BFH Urteil v. - I R 67/08 BStBl 2010 II S. 32

Anschaffungskosten eines Rückdeckungsanspruchs aus einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung

Leitsatz

Ein Anspruch eines Arbeitgebers auf Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung, der aus einer Kapitallebensversicherung resultiert, die in Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auch den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit abdeckt, ist —auch nach Eintritt dieses Leistungsfalls— als ein (einheitliches) Wirtschaftsgut zu aktivieren. Für die Bemessung der Anschaffungskosten ist der Rechnungszinssatz maßgeblich, den der Versicherer für die Berechnung der Deckungsrückstellung für die Lebensversicherung verwendet hat.

Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2HGB § 253 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (EFG 2008, 1442) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Streitpunkt ist die Bemessung des Abzinsungssatzes bei der Aktivierung eines Rückdeckungsanspruchs aus einer Kapitallebensversicherung, die in Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen worden ist, nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der BUZ.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die zur Rückdeckung einer Versorgungszusage zugunsten ihres vormaligen Geschäftsführers bei einem Lebensversicherungsunternehmen (V-AG) eine Kapitallebensversicherung mit zusätzlicher Risikoabsicherung auf Rentenbasis bei Berufsunfähigkeit abgeschlossen hatte. Nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der BUZ aktivierte die Klägerin sowohl den auf die „Hauptversicherung” als auch den auf die BUZ entfallenden Teil des Rückdeckungsanspruchs. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) schätzte —da ihm im Rahmen einer Außenprüfung keine versicherungsmathematischen Berechnungen der V-AG zur Verfügung standen— den Aktivwert des Rückdeckungsanspruchs auf einen höheren Betrag und erließ auf dieser Grundlage geänderte körperschaft- und gewerbesteuerliche Bescheide für die Streitjahre (1996 bis 1998).

Im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens hat die Klägerin (erstmals) versicherungsmathematische Berechnungsunterlagen der V-AG vorgelegt. Danach ist die V-AG zur Ermittlung des Deckungskapitals für die „Hauptversicherung” von einem Rechnungszinssatz von 3 % ausgegangen, während sie das Deckungskapital für die Ansprüche aus der BUZ unter Verwendung eines Rechnungszinssatzes von 6 % ermittelt hat. Die auf dieser Basis ermittelten Werte entsprechen den Positionen in der Bilanz der Klägerin. Daraufhin hat das FA den Klageanspruch in Bezug auf den Ansatz des auf die „Hauptversicherung” entfallenden Teils des Rückdeckungsanspruchs anerkannt. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) hat der Klage insoweit stattgegeben; die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen. Sein Urteil vom 1 K 186/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1442 abgedruckt.

Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.

Nachdem das FA während des Revisionsverfahrens im Hinblick auf die Teilstattgabe der Klage geänderte Bescheide erlassen hat, beantragt die Klägerin (sinngemäß), das FG-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Besteuerung ihre Bilanzansätze aus den Rückdeckungsversicherungen ohne Veränderungen zugrunde zu legen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Änderungsbescheide wurden jeweils gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, weil die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen werden von den Änderungsbescheiden nicht berührt und bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

III.

Die Klage ist im Hinblick auf die geänderten Bescheide unbegründet und deshalb abzuweisen. FA und FG haben den zu aktivierenden Rückdeckungsanspruch der Klägerin gegen die V-AG zu Recht einheitlich anhand des geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals der V-AG für den mit der Klägerin bestehenden Versicherungsvertrag bemessen.

1. Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) —für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991— i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die „handelsrechtlichen” GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).

2. Die Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers dient dazu, die Erfüllbarkeit der gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des Pensionsalters sowie bei vorzeitigen Versorgungsfällen wie Invalidität oder Tod des Aktiven sicherzustellen. Ein dahin gehender Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) zu leistender Renten ist als Forderung (§ 194 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—) gegen den Versicherer zu bilanzieren (§ 246 Abs. 1 HGB) und unter den sonstigen Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens i.S. des § 266 Abs. 2 B.II.4. HGB auszuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidungen vom I R 54/02 (BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654), vom I R 8/03 (BFH/NV 2004, 1234) und vom I R 11/06 (BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762).

3. Forderungen sind gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben, soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden können.

a) Bei den auf Kapitallebensversicherungen basierenden Rückdeckungsansprüchen trifft dies zunächst für die bis zum jeweiligen Bilanzstichtag vom Versicherungsnehmer aufgewendeten Sparanteile der Versicherungsprämien (Sparbeiträge) zu. Zu Anschaffungskosten führt auch die rechnungsmäßige Verzinsung dieser Sparbeiträge, die vertraglich garantiert wurde und daher entsprechende Zinsansprüche des Versicherungsnehmers begründete. Der (als Anschaffungskosten des jeweiligen Rückdeckungsanspruchs des Versicherungsnehmers zu aktivierenden) verzinslichen Ansammlung der geleisteten Sparbeiträge entspricht auf der Seite des Versicherers unter Zugrundelegung einer retrospektiven Betrachtung zum jeweiligen Bilanzstichtag begrifflich und betragsmäßig dessen geschäftsplanmäßiges Deckungskapital (vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654; in BFH/NV 2004, 1234, jeweils m.w.N.; in BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762). Am jeweiligen Bilanzstichtag prospektiv betrachtet ist dies der (nämliche) Betrag, den der Versicherer in Höhe des Barwerts der künftigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag abzüglich des Barwerts der künftig eingehenden Nettobeiträge passivieren muss —Deckungsrückstellung des Versicherers (§ 341f HGB)—. Das vom Versicherer jeweils nachgewiesene und im Rahmen des aufsichtsrechtlich zulässigen Rechnungszinsfusses berechnete Deckungskapital (Deckungsrückstellung) ist somit auch Bewertungsgrundlage und -maßstab für den korrespondierenden Rückdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu dessen Anschaffungskosten (Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654, und in BFH/NV 2004, 1234).

b) Diese Bewertungsgrundsätze gelten auch für Deckungsansprüche aus Kapitallebensversicherungen, die durch die Kombination mit einer BUZ auch den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit absichern. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, dass es sich bei dem Anspruch der Klägerin aus der BUZ um ein eigenständiges, von der Forderung aus dem „Hauptteil” der Kapitallebensversicherung getrennt zu bilanzierendes Wirtschaftsgut handele, das wie ein Anspruch aus einer reinen Risikoversicherung zu bilanzieren wäre. Vielmehr ist die BUZ im Streitfall nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz unselbständiger Teil des einheitlichen Versicherungsverhältnisses zwischen der Klägerin und der V-AG, dem dadurch eine Leistungspflicht für einen zusätzlichen vorzeitigen Versorgungsfall hinzugefügt worden ist. Die Annahmen über die Wahrscheinlichkeit des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit sind in diesem Fall Bestandteil der Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellung aus der Lebensversicherung (vgl. Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 341f Rz 12). Die BUZ ist —wie z.B. auch ein Rückdeckungsanspruch in Bezug auf eine Zusage auf Witwenversorgung (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762)— Teil des umfassenden Rückdeckungsanspruchs gegenüber dem Versicherer im Hinblick auf die eingegangene Pensionsverpflichtung. Darin unterscheidet sich die BUZ von der von der Klägerin in Bezug genommenen selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung, die nicht in Zusammenhang mit einer Lebensversicherung abgeschlossen wird und deshalb selbständig zu bewerten ist (anders wohl Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Band II: Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 782).

c) Der Eintritt des Leistungsfalls (im Streitfall: die Berufsunfähigkeit) ändert nichts an der Bemessung der Anschaffungskosten oder des Teilwerts des Rückdeckungsanspruchs. Insbesondere wird dadurch der Aktivwert des Rückdeckungsanspruchs nicht auf den Wert der von der Klägerin gemäß § 6a EStG zu bildenden Pensionsrückstellung begrenzt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1234; Höfer, a.a.O., Rz 777 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6a Rz 49; a.A. Ahrend/Förster/ Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 4. Aufl., 2. Teil Rz 1248 f.; Blümich/Förster, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6a EStG Rz 487).

4. Nach den Feststellungen des FG hat die V-AG der Ermittlung des Deckungskapitals für die Kapitallebensversicherung einen Rechnungszinssatz von 3 % zugrunde gelegt. Dieser ist sonach für die Bemessung der Anschaffungskosten des Rückdeckungsanspruchs der Klägerin maßgeblich. Die darauf beruhende Berechnung des FA zur Höhe der zu aktivierenden Forderung ist von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen worden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 137 Satz 1 FGO. Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass die Klägerin wegen der erst während des Klageverfahrens erfolgten Vorlage der versicherungsmathematischen Berechnungsunterlagen der V-AG die erstinstanzlichen Kosten auch im Hinblick auf den durch die Teilstattgabe erledigten Teil des Rechtsstreits zu tragen hat.

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 32
BB 2009 S. 2249 Nr. 42
BB 2010 S. 754 Nr. 13
BBK-Kurznachricht Nr. 20/2009 S. 979
BFH/NV 2009 S. 1868 Nr. 11
BFH/PR 2010 S. 2 Nr. 1
BStBl II 2010 S. 32 Nr. 1
DB 2009 S. 2184 Nr. 41
DStR 2009 S. 2040 Nr. 40
DStRE 2009 S. 1279 Nr. 20
DStZ 2009 S. 786 Nr. 21
EStB 2009 S. 378 Nr. 11
FR 2010 S. 134 Nr. 3
HFR 2009 S. 1186 Nr. 12
KÖSDI 2009 S. 16709 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2009 S. 3162
StB 2009 S. 377 Nr. 11
StBW 2009 S. 2 Nr. 21
StC 2009 S. 8 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2009 S. 740
WPg 2009 S. 1144 Nr. 22
YAAAD-29329