regel mit dem Kalenderjahr identisch, denn nach § 2 Abs 7 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer (Satz 1). Die Grundlagen für ihre Festsetzung - also auch den nach der genannten Vorschrift zu ermittelnden Gewinn - sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (Satz 2). Konsequent erfolgt deshalb die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr, den Veranlagungszeitraum (§ 25 EStG). Die Steuerschuld entsteht mit dessen Ablauf (§ 36 Abs 1 EStG). Den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts liegt das Prinzip der Jahresabschnittsbesteuerung zugrunde ( - BSGE 88, 117 = SozR 3-2600 § 97 Nr 4 jeweils RdNr 17).

Dem Kläger steht kein höheres Verlg zu, denn er hat nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts kein höheres Arbeitseinkommen als die von der Beklagten zu Grunde gelegten 3.328,00 € erzielt. Das Arbeitseinkommen des Klägers ist insbesondere nicht um die Hälfte der im Jahre 2002 ausgebuchten Forderungen (insgesamt 44.490,11 €; Anteil des Klägers: 22.245,06 €) zu erhöhen. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung des 5. Senats des (aaO; zu einer Rücklage nach § 7g EStG vgl B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2 RdNr 17 mwN) zur Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen oder -rückträgen nach Maßgabe des § 10d EStG bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens ist nicht einschlägig. Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG in dem maßgeblichen Bemessungszeitraum einen Gewinn von 3.328,00 € erzielt. In die Ermittlung dieses Gewinns ist kein Verlustvortrag oder -rücktrag nach § 10d EStG eingeflossen. Die durch Ausbuchung der Forderungen insolventer Schuldner eingetretene Minderung des Gewinns des klägerischen Unternehmens beruht nicht auf einem Verlustvortrag oder -rücktrag, sondern ergibt sich aus den allgemeinen Regeln des Steuerrechts. Die Gewinnermittlung aus dem Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) ist nach Maßgabe der §§ 4 ff EStG durch Vermögensvergleich erfolgt. Bei diesem Berechnungsmodus wird das Betriebsvermögen am Beginn und am Ende des Geschäftsjahres verglichen, wobei Betriebsausgaben abgezogen werden (Freudenberg in jurisPK-SGB VII § 47 RdNr 30). Für den anzustellenden Vermögensvergleich trifft § 6 Abs 1 Nr 2 EStG die Regelung zur Bewertung von Forderungen. Danach sind andere als die in Nummer 1 der Vorschrift bezeichneten Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um Abzüge nach § 6b und ähnliche Abzüge, anzusetzen; ist der Teilwert auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden.

Die Entscheidung des (aaO) lässt sich auch deshalb auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, weil die Entscheidung der Beklagten dann aus anderen Gründen das Prinzip der Jahresabschnittsbesteuerung verletzte. § 10d EStG eröffnet die Möglichkeit, einen vom Finanzamt festgestellten steuerlichen Verlust auf andere Veranlagungszeiträume zu übertragen. Der vorliegende Fall liegt anders. Eine Übertragung von Verlusten über den Veranlagungszeitraum, hier das Jahr 2002, hinaus findet nicht statt. Vielmehr wird eine bestehende Forderung, die sich als uneinbringlich erwiesen hat, steuerrechtlich nach § 6 Abs 1 Nr 2 EStG neu bewertet. Sie kann im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs in dem Jahr ausgebucht werden, in dem sie sich als uneinbringlich erwiesen hat.

Die Uneinbringlichkeit der Forderung und der Zeitpunkt des Verlustes wird dabei nicht nur durch das Steuerrecht, sondern auch durch die wirtschaftlichen und tatsächlichen Entwicklungen bestimmt. Bei der Bewertung zweifelhafter Forderungen kommt dem Steuerpflichtigen ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Es wäre deshalb nicht sachgerecht, eine 2002 als uneinbringlich ausgebuchte Forderung steuerrechtlich so zu behandeln, als wäre sie schon gar nicht entstanden. Erst recht kann nicht rückwirkend der Steuerbescheid des Jahres geändert werden, in dem die Forderung entstanden ist. Es ist auch im Übrigen bei der Feststellung des Arbeitseinkommens nicht zulässig, abweichend von den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts einzelne negative Einflüsse auf den Gewinn eines Unternehmens herauszurechnen und für die Feststellung der Höhe eines Anspruchs auf eine Sozialleistung unberücksichtigt zu lassen. Die angewandte Regelung zur Bewertung von Forderungen verletzt daher das Prinzip der Jahresabschnittsbesteuerung nicht.

Die dargestellte Rechtslage bedarf nicht wegen der Regelung des § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII der Korrektur. Danach kommt es für das Verlg darauf an, dass der Versicherte unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen hat (§ 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII). Wie schon oben ausgeführt, regelt § 45 SGB VII die Grundvoraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs auf Verlg, die Regelungen über die Höhe des Anspruchs trifft § 47 SGB VII. Die Voraussetzung des Bezugs von Arbeitseinkommen "unmittelbar" vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezieht sich auf das "Ob" und nicht auf die Höhe des Anspruchs. Für diesen trifft § 47 SGB VII spezifische Sonderregelungen ().

Auch der Zweck der Regelungen spricht gegen die vom Kläger begehrte abweichende Einkommensberechnung. § 47 Abs 1 Satz 2 SGB VII und die Regelung des "Arbeitseinkommens" in § 15 Abs 1 SGB IV sollen es zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung ermöglichen, den Gewinn eines selbstständig Tätigen unmittelbar dem Einkommensteuerbescheid zu entnehmen (BT-Drucks 12/5700 S 92 zu Art 3 Nr 2; - SozR 4-2400 § 15 Nr 1 RdNr 10 mwN; Fischer in jurisPK-SGB IV § 15 RdNr 40). Nach der Intention des Gesetzes soll eine individuelle Ermittlung des Gewinns unabhängig von Steuerrecht - hier etwa das Herausrechnen einzelner Verlustpositionen - gerade unterbleiben, um im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die gleichmäßige Ermittlung des Einkommens Selbstständiger im Steuer- und Sozialleistungsrecht zu gewährleisten.

Auch die "Entgeltersatzfunktion" des Verlg (vgl § 47 Abs 1 Satz 3 SGB VII) spricht gegen die Ansicht des Klägers. Dem Unfallverletzten, der vor Eintritt des Arbeitsunfalls keiner Tätigkeit gegen Entgelt oder Arbeitseinkommen nachgegangen ist und der deshalb durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust erlitten hat, steht Verlg nicht zu (vgl schon zum früheren § 560 RVO: 8/2 RU 162/71; - BSGE 39, 63, 67 = SozR 2200 § 560 Nr 3 S 13 mwN). Auch derjenige, der eine gering vergütete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat, soll Verlg (nur) in dem Umfang erhalten, der seinen Einkommensausfall ersetzt. Entsprechendes gilt im Fall des Klägers, der vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und aus dieser Einkünfte iHv 3.328,00 € erzielt hat. Es würde nicht seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Jahr 2002 entsprechen, sein Arbeitseinkommen um 22.245,06 € zu erhöhen, denn dieser Betrag hat ihm in dem fraglichen Zeitraum zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung gestanden.

Schließlich liegt keine planwidrige gesetzliche Lücke und auch keine Härte in Bezug auf den Einzelfall vor, die eine andere Auslegung oder Anwendung der Vorschriften geboten erscheinen lässt. Zwar lässt sich annehmen, dass die nach § 2 Abs 1 Nr 9 f SGB VII versicherten Personen wie zB ehrenamtlich Tätige, die selbstständig erwerbstätig sind, ein ähnliches soziales Schutzbedürfnis aufweisen, wie die selbstständig erwerbstätigen Versicherten, die bei Ausübung ihrer selbstständigen Tätigkeit einen Unfall erleiden und deren Verlg sich nach dem Jahresarbeitsverdienst richtet. Soweit ein solcher fehlt, wird ein durchschnittliches Arbeitseinkommen zu Grunde gelegt (§ 47 Abs 5 SGB VII, § 82 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Bei Schaffung des § 47 SGB VII hat der Gesetzgeber die Gruppe der Selbstständigen, die nicht infolge der Tätigkeit als Unternehmer verunglücken, nicht übersehen. Vielmehr wird schon aus der in Absätzen 1 und 5 der Vorschrift getroffenen Differenzierung deutlich, dass die Berechnung des Verlg von Versicherten mit Arbeitseinkommen verschieden geregelt werden sollte. Die Regelung zur Berechnung des Verlg nach Abs 1 der Vorschrift erfasst insbesondere die im Rahmen der sog unechten Unfallversicherung versicherten Personen (vgl zu diesem Anwendungsbereich der Norm: Nehls in Hauck/Noftz, SGB VII - Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 40. Lfg 2009, K § 47 RdNr 17; KSW/Holtstraeter § 47 SGB VII RdNr 17; SGB VII-Komm/Krasney § 47 RdNr 8).

Auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) ist nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist es mit dem Gleichbehandlungsgebot unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (zB , 1 BvR 1659/96 - BVerfGE 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Vorliegend bestehen in den Arten des Erwerbseinkommens zwischen beiden Gruppen solche Unterschiede, dass eine Gleichbehandlung bei der Berechnung von Einkommensersatzleistungen nicht geboten ist ( - SozR 4-2700 § 47 Nr 2). Je nach Fallkonstellation ist die Berechnung für die Gruppe der Arbeitnehmer ungünstig, so dass diese eine Angleichung an die Berechnung des Arbeitseinkommens oder andere Änderungen im Berechnungsmodus fordern (zB 4/5 RJ 78/76 - BSGE 47, 172 = SozR 2200 § 1241 Nr 11; 11b/7 RAr 21/84 - BSGE 58, 175 = SozR 4100 § 59 Nr 3; 4/1 RA 71/90 - SozR 3-2200 § 182 Nr 7 mwN; ). In anderen Konstellationen meinen die Selbstständigen, die Berechnung des Verlg müsse wie bei den Arbeitnehmern erfolgen. Das BSG hat aber wiederholt entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die Höhe des Anspruchs an die verschiedenen Arten von Entgelt und Einkommen, die ersetzt werden sollen, anknüpft (vgl 4/5 RJ 78/76 - BSGE 47, 172 = SozR 2200 § 1241 Nr 11; 11b/7 RAr 21/84 - BSGE 58, 175 = SozR 4100 § 59 Nr 3; ).

Schließlich ist das Verlg nicht in der Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums zu zahlen. Rechte auf Versicherungsleistungen im Sozialversicherungsrecht (§ 47 Abs 1 und 2 SGB V; §§ 64, 66 Abs 1 SGB VI; § 47 Abs 1 SGB VII) und im Arbeitsförderungsrecht (§ 131 Abs 1 SGB III) berechnen sich nach dem versicherten Entgelt oder Einkommen. Sie sollen das Risiko absichern, dass ein Versicherter die Fähigkeit einbüßt, seinen Lebensunterhalt durch Einsatz der Arbeitskraft oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Dagegen sind Elemente der Existenzsicherung oder der sozialen Grundsicherung in diesem Kontext systemfremd. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert und hat sich dafür entschieden, die Gewährleistung des Existenzminimums über andere, steuerfinanzierte Systeme wie zB das Alg II oder Sozialhilfe sicher zu stellen.

3. Der Bescheid der Beklagten vom ist auch nicht insoweit rechtswidrig, als sie die Rückforderung von 336,16 € verfügt hat.

Anspruchsgrundlage für die Rückforderung von 336,16 €, die durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen ist (§ 50 Abs 3 Satz 1 SGB X), ist § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I. Danach sind gezahlte Vorschüsse auf Geldleistungen vom Empfänger zu erstatten, soweit sie die zustehende Leistung übersteigen, nachdem sie vorrangig auf die zustehende Leistung anzurechnen sind (Satz 1 aaO). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte als zuständiger Träger hat dem Kläger in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens einen Vorschuss von 750,00 € gezahlt, da ein Anspruch auf Verlg dem Grunde nach bestanden hat, zur Feststellung der Höhe des Anspruchs aber längere Zeit erforderlich gewesen ist (§ 42 Abs 1 Satz 1 SGB I). Zwar hat das LSG gemeint, die Beklagte habe dem Kläger einen "Vorschuss als vorläufige Leistung iSd § 43 Abs 1 SGB I" gezahlt. Damit könnte offen geblieben sein, ob es sich um einen Vorschuss (§ 42 SGB I) oder um eine vorläufige Leistung (§ 43 SGB I) gehandelt hat. Bei Zahlung der 750,00 € ging es aber nicht darum, Leistungen vorläufig zu erbringen, bis der zuständige Träger bestimmt werden konnte (§ 43 SGB I). Vielmehr konnte lediglich die Höhe des Verlg nicht abschließend bestimmt werden, solange das Arbeitseinkommen des Klägers im Bemessungszeitraum noch nicht nach den allgemeinen Regeln des Einkommensteuerrechts festgestellt war. Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber deutlich gesagt, dass sie ihm einen Vorschuss bewillige und ggf Überzahlungen zurückfordern werde.

Sie ist nach § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I iVm § 50 Abs 3 SGB X ermächtigt, den Kläger zur Rückzahlung des überzahlten Betrages zu verpflichten. Eine Überzahlung lag nach Anrechnung des gezahlten Vorschusses auf die zustehende Leistung vor. Ausgehend von dem im Einkommensteuerbescheid 2002 ausgewiesenen Gewinn von 3.328,00 € hat dem Kläger endgültig Verlg in Höhe von 413,84 € zugestanden (3.328 € : 360 = 9,24 € x 80 vH x 56 Tage), wie es ihm mit Bescheid vom bewilligt worden ist. Insoweit ist der Anspruch mit dem gezahlten Vorschuss zu verrechnen. Der über den Anspruch hinausgehende Teil des Vorschusses, also 336,16 €, ist zuviel gezahlt worden. In dieser Höhe hat der Kläger den Vorschuss zu erstatten. Die entsprechend anzuwendende Vier-Jahres-Frist (§ 42 Abs 2 Satz 3 SGB I, § 50 Abs 4 SGB X) war bei Erlass des Rückforderungsbescheids noch nicht abgelaufen.

Die Anfechtungsklage kann auch insoweit keinen Erfolg haben.

Die Revision des Klägers ist insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2009 S. 2394
VAAAD-29596