Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis nach Erledigung der Hauptsache; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss
Gesetze: FGO § 65 Abs. 1, FGO § 68, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 135 Abs. 2, FGO § 138
Instanzenzug:
Gründe
I. In dem angefochtenen Zwischenurteil hat das Finanzgericht festgestellt, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berechtigt war, den Einkommensteuerbescheid der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für das Jahr 1992 vom durch den Bescheid vom nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. Hiergegen haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf alle in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Zulassungsgründe gestützt.
Während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde hat das FA den angefochtenen Bescheid aufgrund einer Einigung mit den Klägern mit Bescheid vom gemäß § 172 AO geändert. Das FA erklärte daraufhin den Rechtsstreit vorsorglich in der Hauptsache für erledigt.
Die Kläger sind der Auffassung, dass trotz des aufgrund des vom Kläger gestellten Antrags auf Verständigung ergangenen Änderungsbescheids für die Einkommensteuer 1992 sich nichts an der notwendigen Rechtsfindung dem Grunde nach ändere, „ob in dem vorliegenden Sachverhalt eine Anwendung des § 174 AO gegeben” sei. Unter Bezugnahme auf die von ihnen vorgetragenen Zulassungsgründe beantragen sie sinngemäß, der Nichtzulassungsbeschwerde stattzugeben und die Revision zuzulassen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Durch den Erlass des Änderungsbescheids vom haben die Kläger ihr Klageziel, die Aufhebung des Änderungsbescheids vom zu erlangen, im Laufe des Verfahrens über ihre Nichtzulassungsbeschwerde erreicht. Der rechtskräftige Änderungsbescheid vom tritt gemäß § 68 FGO an die Stelle des ursprünglichen Einkommensteuer-Änderungsbescheids für 1992 vom , so dass der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung gegen die Kläger mehr entfaltet.
2. Die Kläger haben es nicht nur unterlassen, ihren Antrag den veränderten verfahrensrechtlichen Verhältnissen anzupassen, sie haben vielmehr ausdrücklich erklärt, dass sie ihr ursprüngliches Klagebegehren aufrechterhalten. Unter diesen Umständen fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für das Beschwerdeverfahren, weil die Kläger in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und ihre Ersetzung durch eine ihnen günstigere erreichen könnten (Senatsbeschluss vom X B 175/00, BFH/NV 2006, 594).
3. Der angerufene Senat darf sich nicht auf eine Feststellung der Erledigung der Hauptsache beschränken, sondern hat die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss zu verwerfen. Dies ist die Folge der auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime und des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses für eine Sachentscheidung nach materieller Erledigung der Hauptsache. Nach der Dispositionsmaxime beherrscht der Kläger das finanzgerichtliche Verfahren dadurch, dass er das Verfahren in Gang setzt, den Streitgegenstand bestimmt (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) und durch seine Anträge den Prozessrahmen absteckt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das Gericht darf weder über das Klagebegehren hinausgehen noch dem Kläger etwas anderes zusprechen, als dieser begehrt (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375).
Der Senat würde über etwas anderes als das Prozessbegehren entscheiden, wenn er nach einer Erledigung der Hauptsache und bei Aufrechterhalten des Klageantrags lediglich die Erledigung feststellen und diese aussprechen würde, statt die Nichtzulassungsbeschwerde zu verwerfen; er würde nicht über das durch die Aufrechterhaltung des Sachantrags konkretisierte Klagebegehren der Kläger befinden (s. auch Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375).
4. Demgegenüber ist die einseitige Erledigungserklärung des beklagten FA nicht mehr als eine Anregung an das Gericht, die Frage der Erledigung zu prüfen. Die Erklärung hat nicht zur Folge, dass der Streit nur noch die Erledigung betrifft; dem steht der Antrag der Kläger auf Sachentscheidung entgegen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375).
5. Dass die Kläger nach § 135 Abs. 2 FGO die Kosten zu tragen haben, ist die Folge ihres ohne Erfolg eingelegten und aufrechterhaltenen Rechtsmittels. Eine Anwendung des § 138 FGO scheidet aus, da diese Regelung keine dem § 135 FGO vorgehende Spezialvorschrift ist. Sie bezweckt vielmehr, eine Lücke zu füllen, die sonst in Fällen entstehen würde, in denen es nicht zu einer Streitentscheidung kommt, es also keinen Obsiegenden und keinen Unterliegenden gibt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAD-29301