BAG Urteil v. - 3 AZR 640/07

Leitsatz

[1] Versorgungsordnungen, die für Entgeltbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze West höhere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als für Bestandteile bis zu dieser Grenze vorsehen, tragen dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf Rechnung. Sie sind für Fälle, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich auch unter Geltung der Beitragsbemessungsgrenze Ost arbeitet, ergänzend auszulegen. Es ist dann bei Anwendung der Rentenformel statt der Beitragsbemessungsgrenze West ein nach zeitlichen Anteilen gewichteter Wert zwischen den beiden Beitragsbemessungsgrenzen zugrunde zu legen.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157

Instanzenzug: LAG Berlin, 16 Sa 1011/06 vom ArbG Berlin, 2 Ca 31732/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente, die die Beklagte dem Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalles schuldet. Dabei geht es darum, inwieweit bei der Betriebsrentenberechnung die für die gesetzliche Rentenversicherung geltende Beitragsbemessungsgrenze West oder die Beitragsbemessungsgrenze Ost zur Anwendung kommt und wie sich eine Kappungsgrenze im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis auswirkt. Erstmals in der Revisionsinstanz hat der Kläger zudem geltend gemacht, die Kappungsgrenze bzw. ihre Berücksichtigung im Zusammenhang mit seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Der Kläger ist am geboren. Er trat mit dem bei der Beklagten ein und schied mit dem aus ihren Diensten aus. Letzter Tätigkeitsort war Berlin. In dem der Tätigkeit zugrunde liegenden "Dienstvertrag" heißt es ua.:

"5. Betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung

Die jeweils gültige Versorgungsordnung der Bank ist Bestandteil dieses Vertrages. Tritt der Versorgungsfall zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Mitarbeiter die nach der Versorgungsordnung vorgesehene Wartezeit noch nicht erfüllt hat, wird er so gestellt, als ob er im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles 10 Jahre der Bank angehört hätte. Eine Steigerung der Dienstjahre tritt allerdings erst dann ein, wenn tatsächlich 10 Dienstjahre vollendet sind.

..."

Im Arbeitsverhältnis galt zuletzt die Versorgungsordnung 1988 in der Fassung Juli 1993 (hiernach: Versorgungsordnung). Sie lautet auszugsweise:

"A. Allgemeines

...

3. ...

Ein Versorgungsfall tritt ein, wenn eine gesetzliche Altersrente als Vollrente bezogen wird und das Arbeitsverhältnis mit der Bank beendet ist. ...

4. Mit dem Ausscheiden aus den Diensten der Bank vor Eintritt des Versorgungsfalles bleibt die Pensionsanwartschaft nur insoweit erhalten, als sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften unverfallbar ist. Dem Ausscheidenden wird dann seitens der Bank die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft mitgeteilt.

B. Ruhestandsbezüge

...

7. Als Grundlage für die Berechnung der Ruhestandsbezüge dienen:

a) das Zwölffache des zuletzt bezogenen vertraglichen oder tariflichen Bruttomonatsgehaltes einschließlich etwaiger Funktionszulagen und übertariflicher Zulagen, nachstehend Jahresgehalt genannt. ...

b) die bei der Bank zurückgelegten vollen Dienstjahre, und zwar jeweils nach dem Stand bei Eintritt des Versorgungsfalles.

...

Soweit bei der Berechnung die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen ist, gilt die des Kalenderjahres, das dem Jahre vorangeht, in welchem der Versorgungsfall eintritt, nachstehend Beitragsbemessungsgrenze genannt. ...

I. Bankrente

8. a) Die jährliche Bankrente beträgt 0,3 v. H. des Jahresgehaltes für jedes Dienstjahr.

b) Sofern das Jahresgehalt die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, werden für jedes Dienstjahr jeweils weitere 1,5 v. H., höchstens insgesamt 60 v. H., des die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Betrages gewährt.

..."

Die im Jahre 1993 vorgenommene Änderung der Versorgungsordnung war im Wesentlichen redaktionell, insbesondere fand keine Änderung von Nr. 8 Buchst. b statt.

Bei Änderung der Versorgungsordnung im Jahre 1993 wurden für die Arbeitnehmer der Beklagten die Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung anhand der Beitragsbemessungsgrenze West abgerechnet und abgeführt. Das war unabhängig vom Einsatzort, galt also auch für Arbeitnehmer, die in der ehemaligen DDR und den östlichen Bezirken Berlins tätig waren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die maßgebliche Niederlassung und Betriebsstätte der Beklagten noch in Berlin-Charlottenburg. Tätigkeiten in der ehemaligen DDR und im Ostteil Berlins wurden als "Ausstrahlung" behandelt, die in entsprechender Anwendung von § 4 SGB IV auf die Anwendung des Sozialversicherungsrechts keinen Einfluss hatte.

Im Jahre 1996 wurden Niederlassung und Betriebsstätte nach Berlin-Mitte und Berlin-Friedrichshain verlagert. Ab diesem Zeitpunkt legte die Beklagte für die im ehemaligen Ostteil der Stadt eingesetzten Arbeitnehmer gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragsbemessungsgrenze Ost zugrunde. Beim Kläger geschah dies ab Oktober 1997.

Aus Anlass des Ausscheidens des Klägers erstellte die Beklagte eine Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft. Dabei legte sie ein Jahresgehalt von 75.780,00 Euro pro Jahr zugrunde. Außerdem stellte sie in die Berechnung die Beitragsbemessungsgrenze West für das Jahr 2001 in Höhe von 53.378,00 Euro jährlich ein. Auf der Basis dieser Zahlen errechnete sie unter Zugrundelegung der bis zum 65. Lebensjahr zurücklegbaren Dienstjahre die unverfallbare Rentenanwartschaft des Klägers wie folgt:

Gehalt|75.780,00 Euro

davon 0,3 % x 48 Dienstjahre =14,40 % also|10.912,00 Euro

Differenz Beitragsbemessungs-grenze West und Gehalt jährlich|22.401,00 Euro

davon 1,5 % x 48 Dienstjahreunter Berücksichtigung derKappungsgrenze = 60 %|13.440,00 Euro

Summe beider Beträge jährlich|24.353,00 Euro

davon anteilig 64,62 % (tatsächliche Dienstzeit 31 Jahre 6 Monate/mögliche Dienstzeit 48 Jahre 9 Monate)|15.737,00 Euro

das ergibt monatlich|1.312,00 Euro

Mit dieser Berechnung erklärte der Kläger sich nicht einverstanden. Er verlangte die Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Ost in Höhe von im fraglichen Jahr 44.789,00 Euro und die Nichtberücksichtigung der Kappungsgrenze von 60 % bei der Berechnung des Rentenanteils, der die Differenz zwischen Jahresgehalt und Beitragsbemessungsgrenze abdeckt.

Dies hat die Beklagte außergerichtlich abgelehnt. In einem Schreiben vom hat sie insoweit ua. auf eine Vereinbarung zwischen ihr und ihrem Betriebsrat abgestellt, nach der finanzielle Nachteile wegen des Wechsels von der Beitragsbemessungsgrenze West zur Beitragsbemessungsgrenze Ost ausgeglichen werden. In der Revisionsverhandlung war zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Regelung auf den Kläger keine Anwendung findet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine unverfallbare Anwartschaft richtig wie folgt zu berechnen: In einem ersten Schritt seien 14,4 % seines Jahresgehaltes von 75.780,00 Euro zugrunde zu legen, also 10.912,00 Euro, wovon ihm anteilig 64,62 %, also 7.051,00 Euro zustünden. In einem zweiten Schritt seien 60 % der Differenz seines Jahresgehaltes zur Beitragsbemessungsgrenze Ost - das sind 30.991,00 Euro - zugrunde zu legen, also 18.594,00 Euro. Aus dem sich bei Zusammenzählung ergebenden Betrag in Höhe von 25.645,00 Euro ergibt sich auf dieser Basis eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 2.137,00 Euro, die der Kläger verlangt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn bei Eintritt des Versorgungsfalles Ruhestandsbezüge in Höhe von monatlich 2.137,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Anwartschaft des Klägers richtig berechnet zu haben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision ist unzulässig, soweit sich der Kläger auf den Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung stützt. Im Übrigen ist sie zulässig, aber nur teilweise begründet.

A. Soweit der Kläger sich darauf beruft, die streitbefangene Versorgungsordnung diskriminiere ihn altersbedingt, ist die Revision unzulässig.

Klageerweiterungen in der Revisionsinstanz sind grundsätzlich unzulässig, da das Revisionsgericht an Tatsachenvorbringen und Feststellungen im Berufungsverfahren gebunden ist ( - Rn. 17, NZA-RR 2009, 327). Das Einbringen eines weiteren Streitgegenstandes stellt eine Klageerweiterung dar oder steht ihr zumindest gleich (vgl. - zu B I 1 der Gründe, AP ZPO § 263 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 65). Mit der Einbringung des Aspekts der Altersdiskriminierung hat der Kläger einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingebracht. Zum Streitgegenstand sind dabei alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (vgl. - zu II 2 a der Gründe mwN, MDR 2008, 500). In den Tatsacheninstanzen hat der Kläger sich allein auf die Auslegung und Handhabung der Versorgungsordnung berufen. Den Aspekt, inwieweit er gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt wurde, hat er dagegen nicht in das Verfahren eingeführt. Damit liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor (vgl. - zu I 2 der Gründe, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2). Gründe, die Klageerweiterung in der Revisionsinstanz hier ausnahmsweise zuzulassen, bestehen nicht. Es ist also nicht Gegenstand der Sachentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit und damit ihrer Rechtskraft, inwieweit der Kläger tatsächlich unter dem Gesichtspunkt des Alters unerlaubt benachteiligt wurde oder nicht.

B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie nur zum Teil begründet. Bei der Berechnung der Betriebsrente des Klägers ist nicht die Beitragsbemessungsgrenze West zugrunde zu legen, sondern ein nach Zeitanteilen gewichteter Mittelwert zwischen den Beitragsbemessungsgrenzen West und Ost. Im Übrigen stehen im keine Ansprüche zur Seite. Im Einzelnen gilt:

I. Die Klage ist zulässig; der Antrag bedarf allerdings der Auslegung.

1. Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Die Voraussetzungen des § 256 ZPO liegen vor. Nach dieser Regelung muss sich die Feststellungsklage nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne daraus ergebende Rechte, Pflichten oder Folgen beschränken, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht ( - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 44 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 39). Der Kläger begehrt die Feststellung konkreter, aus dem Versorgungsverhältnis folgender Leistungspflichten. Die Beklagte vertritt eine davon abweichende Auffassung, so dass dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite steht. Dass der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, ist unerheblich (vgl. - zu A III 2 der Gründe, BAGE 79, 236). Der Vorrang der Leistungsklage greift hier schon deshalb nicht ein, weil die streitige Forderung noch nicht fällig ist.

2. Der Klageantrag bedarf allerdings insoweit der Auslegung, als es um die Formulierung "Eintritt des Versorgungsfalls" geht. Ersichtlich meint der Kläger damit das Erreichen der festen Altersgrenze mit 65 Jahren nach B Nr. 5 der Versorgungsordnung und nicht etwa einen vorgezogenen Versorgungsfall nach § 6 BetrAVG, der ggf. eine abweichende Berechnung erfordern könnte.

II. Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann Ansprüche nicht auf die Versorgungsordnung stützen. Solche kommen vielmehr nur nach § 2 Abs. 1 BetrAVG in Betracht und sind anhand dieser Vorschrift in Verbindung mit der Versorgungsordnung zu berechnen. Die Klage ist aber insoweit teilweise erfolgreich, als bei Anwendung der Rentenformel statt der Beitragsbemessungsgrenze West ein Mittelwert zwischen beiden Beitragsbemessungsgrenzen zugrunde zu legen ist, der nach den zeitlichen Anteilen der Anwendung der unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen West und Ost zu bemessen ist. Dagegen hat die Beklagte die in der Versorgungsordnung vorgesehene Kappungsgrenze richtig angewandt.

1. Unmittelbare Ansprüche aus der Versorgungsordnung kann der Kläger nicht herleiten. Nach A Nr. 4 der Versorgungsordnung bleiben den vor dem Versorgungsfall ausscheidenden Arbeitnehmern Pensionsanwartschaften nur insoweit erhalten, als sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften unverfallbar sind. Der Anspruch richtet sich deshalb allein nach den gesetzlichen Bestimmungen. Weitergehendes ergibt sich auch nicht aus der Nr. 5 des "Dienstvertrages" der Parteien. Dessen Sätze 2 und 3 enthalten lediglich Sonderregeln für den Fall eines Ausscheidens vor Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit. Der Kläger ist jedoch mit einer vor dem erteilten Versorgungszusage nach Vollendung des 35. Lebensjahres ausgeschieden. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Versorgungszusage bereits mindestens 10 Jahre, so dass der Kläger eine unverfallbare Anwartschaft erworben hatte (§ 30f BetrAVG).

2. Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG iVm. der Versorgungsordnung hat der Kläger bezogen auf das 65. Lebensjahr einen monatlichen Betriebsrentenanspruch in Höhe von 1.349,56 Euro.

a) Nach § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der festen Altersgrenze - hier mit dem 65. Lebensjahr - ein vorher, dh. vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer, wie der Kläger, einen Anspruch mindestens in Höhe des Teils der ohne das vorzeitige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze entspricht. Bei der Berechnung dieses Teilanspruchs bleiben sowohl Veränderungen der Versorgungsregeln als auch solche der Bemessungsgrundlagen für die Leistung außer Betracht, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten.

Unverfallbar ist deshalb nicht die konkret zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbene Anwartschaft, sondern die nach § 2 BetrAVG errechnete Teilrente. Das ist der Teil der erreichbaren Vollrente, der dem Anteil der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze entspricht. Die unverfallbare Anwartschaft setzt deshalb zunächst die Errechnung der erreichbaren Vollrente voraus. Dabei gelten Veränderungssperre und Festschreibeeffekt. Festzustellen ist nicht die bei Eintritt des Versorgungsfalles tatsächlich erreichte oder erreichbare Altersversorgung, sondern eine fiktive Rente. Auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles kommt es nicht an. Zugrunde zu legen ist vielmehr zum einen die bei Ausscheiden geltende Versorgungsordnung und sind zum anderen die Bemessungsgrundlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens. Die zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Bemessungsgrundlagen sind auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalles hochzurechnen. Auszugehen ist von einem unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Bemessungsgrundlagen.

Bemessungsgrundlagen sind alle für die Höhe des Versorgungsanspruchs maßgeblichen Berechnungsgrößen. Sie verändern sich nicht, wenn sie einem Wechsel unterliegen und die künftige Entwicklung nicht eindeutig vorgezeichnet ist. Dann wirkt der Festschreibeeffekt. Wenn die Faktoren dagegen ohne weiteres hochgerechnet werden können, greift der Festschreibeeffekt nicht ein; er betrifft nur variable Einflussgrößen. Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass beim Ausscheiden des Arbeitnehmers der Umfang der Versorgungsanwartschaft endgültig feststeht. Bemessungsgrundlage iSd. Gesetzes sind die jeweils einzeln in der Versorgungsordnung vorgesehenen Rechenschritte (vgl. zum Ganzen - zu II 1 der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Nr. 51).

b) Den nach B Nr. 8 Buchst. a der Versorgungsordnung auf der Basis des Jahreseinkommens des Klägers zu berechnenden Anteil der fiktiven Vollrente für die Parteien hat die Beklagte richtig errechnet: Zugrunde zu legen ist das beim Ausscheiden des Klägers maßgebliche Jahresgehalt, das als variable Größe festzuschreiben ist, in Höhe von 75.780,00 Euro jährlich. Bei 48 erreichbaren vollen Dienstjahren und 0,3 % davon pro Jahr ergibt sich ein zugrunde zu legender Prozentsatz von 14,4. Das sind 10.912,00 Euro pro Jahr.

c) Der nach B Nr. 8 Buchst. b zu berechnende Anteil der fiktiven Vollrente, der sich an der Differenz zwischen dem Jahresgehalt und der Beitragsbemessungsgrenze orientiert, ist jedoch abweichend vom Rechenweg beider Parteien zu ermitteln, nämlich unter Zugrundelegung eines Wertes zwischen den Beitragsbemessungsgrenzen West und Ost entsprechend den tatsächlichen Anteilen der vom Kläger im Westen und Osten verbrachten Dienstzeit. Außerdem gilt die Kappungsgrenze von 60 %. Insoweit ist Folgendes zugrunde zu legen:

aa) Bei der Auslegung der Versorgungsordnung ist mit dem Landesarbeitsgericht und der Beklagten zunächst davon auszugehen, dass mit "Beitragsbemessungsgrenze" die Beitragsbemessungsgrenze West und nicht die Beitragsbemessungsgrenze Ost gemeint ist. Der Senat ist insoweit zur vollständigen Überprüfung der Auslegung der Versorgungsordnung durch das Landesarbeitsgericht berechtigt, da es sich dabei um einen typischen Vertrag handelt, dessen Auslegung einer unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. nur - zu I 2 a aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80).

Dieses Auslegungsergebnis folgt schon daraus, dass zum Zeitpunkt der ursprünglichen Versorgungszusage im Jahre 1988 nur eine Bemessungsgrundlage existierte, nämlich die zwischenzeitlich als Beitragsbemessungsgrenze West fortgeschriebene, damals für das gesamte Bundesgebiet geltende Beitragsbemessungsgrenze. Eine andere konnte deshalb von der Versorgungsordnung gar nicht gemeint sein. Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den lediglich redaktionellen Änderungen der Versorgungsordnung im Jahre 1993. Da zu diesem Zeitpunkt alle von der Versorgungsordnung erfassten Arbeitnehmer der Beklagten der Beitragsbemessungsgrenze West unterlagen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich mit den zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Anpassungen am Inhalt der Versorgungsordnung hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrenze etwas ändern sollte.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch übersehen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vorliegen, die zu einer gewichteten Berücksichtigung beider Beitragsbemessungsgrenzen führen.

(1) Allerdings gehört die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich zum Bereich der tatrichterlichen Feststellungen (vgl. - zu II 3 a der Gründe, BB 2005, 2206). Das gilt aber nicht, wenn es - wie hier - um die Auslegung typischer Willenserklärungen geht. Hier kann für die ergänzende Vertragsauslegung nichts anderes gelten als für die Vertragsauslegung an sich. Der Senat ist deshalb berechtigt zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vorliegen und wie sie ggf. vorzunehmen ist.

(2) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke - eine planwidrige Unvollständigkeit - aufweist ( - zu II 3 der Gründe). Eine Regelungslücke liegt dann vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn zwar nicht übersehen, aber bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht für regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt (vgl. - zu II 3 b der Gründe, BB 2005, 2206). Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre ( - zu II 3 der Gründe; - zu II 6 der Gründe mwN, BGHZ 170, 311).

(3) Hier ist die Versorgungsordnung zu dem Zeitpunkt lückenhaft geworden, als Arbeitnehmer der Beklagten tatsächlich aufgrund ihres Arbeitsortes so behandelt wurden, dass nicht mehr die Beitragsbemessungsgrenze West, sondern die Beitragsbemessungsgrenze Ost zur Anwendung kam. Gerade weil es vorher für diesen Fall gar keinen Regelungsbedarf gab, sah die Versorgungsordnung für diese Fallgestaltung auch keine Regelung vor. Die Situation war vom Regelungsplan nicht erfasst; er war auf diese Situation nicht anwendbar. Die Versorgungsordnung wurde lückenhaft:

Die gespaltene Rentenformel der Versorgungsordnung - höhere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für Entgeltbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze als für Bestandteile bis zu dieser Grenze - soll pauschaliert die Versorgungslücke ausgleichen, die dadurch entsteht, dass das Arbeitsentgelt oberhalb dieser Grenze nicht zu einem Anspruch auf eine höhere gesetzliche Rente führt. Soweit für das Arbeitsverhältnis die niedrigere Beitragsbemessungsgrenze Ost galt, hatten beide, Kläger und Beklagte, einerseits geringere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten; andererseits vergrößerte sich die Versorgungslücke, die nach der Systematik der Versorgungsregelung ausgeglichen werden sollte. Dadurch entstand eine planwidrige Regelungslücke. Diese kann billigerweise nur durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann aber statt auf die Beitragsbemessungsgrenze West auch nicht ausschließlich auf die Beitragsbemessungsgrenze Ost abgestellt werden. Auch deren Anwendung würde den Versorgungsbedarf, den die gespaltene Rentenformel ausgleichen soll, nicht richtig abbilden. Da das Arbeitsverhältnis unter Geltung der in West und Ost unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen abgewickelt wurde, würde der Kläger bei Zugrundelegung seiner Auffassung höhere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung teilweise auch insoweit erhalten, als das unter Geltung der Beitragsbemessungsgrenze West erzielte höhere Arbeitsentgelt bereits zu einer höheren gesetzlichen Rente führt. Die Regelungslücke kann also nur in der Weise geschlossen werden, dass bei Anwendung der Rentenformel statt der Beitragsbemessungsgrenze West ein nach zeitlichen Anteilen gewichteter Wert zwischen den beiden Beitragsbemessungsgrenzen zugrunde gelegt wird.

(4) Da der Kläger vorzeitig ausgeschieden ist, ist bei der Berechnung der fiktiven Vollrente darauf abzustellen, welche Anteile der gesamten Beschäftigungszeit auf Zeiten der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze West und welche auf Zeiten der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze Ost entfallen. Bemessungsgrundlage im Sinne des § 2 Abs. 5 BetrAVG ist das Verhältnis dieser Anteile zueinander; festzuschreiben ist also nicht der bei Ausscheiden bestehende Zustand der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze Ost.

Das entspricht der Rechtsprechung des Senats zu Versorgungsordnungen, nach denen die Höhe der Betriebsrente davon abhängig ist, ob und wie lange der Arbeitnehmer in Teilzeit gearbeitet hat. Wechselt der Arbeitnehmer von Teilzeit in Vollzeit und umgekehrt, ist die Teilrente des vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers auf der Grundlage des bis zum Ausscheiden erreichten durchschnittlichen Beschäftigungsgrades zu ermitteln (vgl. - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 98, 212). Die Fortschreibung der zuletzt vereinbarten Teilzeitbeschäftigung bis zur festen Altersgrenze entspräche nicht dem Grundgedanken des § 2 Abs. 5 BetrAVG, da der Zustand zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die mögliche spätere Entwicklung nicht aussagekräftig ist. Gleiches gilt für den Wechsel von der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze West zur Beitragsbemessungsgrenze Ost und umgekehrt. Auch insoweit ist die mögliche weitere Entwicklung unsicher, und zwar sowohl im Hinblick darauf, unter Geltung welcher Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitnehmer arbeiten würde, als auch im Hinblick darauf, wie sich die beiden Beitragsbemessungsgrenzen zueinander in Zukunft entwickeln würden.

Das unterscheidet beide Fallgestaltungen vom Fall der Berechnung einer fiktiven Sozialversicherungsrente. Dort ist das letzte Gehalt fortzuschreiben, da ein "Wechsel" auf ein niedrigeres Gehalt in aller Regel nicht in Betracht kommt (vgl. dazu - zu II 2 c cc (4) der Gründe, BAGE 117, 268).

cc) Weiterhin ist bei der Berechnung dieses Anteils der fiktiven Vollrente des Klägers die Kappungsgrenze von 60 % zu berücksichtigen, die den dem Kläger bei der Berechnung dieses Anteils der Vollrente zugute zu bringenden Prozentsatz begrenzt.

dd) Der nach B Nr. 8 Buchst. b der Versorgungsordnung zu berechnende Anteil der Vollrente errechnet sich deshalb wie folgt:

Jahresgehalt|75.780,00 Euro

Anteil Beitragsbemessungsgrenze West 53.378,00 x 326/378 =|46.035,00 Euro

Anteil Beitragsbemessungsgrenze Ost 44.789,00 x 52/378 =|6.162,69 Euro

zugrunde zu legende Beitragsbemessungsgrenze|52.197,69 Euro

Differenz|23.582,31 Euro

Davon 60 %|14.149,39 Euro

d) Beide Rentenanteile (B Nr. 8 Buchst. a und Nr. 8 Buchst. b der Versorgungsordnung) sind entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze von 65 Jahren in Ansatz zu bringen, also mit 64,62 %.

Etwas anderes gilt für die anteilige Berechnung des nach B Nr. 8 Buchst. b der Versorgungsordnung zu berechnenden Rentenanteils auch nicht deshalb, weil die Regelung eine Kappungsgrenze vorsieht und die zur Erreichung der Kappungsgrenze notwendige Betriebszugehörigkeit bereits vor dem 65. Lebensjahr erreicht werden konnte. Die Versorgungsordnung sieht nicht vor, dass mit Erreichen der für die Kappungsgrenze rechnerisch maßgeblichen Dienstjahre bereits die volle Rentenanwartschaft erreicht wird und deshalb bei einem vorzeitigen Ausscheiden die anteilige Zeit bis zum Erreichen der Kappungsgrenze als für die Berechnung der Betriebsrente maßgeblich heranzuziehen ist. Vielmehr regelt die Versorgungsordnung, wie hoch die Betriebsrente desjenigen ist, der mit Erreichen des 65. Lebensjahres als fester Altersgrenze aus den Diensten der Beklagten ausscheidet. Nur dieser Fall ist in der Versorgungsordnung geregelt und nur für diesen Fall ist die Berechnungsvorschrift gedacht (vgl. auch - zu B II 3 a cc (1) der Gründe EzA BetrAVG § 2 Nr. 31). Der Kläger kann nach § 2 Abs. 1 BetrAVG in Verbindung mit der Versorgungsordnung deshalb anteilig nur den durch die Kappungsgrenze begrenzten Prozentsatz geltend machen, der dem Verhältnis seiner tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit berechnet auf das 65. Lebensjahr entspricht.

e) Die monatliche Betriebsrente des Klägers errechnet sich bezogen auf das 65. Lebensjahr deshalb wie folgt:

Fiktive jährliche Vollrente nach B Nr. 8 Buchst. a der Versorgungsordnung|10.912,00 Euro

Fiktive jährliche Vollrente nach B Nr. 8 Buchst. b der Versorgungsordnung|14.149,39 Euro

Zwischensumme:|25.061,39 Euro

Davon 64,62 %|16.194,67 Euro

Ergibt monatlich(durch 12)|1.349,56 Euro

Nur insoweit hat die Klage Erfolg.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 384 Nr. 7
DB 2009 S. 2499 Nr. 46
XAAAD-26464

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein