BFH Beschluss v. - X B 257/08

Erhebung von Nachforderungszinsen: typisierende Bewertung des Liquiditätsvorteils

Gesetze: AO § 233a, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

1. Die Kläger nehmen nicht ausdrücklich Bezug auf einen der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründe. Sie haben auch in der Sache nichts vorgetragen, aus dem sich entnehmen ließe, dass das angefochtene Urteil von anderen Entscheidungen (des Bundesfinanzhofs —BFH—, des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— oder der Finanzgerichte —FG—) abweicht und deshalb eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Ebenso wenig haben sie einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) dargetan.

Ihrem Vortrag lässt sich aber entnehmen, dass sie der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) beimessen, ob § 233a der Abgabenordnung (AO) verfassungsgemäß sei. Müsse ein Steuerpflichtiger Nachforderungszinsen zahlen, obwohl er sich korrekt verhalten und keine Ursache für die verzögerte Bearbeitung seiner Steuersache durch die Finanzbehörde gesetzt habe, sei dies ein Verstoß gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG).

2. Wird mit der Beschwerde ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, so muss der Beschwerdeführer diesen zumindest inhaltlich näher begründen. Zu einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung gehört eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung (, BFH/NV 2006, 1299, m.w.N.).

Im Streitfall war zwar die Auseinandersetzung mit der im FG-Urteil zitierten Entscheidung des nicht möglich, weil der Nichtannahmebeschluss nicht mit Gründen versehen und deshalb nicht dokumentiert war. Die Kläger hätten sich jedoch mit der einschlägigen BFH-Rechtsprechung und den Literaturmeinungen zur Verfassungsmäßigkeit des § 233a AO auseinandersetzen müssen. Sie hätten ausführen müssen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten, sie vielmehr in willkürlicher Weise verletzt habe. Erforderlich gewesen wäre zudem eine Auseinandersetzung mit der Systematik der Verzinsung steuerlicher Ansprüche. An all diesem fehlt es in der Beschwerdebegründung.

3. Im Übrigen haben die Kläger die Ziele verkannt, die der Gesetzgeber mit der allgemeinen Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen verfolgt hat. Er wollte einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen —"aus welchen Gründen auch immer"— zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden. Der Gesetzgeber konnte, ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, im Interesse einer einfachen Erhebung der Nachforderungszinsen den aus der Verfügung über Geld herrührenden Liquiditätsvorteil typisierend bewerten und damit die Berufung auf besondere Umstände des Einzelfalles ausschließen (vgl. hierzu grundsätzlich Senatsurteil vom X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Ob angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles die Erhebung von Nachforderungszinsen unbillig ist, ist nicht im Zinsfestsetzungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren (vgl. §§ 163, 227 AO) zu entscheiden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1078 Nr. 7
BAAAD-21772