Milchabgabe: Saldierung von Überlieferungen
Leitsatz
Weisen der Molkerei vorgelegte Verträge über die Verpachtung der Milcherzeugung dienender Produktionsmittel den Pächter als Milcherzeuger aus, ergeben jedoch spätere Prüfungen, dass die Verträge nicht den Vereinbarungen gemäß vollzogen wurden, weshalb der Verpächter auch während der Pachtzeit Milcherzeuger war, nehmen die ihm nachträglich zuzurechnenden Liefermengen nicht am sog. Saldierungsverfahren teil.
Gesetze: Milch Garantiemengen Verordnung § 7b Abs. 1Zusatzabgabenverordnung § 14 Abs. 1Milchquotenverordnung § 34 Abs. 5
Instanzenzug:
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bewirtschaftete im Zwölfmonatszeitraum 2003/2004 einen der Milcherzeugung dienenden Betrieb. Im Dezember 2003 schloss sie mit einer in ca. 500 km Entfernung ansässigen Landbetriebsgesellschaft (Pächterin) einen „Pachtvertrag über Milchkühe”, mit dem sie dieser Gesellschaft in dem Zeitraum bis ihre 180 Milchkühe verpachtete. Außerdem wurden ein „Nutzungsvertrag für Rindviehgebäude einschl. Güllebehälter” sowie ein weiterer Vertrag geschlossen, mit dem die Pächterin die Klägerin mit der Betreuung der Milchkühe beauftragte. In diesem Vertrag sicherte die Klägerin zu, der Pächterin Rechnungen für Produktionsmittel „maximal in einer Höhe auszustellen, dass am Ende der Geschäftsbeziehung ein Guthaben in Höhe von 3 Cent/kg gelieferte Milch verbleibt”. Diesen Verträgen entsprechend lieferte die Klägerin im genannten Zwölfmonatszeitraum der Molkerei bis zum und ab dem Milch auf eigene Rechnung und im übrigen Zeitraum auf Rechnung der Pächterin; in dieser Weise wurden die Lieferungen auch durch die Molkerei erfasst. Gleichwohl ergab sich am Ende des Zwölfmonatszeitraums eine Überlieferung der Klägerin, die allerdings infolge einer von der Molkerei durchgeführten Saldierung mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger zu keiner Abgabenerhebung führte.
Aufgrund einer bei der Klägerin im September 2004 durchgeführten Marktordnungsprüfung war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) der Ansicht, dass die Klägerin auch für die während der Pachtzeit gelieferte Milch als Erzeuger anzusehen sei, und setzte deshalb für diese Liefermenge Milchabgabe gegen die Klägerin fest.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Ebenso wie das HZA war das FG der Auffassung, es lasse sich bei einer Gesamtwürdigung der Umstände nicht feststellen, dass die Pächterin die Dispositionsbefugnis über die gepachteten Produktionsmittel gehabt und das wirtschaftliche Risiko getragen habe. Die somit auch während der Pachtzeit der Klägerin zuzurechnenden Liefermengen seien auch nicht mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger zu saldieren, weil die Klägerin insoweit unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht habe und weil für die Berechnung des Saldierungsschlüssels nur die Informationen über Referenzmengen und Lieferdaten maßgeblich seien, die sich aus Käufermeldungen bis zum ergäben.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie —lediglich bezogen auf die versagte Saldierung— auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Milcherzeuger bei der Abgabenfestsetzung an der Saldierung von Überlieferungen mit nicht genutzten Referenzmengen anderer Erzeuger teilnehmen kann, wenn ihm aufgrund erst nach dem 15. Mai bekannt gewordener Umstände Milchmengen nachträglich zugerechnet werden, weil trotz zeitweilig verpachteter Produktionsmittel die Erzeugereigenschaft seines Pächters verneint wird, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem Wortlaut der maßgebenden Vorschrift beantworten lässt.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 7 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom (BGBl I 2000, 27) in der im Streitfall maßgeblichen Fassung der zweiten Verordnung zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom (BGBl I 2004, 89) ist auf Änderungen, die dem Käufer nach dem in § 19 Abs. 3 Zusatzabgabenverordnung genannten Datum (15. Mai) bekannt werden, das Ergebnis der Verrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 Zusatzabgabenverordnung anzuwenden, es sei denn, der Milcherzeuger hat unrichtige oder unvollständige Angaben über seine tatsächliche Milchanlieferung gemacht. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist eindeutig; insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Angaben über die tatsächlichen Milchlieferungen schuldhaft in unrichtiger bzw. unvollständiger Weise gemacht worden sind. Zweifelhafte Auslegungsfragen ergeben sich nicht.
Auch die Anwendung dieser Vorschrift auf den Streitfall führt nicht zu klärungsbedürftigen Rechtsfragen.
Unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom VII B 48/05 (BFHE 213, 459; Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 373) hat das FG eine Saldierung der streitigen Milchmenge zum einen abgelehnt, weil für die Berechnung des Saldierungsschlüssels nur die Informationen über Referenzmengen und Lieferdaten maßgeblich seien, die sich aus Käufermeldungen bis zum ergäben. Ob diese Auffassung des FG zutrifft, mag zweifelhaft sein, weil der genannte Senatsbeschluss, auf den sich das FG bezieht, zur Vorschrift des § 7b Abs. 1 Satz 4 der früheren Milch-Garantiemengen-Verordnung ergangen ist, die sich in maßgeblicher Weise von § 14 Abs. 1 Satz 7 Zusatzabgabenverordnung unterscheidet. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Ausführungen, weil sich insoweit lediglich eine falsche Rechtsanwendung durch das FG auf den vorliegenden Fall, nicht aber eine die Zulassung der Revision rechtfertigende, grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage ergäbe.
Zum anderen hat das FG seine Entscheidung nicht allein auf diese Auffassung gestützt, sondern hat eine Saldierung im Streitfall auch deshalb für ausgeschlossen gehalten, weil die Klägerin über ihre tatsächlichen Milchlieferungen unrichtige Angaben gemacht habe. Auch insofern ergeben sich keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen. Ob sich nach dem Ablauf eines Milchwirtschaftsjahres und nach dem darauf folgenden 15. Mai zusätzliche bei der Abgabenberechnung zu berücksichtigende Liefermengen ergeben, weil der betreffende Milcherzeuger zuvor unrichtige oder unvollständige Angaben über seine tatsächlichen Milchlieferungen gemacht hat, ist eine vom Tatrichter im Einzelfall zu beantwortende Tatsachenfrage.
Die seitens der Beschwerde sinngemäß bezeichnete Frage, ob der Milcherzeuger auch dann unrichtige Angaben über seine tatsächlichen Milchlieferungen gemacht hat, wenn er sämtliche Umstände der Verpachtung seiner Produktionsmittel an einen anderen Milcherzeuger offengelegt und lediglich aus diesen Umständen und den vertraglichen Vereinbarungen zu Unrecht —und anders als später das HZA bzw. das FG— geschlossen hat, dass nicht er, sondern der Pächter der Erzeuger der während der Pachtzeit gelieferten Milchmengen sei, stellt sich im Streitfall nicht. Nach den Feststellungen des FG und dem sinngemäß in Bezug genommenen Bericht über die Prüfung bei der Klägerin war nämlich im Streitfall die Erzeugereigenschaft der Pächterin erst aufgrund einer marktordnungsrechtlichen Prüfung der tatsächlichen Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu verneinen, weil die in den Pachtverträgen festgelegte volle Dispositionsbefugnis der Pächterin von dieser tatsächlich nicht wahrgenommen worden war. Auch das FG hat seine Ansicht, dass die Klägerin auch während der Pachtzeit Erzeuger der gelieferten Milchmengen war, u.a. auf dieses im Rahmen der marktordnungsrechtlichen Prüfung gewonnene Ermittlungsergebnis gestützt. Jedenfalls in einem solchen Fall, in dem die der Molkerei vorgelegten, zwischen dem Verpächter und Pächter getroffenen Vereinbarungen über die Verpachtung der Produktionsmittel die Milcherzeugereigenschaft des Pächters zwar ausweisen, eine spätere Prüfung jedoch ergibt, dass das Vertragsverhältnis tatsächlich nicht entsprechend den Vereinbarungen abgewickelt wurde, sind unrichtige Angaben des Milcherzeugers über seine tatsächlichen Milchlieferungen i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 7 Zusatzabgabenverordnung gemacht worden.
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1323 Nr. 25
BFH/NV 2009 S. 1219 Nr. 7
BFH/PR 2009 S. 356 Nr. 9
DB 2009 S. 1278 Nr. 24
DStRE 2009 S. 824 Nr. 13
HFR 2009 S. 802 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2009 S. 1806
StB 2009 S. 223 Nr. 7
StBW 2009 S. 7 Nr. 12
UAAAD-22379