Leitsatz
[1] 1. Versorgungsberechtigte können nicht nach § 303 AktG Sicherheit für künftige Betriebsrentenanpassungen verlangen. Der Schutzzweck der §§ 4 und 16 BetrAVG erfordert keine erweiternde Auslegung des § 303 AktG.
2. § 16 BetrAVG soll einer Entwertung der laufenden Betriebsrenten begegnen. Solange und soweit der Versorgungsschuldner leistungsfähig ist, hat er die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen. Die Anpassung der Betriebsrenten ist der Regelfall, die Nichtanpassung der Ausnahmefall. Dieser Ausnahmefall darf nicht planmäßig herbeigeführt werden.
3. Bei Beendigung eines Beherrschungsvertrages hat das herrschende Unternehmen das abhängige Unternehmen grundsätzlich so auszustatten, dass dieses zur Anpassung der Betriebsrenten wirtschaftlich in der Lage ist. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann zu Schadensersatzansprüchen der Betriebsrentner gegen das ursprünglich herrschende Unternehmen führen.
Gesetze: AktG § 302; AktG § 303; BetrAVG § 4; BetrAVG § 7; BetrAVG § 16; BGB § 241; BGB § 280 Abs. 1; ZPO § 287
Instanzenzug: LAG Düsseldorf, 7 Sa 944/06 vom ArbG Essen, 4 Ca 856/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers eine Sicherheit gem. § 303 AktG für dessen Anspruch gegen die Versorgungsschuldnerin, die H GmbH, auf Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG zu leisten.
Der am geborene Kläger war seit dem bei der D AG beschäftigt. Diese wurde im Jahre 1988 durch die Hü AG übernommen und firmierte fortan als Hü T AG. Im Jahre 1994 übernahm die Beklagte - damals in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft als R AG - diese Gesellschaft und firmierte sie um in die H AG. Dort war der Kläger zuletzt als außertariflicher leitender Angestellter tätig. Die H AG wurde im Jahre 2005 formwechselnd in eine GmbH umgewandelt.
Am war das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der H AG durch einen vorgezogenen Ruhestand des Klägers beendet worden. Der Kläger bezieht seit dem von der H AG und seit dem Formwechsel von der H GmbH eine Firmenpension nach der Firmenpensionsordnung für außertarifliche Angestellte der D . Die Firmenpension betrug zunächst 1.574,30 Euro. Sie wurde in der Folgezeit zweimal nach § 16 BetrAVG angepasst, nämlich zum um 5 % auf 1.653,01 Euro und zum um 3,2 % auf 1.705,90 Euro brutto.
Zwischen der H AG und der R AG war am ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen worden, der durch Vereinbarung vom 22. Dezember/ mit Ablauf des endete. Die Beendigung des Beherrschungsvertrages wurde am in das Handelsregister des Amtsgerichts S eingetragen. Am wurde die Eintragung im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Bereits zuvor, nämlich mit Vertrag von Ende 2004, war die H AG von der R AG an die Beteiligungsgesellschaften C Group und A verkauft worden. Nach den Feststellungen des landesarbeitsgerichtlichen Urteils beschäftigt die H GmbH seit dem Verkauf des gesamten operativen Geschäfts keine Arbeitnehmer mehr. Sie ist allerdings für 3.000 bis 4.000 Rentner zuständig, zu denen auch der Kläger gehört.
Bereits mit Schreiben vom hatte der Kläger gegenüber der Beklagten vorsorglich Ansprüche auf Sicherheitsleistung gem. § 303 AktG bezüglich aller möglicherweise nicht durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) abgesicherten Teile seiner Versorgung geltend gemacht. Anfang März 2005 teilte die Beklagte dem Kläger sowie allen anderen Rentnern, die eine Sicherheitsleistung verlangt hatten, in einem gleichlautenden Schreiben mit, eine Sicherheitsleistung scheide aus, da der Betriebsrentenanspruch durch den PSV insolvenzgeschützt sei. Der Kläger ließ seinen Anspruch sodann erneut, nämlich mit anwaltlichem Schreiben vom , gegenüber der Beklagten unter Hinweis darauf geltend machen, dass nicht alle seiner in Betracht kommenden Ansprüche insolvenzgeschützt seien. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom erneut eine Sicherheitsleistung ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für die nicht insolvenzgeschützten Ansprüche auf Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 303 AktG zu haben.
Er habe nach allgemeiner Sterbetafel 2002/2004 im Alter von 68 Jahren eine weitere Lebenserwartung von 14,15 Jahren (Alter 82 und zwei Monate). Die nächste Anpassungsprüfung stehe am an. Weitere Anpassungstermine seien sodann der , der , der und der . Gegenstand der Sicherheitsleistungen seien mithin fünf Anpassungstermine, wobei der letzte (bis zur Vollendung des 82. Lebensjahres) nur zehn Monate umfasse. Es sei von einem Anpassungsbedarf iHv. 3,3 % in drei Jahren auszugehen. Dies entspreche dem Anpassungsanspruch des § 16 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG von 1 % pro Jahr. Damit belaufe sich sein Anspruch auf insgesamt 23.951,40 Euro. In dieser Höhe sei Sicherheit zu leisten. Die Forderung nach § 303 AktG sei bereits dann begründet, wenn alle zu ihrer Entstehung erforderlichen Tatsachen vorlägen und es insoweit keiner weiteren Handlung des Gläubigers mehr bedürfe. Der Anspruch auf Überprüfung der Leistung nach § 16 BetrAVG sei bereits mit der ersten Zahlung einer laufenden Leistung begründet. Er sei dem Rentenstammrecht zuzuordnen. Sollte die wirtschaftliche Lage der H GmbH eine Anpassung nicht zulassen, sei auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten abzustellen. Auf diese komme es im Vertragskonzern ohnehin an. Vor dem Hintergrund sei ein Berechnungsdurchgriff vorzunehmen. Die Einnahmen aus den Verkäufen des operativen Geschäfts der H AG seien nicht dieser, sondern der Beklagten zugeflossen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zu seinen Gunsten Sicherheit iHv. 23.951,40 Euro zu leisten und zwar nach Wahl der Beklagten
- durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,
- durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,
- durch Verpfändung beweglicher Sachen,
- durch Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
- durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
- durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht,
oder
- durch Verpfändung von Grundstücken oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe nicht. Sicherheitsleistung könne nur für solche Ansprüche verlangt werden, die vor Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister begründet worden seien. Dies bedeute, dass die Ansprüche entstanden sein müssten. Der Anpassungsprüfungsanspruch entstehe alle drei Jahre neu. Es hätten auch noch nicht alle für die Entstehung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen vorgelegen. Zu den Tatsachen im zuvor genannten Sinne gehöre auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Diese müsse die Anpassung erlauben. Dies stehe keineswegs fest. Es komme hinzu, dass der Anspruch aus § 16 BetrAVG lediglich auf eine Überprüfung der Anpassung und eine Entscheidung hierüber gerichtet sei; bereits vor diesem Hintergrund scheide eine Vorabbezifferung aus. Ein Berechnungsdurchgriff scheitere bereits daran, dass der Kläger dessen Voraussetzungen nicht dargelegt habe. Zumindest müsse eine Haftungsbegrenzung nach den §§ 26, 160 HGB analog erfolgen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter.
Gründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist die Klage hinreichend bestimmt. Der Kläger hat bei der Formulierung seines Klageantrags der Tatsache Rechnung getragen, dass sich der Anspruch nach § 303 AktG inhaltlich nach den §§ 232 ff. BGB richtet.
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 303 AktG. Der Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung ist zwar grundsätzlich sicherungsfähig iSd. § 303 AktG; dem Kläger fehlt allerdings das erforderliche schützenswerte Sicherungsinteresse.
I. Nach § 303 Abs. 1 AktG hat im Falle der Beendigung eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages der andere Vertragsteil den Gläubigern der Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrages in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekannt gemacht gilt, Sicherheit zu leisten, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung zu diesem Zweck bei ihm melden. Nach § 303 Abs. 2 AktG steht das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, den Gläubigern nicht zu, die im Fall des Insolvenzverfahrens das Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist.
II. Der zwischen der damaligen H AG und der Beklagten unter dem abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag hat durch Vereinbarung vom 22. Dezember/ mit Ablauf des sein Ende gefunden. Auf den Grund für die Beendigung kommt es nicht an (Stephan in K. Schmidt/Lutter (Hrsg.) AktG 2008 § 303 Rn. 5 mwN).
Der Kläger hat auch fristgerecht, dh. innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 303 Abs. 1 AktG Sicherheitsleistung verlangt. Er hatte bereits mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten vorsorglich Ansprüche auf Sicherheitsleistung gem. § 303 AktG bezüglich aller möglicherweise nicht durch den PSV abgesicherten Teile seiner Versorgung geltend gemacht. Mit Schreiben vom hatte er dieses Begehren unter Hinweis darauf erneuert, dass nicht alle seiner in Betracht kommenden Ansprüche insolvenzgeschützt seien.
Das Recht des Klägers, Sicherheit zu verlangen, ist auch nicht nach § 303 Abs. 2 AktG ausgeschlossen. Sein Anspruch auf künftige Anpassungen nach § 16 BetrAVG fällt nicht unter den Insolvenzschutz nach § 7 BetrAVG. § 16 BetrAVG verpflichtet ausweislich seines Wortlauts nur den Arbeitgeber, nicht jedoch den PSV als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zur Anpassungsprüfung und -entscheidung (vgl. - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 51 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 40).
III. Der Kläger ist zudem Inhaber einer sicherungsfähigen Forderung. Er hat gegenüber seiner Versorgungsschuldnerin, der H GmbH, einen Anspruch nach § 16 BetrAVG auf Anpassungsprüfung und -entscheidung.
1. Der schuldrechtliche Anspruch des Klägers nach § 16 BetrAVG auf Anpassungsprüfung und -entscheidung war bereits begründet, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrages in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekannt gemacht galt.
a) Die zu sichernde Forderung ist iSd. § 303 Abs. 1 AktG begründet, wenn sie als solche in dem Sinne entstanden ist, dass für ihr Entstehen der Grund gelegt ist ( - zu II 4 c der Gründe, BAGE 76, 79; - 3 AZR 397/95 - zu I 1 a aa der Gründe, BAGE 83, 356). Sie muss noch nicht fällig, sondern kann befristet oder bedingt sein ( - aaO; vgl. - BGHZ 116, 37; - II ZR 299/94 - NJW 1996, 1539; Emmerich/Habersack Konzernrecht 9. Aufl. § 20 Rn. 60; MünchKommAktG/Altmeppen 2. Aufl. § 303 Rn. 16 f.; Stephan in K. Schmidt/Lutter (Hrsg.) AktG 2008 § 303 Rn. 9; Koppensteiner in KK-AktG 3. Aufl. § 303 Rn. 15 f.; Hüffer AktG 8. Aufl. § 303 Rn. 3).
b) Dies ist beim Anspruch des Klägers der Fall. Dieser ist seit dem Versorgungsempfänger und hat als solcher nach § 16 BetrAVG einen gesetzlichen Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung.
Dem steht nicht entgegen, dass der Senat mehrfach ausgeführt hat, mit dem nächsten Anpassungsstichtag entstehe ein neuer Anspruch auf Anpassungsentscheidung ( - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1; - 3 AZR 172/02 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 105, 72; - 3 AZR 367/03 - zu II 1 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 55); diese Ausführungen bezogen sich auf die § 16 BetrAVG zu entnehmende streitbeendende Wirkung einer früheren, nicht rechtzeitig gerügten Anpassungsentscheidung (Befriedungsfunktion). Danach muss der Versorgungsempfänger, wenn er eine ausdrückliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG für unrichtig hält, dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Tut er dies nicht, so erlischt sein Anspruch auf Korrektur und in diesem Sinne entsteht ein neuer Anspruch auf Anpassungsentscheidung (st. Rsp. des Senats seit - 3 AZR 56/95 - aaO; vgl. ua. - 3 AZR 367/03 - zu II 2 a der Gründe, aaO). Demgegenüber ist hier entscheidend, dass der Anspruch aus § 16 BetrAVG auf Anpassungsprüfung und -entscheidung das sog. Rentenstammrecht betrifft ( - zu III 1 der Gründe, aaO). Damit lagen alle zur Entstehung des Anspruchs iSd. § 303 AktG erforderlichen Tatsachen vor, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrages in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekannt gemacht galt.
2. Der Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung ist auch grundsätzlich sicherungsfähig (so für den Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG: Hill BetrAV 1995, 114, 117; Langohr-Plato BetrAV 1996, 81, 86). Denn er ist regelmäßig werthaltig.
Nach § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung die Belange der Versorgungsempfänger und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Ausgangspunkt seiner Entscheidung ist dabei der Anpassungsbedarf der Betriebsrentner. Dieser richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust ( - zu I der Gründe, BAGE 84, 246; - 3 AZR 589/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 98, 349). Allerdings darf der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung seine eigene wirtschaftliche Lage berücksichtigen. Er kann eine dementsprechende Anpassung ablehnen, soweit seine wirtschaftliche Lage dies nicht zulässt ( - aaO; - 3 AZR 50/05 - zu B III 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49).
Zwar gewährt § 16 BetrAVG keine Anpassungsgarantie; das Gesetz sichert nur einen Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung und nicht einen Anspruch auf unbedingte Anpassung ( - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 51 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 40). Auch stellen nach derzeitiger Rechtslage künftige Anpassungen keine Verbindlichkeiten im Sinne des deutschen Handelsbilanzrechts dar; ebenso sind die künftigen, auf § 16 BetrAVG beruhenden Anpassungen nach den derzeitigen steuerrechtlichen Bestimmungen auch in der Steuerbilanz nicht zu berücksichtigen ( - Rn. 52 mwN, AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7). Allerdings gebieten es der Zweck der Versorgungsleistungen selbst und der Zweck des Betriebsrentengesetzes, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen sind, solange und soweit der Versorgungsschuldner leistungsfähig ist. Die Anpassung ist der Regelfall und die Nichtanpassung der Ausnahmefall. Er darf nicht planmäßig herbeigeführt werden (so ausdrücklich - Rn. 53, aaO). Damit eröffnet § 16 BetrAVG den Arbeitnehmern mehr als nur eine vage Anpassungschance - hier als Möglichkeit der Anpassung mit einer bestimmten mathematischen Wahrscheinlichkeit verstanden. Nur in diesem Sinne wird der Begriff "Chance" in den Urteilen des Senats, beispielsweise vom (- 3 AZR 226/01 - aaO) und (- 3 AZR 50/05 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49) gebraucht. Vor diesem Hintergrund ist der Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung regelmäßig werthaltig und deshalb sicherungsfähig iSd. des § 303 AktG.
3. Der Sicherungsfähigkeit steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages nicht feststand, ob und ggf. in welcher Höhe eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zu den von ihm angeführten Anpassungsstichtagen erfolgen würde. Dem Problem, fiktive Abläufe beurteilen zu müssen, kann durch eine Anwendung des § 287 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 ZPO Rechnung getragen werden. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Gericht, über das Entstehen eines Schadens und die Schadenshöhe sowie über die Höhe einer Forderung "unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung" zu entscheiden ( - Rn. 57, AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7).
IV. Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 303 AktG steht jedoch entgegen, dass es dem Kläger an einem schützenswerten Sicherungsinteresse fehlt. Sowohl dann, wenn die Versorgungsschuldnerin zu Recht die Anpassung nach § 16 BetrAVG unterlässt oder verweigert, als auch dann, wenn ihre wirtschaftliche Lage eine Erhöhung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG zulässt, besteht regelmäßig kein Bedürfnis für eine Sicherheitsleistung. Im ersteren Fall wäre, da ein vollstreckbarer Titel über eine Anpassung nach § 16 BetrAVG nicht zu erreichen wäre, die Sicherheit nicht verwertbar und müsste freigegeben werden. Damit wäre dem Versorgungsgläubiger zuvor etwas zugesprochen worden, aus dem er keinen Nutzen ziehen könnte, sondern das er alsbald zurückzugewähren hätte. Sollte hingegen die wirtschaftliche Lage der Versorgungsschuldnerin eine Anpassung nach § 16 BetrAVG zulassen, so wird die Betriebsrente im Regelfall nicht nur angepasst, die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners sichert auch ihre Auszahlung, so dass vor diesem Hintergrund ein Bedürfnis für eine Sicherheitsleistung nicht besteht.
V. Der Schutzzweck der §§ 4 und 16 BetrAVG erfordert keine erweiternde Auslegung des § 303 AktG. Führen gesellschaftsrechtliche Veränderungen dazu, dass die für eine Betriebsrentenanpassung erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der abhängigen Versorgungsschuldnerin beeinträchtigt wird oder entfällt, kommen Schadensersatzansprüche der Versorgungsgläubiger gegenüber dem ehemals herrschenden Unternehmen in Betracht. Damit wird dem besonderen Schutzbedürfnis der Betriebsrentner ausreichend Rechnung getragen.
1. § 303 AktG dient ebenso wie die §§ 225, 321 AktG dem Zweck, die Gläubiger bei Umstrukturierungen, die typischerweise zu einer weniger sicheren oder geringeren Haftungsgrundlage führen, vor einer Schädigung zu bewahren ( - zu I 2 a bb (1) der Gründe, BAGE 83, 356). § 303 AktG ist Ausdruck eines - besonders stark typisierten - Vertrauensschutzes. Das herrschende Unternehmen kann die Rechtsfolgen der §§ 302, 303 AktG nicht durch den Nachweis abwenden, dass es entstandene Verluste nicht durch die Ausübung von Leitungsmacht verursacht hat ( - zu I 2, II 1 b der Gründe, BGHZ 116, 37). Es wird unwiderleglich vermutet, dass das herrschende Unternehmen bei der Ausübung seiner Leitungsmacht auf die Belange des abhängigen Unternehmens keine angemessene Rücksicht genommen hat. Denn solange der Beherrschungsvertrag besteht, "ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen." Bestimmt der Gesellschaftsvertrag nichts anderes, so hat der Vorstand der abhängigen Gesellschaft auch für diese nachteilige Weisungen zu befolgen (§ 308 Abs. 1, 2 AktG). Das herrschende Unternehmen hat allerdings während der Vertragsdauer entstehende Jahresfehlbeträge auszugleichen (§ 302 AktG). Bei wirtschaftlicher Betrachtung führt ein Beherrschungsvertrag zu einer "Fusion auf Zeit" (MünchKommAktG/Altmeppen 2. Aufl. § 308 Rn. 119). Das abhängige Unternehmen verliert seine wirtschaftliche Selbstständigkeit.
Das wirkt sich auch betriebsrentenrechtlich aus: Verlangen die Betriebsrentner der abhängigen Gesellschaft während des Bestehens des Beherrschungsvertrages eine Anpassung ihrer Betriebsrente, kommt es zwar zunächst auf deren wirtschaftliche Lage an, weil sie Versorgungsschuldnerin bleibt. Das Bestehen eines Beherrschungsvertrages rechtfertigt aber - ohne weitere Voraussetzungen - einen sogenannten Berechnungsdurchgriff ( - AP BetrAVG § 16 Nr. 29 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 26; - 3 AZR 910/93 - BAGE 78, 87; - 3 AZR 172/02 - BAGE 105, 72, 81). Das abhängige Unternehmen kann Anpassungsansprüche seiner Betriebsrentner nicht mit der Begründung ablehnen, seine schlechte wirtschaftliche Lage sei nicht durch Weisungen der herrschenden Gesellschaft verursacht worden. Es kommt dann auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft an. Diese hat die infolge der Anpassung der Betriebsrenten etwa entstehenden Verluste der abhängigen Gesellschaft nach § 302 AktG auszugleichen.
Mit der Beendigung des Beherrschungsvertrages endet indes die Verpflichtung zur Verlustübernahme und damit auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des ehemals herrschenden Unternehmens bei der Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG. Die während der Dauer des Beherrschungsvertrages bestehenden Verpflichtungen des herrschenden Unternehmens können die Lebensfähigkeit des nun nicht mehr abhängigen Unternehmens nicht garantieren. Es ist weder sichergestellt, dass das Unternehmen fortgeführt werden kann, noch dass dem Buchwert des Unternehmens ein dementsprechender tatsächlicher Wert im Sinne angemessener Ertragskraft entspricht (Koppensteiner in KK-AktG 3. Aufl. § 303 Rn. 2). Damit trägt § 303 AktG dem Risiko Rechnung, dass die Lebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft wegen der Ausrichtung auf das Konzerninteresse nach der Beendigung des Beherrschungsvertrages zweifelhaft ist, sie also über kurz oder lang insolvent wird und Gläubiger mit ihren Forderungen ausfallen (vgl. - zu II der Gründe, BGHZ 95, 330; - II ZR 299/94 - zu 1 a der Gründe, NJW 1996, 1539 zu § 26 KErhG; OLG Frankfurt - 19 U 226/98 - NZG 2000, 933; MünchKommAktG/Altmeppen 2. Aufl. § 303 Rn. 2).
2. Das herrschende Unternehmen hat jedoch die abhängige Gesellschaft grundsätzlich so auszustatten, dass sie nach Beendigung des Beherrschungsvertrages die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt. Die Verletzung dieser Verpflichtung zur ausreichenden Ausstattung der ursprünglich abhängigen Gesellschaft kann zu Schadensersatzansprüchen der Versorgungsberechtigten gegenüber dem herrschenden Unternehmen führen.
a) Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist von einem gesetzlich anerkannten besonderen Schutzbedürfnis der Versorgungsberechtigten auszugehen. Das Betriebsrentengesetz will - wie die §§ 4 und 16 BetrAVG zeigen - eine Auszehrung der Betriebsrenten vermeiden. So bestehen die "Belange der Versorgungsberechtigten" iSd. § 16 BetrAVG in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Dementsprechend ist der volle nicht gedeckte Anpassungsbedarf zu ermitteln ( - zu II 2 a der Gründe, BAGE 98, 349; - 3 AZR 395/04 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 115, 353). Vor diesem Hintergrund ist der frühere Arbeitgeber als Versorgungsschuldner verpflichtet, den realen Wert der eingegangenen Versorgungsverbindlichkeiten zu erhalten, es sei denn, es ist ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zumutbar, die sich daraus ergebenden Mehrbelastungen zu tragen ( - zu I der Gründe, BAGE 84, 246; - 3 AZR 226/01 - zu I 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 51 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 40). Auch § 4 Abs. 3 BetrAVG in der bis zum geltenden Fassung und § 4 Abs. 4 BetrAVG in der seit dem geltenden Fassung zeigen, dass der Gesetzgeber eine schleichende Entwertung der Betriebsrenten sogar bei einer Einstellung der Betriebstätigkeit und einer Liquidation des Unternehmens verhindern will. Nach dieser Konzeption ist die Anpassung der Regelfall und die Nichtanpassung der Ausnahmefall. Dieser Ausnahmefall darf nicht planmäßig herbeigeführt werden (so ausdrücklich - Rn. 53, AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7).
Der Senat hat vor diesem Hintergrund entschieden, dass der versorgungspflichtige Arbeitgeber nicht durch Vermögenstransaktionen die Versorgung seiner Arbeitnehmer beeinträchtigen darf. Werden Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert, so trifft den versorgungspflichtigen Arbeitgeber grundsätzlich die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, die Gesellschaft, auf die die Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert werden, so auszustatten, dass sie nicht nur die laufenden Betriebsrenten zahlen kann, sondern auch zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen in der Lage ist (vgl. - Rn. 54, AP UmwG § 131 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 4 Nr. 7).
b) Bei der Beendigung eines Beherrschungsvertrages entsteht eine der Ausgliederung vergleichbare Situation. Es ist nicht sichergestellt, dass die ursprünglich abhängige Gesellschaft so ausgestattet ist, dass sie in Zukunft zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage sein wird. Damit treffen das herrschende Unternehmen bei Beendigung des Beherrschungsvertrages gegenüber den Betriebsrentnern der abhängigen Gesellschaft regelmäßig die selben Verpflichtungen wie den bisherigen Versorgungsschuldner bei Ausgliederung einer Gesellschaft, auf die Versorgungsverbindlichkeiten übertragen werden. Das herrschende Unternehmen ist also gegenüber den Versorgungsberechtigten verpflichtet, die abhängige Gesellschaft grundsätzlich so auszustatten, dass sie nach Beendigung des Beherrschungsvertrages die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - die Betriebsrenten während des Bestehens des Beherrschungsvertrages angepasst wurden und die bisher abhängige Gesellschaft für eine Vielzahl von Betriebsrentnern zuständig ist, aber nur noch wenige oder gar keine aktiven Arbeitnehmer beschäftigt.
c) Kommt das herrschende Unternehmen der Pflicht aus diesem Schuldverhältnis nicht nach, unterbleibt also eine ausreichende Ausstattung der ursprünglich abhängigen Gesellschaft, kann dies zu Schadensersatzansprüchen der Versorgungsberechtigten gegenüber dem herrschenden Unternehmen führen (§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2, §§ 31, 278 BGB).
d) Auch im vorliegenden Fall kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise eine geringere Ausstattung zu billigen ist. Das könnte etwa dann in Betracht kommen, wenn das abhängige Unternehmen vor Abschluss des Beherrschungsvertrages die Anpassung der Betriebsrenten wegen schlechter wirtschaftlicher Lage ablehnen durfte. Der Vortrag der Parteien enthält dafür keine Anhaltspunkte. Auf diese Frage kommt es hier aber deshalb nicht an, weil der Kläger Sicherheitsleistung und nicht Schadensersatz verlangt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2009 S. 829 Nr. 22
BB 2009 S. 1293 Nr. 24
BB 2009 S. 2365 Nr. 44
DB 2009 S. 2384 Nr. 44
GmbHR 2009 S. 1335 Nr. 24
ZIP 2009 S. 2166 Nr. 45
FAAAD-29571
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein