Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 236 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Brandenburg, 10 UF 76/08 vom AG Eisenhüttenstadt, 7 F 20/06 vom
Gründe
I.
Die Klägerin hat eine Abänderungsklage gegen einen Prozessvergleich über nachehelichen Unterhalt erhoben. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch am verkündetes, aber erst am zugestelltes Urteil der Klage teilweise stattgegeben und den Unterhalt auf vier Jahre ab Rechtskraft der Scheidung befristet.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, die am bei dem Berufungsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am eingegangen. Mit Schriftsatz vom , der am selben Tag beim Gericht einging, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die am eingegangene Berufungsbegründung verspätet sei, weil sie unter Beachtung der Frist von fünf Monaten seit der Verkündung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis zum hätte eingehen müssen. Die Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils sei wirksam, was durch das Verkündungsprotokoll bewiesen werde. Dass das Urteil bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasst vorgelegen habe, stehe der Wirksamkeit der Verkündung und dem Beginn der Frist nicht entgegen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unbegründet. Die Fristversäumung beruhe auf einem Verschulden der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der Rechtsanwalt müsse eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren, was von der Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht worden sei. Eine dem Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. auf den konkreten Fall bezogene - und von diesem versehentlich nicht befolgte - mündliche Einzelanweisung, die Berufungsbegründungsfrist auf den einzutragen, hätte durch ausreichende Vorkehrungen dagegen gesichert werden müssen, dass die Eintragung in Vergessenheit gerate. Das Fehlen jeder Sicherung bedeute einen entscheidenden Organisationsmangel, den die Klägerin sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
a)
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Tenor des angefochtenen Beschlusses enthält allein dazu eine Entscheidung.
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist durch den angefochtenen Beschluss nicht zugleich auch die von der Klägerin eingelegte Berufung verworfen worden. Das Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein vom Berufungsverfahren getrenntes Verfahren (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht über den Tenor hinausgehend auch über die Berufung entscheiden wollte, folgt auch aus den Gründen der Entscheidung jedenfalls nicht mit der nötigen Sicherheit. Dem Beschluss fehlt etwa eine Kostenentscheidung, die bei einer Verwerfung der Berufung zu treffen gewesen wäre. Zwar enthält die Begründung des angefochtenen Beschlusses Ausführungen zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Auch führt das Berufungsgericht am Ende der Begründung aus, dass sich nach alledem die Berufung mangels Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig darstelle. Diese Ausführungen können indessen auch im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung einen Sinn ergeben, weil diese die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist voraussetzt. Der Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung kann sich ebenfalls auf die sich aus dem Beschluss des Berufungsgerichts ergebende Folge beziehen, ohne diese zugleich aussprechen zu wollen. Bei verbleibenden Zweifeln ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht nur soviel entscheiden wollte, wie aus dem Entscheidungsausspruch auch hervorgeht.
3.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Seine Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Senats.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO fünf Monate nach der Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils am , also am , zu laufen begann und mit dem abgelaufen ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war diese nicht gemäß § 233 ZPO ohne Verschulden daran gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
a)
Dass das Urteil des Amtsgerichts nicht rechtzeitig in vollständiger Form abgefasst und zugestellt worden ist, hätte die Klägerin nicht daran gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung verstößt entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren.
Das Urteil des Amtsgerichts war allerdings entgegen § 310 Abs. 2 ZPO bei seiner Verkündung nicht in vollständiger Form abgefasst. Es war auch fünf Monate nach der Verkündung jedenfalls noch nicht in vollständiger Form unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben (vgl. GemS OGB GmS-OGB 1/92 - NJW 1993, 2603 ; Senatsurteil vom - XII ZR 270/02 - FamRZ 2004, 1277). Darin liegt zwar ein schwerer Verfahrensmangel, der im Revisionsverfahren nach § 547 Nr. 6 ZPO einen absoluten Revisionsgrund darstellen würde. Das enthebt die betroffenen Parteien aber nicht davon, gegen das Urteil ein Rechtsmittel einzulegen und dieses rechtzeitig zu begründen. Dass die Fristen für die Einlegung der Berufung ( § 517 ZPO) und für ihre Begründung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) jeweils erst fünf Monate nach der Verkündung des Urteils zu laufen beginnen, trägt dem Verfahrensmangel hinreichend Rechnung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das die Bestimmung eines gesonderten Verkündungstermins enthaltene Verkündungsprotokoll vom der Klägerin erst mit dem Urteil zugestellt wurde (vgl. BGHZ (GSZ) 14, 39, 52 f.). Ohne Kenntnis des Beschlusses, der den Verkündungstermin hinausgeschoben hat, bestand für sie überdies sogar Grund zu der Annahme, dass sogleich im Anschluss an die Sitzung des Amtsgerichts möglicherweise ein Urteil verkündet worden war.
Dessen ungeachtet war die Klägerin durch die für sie zunächst bestehende Unklarheit nicht daran gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Denn das vollständig abgefasste Urteil des Amtsgerichts ist ihr am zugestellt worden. Die Berufung hat sie daraufhin rechtzeitig eingelegt, zu ihrer Begründung hatte sie noch Zeit bis zum .
b)
Das Berufungsgericht hat es als nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht angesehen, dass den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten kein (Organisations-)Verschulden an der Fristversäumung trifft. Der dargelegten und durch eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. glaubhaft gemachten Einzelanweisung, die Berufungsbegründungsfrist zu notieren, fehle es an ausreichenden begleitenden Sicherungsvorkehrungen. Das ist nicht zu beanstanden.
aa)
Betrifft die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drang der übrigen Geschäfte) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt ( Senatsbeschluss vom - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338, 1339 m.w.N.; - zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Sorgfaltsanforderungen galten hier erst recht, weil es sich um den Ausnahmefall handelte, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht erst ab der Zustellung des Urteils, sondern gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO fünf Monate nach dessen Verkündung zu laufen begann.
Zwar genügt auch in diesem Fall die klare und präzise Anweisung, die Frist sofort einzutragen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich ( Senatsbeschluss vom - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338, 1339 m.w.N.; - zur Veröffentlichung bestimmt).
Solche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Klägerin indessen mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Nach dem Wiedereinsetzungsgesuch wurden zunächst beide Fristen, Berufungseinlegungsfrist und Berufungsbegründungsfrist, unrichtig eingetragen, nämlich auf den (Montag) und den , berechnet jeweils ausgehend vom Zustellungsdatum. Dem Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. sei dann aber aufgefallen, dass die Berufungsfrist bereits mit dem ablaufe. Er habe daraufhin die Akte am dem Rechtsanwalt vorgelegt. Dieser habe noch am selben Tag per Telefax Berufung eingelegt und den Angestellten angewiesen, "die Berufungsbegründungsfrist nunmehr auf den zu notieren". Nach der - damit nicht vollständig übereinstimmenden - eidesstattlichen Versicherung des Angestellten hat der Rechtsanwalt ihn angewiesen, "auch die Berufungsbegründungsfrist noch einmal zu kontrollieren und entsprechend zu notieren". Der Angestellte habe die Akte jedoch wegen der ausnahmsweise sehr hohen Arbeitsbelastung an jenem Tag nach der Erledigung der Berufungseinlegung weggelegt, obwohl er dem Rechtsanwalt zuvor die Anweisung bestätigt habe. Die Akte sei dem Rechtsanwalt erst im üblichen Betriebsablauf am wieder vorgelegt worden, als die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.
Demnach fehlte es an Vorkehrungen, die die Notierung der Frist hinreichend sicherten. Wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteilte, hätte er seinen Angestellten zumindest anweisen müssen, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte. Das gilt erst recht in Anbetracht der an diesem Tag bestehenden sehr hohen Arbeitsbelastung und der Tatsache, dass der Angestellte am folgenden Tag, einem Freitag, wegen des Geburtstages seines Sohnes Urlaub hatte.
bb)
Die mit der Rechtsbeschwerde nachgeholten und mit eidesstattlichen Versicherungen versehenen weiteren Angaben zu ergänzenden Anweisungen sind nicht mehr zu berücksichtigen. Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Beruht - wie im vorliegenden Fall -das Versäumnis auf dem Versehen eines Büroangestellten, so hat die Partei alle Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die ein Organisationsoder sonstiges Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ausschließen.
Dabei können allerdings erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, auch über die Frist nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO hinaus erläutert oder vervollständigt werden ( BGH Beschlüsse vom - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 und vom - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434).
Um einen solchen Fall handelt es sich hier indessen nicht. Die Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch und der beigefügten eidesstattlichen Versicherung sind - abgesehen von dem genauen Inhalt der erteilten Anweisung - vollständig und klar. Dass darin zusätzliche Sicherungsvorkehrungen nicht angegeben worden sind, lässt für sich genommen noch keine Ergänzungs- oder Erläuterungsbedürftigkeit des Vorbringens erkennen. Wenn der geschilderte Ablauf innerhalb der Kanzleiorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht vollständig erfüllte, ergibt sich daraus noch nicht, dass dem Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ergänzungsbedürftig erscheinen musste. Eine Erläuterungs- oder Ergänzungsbedürftigkeit wäre etwa dann erkennbar gewesen, wenn bestimmte durch Anweisung festgelegte Arbeitsroutinen beschrieben wären, aus denen sich sowohl eine sorgfaltsgemäße als auch eine sorgfaltswidrige Ausführung ergeben kann. In diesen Fällen darf das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die sorgfaltswidrige Alternative nicht entkräftet worden sei, und muss auf eine Aufklärung hinwirken (vgl. BGH Beschlüsse vom - IX ZB 71/03 -FamRZ 2004, 1552 m.w.N. und vom - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434).
Es würde indessen die Hinweispflicht überspannen, wenn das Berufungsgericht den Antragsteller eines Wiedereinsetzungsgesuchs über einzelne Lücken in den von ihm dargelegten Sicherungsvorkehrungen aufzuklären hätte. Das Berufungsgericht kann vielmehr im Zweifel davon ausgehen, dass der Antragsteller seiner aus § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Verpflichtung zur vollständigen Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch nachgekommen ist. Im vorliegenden Fall durfte das Berufungsgericht daher davon ausgehen, dass die ausführlichen und detaillierten Darlegungen im Wiedereinsetzungsgesuch und der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vollständig waren.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-21713
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein