Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB VI § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1
Instanzenzug: SG Düsseldorf, S 39 RJ 175/02 vom
Gründe
I
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren von der Beklagten einen höheren Zahlbetrag ihrer Regelaltersrente (RAR) unter Berücksichtigung eines früheren Endes des belegungsfähigen Gesamtzeitraums im Sinne des § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die am 1927 in Berlin geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung und als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt. Für die von 1940 bis 1945 erlittene Ghetto- und KZ-Haft erhielt sie eine Haftentschädigung. Seit 1947 lebt die Klägerin im Staat Israel, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Von 1968 bis 1987 ging die Klägerin in Israel einer Erwerbstätigkeit nach und entrichtete Beiträge zur israelischen Nationalversicherung, aus der sie mittlerweile eine Rente bezieht.
Auf den Antrag der Klägerin vom August 1999 stellte die Beklagte Beitragszeiten im Ghetto Lodz fest und bewilligte mit bindend gewordenem Bescheid vom eine RAR beginnend am . Der Rentenberechnung legte die Beklagte 613 Monate als belegungsfähigen Gesamtzeitraum zu Grunde; es handelt sich um 647 Monate vom Februar 1944 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis zum Dezember 1994 (Kalendermonat vor Rentenbeginn) abzüglich 34 Monaten als beitragsfreie Zeit, einschließlich der Pauschalzeit nach § 263 Abs 2 SGB VI in der bis geltenden Fassung.
Im Dezember 2001 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das - SozR 3-2600 § 71 Nr 2) eine Neuberechnung der Rente gemäß § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dem zitierten Urteil sei die Zeit vom März 1992 bis Dezember 1994 zu Unrecht in den belegungsfähigen Gesamtzeitraum einbezogen worden, da sie nach dem Rentenbeginn im Sinne des § 72 SGB VI liege. Rentenbeginn im Sinne der Norm sei der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger die Auszahlung der Rente verlangen könne. Dieses Recht erlange der Rechtsinhaber mit Beginn des Monats, der auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen folge. Mit Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der belegungsfähige Gesamtzeitraum in § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ende mit dem Kalendermonat vor Beginn der Altersrente, der durch § 99 SGB VI und § 30 Fremdrentengesetz geregelt sei. Diese Vorschriften stellten auf den tatsächlichen Rentenbeginn ab.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Urteil vom die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Rentenbescheid vom zu ändern und die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung eines für den Rangstellenwert aus beitragsfreien Zeiten maßgeblichen Gesamtzeitraums, der am ende, neu zu berechnen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Im Rentenbescheid sei der belegbare Gesamtzeitraum um 34 Kalendermonate ( bis ) unzulässig verlängert worden. Diese Zeiten seien in den Gesamtzeitraum einbezogen worden, obwohl sie nach Beginn der zu berechnenden Rente, also nach dem (Kalendermonat nach Vollendung des 65. Lebensjahres) lägen. Gemäß § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ende der belegungsfähige Gesamtzeitraum mit dem Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente. Rentenbeginn im Sinne der Vorschrift sei der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen könne, die Rente als eine jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen (Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Rentenstammrecht). Die Kammer folge damit nach eigener Prüfung den Ausführungen des (SozR 3-2600 § 71 Nr 2). Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Rentenhöhe immer weiter sinke, je länger ein Versicherter über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus die Rente nicht in Anspruch nehme. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber eine spätere Inanspruchnahme der Rente grundsätzlich durch einen höheren Zugangsfaktor honorieren wolle.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger umfasse der belegungsfähige Gesamtzeitraum im Sinne der Norm bei einer Rente wegen Alters die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente. Der Beginn der zu berechnenden Rente bestimme sich nach § 99 Abs 1 SGB VI. Danach werde die Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt seien, wenn die Rente innerhalb von drei Kalendermonaten nach Erfüllung dieser Voraussetzungen beantragt werde. Bei späterer Antragstellung beginne die Rente mit dem Antragsmonat. Ende des belegungsfähigen Gesamtzeitraums könne also auch in Fällen der verspäteten Antragstellung nur der Vormonat des tatsächlichen Rentenbeginns sein. § 99 SGB VI unterscheide nicht zwischen der Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Stammrecht auf Rente und dem Zahlungsbeginn; er bestimme vielmehr den tatsächlichen Rentenbeginn mit allen sich im Rahmen des SGB VI daraus ergebenden Folgen. Sowohl die Vorschrift des § 99 SGB VI als auch § 72 Abs 2 SGB VI seien eindeutig und von daher nicht auslegungsfähig. Zudem beachte der 4. Senat des BSG nicht, dass der Versicherte Beitragszeiten auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres zurücklegen könne. Diese Zeiten würden nach Auffassung des 4. Senats im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht berücksichtigt werden können, weil sie nach Ende des belegungsfähigen Zeitraums lägen. Ein Absinken des Gesamtleistungswertes in Fällen eines späteren Altersrentenbeginns werde durch den zu erhöhenden Zugangsfaktor nach § 77 Abs 2 SGB VI ausgeglichen. Insoweit könne der Argumentation des SG, es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Rentenhöhe immer weiter absinke, je länger ein Versicherter über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus die Rente nicht in Anspruch nehme, nicht gefolgt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Rente der Klägerin in Ausführung des erstinstanzlichen Urteils unter der Annahme eines am endenden Gesamtzeitraums neu berechnet. Danach und laut weiterer Auskünfte der Beklagten beträgt die von der Klägerin begehrte Rentenerhöhung - bezogen auf den - monatlich 0,1045 Euro.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die gemäß § 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Sprungrevision der Beklagten ist begründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom hat keinen Erfolg.
Zwar ist die Klage zulässig. So ist die Klägerin insbesondere durch die angefochtenen Verwaltungsakte beschwert. Dabei kann dahinstehen, ob eine Beschwer bereits dann zu bejahen ist, wenn die Entgeltpunkte (EP) fehlerhaft berechnet worden sind, ohne dass sich die fehlerhafte Berechnung auf die Rentenhöhe auswirkt (so wohl Urteil des 4. Senats vom - B 4 RA 45/99 R - SozR 3-2600 § 71 Nr 2 S 15). Denn im vorliegenden Fall würde die von der Klägerin begehrte Verkürzung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums um 34 Kalendermonate ( bis ) zu einer Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags führen, die für die Zeit ab nach der Berechnung der Beklagten gerundet 0,10 Euro beträgt. Auf diesen Anspruch hat die Klägerin ihr Begehren spätestens im Revisionsverfahren beschränkt, indem sie im Schriftsatz vom die Bewertung der beitragslosen Zeiten ausdrücklich als (einzigen) Gegenstand des jetzigen Verfahrens bezeichnet.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom und Zahlung einer höheren Rente nicht zu. Zutreffend hat die Beklagte den Begriff "Beginn der ... Rente" in § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI als Rentenzahlbeginn verstanden und damit die Länge des belegungsfähigen Gesamtzeitraums im Sinne von § 72 Abs 2 SGB VI sowie die hiervon abhängige Höhe der der Klägerin gewährten RAR richtig festgestellt.
Der Monatsbetrag der Rente errechnet sich gemäß § 64 SGB VI durch die Multiplikation der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, des Rentenartfaktors und des aktuellen Rentenwerts, wobei der Wert dieser Faktoren bei Beginn der Rente zu Grunde zu legen ist. Die Anzahl der Monate des belegungsfähigen Gesamtzeitraums wird ausschließlich zur Ermittlung der EP für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der §§ 71 ff SGB VI benötigt. § 72 SGB VI regelt die Grundbewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten; Abs 1 legt die Berechnungsformel (Summe der EP für Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten dividiert durch die Anzahl der belegungsfähigen Monate) fest, Abs 2 bestimmt den belegungsfähigen Gesamtzeitraum, der um die in Abs 3 genannten Zeiten zu kürzen ist. Durch diese Rechenoperationen wird ermittelt, in welcher Gesamtzeit der Versicherte seine auf Beschäftigung und gleichgestellten Zeiten beruhenden EP erwirtschaftet hat; der sich daraus ergebende Durchschnittswert (EP pro Monat) ist als Mindestwert für die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten einzusetzen. Als Durchschnittswert ist er umso niedriger, je länger der Versicherte benötigt hat, um die zu berücksichtigenden EP zu erzielen, also je länger der belegungsfähige Gesamtzeitraum ist. Gemäß § 72 Abs 2 Satz 1 SGB VI umfasst der belegungsfähige Gesamtzeitraum die Zeit ... bis zum 1. Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente bei einer Rente wegen Alters, bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (ab wegen voller Erwerbsminderung), auf die nach Erfüllung einer Wartezeit von 20 Jahren ein Anspruch besteht, oder bei einer Erziehungsrente, 2. Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 3. Tod des Versicherten bei einer Hinterbliebenenrente.
Der Begriff "Beginn der ... Rente" in § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist als Rentenzahlbeginn zu verstehen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Rente" bzw "Rente im Sozialrecht" als "regelmäßige Zahlung, die jemand aus einem angelegten Kapital, auf der Grundlage von Rechtsansprüchen oder als freiwillige Zuwendung erhält" bzw als "periodisch gezahlter Geldbetrag, der jemandem auf Grund der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen in der Sozialversicherung ... zusteht" verstanden (Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl, Bd 18, 1998, S 272; s auch Creifelds, Rechtswörterbuch, 19. Aufl 2007, S 39 zum Begriff "Altersrente"). Damit ist nach allgemeinem Sprachgebrauch unter Rentenbeginn der Beginn der Rentenleistung zu verstehen. Nicht anders definiert § 99 SGB VI den Rentenbeginn, wenn er unter der amtlichen Überschrift "Beginn" anordnet: "Eine Rente wird ... von dem Kalendermonat an geleistet, ...".
Dasselbe Ergebnis ergibt sich im Wege systematischer Betrachtung des § 72 Abs 2 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit Sinn und Zweck der Norm.
Während der belegungsfähige Gesamtzeitraum bei Altersrenten, bei Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die erst nach Erfüllung einer Wartezeit von 20 Jahren ein Anspruch besteht, oder bei einer Erziehungsrente mit dem Ablauf des Kalendermonats vor dem Beginn der zu berechnenden Rente endet (Nr 1 des § 72 Abs 2 Satz 1 SGB VI), endet er bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit dem Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (Nr 2) und bei einer Hinterbliebenenrente mit dem Tod des Versicherten (Nr 3). Nr 2 und Nr 3 stellen demnach auf den Eintritt des versicherten Risikos ab. Dass das Gesetz demgegenüber in Nr 1 den Rentenbeginn als Ende des belegungsfähigen Gesamtzeitraums aufführt und nicht den Eintritt des versicherten Risikos, indiziert die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts (so auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung Teil II, Bd 2, Stand: Dezember 2006, § 72 RdNr 5 und 6).
Eine vergleichende Betrachtung insbesondere der in Nr 1 genannten Altersrenten mit den in Nr 2 und Nr 3 der Vorschrift aufgeführten Renten zeigt, dass dieser Zeitpunkt der Rentenzahlbeginn ist. Während bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne der Nr 2 nach Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich keine EP mehr erzielt (vgl § 75 Abs 2 SGB VI) bzw bei Hinterbliebenenrenten im Sinne der Nr 3 wegen des Todes des Versicherten keine Beitragszeiten mehr zurückgelegt werden können, tritt eine vergleichbare Rechtsfolge bei den Altersrenten nicht ein. Hier hat der Versicherte vielmehr trotz Erreichens des Rentenalters die Möglichkeit, weitere Beiträge zu entrichten, die sich rentenerhöhend auswirken.
§ 72 SGB VI ist mit Wirkung vom durch Art 1 Rentenreformgesetz 1992 vom (BGBl I 2261 - RRG 1992) eingeführt worden. Dieses bezweckte eine Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch die Neueinführung von Altersrenten als Teilrenten sowie die Anhebung der Altersgrenzen mit der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrenten oder des Hinausschiebens ihrer Inanspruchnahme bei Ausgleich der unterschiedlichen Bezugsdauer mittels eines Zugangsfaktors (BT-Drucks 11/4124 S 163 zu §§ 41, 42). Die Versicherten haben damit zum einen die Wahlmöglichkeit erhalten, mit Erreichen des Rentenalters, in der Regel der Vollendung des 65. - inzwischen des 67. - Lebensjahres, entweder die ihnen zustehende Vollrente zu beantragen oder lediglich hiervon ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel zu beanspruchen und daneben weiterhin eine (Teilzeit-)Beschäftigung auszuüben, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Neben dem Teilrentenbezug gezahlte Beiträge wirken sich über diesbezügliche Zuschläge an EP stets rentensteigernd auf die spätere Vollrente aus, wie das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom (BGBl I 1791) durch eine Änderung des § 75 Abs 1 SGB VI und die Einfügung des § 76d SGB VI mit Wirkung zum sichergestellt hat (vgl BT-Drucks 15/2149 S 24 zu §§ 75, 76d). Zum anderen steht es den Versicherten frei, trotz Eintritt des Rentenalters keine Rente in Anspruch zu nehmen, was sie aus praktischen Gründen regelmäßig nur dann in Erwägung ziehen werden, wenn ihr Auskommen weiterhin durch Erwerbstätigkeit gesichert scheint, weil andere Einkommensquellen nur ausnahmsweise vorhanden sein dürften.
Insbesondere der zuletzt genannten Alternative einer Fortsetzung der Erwerbstätigkeit bei vorläufigem Rentenverzicht kann bei der Rentenberechnung lediglich dann sachgerecht Rechnung getragen werden, wenn der Beginn der Rente als Beginn der Rentenleistung verstanden wird.
Bis zur Änderung des § 75 Abs 1 SGB VI mit Wirkung zum - und damit im hier maßgeblichen Zeitraum - ist es nur bei diesem Verständnis möglich, die vom Versicherten nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus einer Beschäftigung entrichteten Beiträge für die spätere Rente zu berücksichtigen. Wäre demgegenüber Rentenbeginn der "Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen könnte, die Rente als jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen", müssten die nach Vollendung des 65. Lebensjahres entrichteten Beiträge bei der Berechnung der späteren Rente außer Betracht bleiben. Zwar hat der 4. Senat des BSG diese Wirkung seines Verständnisses vom Begriff "Rentenbeginn" iS von § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bestritten (vgl Beschluss vom - B 4 R 27/07 S - RdNr 38, 44; ebenso 13. Senat vom - B 13 R 17/08 S - RdNr 18), ohne auf die einschlägigen Vorschriften einzugehen. Der Ausschluss von EP für über 65-jährige Versicherte wäre indes bei konsequenter Anwendung des Begriffs "Rentenbeginn" iS der Rechtsauffassung des 4. Senats jedenfalls nach einfachem Recht zwingende Folge dieses Begriffsverständnisses gewesen; ob verfassungsrechtlich eine Berücksichtigung "contra legem" geboten gewesen wäre, braucht bei diesen hypothetischen Überlegungen nicht erörtert zu werden.
Nach § 75 Abs 1 (von 1998 bis 2000: Satz 1) SGB VI in der von 1992 bis Mitte 2004 geltenden und für die am beginnende RAR der Klägerin einschlägigen Fassung des RRG 1992 werden für Zeiten nach Beginn der zu berechnenden Rente EP nur für eine Zurechnungszeit ermittelt. EP für eine Beitragszeit nach Beginn einer Rente wegen Alters konnten danach nicht berücksichtigt werden. Diese Regelung entspricht dem "Versicherungsprinzip", nach dem ein bereits eingetretenes Versicherungsrisiko nachträglich grundsätzlich nicht mehr versichert werden kann (vgl VerbandsKomm, § 75 SGB VI RdNr 1.3, Stand XII/2004). Wäre unter Rentenbeginn - nach erfüllter Wartezeit - die Vollendung des 65. Lebensjahres zu verstehen, hätten bis Beitragszeiten nach Vollendung dieses Alters nicht mehr berücksichtigt und EP nicht mehr erwirtschaftet werden können. Abgeführte Beiträge hätten sich nicht rentenerhöhend auswirken können. Die erwähnten Beschlüsse des 4. und des 13. Senats legen nicht dar, auf welchem Wege das in § 75 Abs 1 SGB VI enthaltene Verbot zu umgehen gewesen wäre.
Die Ergänzung von § 75 Abs 1 SGB VI ab sieht nunmehr vor, dass nach Beginn einer Rente wegen Alters EP aus Beiträgen nur für Zuschläge an EP ermittelt werden dürfen. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des 4. Senats zum Begriff "Rentenbeginn" könnte unter der jetzt geltenden Fassung ein Versicherter, der nach Vollendung des 65. Lebensjahres einer Beschäftigung nachgeht, aus hierfür entrichteten Beiträgen Zuschläge an EP erwerben. Diese wären gemäß § 66 Abs 1 Nr 8 SGB VI auch bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen, würden sich also rentenerhöhend auswirken. Gleichwohl wäre diese Rentenberechnung nicht sachgerecht. Denn die Beiträge, die ein Versicherter nach Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtet, würden bei der Berechnung der Rente anders berücksichtigt als die Beiträge eines Versicherten, der diese für dieselbe Beschäftigung vor Vollendung des 65. Lebensjahres abführt. Aus den Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters resultieren nämlich weder Beitragszeiten noch EP (vgl auch Gürtner in Kasseler Komm, § 76d SGB VI RdNr 3, Stand III/2005). Dementsprechend wirken sich Zuschlags-EP nicht auf die Bewertung der rentenrechtlichen Zeiten nach §§ 71 bis 74 SGB VI aus (vgl auch VerbandsKomm, § 76a SGB VI RdNr 4.1, Stand X/1999).
Eine Betrachtung des § 77 SGB VI, der ebenso wie § 72 SGB VI der Ermittlung der persönlichen EP dient, bestätigt die Auslegung des Begriffs Rentenbeginn im hier verstandenen Sinne.
Gemäß § 77 Abs 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind. Abs 2 Satz 1 konkretisiert den jeweils maßgeblichen Rentenbeginn und die Höhe des Zugangsfaktors wie folgt: Der Zugangsfaktor beträgt 1,0 für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen (Nr 1). Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (Nr 2 Buchst a) und bei Renten wegen Alters, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,005 höher als 1,0 (Nr 2 Buchst b). Bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Erziehungsrenten und Hinterbliebenenrenten richtet sich der Zugangsfaktor ebenfalls nach dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Rente bzw dem Zeitraum ihrer Nichtinanspruchnahme (Nr 3 und 4).
Inanspruchnahme der Rente bedeutet indes, dass die Rente geleistet wird, wie umgekehrt Nichtinanspruchnahme bedeutet, dass eine Rentenleistung nicht erfolgt. Die Abhängigkeit eines niedrigeren oder höheren Zugangsfaktors als 1,0 vom Zeitpunkt der Rentenleistung spricht aber dafür, dass auch der Zugangsfaktor von 1,0 bei Altersrenten durch den Zeitpunkt der Rentenleistung bestimmt wird und damit dem Begriff "Rentenbeginn" in § 77 Abs 1 SGB VI allgemein die Bedeutung des Beginns der Rentenleistung zukommt. Dies aber indiziert, dass der Begriff "Rentenbeginn" in § 72 SGB VI ebenfalls den Begriff der Rentenleistung meint. Denn Anhaltspunkte dafür, dass § 72 und § 77 SGB VI demselben Begriff unterschiedliche Inhalte beimessen, sind nicht ersichtlich.
Entgegen der vom SG vertretenen Ansicht wirkt sich ein bei aufgeschobenem Beginn der Rentenleistung verlängerter Gesamtzeitraum in aller Regel nicht rentenmindernd aus. Eine Verlängerung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums durch eine spätere Inanspruchnahme der Rente ist mit einer Erhöhung des Zugangsfaktors verbunden. Dies darf bei der Beurteilung der Auswirkungen des längeren Gesamtzeitraums nicht außer Betracht bleiben; denn beide können nur zusammen auftreten, haben aber einen gegenläufigen Einfluss auf die Rentenhöhe. Die Gegenmeinung wendet die einzelnen Rentenberechnungsvorschriften ohne Rücksicht auf ihren systematischen Zusammenhang an und kommt dadurch zu dem Sinn des Gesetzes widersprechenden Ergebnissen.
Richtig ist zwar, dass ein verlängerter Gesamtzeitraum zu geringeren EP für die beitragslosen und beitragsgeminderten Zeiten führt und für sich genommen die Rente mindert. Ehe daraus rechtliche Schlüsse zu ziehen sind, muss jedoch zunächst der konkrete Betrag erfasst werden, um den sich die Rente im typischen Fall tatsächlich verändert. Im Fall der Klägerin beträgt der auf dem längeren Gesamtzeitraum beruhende Minderwert der monatlichen Rente - bezogen auf den Juli 2004 - nach der Angabe der Beklagten lediglich 0,1045 Euro und fällt daher wirtschaftlich selbst dann nicht ins Gewicht, wenn eine gewisse Steigerung durch Dynamisierung in Rechnung gestellt wird. Unabhängig von der Dynamisierung beläuft sich die Differenz auf unter 0,07 % des jeweiligen Rentenbetrags. Allerdings enthält der Versicherungsverlauf der Klägerin mit acht Monaten eine im Verhältnis zum belegungsfähigen Gesamtzeitraum von rund 600 Monaten relativ kurze beitragslose Zeit, sodass die aufgezeigte Differenz besonders gering ausfällt; nach den hier maßgeblichen Faktoren wäre sie jedoch auch bei einem höheren Anteil an beitragslosen Zeiten kaum größer. Ein wirtschaftlich bedeutsamer Nachteil durch die vom Senat vertretene Auslegung wäre allenfalls bei extrem atypischem Versicherungsverlauf mit einem außergewöhnlichen Missverhältnis von wenigen Beiträgen zu langen beitragslosen Zeiten denkbar.
Vor allem aber greift der Einwand der Rentenminderung deshalb nicht, weil dabei die mit der Verschiebung des Rentenzahlbeginns zwangsläufig verbundene Rentenerhöhung durch einen höheren Zugangsfaktor zu Unrecht unberücksichtigt bleibt. Die für die Berechnung einer Rente notwendigen Rechenoperationen bilden rechtlich eine untrennbare Einheit, auch wenn sie die Rentenhöhe in gegensätzlicher Richtung (im Sinne der Minderung bzw der Erhöhung) beeinflussen; entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Rentenberechnung ist allein der dem Versicherten schließlich zuzubilligende Rentenbetrag (vgl BVerfGE 117, 272, 293 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 51 mwN). Infolgedessen ist die Rente der Klägerin mit der Rente zu vergleichen, die bereits ab dem 65. Lebensjahr zu leisten gewesen wäre; denn zur Verlängerung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums kommt es ausschließlich dadurch, dass die Klägerin die Rente statt zum erst zum erhält. Da der Zugangsfaktor mit jedem Monat, den die Rente später gewährt wird, um 0,005 zunimmt, erhöht sich die Rente nach 34 Monaten wie bei der Klägerin um den Faktor 0,17 oder um 17 % bzw - bezogen auf den Juli 2004 - um monatlich etwas weniger als 21 Euro. Das ist mehr als das 200-fache der durch die Verlängerung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums verursachten Rentenminderung von 0,07 % oder rund 0,10 Euro.
Bei alledem ist schließlich noch zu berücksichtigen, dass es der Versicherte selbst in der Hand hat, ob er lieber mit Erreichung der jeweiligen Altersgrenze die ihm dann zustehende Rente mit dem Faktor 1,0 oder in höherem Alter - falls er vorerst noch beschäftigt sein kann - eine deutlich erhöhte Rente mit zusätzlichen EP aus Beitragszeiten oder schließlich - ohne weitere Beitragszeiten - eine mit Rücksicht auf den längeren Gesamtzeitraum nur geringer erhöhte Rente in Anspruch nimmt. In der Auslegung durch den Senat bieten die Rentenberechnungsvorschriften insgesamt ein in sich schlüssiges Konzept der flexiblen Altersgrenze, bei dem sich der Versicherte für diejenige Gestaltung entscheiden kann, die seinen Bedürfnissen am nächsten kommt.
Gegen die Auslegung des Begriffs "Beginn der ... Rente" in § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI im Sinne des Beginns der Rentenzahlung sprechen entgegen der Ansicht des 4. Senats auch keine verfassungsrechtlichen Erwägungen.
Eine Unvereinbarkeit der hier vertretenen Auslegung mit Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) liegt nicht vor.
Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz erfasst. Dabei kommt dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Rentenansprüche und -anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf, stehen aber zugleich in einem ausgeprägt sozialen Bezug (vgl im Einzelnen BVerfGE 53, 257, 292 f = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4). Deswegen verleiht Art 14 Abs 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber auch die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (vgl BVerfGE 53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 f). Allerdings verengt sich seine Gestaltungsfreiheit in dem Maß, in dem Rentenansprüche und -anwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind (BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51). Zu den eigentumsrelevanten Eigenleistungen der Versicherten gehören sowohl die von ihnen selbst gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Beitragsanteil der Arbeitgeber (vgl BVerfGE 69, 272, 302 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 127).
Danach ist eine gesetzliche Umgestaltung oder Beschränkung selbst solcher Rentenanwartschaften verfassungsrechtlich zulässig, die auf eigentumsrelevanten Eigenleistungen beruhen. Die nach § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI zu ermittelnde Anzahl der belegungsfähigen Monate wirkt sich ausschließlich auf die Bewertung beitragsloser und beitragsgeminderter Zeiten aus und begegnet schon deshalb keinen aus Art 14 Abs 1 GG abzuleitenden Bedenken.
§ 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI verstößt bei dem hier vertretenen Normverständnis auch nicht gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Teilgebots der Angemessenheit bzw Zumutbarkeit (vgl zum Inhalt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelnen Jarras/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl 2007, Art 20 RdNr 83, 86 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Insoweit ist die Intensität, die Schwere und Tragweite der Rechtsbeeinträchtigung bedeutsam (BVerfGE 31, 229, 243). Eine intensive Beeinträchtigung von Rentenanwartschaften und -ansprüchen liegt nicht vor. Zum einen wird im Fall der späteren Inanspruchnahme der Rente der wegen des verlängerten Gesamtzeitraums geminderte Wert der beitragslosen Zeiten durch den höheren Zugangsfaktor in aller Regel mehr als ausgeglichen. So erreicht die Klägerin - wie oben ausgeführt - durch das Hinausschieben des Rentenbeginns eine um lediglich rund 0,10 Euro und daher nur ganz geringfügig abgesenkte Rentenerhöhung von monatlich über 20 Euro. Zum anderen ist zu bedenken, dass diese Wirkung vom Versicherten abgewendet werden kann, indem er rechtzeitig im Sinne des § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI einen Rentenantrag stellt. Insbesondere im Hinblick auf diese dem Versicherten eingeräumte Dispositionsbefugnis erweist sich § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI als zumutbar. Nach der Auslegung durch den Senat hatte die Klägerin bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Wahl, entweder eine (niedrigere) Rente sofort in Anspruch zu nehmen, oder zunächst abzuwarten, dass sich der monatliche Rentenbetrag - auch ohne Beschäftigung und trotz des verlängerten Gesamtbelegungszeitraums - jeden Monat um etwa 0,61 Euro und somit bis Anfang 1995 um insgesamt etwas mehr als 20 Euro erhöhte.
Bedenken im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der Norm mit Art 14 Abs 1 GG ergeben sich dagegen, wenn man den Begriff "Beginn der ... Rente" im Sinne von § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI als Zeitpunkt versteht, in dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen kann, die Rente als eine jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen. Bei konsequenter Anwendung des Begriffs Rentenbeginn in diesem Sinn hätten unter Geltung des § 75 Abs 1 SGB VI in der bis geltenden Fassung - wie oben dargelegt - EP für Beitragszeiten, die ein vollbeschäftigter Versicherter nach Vollendung des 65. Lebensjahres zurücklegt, bei einer späteren Inanspruchnahme der RAR nicht berücksichtigt werden und sich dementsprechend nicht rentenerhöhend auswirken können. Eigentumsrechtlich relevanten Eigenleistungen würde insoweit jeglicher Wert genommen. Nach der ab geltenden Rechtslage könnten aus Beiträgen nach Vollendung des Rentenalters nur Zuschläge an EP ermittelt werden. Diese Ergebnisse wären mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne der Zumutbarkeit zumindest dann nicht in Einklang zu bringen, wenn den Versicherten hierdurch Rentenzahlungen in nennenswertem Umfang vorenthalten blieben.
Bei einer Auslegung des Begriffs "Beginn der ... Rente" im Sinne des 4. Senats bestünden auch Bedenken gegen eine Vereinbarkeit des § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI mit Art 3 Abs 1 GG.
Diese Norm ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 52 mwN). Wäre unter Rentenbeginn der Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger die Rentenzahlung verlangen kann, würden die Versicherten, die über die Vollendung des Rentenalters hinaus einer vollen Beschäftigung nachgehen und hierfür Beiträge zur Rentenversicherung abführen, gegenüber den Versicherten, die lediglich bis zur Vollendung des Rentenalters arbeiten und danach eine Altersrente als Vollrente in Anspruch nehmen, ungleich behandelt. Während nämlich bei der zuletzt genannten Versichertengruppe aus allen geleisteten Beiträgen EP für Beitragszeiten ermittelt würden, berührten die Beitragsleistungen der zuerst genannten Versichertengruppe die Höhe der Vollrente teilweise überhaupt nicht bzw wirkten sich nur über Zuschlags-EP auf diese aus. Ein sachlich hinreichender Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.
Ebenso wenig wäre einzusehen, warum sich Lücken im Versicherungsverlauf auf die Bewertung der beitragslosen Versicherungszeiten unterschiedlich auswirken sollten - je nach dem, ob sie vor der Altersgrenze eingetreten sind oder danach. Das wäre jedoch bei einem trotz Hinausschiebens des Rentenzahlbeginns mit der Altersgrenze endenden belegungsfähigen Gesamtzeitraum der Fall. Denn dann würden vor der Altersgrenze liegende Versicherungslücken die Beitragsdichte und damit den für die beitragslosen Zeiten maßgeblichen Durchschnittswert iS von § 71 Abs 1 SGB VI senken, während sich Versicherungslücken nach der Altersgrenze auf diesen Durchschnittswert nicht auswirken würden, weil sie außerhalb des Gesamtzeitraums lägen. Auch hierfür sieht der Senat keinen sachlichen Grund.
Für die Auslegung des Begriffs "Beginn der ... Rente" in § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist schließlich unerheblich, dass nach der Äußerung eines Mitarbeiters des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung in der 94. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am "der gesamte belegungsfähige Zeitraum ... mit dem Versicherungsfall" endet (Protokoll Nr 94, S 7). Dabei kann dahinstehen, ob diese Erklärung dahin verstanden werden muss, dass bei sämtlichen Alternativen des § 72 Abs 2 Satz 1 SGB VI der belegungsfähige Zeitraum mit Eintritt des versicherten Risikos endet. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte hieraus nicht auf einen entsprechenden klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers geschlossen werden. Denn die amtliche Begründung zu § 71 des Entwurfs des RRG 1992 (= § 72 SGB VI) enthält diesen Hinweis nicht (vgl BT-Drucks 11/4124 S 171 zu § 71). Zudem kommt den Gesetzesmaterialien keine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn - wie hier - Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Sinn und Zweck der Regelung sowie verfassungsrechtliche Erwägungen die Auslegung einer Norm in einem anderen Sinn tragen (vgl BVerfGE 111, 54, 91 mwN).
Die Revision der Beklagten ist somit erfolgreich. Damit weicht der Senat zwar vom Urteil des 4. Senats vom (SozR 3-2600 § 71 Nr 2) ab; dennoch ist er an der Entscheidung nicht gehindert. Der 4. Senat kann mit der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht mehr befasst werden, da er nach einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit Wirkung zum für Streitigkeiten aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig ist. An seine Stelle sind der 13. Senat und der erkennende Senat getreten. Der 13. Senat hat auf die Anfrage des erkennenden Senats am beschlossen (B 13 R 17/08 S), an der Rechtsprechung des 4. Senats im Urteil vom nicht festzuhalten (vgl § 41 Abs 3 Satz 1 und 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Fundstelle(n):
MAAAD-21028