Keine Überraschungsentscheidung
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2006 verstorbenen Ehemannes (E). Dieser war in den Jahren 1992/1993 mit einer Steuerfahndungsprüfung überzogen worden, die u.a. die Vermögensteuer 1981 bis 1990 betraf. Vermögensteuererklärungen hatte E bis dahin nicht abgegeben. Aufgrund der Prüfung erging am ein Vermögensteuerbescheid auf den ; die dabei festgesetzte Steuer minderte sich durch Einspruchsentscheidung vom auf 2 385 DM. Als Besteuerungsgrundlage waren angesetzt: Grundvermögen in Höhe von 63 140 DM, Sparguthaben von 849 318 DM, ein Nießbrauch an einem Grundstück im Wert von 10 017 DM, eine Rentenverpflichtung mit 69 201 DM sowie eine Darlehensschuld von 50 000 DM. Das Darlehen sollte von einer Frau X gewährt worden sein. Schriftliche Unterlagen gibt es weder über die Gewährung noch über die Rückzahlung des Darlehens. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erkannte es daher nur zum Teil an.
Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage blieb erfolglos. Die Klägerin hatte sich gegen die Annahme gewendet, E habe eine Steuerhinterziehung begangen. Sie bestritt, dass E überhaupt gewusst habe, vermögensteuerpflichtig —und damit zu den Hauptveranlagungszeitpunkten erklärungssteuerpflichtig— gewesen zu sein. In der mündlichen Verhandlung hatte sie beantragt, mehrere Personen als Zeugen zu vernehmen, darunter den Steuerberater Dr. A als Zeugen dafür, E dahin beraten zu haben, dass keine Vermögensteuererklärungen abzugeben seien.
Das Finanzgericht (FG) bejahte eine Steuerhinterziehung durch E, ohne die Zeugen zu vernehmen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin Verfahrensfehler. Außerdem macht sie geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Revisionsentscheidung.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sind entweder nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ausreichend dargelegt oder liegen nicht vor.
a) Die Rüge, das FG habe in der mit Anschreiben vom übersandten „Darstellung des Sachverhalts”, die der „Vorbereitung der mündlichen Verhandlung” u.a. auch zur Vermögensteuer 1984 habe dienen sollen, noch Zweifel an dem nunmehr zugrunde gelegten Vermögen geäußert, ergibt keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Bei der Darstellung handelt es sich lediglich um eine vorläufige Einschätzung, die ausdrücklich unter dem Vorbehalt „besserer Erkenntnisse” gestanden hat. Die Darstellung hat auch nicht bewirkt, dass sich das spätere Urteil des FG als Überraschungsentscheidung erweist, durch die das Recht auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—) verletzt sein könnte. Dem steht die nach Übersendung des Anschreibens und vor Ergehen des Urteils durchgeführte mündliche Verhandlung entgegen, in der die Sache ausweislich der Sitzungsniederschrift in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden ist. Außerdem war der Klägerin die geänderte Sichtweise des FG aus seiner ein knappes Jahr zuvor ergangenen Entscheidung zur Vermögensteuer 1982 bereits bekannt.
c) Auch mit der bloßen Behauptung, Art. 14 GG sei verletzt, ist kein Revisionsgrund dargelegt. Soweit in diesem Zusammenhang auf das behauptete Darlehen der 1984 verstorbenen X Bezug genommen wird, hat das FG seine Überzeugung, ein Darlehen in der geltend gemachten Höhe von 280 000 DM sei nicht gewährt worden, ausreichend damit begründet, dass es weder für die Darlehenshingabe noch für die Darlehensrückzahlung irgendeinen schriftlichen Beleg gebe.
d) Die Rüge, es sei bei der Ermittlung des Vermögens eine zu hohe Enteignungsentschädigung angesetzt worden, geht schon deshalb fehl, weil zum noch keine derartige Entschädigung zu berücksichtigen gewesen ist.
e) Auch das Vorbringen, die auf luxemburger Konten befindlichen Guthaben habe E lediglich treuhänderisch gehalten, ergibt keinen Revisionszulassungsgrund. In der als Beleg für das behauptete Treuhandverhältnis vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Z ist lediglich von einer Vereinbarung aus dem Jahr 1988 die Rede, wonach E für ihn habe Gelder verwahren und verwalten sollen. Im Streitfall geht es aber um das Vermögen auf den .
f) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch Nichteinvernahme diverser Zeugen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat ebenfalls keinen Erfolg. Soweit sie Beweisanträge betrifft, die in der mündlichen Verhandlung vom nicht wiederholt worden sind, hat die Klägerin auf die Vernehmung dieser Zeugen verzichtet (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Übergangen können daher nur die Beweisanträge sein, die in der mündlichen Verhandlung wiederholt worden sind. Sie müssen überdies für die Entscheidung des Streitfalls erheblich sein (, BFH/NV 2002, 45). Diese Voraussetzungen können allenfalls die Beweisanträge zu 4., 5. und 6. erfüllen, die in der mündlichen Verhandlung vom in der Sache 9 K 387/08 wegen Vermögensteuer 1983 gestellt worden waren und auf die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung im Streitfall Bezug genommen wird. Die dort ebenfalls in Bezug genommenen Anträge zu 1. bis. 3. betreffen einen Vorgang nach dem Stichtag .
Die verbleibenden Beweisanträge hat das FG zu Recht mit der Begründung abgelehnt, sie seien unsubstantiiert. Bezüglich der Beweisanträge zu 5. und 6. —betreffend die Zeugen C und Dr. A— ist nicht erkennbar, wie jemand sicher sein kann, über die Vermögensverhältnisse eines anderen umfassend und vollständig von diesem unterrichtet worden zu sein. Der Beweisantrag zu 4. —betreffend den Zeugen Dr. D— ist nicht erheblich, weil das FG festgestellt hat (S. 11 der Vorentscheidung), dass das Wertpapierkonto schon vor dem —d.h. schon vor der Abhebung des Bargeldes— einen entsprechenden Bestand aufgewiesen habe.
g) Die Rüge, das FG habe die Aussage einer Zeugin verwertet, obwohl die Klägerseite gegen sie Strafanzeige wegen Falschaussage gestellt habe, ist unschlüssig. Aussagen der Zeugin werden in der Vorentscheidung nicht erwähnt; außerdem stünde eine derartige Anzeige einer Verwertung der Aussage nicht von vorneherein entgegen.
h) Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit dadurch, dass ein der mündlichen Verhandlung vorausgegangener Erörterungs- und Beweistermin nicht ausreichend durch schriftlichen Aushang kenntlich gemacht worden sei, ist nicht ausreichend dargelegt. Dazu wäre erforderlich gewesen, Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die Verhandlung in Räumen stattfand, zu denen während der Dauer der Verhandlung nicht grundsätzlich jedermann der Zutritt offenstand (so , BFH/NV 1993, 543). Abgesehen davon sind vorbereitende Erörterungs- und Beweistermine lediglich parteiöffentlich (so bei vergleichbarer Gesetzeslage , Deutsches Verwaltungsblatt 2001, 726).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1665 Nr. 10
SAAAD-26577