BGH Urteil v. - VIII ZR 205/08

Leitsatz

[1] Einer Mieterhöhung nach § 558 BGB ist die vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die tatsächliche Wohnfläche zum Nachteil des Mieters um nicht mehr als 10 % davon abweicht (im Anschluss an , NJW 2007, 2626).

Gesetze: BGB § 557; BGB § 558

Instanzenzug: LG Hamburg, 316 S 22/08 vom AG Hamburg, 46 C 32/07 vom

Tatbestand

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in H. . Im Mietvertrag vom ist die Wohnfläche mit 55,75 qm angegeben; die tatsächliche Wohnfläche beträgt jedoch nur 51,03 qm. Die Miete für die Wohnung belief sich seit November 2003 auf 360,47 EUR zuzüglich Nebenkosten sowie eines Betrages von 7,85 EUR, den die Beklagte im Hinblick auf den Einbau eines Wasserzählers als "Modernisierungszuschlag" entrichtet.

Mit Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Erhöhung der Nettomiete von 360,47 EUR auf 432,56 EUR (jeweils zuzüglich des Modernisierungszuschlags von 7,85 EUR) mit Wirkung ab zuzustimmen. Sie verwies dabei auf die Einordnung der Wohnung in das einschlägige Rasterfeld des Hamburger Mietspiegels, welches eine Spanne von 6,43 EUR je qm bis 9,83 EUR je qm und einen Mittelwert von 7,83 EUR je qm ausweist. Die Beklagte stimmte nicht zu. Mit der Klage hat die Klägerin Zustimmung zur Mieterhöhung entsprechend dem Mieterhöhungsverlangen vom begehrt.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettomiete auf 432,56 EUR mit Wirkung vom verurteilt und in den Gründen ausgeführt, dass der frühere Modernisierungszuschlag in der neuen Nettomiete aufgehe. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche von 55,75 qm zu beurteilen, weil die Abweichung zur tatsächlichen Wohnfläche unter 10 % liege. Da sich die ortsübliche Vergleichsmiete auf mindestens 7,76 EUR je qm belaufe, sei die von der Klägerin verlangte Mieterhöhung auf der Grundlage der vereinbarten Wohnfläche berechtigt.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Klägerin steht aus § 558 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete auf 432,56 EUR mit Wirkung vom zu.

1. Das Berufungsgericht geht stillschweigend davon aus, dass die Klägerin mit dem Schreiben vom ein formwirksames Mieterhöhungsverlangen gestellt hat, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 558 BGB (Kappungsgrenze, Jahressperrfrist und Wartefrist) erfüllt sind und dass die ortsübliche Vergleichsmiete, wie vom Amtsgericht festgestellt, zumindest 7,76 EUR je qm beträgt. Insoweit werden von der Revision keine Einwendungen erhoben und sind Rechtsfehler auch nicht ersichtlich.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche von 55,75 qm zugrunde zu legen ist und nicht die geringere tatsächliche Wohnfläche von 51,03 qm.

In der Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine Beschaffenheitsvereinbarung, die auch für die Beurteilung einer Mieterhöhung nach § 558 BGB maßgeblich ist, wenn die Flächenabweichung - wie hier - nicht mehr als 10 % beträgt (, NZM 2004, 699, unter II 1, sowie vom - VIII ZR 138/06, NJW 2007, 2626, Tz. 17 f. ). In der Entscheidung vom ging es um eine Abweichung von mehr als 10 %; der Senat hat aus diesem Grund einen Anspruch des Mieters auf Erstattung überzahlter Miete bejaht, weil der Mieterhöhung zu Unrecht die überhöhte vereinbarte Wohnfläche zugrunde gelegt worden war. In dem der Entscheidung vom zugrunde liegenden Sachverhalt war die tatsächliche Wohnfläche - unterhalb der Grenze von 10 % - größer als die vereinbarte Wohnfläche, so dass sich die Verbindlichkeit der geringeren Größe zum Nachteil des Vermieters auswirkte. Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob sich auch der Mieter bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB an einer für ihn nachteiligen, aber im Rahmen der Toleranzgrenze von 10 % liegenden Wohnflächenvereinbarung festhalten lassen muss. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien über die Wohnfläche auch für diesen Fall maßgebend.

Allerdings leitet eine verbreitete Auffassung aus § 557 Abs. 4 bzw. § 558 Abs. 6 BGB (zuvor § 10 Abs. 1 MHG) her, dass die Vereinbarung einer gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen zu großen Wohnfläche für spätere Mieterhöhungen nach § 558 BGB nicht verbindlich sei, weil es sich um eine verkappte Mieterhöhungsmöglichkeit handele, die dem Vermieter gestatte, die Miete über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus zu erhöhen (OLG Hamburg, NZM 2000, 654, 655; LG Berlin, WuM 2004, 613; Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., IV Rdnr. 167; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558 BGB Rdnr. 64; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 558 Rdnr. 32; Münch-KommBGB/Artz, 5. Aufl., § 558 Rdnr. 23; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 558 Rdnr. 28; Kraemer, WuM 1998, Beil. zu Heft 12, 13, 18; Vehslage, DWW 1998, 227, 228). Dieser Auffassung folgt der Senat indessen nicht. Eine Wohnflächenvereinbarung wird von den Mieterschutzbestimmungen der § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB nicht erfasst.

Nach § 557 BGB kann der Vermieter Mieterhöhungen, sofern er sie nicht während des Mietverhältnisses mit dem Mieter vereinbart (§ 557 Abs. 1 BGB), nur nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB verlangen. Mit dem in § 557 Abs. 4 BGB enthaltenen und in § 558 Abs. 6 BGB noch einmal wiederholten Verbot von Vereinbarungen, die von den gesetzlichen Bestimmungen zum Nachteil des Mieters abweichen, sind Abreden gemeint, die die formellen oder materiellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung abändern (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 122/05, NJW-RR 2007, 667, Tz. 15 f. zum Zustimmungserfordernis). Dies trifft auf eine Wohnflächenvereinbarung nicht zu, selbst wenn sie im Rahmen eines späteren Mieterhöhungsverfahrens mittelbar Bedeutung erlangen kann.

Auch der Mieter muss sich deshalb - innerhalb der Toleranzgrenze - an einer Wohnflächenvereinbarung im Rahmen eines Mieterhöhungsverfahrens nach § 558 BGB in gleicher Weise wie der Vermieter festhalten lassen. Erst bei einer Differenz von mehr als 10 % ist es dem davon jeweils nachteilig betroffenen Vertragspartner nicht mehr zumutbar, an der Vereinbarung festzuhalten, und ist infolge dessen die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich.

Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 2739 Nr. 37
DAAAD-26287

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja