BFH Urteil v. - XI R 69/07 BStBl 2009 II S. 496

Kein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten bei zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen und zu privaten Wohnzwecken verwendetem Gebäude

Leitsatz

Ein Unternehmer, der ein gemischtgenutztes Gebäude zum Teil für steuerfreie Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt und zum Teil für private Wohnzwecke verwendet, hat auch für die Zeit ab dem keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten des Gebäudes (vgl. für die Zeit bis zum ).

Gesetze: UStG 1999 § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1UStG 1999 § 4 Nr. 14 Satz 1UStG 1999 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1UStG 1999 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a

Instanzenzug: (EFG 2008, 495) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bei Verwendung eines Teils eines gemischtgenutzten Gebäudes für steuerfreie Umsätze hinsichtlich der Anschaffungskosten eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Klägerin war in den Streitjahren Eigentümerin eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks. Sie nutzte das Gebäude zu 74,12 % für private Wohnzwecke und zu 25,88 % als Praxis für ihre ärztliche Tätigkeit als Psychotherapeutin.

Am reichte die Klägerin Umsatzsteuererklärungen u.a. für die Streitjahre 1999, 2000 und 2003 ein. Darin machte sie Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten des Gebäudes geltend, soweit diese auf den zu privaten Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfielen.

Mit Bescheiden vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Umsatzsteuer auf jeweils 0 € fest. Er begründete dies damit, dass der Klägerin wegen der Ausführung von steuerfreien Umsätzen i.S. des § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) kein Vorsteuerabzug zustehe und daher die private Nutzung eines Teils des Hauses keine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG sei. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a UStG seien nicht erfüllt. Das Gebäude der Klägerin sei zwar dem Unternehmen zugeordnet, habe aber nicht zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 495 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt hierzu vor, eine —vom Finanzgericht (FG) angenommene— Abhängigkeit des Vorsteuerabzugs von dem Vorsteuerabzug des betrieblich genutzten Gebäudeteils sei nicht aus § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG herzuleiten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie die Bescheide vom in Form der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 1999, 2000 und 2003 gemäß dem Klagebegehren festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Verwendung eines Gebäudeteils zu privaten Wohnzwecken im Streitfall kein Recht auf Abzug von Vorsteuern eröffnet.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

1. Im Streitfall war die Klägerin bei der Anschaffung des Gebäudes nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die (beabsichtigte) unternehmerische Nutzung für die Tätigkeit als Ärztin gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei war. Der Vorsteuerabzug für hierfür bezogene Leistungen ist daher nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

2. Auch die teilweise Nutzung des Gebäudes zu privaten Wohnzwecken berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Nach Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, „soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden”.

Der Senat hat zu einem Sachverhalt, der mit dem des Streitfalls vergleichbar ist, mit Urteil vom XI R 58/07 (BFH/NV 2009, 519) entschieden, dass eine teilweise Nutzung zu privaten Wohnzwecken keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes begründet, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Nutzung steuerfrei sind. Denn dann führt auch die Nutzung zu privaten Wohnzwecken nicht zu einem „besteuerten Umsatz”. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieses Urteils Bezug genommen.

Für den Streitfall ergibt sich ein anderes Ergebnis nicht daraus, dass in dem BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 519 die Privatnutzung zu einem nach § 4 Nr. 28 Buchst. b UStG 1993 steuerfreien Eigenverbrauch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1993 geführt hatte und die letztgenannte Vorschrift mit Wirkung ab dem aufgehoben worden ist (vgl. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb i.V.m. Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom —StEntlG 1999/2000/2002—, BGBl I 1999, 402).

Denn auch nach dem ab maßgeblichen Recht für die Streitjahre 1999, 2000 und 2003 führt die Nutzung zu privaten Wohnzwecken nicht zu einem besteuerten Umsatz i.S. des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die unternehmerische Nutzung steuerfrei ist.

Gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen”. Die Vorschrift gilt mit Wirkung ab dem (vgl. Art. 7 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 18 Abs. 2 StEntlG 1999/2000/2002).

Sie beruht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach werden den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen…oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat”.

Danach führt —wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 2009, 519 entschieden hat— die unentgeltliche Nutzung eines unternehmerischen Gegenstands für den privaten Bedarf nur unter der Voraussetzung zu einem „besteuerten Umsatz” i.S. des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, dass der verwendete Gegenstand bei seinem Erwerb oder seiner Herstellung wegen der beabsichtigten unternehmerischen Nutzung zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt hat.

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Verwendung —wie im Streitfall— steuerfrei sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 496
BB 2009 S. 1043 Nr. 20
BFH/NV 2009 S. 1049 Nr. 6
BFH/PR 2009 S. 266 Nr. 7
BStBl II 2009 S. 496 Nr. 12
DB 2009 S. 1049 Nr. 20
DStR 2009 S. 902 Nr. 18
DStRE 2009 S. 632 Nr. 10
DStZ 2009 S. 376 Nr. 11
GStB 2009 S. 26 Nr. 7
HFR 2009 S. 696 Nr. 7
KÖSDI 2009 S. 16512 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2009 S. 1397
SJ 2009 S. 10 Nr. 11
SJ 2009 S. 26 Nr. 9
StB 2009 S. 179 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2009 S. 403
UR 2009 S. 421 Nr. 12
UStB 2009 S. 155 Nr. 6
YAAAD-19823