BFH Urteil v. - II R 53/07 BStBl 2009 II S. 852

Freibetrag nach § 13a ErbStG für Betriebsvermögen eines freiberuflichen Kunstmalers

Leitsatz

1. Die Eigenschaft als Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 1 und 4 ErbStG a.F. geht nicht allein deshalb verloren, weil die künstlerische Tätigkeit aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur von den Erben nicht fortgesetzt werden kann.

2. Ist bei einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Versagung des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. das FG der Ansicht, die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags seien zunächst erfüllt gewesen, hat es bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zu prüfen, ob der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist.

Gesetze: ErbStG a.F. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5AO § 175FGO § 100 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (EFG 2008, 398) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres am verstorbenen Vaters (V), eines freiberuflich tätigen Kunstmalers. Der Nachlass des V umfasste u.a. sein Betriebsvermögen, zu dem nach der Schlussbilanz zum neben einem PKW und Geschäftsausstattung u.a. von V angefertigte Ölbilder, Arbeiten auf Papier und Radierungen gehörten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte gegen die Klägerin durch geänderten Bescheid vom Erbschaftsteuer in Höhe von 11 143 € fest; im steuerpflichtigen Erwerb war das Betriebsvermögen des V mit 27 329 € berücksichtigt. Dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des Freibetrags gemäß § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (ErbStG), den sie mit der Fortführung des Verkaufs der Kunstwerke des V begründete, folgte das FA nicht. Es vertrat die Auffassung, mit dem Tode des V sei eine weitere Erschaffung von Kunstwerken und somit auch eine zukünftige Fortführung der freiberuflichen Tätigkeit des V durch die Klägerin unmöglich geworden. Der Verkauf der noch von V erschaffenen Kunstwerke durch die Klägerin sei eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit, die zwangsweise zur Veräußerung des Betriebsvermögens des Erblassers und damit zur Betriebsaufgabe führe. Demgemäß könne die Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von der Klägerin nicht eingehalten werden.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 398 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Durch den Tod des V hätten weder seine Bilder ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen verloren noch sei es zu einer Betriebsaufgabe gekommen. Der Verkauf von Kunstwerken des V sei noch dessen künstlerischer Betätigung zuzurechnen. Den von V geschaffenen Werken werde ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen auch nicht dadurch entzogen, dass die Klägerin diese durch Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich mache.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 13a ErbStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass der Tod des V nicht zwangsweise zu einer Betriebsaufgabe geführt hat. Das FG hat aber zu Unrecht nicht geprüft, ob der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist.

2. Der Erwerb des Betriebsvermögens des V durch die Klägerin von Todes wegen erfüllt die Begünstigungsvoraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Das Betriebsvermögen des V ist nicht aufgrund dessen Tod Privatvermögen geworden.

a) Inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG ist, wie sich aus dem Verweis dieser Vorschrift auf § 12 Abs. 5 ErbStG ergibt, auch das einem freien Beruf dienende Vermögen (§ 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 96 des BewertungsgesetzesBewG—). Das Betriebsvermögen bei freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 96 BewG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) umfasst die Wirtschaftsgüter, die der Ausübung des freien Berufs dienen.

Im Streitfall bildete danach das in die Schlussbilanz aufgenommene Anlage- und Umlaufvermögen das freiberufliche Betriebsvermögen des V.

b) Zutreffend hat das FG erkannt, dass das Betriebsvermögen des V diese Eigenschaft nicht durch den Tod des V verloren hat.

aa) Ertragsteuerlich wird beim Tod eines selbständig tätigen Künstlers dessen Betrieb nicht —wie das FA unter Berufung auf Moench/Weinmann (Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13a Rz 111) meint— „zwangsweise” aufgegeben, sondern geht trotz der höchstpersönlichen Natur der künstlerischen Tätigkeit als freiberuflicher Betrieb auf die Erben über (, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; vom XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436, m.w.N.; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 332, 388). Das Betriebsvermögen wird daher nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen (, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, und in BFH/NV 2007, 436, m.w.N.). Die mit dem Tod des freiberuflichen Künstlers verbundene Betriebseinstellung ist noch keine Betriebsaufgabe (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 436).

bb) Diese Beurteilung ist auch für die Betriebsvermögenseigenschaft i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG maßgebend. Entgegen der Auffassung des FA hängt der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht —tätigkeitsbezogen— davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen allein —betriebsbezogen— auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab.

3. Das FG hat zu Unrecht nicht geprüft, ob die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG der Gewährung des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG ganz oder teilweise entgegensteht.

a) Gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach § 13a Abs. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb den Gewerbebetrieb veräußert; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Gleiches gilt gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG u.a. auch dann, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Diese Regelungen fin-

den auch auf den Erwerb des Betriebs eines i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG selbständig Tätigen Anwendung.

b) Aufgrund des in § 13a Abs. 5 (Eingangssatz) ErbStG unter bestimmten Voraussetzungen angeordneten Wegfalls des Freibetrags oder des Freibetragsanteils „mit Wirkung für die Vergangenheit” führt die Gewährung des Freibetrags zunächst nur zu einer (materiell) vorläufigen Begünstigung (Moench/ Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13a Rz 100). Die Verwirklichung eines der in § 13a Abs. 5 ErbStG geregelten Tatbestände ist verfahrensrechtlich ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung, das bei einem bereits bestandskräftigen Erbschaftsteuerbescheid durch Erlass eines Änderungsbescheids zu berücksichtigen ist.

Ist das FG in einem auf Gewährung des vom FA versagten Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG gerichteten Verfahren der Ansicht, die Voraussetzungen für dessen Berücksichtigung seien (zunächst) erfüllt gewesen, hat es bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zu prüfen, ob der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Trifft dies zu, ist die ursprünglich rechtswidrige Ablehnung des Freibetrags ganz oder teilweise rückwirkend rechtmäßig geworden. Dies hat das FG bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen; denn nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Rechtswidrigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts im Zeitpunkt der Entscheidung des FG bestehen (, BFHE 211, 107, BStBl II 2008, 350; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO Rz 39, m.w.N.).

Da das FG im Streitfall bei seiner Entscheidung allein auf den Zeitpunkt des Übergangs des Betriebsvermögens auf die Klägerin abgestellt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Das FG hat nicht geprüft, ob die Klägerin durch einen Verkauf von Bildern des V den Tatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verwirklicht hat. Sollten die vom FG noch nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen ergeben, dass die Klägerin innerhalb der Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG Bilder des V verkauft hat, liegt eine Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG vor. Nach der insoweit maßgeblichen ertragsteuerlichen Betrachtung gehören zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs im Allgemeinen die Betriebsräume, der (bisherige) betriebliche Wirkungskreis (Betätigungsfeld und Kundschaft) und auch der Warenbestand, soweit er nicht in seiner konkreten Zusammensetzung jederzeit wieder kurzfristig beschaffbar ist (, BFHE 119, 430, BStBl II 1976, 672; vom VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602). Diese Voraussetzungen sind für die von einem freiberuflichen Kunstmaler geschaffenen und zu seinem Nachlass gehörenden Kunstwerke zu bejahen.

Hat die Klägerin innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb im Nachlass des V befindliche Kunstwerke veräußert, ist der Freibetrag nur in Höhe der Werte rückwirkend weggefallen, mit denen die Werke in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer eingegangen sind. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „soweit” in der Einleitung des § 13a Abs. 5 ErbStG. Eine innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren nicht verwirklichte Veräußerungsabsicht spielt keine Rolle.

b) Das FG hat zu Recht keine tatsächlichen Feststellungen zu dem Vorbringen des FA getroffen, die Klägerin habe die Atelierräume des V an dessen 1. Todestag als Museum und Galerie eröffnet. Ein etwaiger Übergang eines bisher freiberuflichen Betriebsvermögens in gewerbliches Betriebsvermögen und eine entsprechende Umqualifizierung der aus dem Betrieb erzielten Einkünfte führen nämlich als sog. Strukturwandel nicht zu einer Betriebsaufgabe (vgl. , BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665, und in BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz 275).

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 852
BB 2009 S. 2115 Nr. 40
BFH/NV 2009 S. 1899 Nr. 11
BFH/PR 2009 S. 484 Nr. 12
BStBl II 2009 S. 852 Nr. 21
DB 2009 S. 2131 Nr. 40
DStR 2009 S. 2046 Nr. 40
DStRE 2009 S. 1280 Nr. 20
DStZ 2009 S. 794 Nr. 21
FR 2010 S. 189 Nr. 4
HFR 2009 S. 1211 Nr. 12
KÖSDI 2009 S. 16676 Nr. 10
NJW 2010 S. 800 Nr. 11
NJW-RR 2010 S. 14 Nr. 1
NWB-EV 2010 S. 46 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2009 S. 3085
SJ 2009 S. 13 Nr. 21
StB 2009 S. 380 Nr. 11
StBW 2009 S. 6 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2009 S. 744
XAAAD-28982