Leitsatz
[1] Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung ist der Zwangsverwalter nicht befugt, Ansprüche gegen den Ersteher des Grundstücks wegen der auf die Zeit nach dem Zuschlag entfallenden Lasten einzuklagen.
Gesetze: ZVG § 56; ZVG § 152 Abs. 1; ZVG § 155
Instanzenzug: LG Görlitz, 2 S 89/07 vom AG Görlitz, 5 C 313/07 vom
Tatbestand
Mit Beschluss vom wurde der Kläger zum Zwangsverwalter des im Grundbuch des Amtsgerichts Görlitz von Görlitz auf Blatt bestellt, das an den Beklagten verpachtet war. Am erhielt der Beklagte im Zwangsversteigerungsverfahren über das genannte Grundstück den Zuschlag. Die Zwangsverwaltung wurde mit Beschluss vom aufgehoben. Im Beschluss heißt es:
"Einnahmen und Ausgaben bis gehen zugunsten und zu Lasten der Masse, für die spätere Zeit zugunsten und zu Lasten des Erstehers. Der Verwalter hat die Rückstände aus der Zeit vor dem beizutreiben. Der Verwalter hat bis spätestens gegenüber dem Ersteher über die auf ihn treffenden Einnahmen und Ausgaben abzurechnen, den auf ihn treffenden Überschuss an ihn herauszugeben und dem Gericht zu berichten. ...
Der Zwangsverwalter bleibt zur Vornahme der noch anstehenden Geschäfte befugt. Der Zwangsverwalter hat Mittel zurückzuhalten für seine Vergütung und Auslagen, für die voraussichtlichen Gerichtskosten und Kosten eines geführten Prozesses. ..."
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten die seiner Darstellung nach auf den Zeitraum zwischen dem Zuschlag und der Aufhebung der Zwangsverwaltung entfallenden, von ihm als Verwaltungskosten verauslagten Kosten für Gebäudeversicherung, Abfallgebühren und Straßenreinigung von insgesamt 574,16 EUR erstattet. Er stützt sich dabei auch auf eine Ermächtigung der Gläubigerin, welche die Zwangsverwaltung betrieben hat. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat die Klage dagegen als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den bisherigen Klageanspruch weiter.
Gründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Zwangsverwalter sei verpflichtet, die Verwaltung der Masse, zu der die Nutzungen aus der Zeit vor dem Wirksamwerden des Zuschlags gehörten, ordnungsgemäß abzuwickeln. Seine Befugnis, nicht beschlagnahmte Ansprüche einzuklagen, ende mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung. Im vorliegenden Fall wolle der Kläger nicht beschlagnahmte Forderungen geltend machen, nämlich Rückforderungsansprüche wegen solcher Betriebskosten, die er für die Zeit nach dem Zuschlag verauslagt habe. Es gehe also um die Rückerstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung sei der Zwangsverwalter nicht mehr befugt, solche Ansprüche geltend zu machen. Der Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung vom verleihe dem Kläger keine weitergehenden Befugnisse. Es sei Sache der Gläubigerin, die überzahlten Beträge zurückzufordern.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1.
Der Kläger als Zwangsverwalter ist nicht prozessführungsbefugt.
a)
Ein Zwangsverwalter (fortan auch: Verwalter) hat das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das verwaltete Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen. Er hat die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen (§ 152 Abs. 1 ZVG). Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Mieten und Pachten. Die aus § 152 Abs. 1 Halbsatz 2 ZVG folgende Prozessführungsbefugnis des Verwalters kann über den Zeitpunkt der Aufhebung der Zwangsverwaltung hinaus andauern. Mieten und Pachten gebühren dem Ersteher erst von dem Zuschlage an (§ 56 Satz 2 ZVG). Ansprüche, welche einen früheren Zeitraum betreffen, sind daher gegebenenfalls auch nach der Aufhebung der Zwangsverwaltung vom Verwalter geltend zu machen (, NZI 2003, 562; vgl. auch , ZIP 1992, 1781, 1782 zur Fortsetzung anhängiger Prozesse aus der Zeit der Amtstätigkeit des Verwalters).
Die Rechte und Pflichten eines Verwalters sind allerdings nicht auf die Einziehung der beschlagnahmten Mieten und Pachten beschränkt. Seine Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch andere Forderungen einzuklagen, wenn dadurch eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abgewendet werden kann (vgl. BGHZ 109, 171, 173 f zu Schadensersatzansprüchen wegen schuldhafter Verkürzung der Masse gegen einen früheren Zwangsverwalter; , ZIP 2006, 1697, 1699 Rn. 16 zu Ansprüchen wegen rechtsgrundloser Benutzung der zwangsverwalteten Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten). Diese Befugnis, die Teil des Rechts zur Verwaltung und Benutzung des beschlagnahmten Grundstücks ist (§ 148 Abs. 2 ZVG), erlischt jedoch, sobald die Zwangsverwaltung aufgehoben wird. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung etwa verbleibende Befugnisse des Verwalters folgen daraus, dass dieser seine Tätigkeit ordnungsmäßig abzuschließen hat (BGHZ 155, 38, 41 f ; , NJW-RR 2006, 138, 139). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffen sie allenfalls beschlagnahmte Ansprüche, nicht jedoch solche Ansprüche, die der Beschlagnahme nach §§ 146, 148 ZVG nicht unterfallen ( aaO Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung ist der Verwalter nicht mehr zur weiteren Verwaltung und Benutzung des Grundstücks (§ 148 Abs. 2 ZVG) befugt.
b)
Der Anspruch gegen den Erwerber auf Erstattung überzahlter Verwaltungskosten war nicht beschlagnahmt. Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung werden das Grundstück sowie diejenigen Gegenstände beschlagnahmt, auf welche sich bei einem Grundstück die Hypothek erstreckt (§ 146 Abs. 1, § 20 ZVG), außerdem land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse des Grundstücks, die Forderung aus einer Versicherung solcher Erzeugnisse, die Miet- und Pachtforderungen sowie die Ansprüche aus einem mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen Recht auf wiederkehrende Leistungen (§ 148 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und 2 ZVG).
Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um einen Anspruch aus § 103 BGB. Wer verpflichtet ist, die Lasten einer Sache bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu tragen, hat dann, wenn nichts anderes bestimmt oder vereinbart ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnis der Dauer seiner Verpflichtung zu tragen. Gemäß § 56 Satz 2 ZVG trägt der Ersteher die Lasten des Grundstücks von dem Zuschlag an. Die Vorschrift des § 103 BGB gewährt unmittelbar einen Ausgleichsanspruch (vgl. Bamberger/Roth/Wendtland, BGB 2. Aufl. § 103 Rn. 9; Völzmann-Stickelbrock in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 4. Aufl. § 103 Rn. 1). Dieser Anspruch unterfällt nicht der Beschlagnahme gemäß §§ 146, 148 ZVG. Weder handelt es sich um einen Anspruch auf Mieten oder Pachten, noch tritt er im Wege der Surrogation oder etwa gemäß § 19 Satz 3 KO (vgl. aaO S. 1698 Rn. 14) an die Stelle eines solchen Anspruchs.
c)
Weiter gehende Befugnisse des Klägers folgen auch nicht aus dem Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung vom . Der Beschluss ermächtigt den Verwalter (nur) "zur Vornahme der noch anstehenden Geschäfte". Es handelt sich um einen (nicht einmal ordnungsgemäß vervollständigten) Formularbeschluss. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass das Grundstück von einem Mieter ersteigert worden ist, der vom Zeitpunkt des Zuschlags an keine Miete mehr zu zahlen brauchte. Die sonst übliche Verrechnung der an den Ersteher auszukehrenden Mieten mit Vorauszahlungen auf die nunmehr vom Ersteher zu tragenden Lasten war deshalb nicht möglich. Dass der Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung diese Besonderheit gesehen hat und ihr Rechnung tragen wollte, ist jedoch nicht ersichtlich. Jeglicher Fallbezug fehlt. Es gibt nicht einmal Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger überhaupt mit bestimmten Tätigkeiten beauftragt werden sollte, insbesondere mit solchen, die nicht zwingend mit der Abwicklung einer Zwangsverwaltung zusammenhingen.
d)
Auf die Frage, ob - wie das Berufungsgericht angenommen zu haben scheint - der Gläubigerin ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zusteht, kommt es nicht an. Selbst wenn es sich so verhielte, folgte daraus noch keine Prozessführungsbefugnis des Klägers. Dem Zwangsverwalter obliegt nach Aufhebung der Zwangsverwaltung nicht allgemein die Wahrnehmung der Rechte des Realgläubigers (BGHZ 155, 38, 45) .
e)
Die weitere Überlegung der Revision, der Kläger müsse "seine Forderung" dann, wenn er nicht gegen den Beklagten klagen dürfe, gegen die Gläubigerin durchsetzen, die dann beim Beklagten Regress nehmen müsse, trägt schon deshalb nicht, weil die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs des Klägers gegen die Gläubigerin nicht dargetan sind.
2.
Soweit der Kläger als Prozessstandschafter der Gläubigerin klagt, ist seine Klage ebenfalls unzulässig. Jedenfalls nach Aufhebung der Zwangsverwaltung konnte der Kläger nicht mehr in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter zur Durchsetzung eines (vermeintlichen) Anspruchs der Gläubigerin ermächtigt werden. Der Kläger hat die Klage ausdrücklich "als Zwangsverwalter" erhoben. Er stützt sich auf eine Ermächtigung, die ihm am - mehr als zwei Jahre nach Aufhebung der Zwangsverwaltung - erteilt worden sein soll.
Das ist aus Rechtsgründen nicht möglich. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Prozessstandschaft des Zwangsverwalters während der laufenden Verwaltung in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2010 S. 214 Nr. 3
WM 2009 S. 1438 Nr. 30
OAAAD-24432
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja