BGH Urteil v. - 2 StR 103/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 227

Instanzenzug: LG Köln, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den zur Tatzeit 20 Jahre alten Angeklagten D. M. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten - hinsichtlich des Angeklagten M. beschränkt auf den zweiten Fall - wegen Totschlags in Mittäterschaft, hilfsweise wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen, hilfsweise wegen Körperverletzung mit Todesfolge anstrebt.

I.

Das Landgericht ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

In der Nacht vom 14. auf den war der später getötete A. B. vom Angeklagten M. und dem Mitangeklagten D. B. angegriffen und mit einem Baseballschläger am Knie verletzt worden (Tatkomplex 1). Im unmittelbaren Anschluss rief B. mehrfach den ihm flüchtig bekannten D. B. auf dem Mobiltelefon an, äußerte Beleidigungen und forderte ihn auf, "Mann gegen Mann" mit ihm zu kämpfen. Schließlich erklärte sich D. B. mit einem "Einzelkampf" einverstanden, der noch in der gleichen Nacht ausgetragen werden sollte.

Am vereinbarten Treffpunkt, einem Parkplatz am Marktplatz in K. -V. , erschien D. B. in Begleitung seines älteren Bruders, des Angeklagten M. B. . Daneben begleiteten ihn der Angeklagte M. sowie eine weitere Person. B. war bereits kurz zuvor zusammen mit dem Mitangeklagten Sa. dort eingetroffen und stand nun im Lichtkegel des Fahrzeugs der Angeklagten.

Während der Angeklagte M. zunächst das Fahrzeug nicht verlassen konnte, weil er versehentlich den Schließmechanismus der Beifahrertür betätigt hatte, stiegen die Angeklagten D. und M. B. aus und stellten sich unmittelbar vor B. auf. Spätestens jetzt fassten sie den Entschluss, entgegen der getroffenen Vereinbarung eines "Einzelkampfs", A. B. "gemeinsam durch Schläge und Tritte" zu attackieren. Nach einem kurzen Wortwechsel schlugen beide mit Fäusten auf B. ein, bis dieser die Flucht ergriff. Nach nur wenigen Metern wurde er von dem ihm sofort nacheilenden D. B. wieder gestellt. D. B. schlug zunächst erneut nach B. . Dann stieß er diesem mit bedingtem Tötungsvorsatz die Klinge eines einschneidigen Messers zweimal mit großer Wucht in den Oberkörper. Zudem fügte er B. eine stark blutende Schnittverletzung an Ober- und Unterlippe bei. Dass der Angeklagte D. B. ein Messer bei sich getragen hatte, war den übrigen Angeklagten nicht bekannt gewesen. Einer der in den Brustbereich geführten Stiche durchtrennte den Herzbeutel sowie Vorder- und Zwischenwand der rechten Herzkammer. Diese Verletzung war unmittelbar tödlich; selbst bei sofortiger medizinischer Versorgung hätte keine reale Überlebenschance bestanden.

Anschließend schlug D. B. gemeinsam mit dem mittlerweile hinzugekommenen M. B. weiter mit Fäusten auf B. ein. Dieser war, obwohl tödlich verwundet, in seiner Aktionsfähigkeit nicht sofort maßgeblich beeinträchtigt. Es gelang ihm, sich von den Angreifern loszureißen und in Richtung der abgestellten Fahrzeuge zurück zu laufen. Dort traf er auf den Angeklagten M. , der ihm mindestens fünf auf die Beine gezielte Schläge mit einem Baseballschläger versetzte. Dann wurde der stark aus dem Gesicht blutende B. von M. B. gepackt und so zu Boden geworfen, dass er mit dem Oberkörper auf einer Steinkante bäuchlings zu liegen kam. In dieser Position sprang ihm M. B. mit großer Wucht in den Rücken. Der Geschädigte leistete nun keine aktive Gegenwehr mehr. Gleichwohl schlugen und traten D. und M. B. eine Zeit lang weiter auf ihn ein, wobei B. auch im Gesicht getroffen wurde. Dabei bildeten sich massive Blutauftropfungen und Blutrinnablaufspuren an der Steinkante. Schließlich rief der Angeklagte M. , dass es genug sei, worauf die Angeklagten von ihrem Opfer abließen und sich in ihre Fahrzeuge begaben. Dort redeten sie eine zeitlang wild durcheinander, insbesondere über die Frage "wo denn das ganze Blut hergekommen" sei, wobei eine Person das türkische Wort für Messer nannte. Nachdem der Mitangeklagte Sa. den Notruf der Feuerwehr gewählt, dort aber nur unzureichende Angaben gemacht hatte, fuhren die Angeklagten vom Tatort fort.

Wenige Minuten später wurde B. , der zu diesem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein war, von einem Markthändler aufgefunden. Trotz sofort eingeleiteter notärztlicher Versorgung verstarb er noch auf dem Weg ins Krankenhaus infolge inneren Verblutens.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten M. B. und M. bis zum Verlassen des Tatorts den nicht abgesprochenen Einsatz eines Messers durch den Angeklagten D. B. nicht bemerkt und weder die Stichverletzungen im Oberkörper B. s noch die damit einhergehende Lebensgefahr erkannt hatten.

II.

1.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten M. ist wirksam auf die Verurteilung im Fall B.III.21 bis 29 der Urteilsgründe (entspricht Fall 2 der Anklageschrift vom ) - Geschehen am Parkplatz - beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin einen umfassenden Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Der ausgeführten Sachrüge ist indes zu entnehmen, dass der Anfechtungswille der Staatsanwaltschaft nur den zweiten Tatkomplex erfasst und die in der Revisionsbegründung an keiner Stelle erwähnte Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall 1 nicht angegriffen wird (vgl. BGH NStZ 1998, 21; NStZ-RR 2007, 304, 305; wistra 2007, 112, 113 jew. m.w.N.).

2.

Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet. Die Verurteilung wegen (nur) gefährlicher Körperverletzung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)

Das Urteil leidet an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Landgericht hat nicht erkennbar geprüft, ob sich die Angeklagten M. und M. B. , wenn nicht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, so doch jedenfalls einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) schuldig gemacht haben. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Nach den Feststellungen erfolgten die tödlichen Messerstiche im unmittelbaren Anschluss an die von den Angeklagten D. und M. B. ausgeführten Faustschläge, welche Auftakt der offenkundig auch von dem Angeklagten M. angestrebten körperlichen Auseinandersetzung waren. Es liegt dabei auf der Hand, dass der Mitangeklagte D. B. durch die Anwesenheit und tätliche Unterstützung seines Bruders und des Angeklagten M. in seinem sich bis zum Tötungsvorsatz steigernden Angriffswillen bestärkt und angestachelt wurde. Dies wird bereits durch den Umstand belegt, dass die Angeklagten M. und D. B. den Angeklagten M. B. und den Zeugen Bu. "zur Verstärkung" mitnahmen, weil sie angesichts der bevorstehenden Auseinandersetzung "ängstlich" und "unsicher" waren (UA S. 70). Das Landgericht hätte deshalb erörtern müssen, ob damit bereits in den Gewalthandlungen, die den Messerstichen vorangingen, die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang angelegt war und ob die Angeklagten M. und M. B. dies hätten vorhersehen können. Eine solche Annahme liegt nach den getroffenen Feststellungen zumindest sehr nahe. Bereits in dem Vorgeschehen, das jedenfalls dem Angeklagten M. in vollem Umfang bekannt war, - heimtückischer Überfall in Überzahl und Verwendung von Schlagwerkzeugen (Tatkomplex 1) - war ein erhebliches Gefahrenpotential angelegt. Auch während des späteren Geschehens am Marktplatz waren Schlagwerkzeuge (Baseballschläger und Tisch-/Stuhlbein) im Fahrzeug der Angeklagten griffbreit vorhanden und wurden jedenfalls zum Teil von ihnen während der Tat auch unmittelbar verwendet. Zudem traten die Angeklagten dem Geschädigten erneut in Überzahl gegenüber, wobei der Angeklagte M. nur durch die versehentliche Betätigung des Türschließmechanismus daran gehindert wurde, von Anfang an die personelle Überzahl noch zu vergrößern. Der hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge erforderlichen Vorhersehbarkeit steht dabei nicht entgegen, dass die Angeklagten nichts von dem Mitführen eines Messers gewusst hatten. Denn es reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH NStZ 2008, 686 m.w.N.). Zudem liegt es nach den Gesamtumständen aber auch nicht fern, dass die Angeklagten M. und M. B. die Möglichkeit hätten vorhersehen können, dass einer ihrer Mittäter ein Messer im Rahmen der gezielt herbeigeführten Auseinandersetzung mitführen und einsetzen würde.

Ferner hätte das Landgericht prüfen müssen, ob der Eintritt des Todes durch die Verletzungshandlungen, die den Messerstichen zeitlich folgten, beschleunigt wurde. Auch wenn die dem Geschädigten im Verlauf dieses Geschehens zugefügten Verletzungen nicht derartig schwerwiegend waren, dass sie ohne Berücksichtigung des tödlichen Messerstichs eine Lebensgefahr nach sich gezogen hätten, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass diese den Sterbevorgang beschleunigt haben und damit für den Todeserfolg in seiner konkreten Gestalt unmittelbar ursächlich waren (BGHR StGB vor § 1/Kausalität, Angriffe, mehrere 1). Dies hätten die Angeklagten schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Geschädigten (starke Blutungen im Gesicht, Bildung massiver Blutauftropfungen mit Blutrinnablaufspuren auf der Mauer, Aufgabe aktiver Gegenwehr) auch erkennen können.

b)

Im Übrigen begegnet auch die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht einen Tötungsvorsatz der Angeklagten M. und M. B. abgelehnt hat, erheblichen rechtlichen Bedenken. Insoweit hat es die erhebliche Brutalität, die in der Misshandlung des am Boden liegenden Geschädigten lag, nicht hinreichend berücksichtigt. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sich das Landgericht näher hätte damit auseinandersetzen müssen, ob sich der Körperverletzungsvorsatz der Angeklagten spätestens dann, als der Angeklagte M. B. zusammen mit seinem Bruder auf den sich nicht mehr wehrenden und stark blutenden Geschädigten einschlug, ihm u.a. in den Gesichtsbereich trat und "mit seinem beschuhten Fuß mit großer Wucht" in den Rücken sprang, zu einem zumindest bedingten Tötungsvorsatz gesteigert hatte. Angesichts der massiven und ersichtlich von einem gemeinsamen Willen getragenen Einwirkungen genügte es nicht, einen (bedingten) Tötungsvorsatz allein deshalb zu verneinen, weil die zugefügten Verletzungen in ihrer konkreten Gestalt letztlich nicht lebensgefährlich waren. Denn dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob die objektive Ungefährlichkeit darauf beruht, dass - was nach dem äußeren Geschehensbild eher fern liegt - die Ausführung der Einwirkungen auf das Opfer nur mit geringer Intensität und kontrolliert erfolgte oder ob es letztlich nur dem Zufall geschuldet war, dass hierdurch keine schwereren Schädigungen beigebracht wurden. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur konkreten Art und Schwere der Verletzungen bedurft.

c)

Im Übrigen wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben zu prüfen, ob sich die Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei in der Alternative des von mehreren verübten Angriffs (§ 231 Abs. 1 2. Alt. StGB) strafbar gemacht haben, gegebenenfalls in Tateinheit mit einem Tötungsdelikt (vgl. BGHSt 33, 100, 103 f. ; Fischer, StGB 56. Aufl. § 231 Rdn. 7 und 11; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 231 Rdn. 6; Hirsch in LK 11. Aufl. § 231 Rdn. 22).

3.

Die im Adhäsionsverfahren erfolgte Verurteilung der Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Nebenklägerin wird von der Aufhebung der Schuldsprüche nicht erfasst (BGHSt 52, 96).

Fundstelle(n):
ZAAAD-25811

1Nachschlagewerk: nein