Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; SGB V § 13 Abs. 3; SGG § 178a
Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen, L 4 KR 332/08 ER RG vom LSG Niedersachsen-Bremen, L 4 KR 305/08 ER vom SG Stade, S 1 KR 172/08 ER vom
Gründe
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung mit einer außervertraglichen Behandlungsmethode im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
I.
Die 1968 geborene Beschwerdeführerin ist bei der AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen - gesetzlich krankenversichert. Sie ist verheiratet und Mutter eines sechs Jahre alten Kindes.
Im November 2006 wurde bei ihr ein bösartiger Hirntumor, ein sog. Glioblastom Grad IV, diagnostiziert, der unmittelbar danach operativ vollständig entfernt wurde. Anschließend erfolgte eine Radio-Chemotherapie mit dem Medikament Temodal, welche die Beschwerdeführerin im März 2007 abbrach. Nach der Diagnose eines Tumorrezidivs im April 2007 erfolgte im Mai 2007 eine erneute neurochirurgische Tumorentfernung.
Im Juli 2007 beantragte die Beschwerdeführerin bei ihrer Krankenkasse die Bewilligung einer Kombinationstherapie bestehend aus einer Elektro-Tiefenhyperthermie und einer Behandlung mit dendritischen Zellen durch den Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie Dr. B. Die Kosten hierfür belaufen sich auf etwa 14.350 EUR bis rund 17.000 EUR pro Quartal. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab, da es sich um ein experimentelles Verfahren handele und Standardtherapien zur Verfügung stünden. Über die dagegen erhobene Klage der Beschwerdeführerin ist noch nicht entschieden.
Im Juli 2008 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und vorgetragen, die im Mai 2007 begonnene Kombinationsbehandlung werde von ihr gut vertragen und habe zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes geführt. Auf die Fortführung dieser Therapie sei sie angewiesen, finanziell sei sie jedoch nicht mehr in der Lage, die Kosten der Behandlung zu tragen.
Das Sozialgericht hat den Antrag wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Die Kombinationstherapie aus Elektro-Tiefenhyperthermie und einer Behandlung mit dendritischen Zellen entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und sei daher von der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Zwar leide die Beschwerdeführerin an einer in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit, jedoch sei nicht glaubhaft gemacht, dass eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe. Aus den vorliegenden Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ergebe sich schlüssig, dass als weitere Therapiemöglichkeit die Chemotherapie unter Einsatz von Nitroso-Harnstoffen anstelle des unverträglichen Temodal infrage komme.
Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom zurückgewiesen. Es fehle an einem Anordnungsanspruch, weil die von der Beschwerdeführerin begehrte Leistung bereits teilweise erbracht und von ihr bezahlt worden sei. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V lägen nicht vor, weil die Beschwerdeführerin den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Denn sie habe mit der Behandlung bei Dr. B. bereits im Mai 2007 begonnen, ohne vorher mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen bzw. einen Antrag zu stellen oder den Bescheid abzuwarten. Der gesetzlich vorgesehene Beschaffungsweg müsse aber eingehalten werden, anderenfalls scheide ein Kostenerstattungsanspruch von vornherein aus. Das gelte auch für diejenigen Kosten, die erst nach Antragstellung bzw. der Erteilung des Bescheides entstanden seien, da es sich bei der Kombinationstherapie um ein einheitliches Behandlungskonzept handele. Die gegen diese Entscheidung erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom zurückgewiesen.
Mit der am erhobenen Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und von Art. 103 Abs. 1 GG. Eine gleichzeitig von der Beschwerdeführerin noch erhobene Gegenvorstellung hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, das Sozialgericht habe den - nicht gewürdigt, aus dem sich ergebe, dass die Anordnung einer Hyperthermiebehandlung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes möglich sei. Sowohl die Hyperthermie als auch die dendritische Zell-Immuntherapie seien innovative Verfahren, die bereits Therapieerfolge aufweisen könnten und auch bei ihr einen beachtlichen Erfolg gezeigt hätten; so sei sie bis November 2008 rezidivfrei gewesen. Soweit der Medizinische Dienst der Krankenversicherung dekretiere, es stünden noch Standardtherapien zur Verfügung, könne dies angesichts der damit verbundenen Nebenwirkungen nicht ausschlaggebend sein. Das Landessozialgericht habe es versäumt, die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Sie habe im Wege der einstweiligen Anordnung die zukünftige Versorgung mit der Kombinationstherapie im Wege der Sachleistung begehrt, nicht die Durchsetzung eines ausschließlich in die Vergangenheit gerichteten Kostenerstattungsanspruchs. Unzutreffend sei, dass sie die Behandlung bei Dr. B. bereits im Mai 2007 begonnen und damit den gebotenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Im Übrigen berücksichtige das Landessozialgericht hierbei die notstandsähnliche Situation bei Behandlungsbeginn nicht. Das Landessozialgericht habe seine Entscheidung stattdessen für die Beteiligten überraschend allein auf der Basis der zu § 13 Abs. 3 SGB V entwickelten Rechtsprechung getroffen. Damit habe das Landessozialgericht auch seine Pflicht versäumt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, um die von ihr benannten Zeugen und Sachverständigen zur Wirksamkeit der Kombinationstherapie zu hören und ihr die Gelegenheit zur persönlichen Äußerung zu geben.
Das Land Niedersachsen und die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erhoben. Der Lauf der Monatsfrist beginnt mit der Bekanntgabe der nach der jeweiligen Verfahrensordnung letztinstanzlichen Entscheidung. Muss der Beschwerdeführer aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus von einer Möglichkeit zur Beseitigung der von ihm gerügten Grundrechtsverletzung Gebrauch machen, dann ist erst die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf für den Beginn der Monatsfrist maßgeblich. Das gilt allerdings nicht, wenn ein offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf eingelegt wird (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom - 1 BvR 848/07 -, [...]).
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts vom Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG erhoben. Die Anhörungsrüge an das Fachgericht zählt ebenfalls zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfG, a.a.O.). Dieser Rechtsbehelf war auch nicht offensichtlich unzulässig.
2.
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts wendet, nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
Der Beschluss des Sozialgerichts verletzt keine Grundrechte der Beschwerdeführerin. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom (vgl. BVerfGE 115, 25 ff.) dargelegt, dass sich aus den Grundrechten ein Anspruch auf nicht allgemein anerkannte medizinische Behandlungsmaßnahmen ergeben kann, wenn bei einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und eine medizinisch begründete Erfolgsaussicht der erstrebten Behandlung besteht. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts gibt es jedoch mit der Chemotherapie unter Einsatz von Nitroso-Harnstoffen noch eine verfügbare Standardtherapie.
Dagegen erhebt die Beschwerdeführerin keine verfassungsrechtlich erheblichen Einwände. Der Auffassung des Sozialgerichts stellt sie lediglich ihre eigene abweichende Auffassung über die Unzumutbarkeit einer Chemotherapie unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung ihres behandelnden Arztes gegenüber. Sie legt jedoch nicht dar, dass das Sozialgericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden medizinischen Befunde eine unvertretbare Sachverhaltsfeststellung getroffen hat. Das Sozialgericht hat näher ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bezeichneten Zytostatika (insbesondere Nitroso-Harnstoffe) nicht geeignet seien, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und/oder wegen Unverträglichkeit nicht eingesetzt werden könnten; zudem erhebe auch die Kombinationstherapie von Dr. B. nicht den Anspruch, die Grunderkrankung zu heilen, sondern ziele lediglich auf eine deutliche Verzögerung des Krankheitsgeschehens. Das wird von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert angegriffen. Allein mit der Behauptung, die Tatsachenfeststellung der Fachgerichte sei falsch, kann ein Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren jedoch keinen Erfolg haben; denn die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes ist allein Sache der Gerichte (vgl. BVerfGE 22, 267 <273> ; 83, 119 <125> ).
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des -, [...], geht fehl. In dem dort zu entscheidenden Sachverhalt hatte das Landessozialgericht die Frage eines Anordnungsanspruchs hinsichtlich der begehrten außervertraglichen Therapie ausdrücklich offen gelassen und allein auf der Basis einer Ablehnung des Anordnungsgrundes entschieden, was sich im konkreten Fall als eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG darstellte. Hingegen folgt aus dieser Entscheidung nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, eine grundsätzliche Anerkennung des Verfahrens der Hyperthermie durch das Bundesverfassungsgericht.
3.
Hingegen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts vom wendet. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt und die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
a)
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits wiederholt entschieden, dass die Gerichte den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen (vgl. BVerfGE 83, 82 <84> ; 86, 59 <63> ). Dabei enthält die Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf, sondern ist objektiv zu verstehen (vgl. BVerfGE 83, 82 <84> ). Es geht um die Korrektur schwerer Rechtsanwendungsfehler, etwa die Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder die krasse Missdeutung einer Norm (vgl. BVerfGE 87, 273 <279> ).
b)
Das Landessozialgericht gibt den leistungsrechtlichen Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung eine Auslegung, welche - auch unter Berücksichtigung grundrechtlicher Gewährleistungen - die Ansprüche der Beschwerdeführerin auf ärztliche Krankenbehandlung in unvertretbarer und die maßgeblichen Normen krass missdeutender Weise beschränkt.
aa)
Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Versicherten im Rahmen eines Pflichtversicherungssystems vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Daraus lässt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten. Jedoch sind gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind. Gleiches gilt, wenn die gesetzlichen Leistungsvorschriften durch die zuständigen Fachgerichte eine für den Versicherten nachteilige Auslegung und Anwendung erfahren (vgl. BVerfGE 115, 25 <43>). Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall sind darüber hinaus auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar (vgl. BVerfGE 115, 25 <45> m.w.N.).
bb)
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Krankenkasse begehrt, die Kosten für die Kombinationstherapie bei Dr. B. vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Damit hat sie, soweit dieses Begehren in die Zukunft gerichtet war, keinen Kostenerstattungsanspruch, sondern einen Anspruch auf ärztliche Heilbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Wege der gesetzlich als Regelfall vorgesehenen Sachleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) geltend gemacht. Denn aus ihrem Vortrag im fachgerichtlichen Verfahren ergibt sich, dass sie in der Vergangenheit die Behandlung bei Dr. B. selbst finanziert hatte, hierzu aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse jedoch zukünftig nicht mehr in der Lage war. In solchen Fällen, in denen es um die zukünftige Versorgung mit einer außervertraglichen Behandlungsmethode geht, ist der Anspruch des Versicherten aber darauf gerichtet, dass er von dem Nichtvertragsarzt die notwendige Behandlung erhält und die Abrechnung unmittelbar zwischen der Krankenkasse und dem Arzt stattfindet (vgl. BSGE 88, 62 <74 f.> ).
cc)
Diesen zukunftsbezogenen Anspruch hat das Landessozialgericht allein deswegen verneint, weil die Beschwerdeführerin den "gebotenen Beschaffungsweg" nicht eingehalten habe. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V verlange in der Form eines zwingenden Verfahrenserfordernisses, dass eine außervertragliche Therapie zunächst bei der Krankenkasse beantragt und deren Entscheidung abgewartet werde, anderenfalls ein Kostenerstattungsanspruch von Vornherein ausgeschlossen sei. Dabei ist den Ausführungen des Landessozialgerichts zu entnehmen, dass es mit dieser Begründung jeglichen Anspruch der Beschwerdeführerin - sowohl auf Erstattung bereits entstandener Kosten als auch auf zukünftige Behandlung durch Dr. B. mittels der Kombinationstherapie - ablehnt. Denn es geht von dem umfassend formulierten Begehren der Beschwerdeführerin aus und bemerkt dazu, auch diejenigen Kosten, die erst nach Antragstellung bzw. Bescheiderteilung anfielen, könnten wegen der Nichteinhaltung des gebotenen Beschaffungswegs nicht erstattet werden, da es sich bei der Kombinationstherapie um ein "einheitliches Behandlungskonzept" handele.
dd)
Diese Rechtsanwendung, welche der Beschwerdeführerin die Versorgung mit der begehrten Behandlung bei Dr. B. im Wege der Sachleistung allein deshalb verweigert, weil sie es versäumt hat, vor Beginn der ersten Behandlung bei diesem Arzt eine Entscheidung ihrer Krankenkasse abzuwarten, ist im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems nicht mehr verständlich. Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung kennt keine Vorschrift, welche den auf die Zukunft bezogenen Sachleistungsanspruch des Versicherten auf ärztliche Behandlung ausschließt, weil für in der Vergangenheit liegende Behandlungen die Kostenübernahme nicht rechtzeitig beantragt worden war. Lediglich für den Sonderfall, dass der Versicherte die Erstattung ihm entstandener Kosten gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V begehrt, hat das Bundessozialgericht entschieden, ein solcher Kostenerstattungsanspruch könne nur geltend gemacht werden, wenn der Versicherte durch die Ablehnung einer begehrten Therapie durch die Krankenkasse veranlasst worden sei, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu verschaffen. Werde die Behandlung ohne vorherige Einschaltung der Kasse begonnen, so scheide eine Erstattung entstandener Kosten aber auch für nachfolgende Leistungen aus, wenn sich die Ablehnung durch die Krankenkasse auf den weiteren Behandlungsverlauf nicht mehr auswirken könne, weil es sich um einen "einheitlichen Behandlungsvorgang" handele (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 28 Nr. 6).
Diese Rechtsprechung, auf die sich das Landessozialgericht zur Begründung seiner Entscheidung bezieht, ist im Fall der Beschwerdeführerin aber offenkundig unanwendbar. Denn selbst soweit es um in der Vergangenheit begründete Kostenerstattungsansprüche - und nicht wie bei der Beschwerdeführerin um die zukünftige Sachleistung - geht, wird in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei laufenden Leistungen oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Behandlungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im Allgemeinen als Zäsur angesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft worden sind; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang hingegen bejaht (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 13 Nr. 10; SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das betrifft gerade solche Fälle, in denen eine laufende Behandlung erfolgt, der Versicherte aber nicht vertraglich für eine bestimmte Behandlungsdauer an den Behandler gebunden ist (vgl. wiederum BSG, SozR 4-2500 § 13 Nr. 10). Hierauf weist das Bundessozialgericht in der vom Landessozialgericht zur Begründung seiner Rechtsauffassung zitierten Entscheidung auch ausdrücklich hin, was vom Landessozialgericht aber nicht erwähnt wird. Stattdessen dehnt das Landessozialgericht, ohne dies näher zu thematisieren, den vom Bundessozialgericht formulierten Sonderfall eines in der Vergangenheit begonnenen einheitlichen Behandlungsvorgangs auf den Fall eines einheitlichen Behandlungskonzepts aus.
Das Landessozialgericht fügt damit im Ergebnis in das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung einen dem Gesetz nicht zu entnehmenden und auch aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht abzuleitenden anspruchsvernichtenden Tatbestand ein. Danach wären Versicherte, die es verabsäumen, vor Beginn der Behandlung mit einer außervertraglichen Behandlungsmethode eine entsprechende Bescheidung durch die Krankenkasse abzuwarten, für alle nachfolgenden Behandlungen mit dieser Methode von einer Leistungspflicht der Krankenkasse ausgeschlossen, selbst wenn sich in der Folge herausstellte, dass die gewählte Behandlung medizinisch erforderlich und eine Versorgung im vertragsärztlichen Leistungssystem möglich ist. Das gilt, wie der vorliegende Fall zeigt, nach Ansicht des Landessozialgerichts selbst im Fall einer vorhersehbar tödlich verlaufenden Erkrankung. Dieses Ergebnis ist gerade vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Position der Versicherten auf Bereitstellung erforderlicher medizinischer Behandlungsmaßnahmen im System des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts nicht mehr nachvollziehbar.
c)
Angesichts dessen kann es dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung des Landessozialgerichts noch andere Grundrechte der Beschwerdeführerin verletzt, insbesondere ob eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt.
4.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landessozialgericht bei einer inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen eines Krankenbehandlungsanspruchs der Beschwerdeführerin nach Maßgabe der im aufgestellten Grundsätze zu einer anderen Entscheidung als das Sozialgericht kommt.
5.
Der Beschluss des Landessozialgerichts vom ist aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen (vgl. § 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Damit erledigt sich zugleich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Angesichts des Teilerfolgs der Beschwerdeführerin ist es angemessen, die hälftige Erstattung der notwendigen Auslagen sowohl für das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde als auch über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuordnen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GAAAD-22255