Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 315 Abs. 1 S. 2; ArbGG § 92b
Instanzenzug: LAG Berlin-Brandenburg, 22 TaBV 401/08 vom ArbG Potsdam, 2 BV 6/07 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat von Kostenforderungen eines Schulungsträgers freizustellen, die durch die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an Schulungsveranstaltungen entstanden sind. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats teilweise entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen unter teilweiser Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung insgesamt stattgegeben und seinen Beschluss im Anschluss an die Anhörung der Beteiligten im Termin vom an diesem Tag verkündet.
Der vollständig abgefasste Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist am zur Geschäftsstelle gelangt. Er enthält auf Seite 8 links unter dem Text die Unterschrift der Vorsitzenden und rechts unter einem Verhinderungsvermerk an Stelle der Unterschriften der ehrenamtlichen Richter noch einmal die Unterschrift der Vorsitzenden. Der Verhinderungsvermerk lautet:
"Die ehrenamtlichen Richter W und B sind durch Urlaub an der Unterschrift verhindert."
Gegen den ihr am zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am Nichtzulassungsbeschwerde (- 7 ABN 12/09 -) und sofortige Beschwerde gemäß § 92b ArbGG (- 7 AZB 3/09 -) eingelegt. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde hat der Senat am eine dienstliche Stellungnahme der Geschäftstellenverwalterin und der Vorsitzenden der 22. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg eingeholt. Mit Beschluss vom hat der Senat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
B. Die auf die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 92 Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin ist nicht statthaft (§ 92b Satz 3 ArbGG) und daher unzulässig, während die sofortige Beschwerde (§ 92b ArbGG) zulässig und begründet ist. Der mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde angefochtene Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom ist nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden. Zwar hat die Vorsitzende Richterin der Geschäftsstelle am , dem letzten Tag der Fünf-Monats-Frist, einen vollständig abgefassten Beschluss übergeben, der den formalen Anforderungen nach § 84 Satz 2, § 91 Abs. 1 Satz 3 ArbGG iVm. § 315 ZPO entsprach. Eine der nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ArbGG erforderlichen Unterschriften der ehrenamtlichen Richter war aber nicht wirksam durch einen Verhinderungsvermerk ersetzt worden, so dass nicht § 92a iVm. § 72a Abs. 2 bis 7 ArbGG zur Anwendung kommt, sondern § 92b Satz 1 und 2 iVm. § 72b Abs. 2 bis 5 ArbGG.
I. 1. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist der instanzbeendende Beschluss des Landesarbeitsgerichts nebst Gründen von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben und den Beteiligten zuzustellen. Eine nach dieser Vorschrift erforderliche Unterschrift kann dadurch ersetzt werden, dass der Vorsitzende unter Angabe des Verhinderungsgrundes vermerkt, dass der betreffende Richter verhindert ist, seine Unterschrift beizufügen, § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 87 Abs. 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 525 ZPO. Die auf diese Weise wirksam ersetzte Unterschrift eines oder mehrerer Richter erfüllt das Unterschriftserfordernis des § 315 Abs. 1 ZPO ( - Rn. 6, AP ZPO § 315 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 72b Nr. 3; - 3 AZR 526/97 - zu II 1 der Gründe, AP ZPO § 551 Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 2).
2. Ein Verhinderungsvermerk ist formell ordnungsgemäß, wenn er die Tatsache der Verhinderung und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind ( - Rn. 7, AP ZPO § 315 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 72b Nr. 3). Dem Rechtsbeschwerdegericht ist die inhaltliche Nachprüfung eines formell ordnungsgemäßen Verhinderungsvermerks regelmäßig verwehrt, wenn er einen Verhinderungsgrund enthält, der an sich geeignet ist, den Richter von der Unterschriftsleistung abzuhalten (zur Revision: - Rn. 9, aaO.; - 3 AZR 526/97 - zu II 2 a der Gründe, AP ZPO § 551 Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 2). Nur wenn nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund sonstiger Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen werden müsste, dass der den Vermerk anbringende Berufsrichter den Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt haben könnte, hat das Rechtsbeschwerdegericht im Wege des Freibeweises zu klären, ob der betreffende Richter tatsächlich verhindert war und daher ein Grund für die Ersetzung seiner Unterschrift vorgelegen hat ( - aaO.).
3. Die Ortsabwesenheit eines ehrenamtlichen Richters kann einen Verhinderungsgrund iSd. § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO darstellen, der ihn von der Verpflichtung zur Unterschriftsleistung entbinden kann. Für die Feststellung einer Verhinderung ist dabei auf die Gesamtdauer der Ortsabwesenheit und nicht auf die Zeit der Verhinderung bis zum Ablauf der in § 92b ArbGG bestimmten Frist abzustellen. Eine längerfristige Ortsabwesenheit des ehrenamtlichen Richters führt dazu, dass er stets und für die gesamten Tage seiner Abwesenheit als verhindert anzusehen ist. Hingegen reicht eine nur kurzfristige Ortsabwesenheit für die Annahme seiner Verhinderung nicht aus, selbst wenn das Abwarten auf die Beendigung der Ortsabwesenheit dazu führt, dass die Fünf-Monats-Frist des § 92b Satz 1 ArbGG nicht eingehalten werden kann. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse zu dem Zeitpunkt, in dem ein unterschriftsreifer Entscheidungsentwurf vorliegt ( - Rn. 10, AP ZPO § 315 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 72b Nr. 3).
II. Der ehrenamtliche Richter B war demnach am nicht wegen einer Ortsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert.
1. Der Senat ist nicht gehindert, den im Beschluss des Landesarbeitsgerichts angegebenen Grund für die Verhinderung des ehrenamtlichen Richters B nachzuprüfen. Die Arbeitgeberin hat in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass die Vorsitzende Richterin allein aufgrund eines Betriebsurlaubs des ehrenamtlichen Richters von einem Verhinderungsgrund ausgegangen ist. Mit einer solchen Annahme hätte die Kammervorsitzende den Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt. Ein ehrenamtlicher Richter ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig nur bei einer längeren urlaubsbedingten Ortsabwesenheit gehindert, den Entscheidungsentwurf zu unterschreiben.
2. Der Senat geht nach den Dienstlichen Äußerungen der Kammervorsitzenden und der Geschäftsstellenverwalterin sowie dem Datumsvermerk auf Blatt 286 der Vorakten davon aus, dass der Geschäftsstelle erst am und damit am letzten Tag der Fünf-Monats-Frist das unterschriebene Entscheidungsoriginal übergeben wurde und dass der ehrenamtliche Richter B an diesem Tag und in den Tagen davor urlaubsabwesend war. Dennoch war der ehrenamtliche Richter nicht iSd. des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO verhindert, dem Urteil seine Unterschrift beizufügen. Es kann dahinstehen, ob ein ehrenamtlicher Richter bereits bei einer Ortsabwesenheit von einer Woche ( 6 PB 17.08 - Rn. 6, NJW 2008, 3450) oder erst bei Überschreiten eines Zeitraums von mehr als 14 Tagen ( - Rn. 10, AP ZPO § 315 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 72b Nr. 3) an der Unterzeichnung des Entscheidungsentwurfs gehindert ist. Selbst wenn der ehrenamtliche Richter B bis zum Ende seines Urlaubs am ortsabwesend gewesen sein sollte, wäre dieser Verhinderungsgrund binnen einer Woche nach dem Vorliegen eines unterschriftsreifen Entscheidungsentwurfs entfallen, so dass die Vorsitzende Richterin bei Anbringung des Verhinderungsvermerks am nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausgehen konnte.
III. Danach war die vorrangig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin als unzulässig zu verwerfen, da es an einer Sachentscheidung des Beschwerdegerichts fehlt, die Gegenstand einer beschwerderechtlichen Prüfung im Verfahren nach § 92a, § 72a Abs. 1 ArbGG sein könnte. Ist in einem iSv. § 92b Satz 1 ArbGG verspätet abgesetzten Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden, ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde (§ 92a ArbGG) nicht statthaft (zu § 72a ArbGG: - Rn. 4 f., BAGE 120, 69 = AP ArbGG 1979 § 72b Nr. 1= EzA ArbGG 1979 § 72b Nr. 1). Auf die von der Arbeitgeberin zugleich eingelegte sofortige Beschwerde war der Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, wobei der Senat keine Veranlassung gesehen hat, von der Möglichkeit des § 92b Satz 2, § 72b Abs. 5 Satz 2 ArbGG Gebrauch zu machen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAD-26476
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein