Leitsatz
1. Eine Krankenkasse kann im Rechtsstreit mit der Kassenärztlichen Vereinigung auch dann keine gerichtliche Überprüfung der gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarung erreichen, wenn sie auf diese Vereinbarung nicht einmal mittelbar Einfluss nehmen konnte, weil sie dem zuständigen Landesverband nicht angehört.
2. Ein die Nichtigkeit einer gesamtvertraglichen Vereinbarung bewirkender qualifizierter Rechtsverstoß kommt allenfalls dann in Betracht, wenn Vorschriften offensichtlich missachtet worden sind, die eindeutig alle Gesamtvertragspartner strikt binden. Das setzt voraus, dass sie ein eindeutiges, aus sich heraus verständliches Verbot enthalten.
3. Die Übergangsvorschriften des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips stehen einer gesamtvertraglichen Vereinbarung, die auf eine begrenzte Beteiligung der Krankenkassen an der Schaffung eines angemessenen Vergütungsniveaus für zeitgebundene und genehmigungsbedürftige psychotherapeutische Leistungen ab dem Jahr 2002 gerichtet war, nicht entgegen.
Gesetze: SGB V § 71 Abs 1 S 1 Halbs 2; SGB V § 71 Abs 2 S 1; SGB V § 71 Abs 2 S 2; SGB V F: § 83 Abs 1 S 1; SGB V F: § 83 Abs 2 S 1; SGB V F: § 85 Abs 1 S 1; SGB V F: § 85 Abs 2 S 1 Nr 1; SGB V § 85 Abs 3 S 2; SGB V § 85 Abs 3 S 3; SGB X § 53 Abs 1 S 1; SGB X § 58; ArztWohnortG Art 2 § 1 Abs 1 S 1; ArztWohnortG Art 2 § 2 Abs 2 S 2 Halbs 2; ArztWohnortG Art 3 S 1
Instanzenzug: SG Stuttgart, S 11 KA 5909/03 vom LSG Stuttgart, L 5 KA 5161/06 vom
Tatbestand
Umstritten ist der Anspruch der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gegen die beklagte Betriebskrankenkasse (BKK) auf höhere Gesamtvergütung für die Quartale I/2002 bis III/2003.
Die Klägerin (bzw ihre damalige, in die Klägerin aufgegangene Rechtsvorgängerin, die KÄV Nordwürttemberg) vereinbarte mit dem für ihren Bezirk zuständigen Landesverband der BKKen in - weitgehend gleichlautenden - Gesamtverträgen vom die Höhe der für vertragsärztliche Leistungen für die Jahre 2002 und 2003 zu zahlenden Vergütungen. Gemäß Ziff 2 der Vergütungsregelung war bei der Errechnung der Gesamtvergütungen für BKKen mit Sitz außerhalb des Bezirks der KÄV auf den Ausgangsbetrag gemäß § 3 Abs 2 der Anl 14 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) abzustellen (Ziff 2.1 Abs 1) . Dieser wurde um bestimmte Leistungen verringert (Ziff 2.1. Abs 2) und - in der für das Jahr 2002 geltenden Vereinbarung - um 1,64 % erhöht (Ziff 2.2) . Unter Ziff 2.3 heißt es: "Zusätzlich vergüten die BKK einen Betrag (s. Anlage zu Anlage 2b), der zur Umsetzung des Beschlusses des Bewertungsausschusses ... vom zu § 85 Abs 4a SGB V und des entsprechenden Beschlusses für die Zeit ab (Beschluss in der 73. Sitzung, schriftliche Beschlussfassung) für KV-interne Leistungen verwendet wird." Die Anlage 2b bestimmte in der im Anschluss an die dortige Ziff 5 getroffenen Regelung, dass der - um einen Einzelleistungsanteil in Höhe von 3,52 % reduzierte - Ausgangsbetrag gemäß § 3 Anlage 14 BMV-Ä um den in Ziff 2.3 umschriebenen Betrag zu erhöhen war ("+ Betrag gem. Abschn. 2.3 Verg.Regelung s. Nr. 8.3 der Anlage zur Anlage 2b Verg.Reg.") . Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (BGBl I 2001, 3526 nachfolgend als WOrtPrG bezeichnet) zum berechnete die Klägerin die Gesamtvergütung auch gegenüber der Beklagten, die ihren Sitz in Hamburg hat, entsprechend den Vordrucken Anl 2a bzw 2b zur Vergütungsregelung. Die Beklagte leistete Zahlungen nach den vertraglichen Vorgaben, behielt jedoch den in Anl 2b nach der Ziff 5 aufgeführten Betrag ein.
Die auf Zahlung von insgesamt 294.183,98 Euro gerichteten, vom Sozialgericht verbundenen Klagen sind erfolgreich gewesen; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist ausgeführt, die Beklagte sei grundsätzlich an die Vergütungsvereinbarung gebunden und müsse auch die normativen Bestandteile eines Gesamtvertrages, den ein BKK-Landesverband abgeschlossen habe, dem sie selbst nicht angehöre, gegen sich gelten lassen. Auch bei Zugrundelegung der eigenen Auffassung der Beklagten, dass ihr die Vergütungsvereinbarungen nicht geschuldete, weil bereits mit der Kopfpauschale entrichtete Zusatzzahlungen abverlangten, verbleibe es bei der Wirksamkeit dieser Vereinbarungen. Es könne offen bleiben, ob eine Krankenkasse gehindert sei, gegenüber einer KÄV die Nichtigkeit des maßgeblichen Gesamtvertrages geltend zu machen, denn die einschlägigen Bestimmungen der Vergütungsvereinbarungen über die Stützung des Punktwerts zur Honorierung psychotherapeutischer Leistungen seien nicht nichtig.
Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG stelle kein Verbotsgesetz dar, sondern enthalte im Kern lediglich eine Berechnungsregel für den Ausgangsbetrag der zu vereinbarenden Gesamtvergütung durch Beschreibung der zu multiplizierenden Faktoren, aber keine zwingende Anordnung dahingehend, nur den auf diese Weise berechneten Ausgangsbetrag als ausschließlich von den Krankenkassen geschuldete Gesamtvergütung anzusehen. Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG gebiete weder eine Bereinigung des Ausgangsbetrages, noch setze er eine Obergrenze fest. Über die punktuelle Festlegung der Ausgangsbasis künftiger Vertragsverhandlungen hinaus würden den Gesamtvertragsparteien keine weiteren Verhandlungsvorgaben gemacht. Vielmehr überlasse es das Gesetz ihnen, ob und ggf wie sie einen etwaigen zusätzlichen Leistungsbedarf berücksichtigen wollten. Die Norm enthalte namentlich keine Aussagen dazu, ob eine Punktwertstützung zulässig sei. Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG stelle ausdrücklich auf die tatsächlichen Verhältnisse des Bezugsjahres 2001 ab; die tatsächliche Praxis des Jahres 2001 werde für die jeweilige Kasse normativ und uneingeschränkt zur Ausgangsbasis der künftigen Gesamtvergütungsverhandlungen erklärt. Damit verbiete die Vorschrift zugleich eine Bereinigung der im Jahr 2001 maßgeblichen Zahlungen. Verwerfungen in Form möglicher Doppelzahlungen hätten ihre Ursache allein im WOrtPrG. Die Nichtigkeit der Gesamtvergütungsvereinbarungen für die Jahre 2002 und 2003 folge auch nicht aus anderweitigen Regelungen des SGB V. § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V sei kein Verbotsgesetz und eröffne den Gesamtvertragspartnern erheblichen Gestaltungsspielraum; eine ausfüllungsbedürftige Norm, die gerade die Grundlage für Verhandlungen der Vertragspartner darstelle, könne nicht ihrerseits Verbotsgesetz sein. Auch der Grundsatz der Beitragssatzstabilität könne der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen, da weder dargetan noch ersichtlich sei, dass sie gerade infolge der umstrittenen Vergütungsvereinbarungen bzw der darin festgelegten Punktwertstützung für psychotherapeutische Leistungen ihre Beiträge anheben müsse (Urteil vom ).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine rechtswidrige Belastung. Infolge der Entscheidung des Berufungsgerichts werde sie doppelt zur Mittragung des sogenannten "Psychotherapiedefizits" herangezogen. Die Teilnichtigkeit der gesamtvertraglichen Regelung ergebe sich aus qualifizierten Verstößen gegen zwingende Grundsätze des SGB V, vor allem den Grundsatz der Beitragssatzstabilität sowie den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung, insbesondere aber aus einem Verstoß gegen die zwingende Regelung in Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG.
Wenn Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG von einem "zu vereinbarenden" Ausgangsbetrag spreche, könne dies nichts anderes bedeuten, als dass die Vereinbarung eines "aliud" verboten sei. Jenseits der Grundlohnsummensteigerung bestehe kein Umsetzungsspielraum der Vertragspartner. Der Verbotscharakter dieser Norm ergebe sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck aus der Übergangsregelung, die genau die hier streitgegenständliche unkontrollierte Ausweitung von Gesamtvergütungen zu Lasten der Einstrahlerkassen habe verhindern wollen. Dass Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG grundsätzlich zwingender Charakter zukomme, ergebe die Auslegung. Mit der Formulierung "Der Ausgangsbetrag für die ... zu vereinbarenden Gesamtvergütungen ..." lasse der Gesetzgeber keinen Zweifel daran aufkommen, dass ein verbindlicher Berechnungsmodus habe vorgeschrieben werden sollen. Nach der Gesetzesbegründung zu Art 2 § 1 WOrtPrG solle die Regelung klarstellen, wie die Basis für die Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütung zu ermitteln sei. Auch werde deutlich, dass Mehrbelastungen für die jeweiligen Krankenkassen vermieden werden sollten; beabsichtigt gewesen sei lediglich eine regionale Neuverteilung, keine Ausgabensteigerung, wie gerade der einen gewissen West-Ost-Ausgleich der Vergütungen ermöglichende Art 3 WOrtPrG belege.
Trotz der vom Bundessozialgericht (BSG) angenommenen Bindung einer Krankenkasse an die für ihre Kassenart geschlossene Vergütungsvereinbarung müsse diese nicht jedwede Regelung gegen sich gelten lassen. Die Beschränkung der Einstrahlerkassen auf eine Einflussnahme über den zuständigen Landesverband sei problematisch, da die Landesverbände am Wohnsitz ihrer Mitglieder häufig zu Lasten der Einstrahlerkassen mit der KÄV zusammenarbeiteten. Dieses Zusammenwirken führe zu einer schwerwiegenden Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesamtvergütungssystems, da sich die Landesverbände in erster Linie als Interessenvertreter ihrer Mitgliedskassen verstünden. Zumindest müsse eine Einstrahlerkasse durch das Willkürverbot geschützt sein; es sei durchaus als willkürlich anzusehen, sie - die Beklagte - doppelt zur Finanzierung des "Psychotherapiedefizits" heranzuziehen, obwohl dies bei einer Bereinigung des Ausgangsbetrages vermeidbar gewesen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Honorarverträge seien nicht nichtig. Da die vertragsarztrechtlichen Kollektivverträge im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Verträgen des BGB normativ wirkten, sei es für die Umsetzbarkeit dieser Verträge erforderlich, dass nicht "jedweder geringe formale Mangel" dazu führe, dass aus diesem Vertrag keine Rechte und Pflichten mehr hergeleitet werden könnten. Soweit die Vorschriften des BGB aus Gründen, die gegenüber der Funktionsfähigkeit des GKV-Systems nachrangig seien, die Unwirksamkeit eines Rechtsverhältnisses vorsähen, entsprächen diese Vorschriften nicht den durch § 69 Satz 1 SGB V abschließend bestimmten Aufgaben und Pflichten der Beteiligten des 4. Kapitels des SGB V. Bei Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG handele es sich weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelung um ein Verbotsgesetz. Angesichts der Vielzahl vertraglicher Konstellationen habe bei der Umsetzung des WOrtPrG ein entsprechender großer Spielraum bestehen müssen. Das Gesetz habe zum Ziel gehabt, möglichst viele Fälle abstrakt-generell zu erfassen; hierbei seien Typisierungen unumgänglich. Eine einzelne Honorarvereinbarung könne von vornherein nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzen und stehe für sich genommen auch nicht im Gegensatz zur Intention, die Umsetzung des Wohnortprinzips kostenneutral zu gestalten.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung weiterer (Gesamt-)Vergütungsanteile hat. Die Beklagte ist verpflichtet, die von ihr einbehaltenen Anteile der (Gesamt-)Vergütungen an die Klägerin zu zahlen. Das ergibt sich aus § 85 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm § 83 Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 2 Buchst a, Nr 3 und 4 WOrtPrG, die zum in Kraft getreten ist.
Gemäß § 85 Abs 1 Satz 1 SGB V entrichtet die Krankenkasse nach Maßgabe der Gesamtverträge, die von den KÄVen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart zu schließen sind (§ 83 Abs 1 Satz 1 SGB V) , an die jeweilige KÄV mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der KÄV. Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart, für die Verträge nach § 83 Abs 1 Satz 1 SGB V geschlossen sind, vereinbart (§ 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) . Maßgeblich für die Höhe der Gesamtvergütung, die die Beklagte als BKK zu entrichten hat, sind danach die zwischen dem BKK-Landesverband Baden-Württemberg und der klagenden KÄV geschlossenen Gesamtverträge über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Jahr 2002 und im Jahr 2003 vom .
Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass dem zuständigen Landesverband der Krankenkassen mit der Übertragung der Abschlusskompetenz die Rechtsmacht zugewiesen worden ist, die beteiligten Krankenkassen zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die KÄV zu verpflichten, und dass die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der KÄV keine gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der gesamtvertraglichen Vereinbarung erreichen kann ( BSGE 95, 141 RdNr 9 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 17 ff und B 6 KA 72/04 R; bestätigt durch Urteil vom - SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 18; vgl schon BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 21 RdNr 18). Dieser Grundsatz, an dem der Senat festhält, bedarf hier keiner erneuten Begründung, zumal die Beklagte diese Rechtsprechung im Grundsatz akzeptiert und sich allein gegen eine ihres Erachtens zu restriktive Anwendung wendet. Der Senat hat bislang allerdings offen gelassen, ob eine Krankenkasse generell gehindert ist, gegenüber einer KÄV, an die sie gemäß § 85 Abs 1 Satz 1 SGB V eine Gesamtvergütung zu entrichten hat, die Nichtigkeit des maßgeblichen Gesamtvertrages geltend zu machen (BSGE 95, 114 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 19) . Dies bedarf auch hier keiner abschließenden Erörterung, weil die Voraussetzungen, unter denen der Senat die Nichtigkeit des Gesamtvertrages für möglich hält, nicht vorliegen.
Der Senat hat ausgeführt, dass sich die Nichtigkeit nur aus § 58 SGB X ergeben kann, da der Gesamtvertrag ungeachtet seiner normativen Wirkung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag iS der §§ 53 ff SGB X ist. Koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge iS von § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X, zu denen auch Gesamtverträge gehören, können nach § 58 SGB X nichtig sein, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung des BGB ergibt. Um den besonderen Bestandsschutz öffentlich-rechtlicher Verträge auch in ihren obligatorischen und nicht nur in ihren normativ Dritte bindenden Teilen zu gewährleisten, kann die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht durch jeden Verstoß gegen Rechtsvorschriften ausgelöst werden. Vielmehr können lediglich qualifizierte Rechtsverstöße in vertragsärztlichen Normverträgen die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages zur Folge haben, etwa, wenn zwingende Rechtsnormen bestehen, die einer vertraglichen Gestaltung nicht zugänglich sind, oder wenn ein bestimmtes Ziel von vornherein nicht durch einen Vertragsabschluss erreicht werden darf (BSGE 95, 114 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 19) .
Nicht jeder Verstoß einer gesamtvertraglichen Vereinbarung gegen eine gesetzliche Verbotsnorm enthält zugleich einen qualifizierten Rechtsverstoß. Zwar hat der Senat in seinen Urteilen vom (aaO) ausgeführt, dass "dabei" in erster Linie der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot in Frage komme ( BSGE aaO RdNr 16 = SozR aaO RdNr 24) , dies jedoch in seiner Entscheidung vom (aaO RdNr 19) dahingehend präzisiert, dass selbst bei Vorliegen eines gesetzlichen Verbots zu prüfen ist, ob dessen Verletzung einen qualifizierten Rechtsverstoß im Sinne der Senatsrechtsprechung bewirken kann. Das kommt nur dann in Frage, wenn Vorschriften offensichtlich missachtet worden sind, die alle Gesamtvertragspartner strikt binden. Dies setzt voraus, dass sie ein eindeutiges, aus sich heraus verständliches Verbot enthalten. Derartige Rechtsverstöße liegen jedoch nicht vor.
Ob sich die Krankenkassen ab dem Jahre 2002 durch zusätzliche Zahlungen an der Schaffung eines angemessenen Vergütungsniveaus für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen, wie es das BSG seit dem Jahre 1999 mehrfach gefordert hat (s ua BSGE 83, 205 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29; BSGE 84, 235 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 35 und BSGE 89, 1 = SozR 3-2500 § 85 Nr 41) , beteiligen müssen bzw dürfen, ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Eine auf eine begrenzte Beteiligung der Krankenkassen gerichtete gesamtvertragliche Vereinbarung kann deshalb keinen "qualifizierten Rechtsverstoß" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Senats darstellen.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom (BSGE 95, 141 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 25) darauf verwiesen, dass den Vertragspartnern der Vergütungsvereinbarungen ein Gestaltungsspielraum zusteht, der von den Gerichten zu respektieren ist und der regelmäßig einer isolierten Prüfung einzelner Bestimmungen einer Gesamtvergütungsvereinbarung entgegensteht. Auch § 6 der Anlage 14 zum BMV-Ä führt klarstellend aus, dass die Feststellung des Ausgangsbetrages durch die Vertragspartner auf Bundesebene nicht in die regionale Kompetenz der Gesamtvertragspartner nach § 83 SGB V eingreife; dies betreffe auch die Fortführung gesonderter gesamtvertraglicher Regelungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich auch der Übergangsvorschrift des Art 2 § 1 WOrtPrG nichts Gegenteiliges entnehmen.
Nach Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG ergibt sich der Ausgangsbetrag für die für das Jahr 2002 erstmalig nach dem Wohnortprinzip gemäß § 83 Abs 1 SGB V zu vereinbarenden Gesamtvergütungen jeweils durch Multiplikation folgender Faktoren, nämlich (1.) des Betrages, der sich bei einer Teilung der für das Jahr 2001 geltenden Gesamtvergütung durch die Zahl der Mitglieder der Krankenkasse ergibt, und (2.) der Zahl der Mitglieder der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der vertragsschließenden KÄV; die Zahl der Mitglieder ist nach dem Vordruck KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung zum zu bestimmen. Nach der Gesetzesbegründung (BR-Drucks 336/01 S 9 - zu Art 2 § 1) stellt die Regelung klar, wie für die Krankenkassen, die die Gesamtvergütungen bislang nicht nach dem Wohnortprinzip vereinbart haben, in den einzelnen Vertragsregionen für das erste Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Basis für die Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütungen zu ermitteln ist. Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG legt somit verbindlich fest, wie das zur Bestimmung des Ausgangsbetrages maßgebliche Vergütungsvolumen des Vorjahres errechnet wird. Damit konkretisiert die Norm zugleich das Prinzip der Vorjahresanknüpfung - nach § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V ist bei der Festlegung der Gesamtvergütung an das für das Vorjahr vereinbarte Vergütungsvolumen anzuknüpfen (vgl hierzu BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9; zuletzt - SozR 4-2500 § 85 Nr 41 RdNr 14) - in Bezug auf die Umstellung des Vergütungssystems vom sog Kassensitzprinzip auf das Wohnortprinzip.
Dass dieser Ausgangsbetrag, also die im Sinne der Vorjahresanknüpfung ermittelte Basis für die Anpassung der Gesamtvergütung im Jahre 2002, hier unzutreffend bzw unter Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe ermittelt worden ist, macht die Beklagte nicht geltend. Abgesehen davon war dessen Höhe - bzw die für dessen Errechnung maßgebliche Höhe der Gesamtvergütung - ohnehin nicht Gegenstand der Vergütungsvereinbarung, sondern wurde gemäß § 3 Abs 1 der Anl 14 zum BMV-Ä einvernehmlich durch den Bundesverband der BKKen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (sowie im Einvernehmen mit den beteiligten Landesverbänden der BKKen, § 3 Abs 3 der Anl 14 zum BMV-Ä) festgestellt. Damit fehlt es jedoch an einer Missachtung der Vorgaben des Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG; denn einen über die Festlegung des Rechenweges zur Bestimmung des Ausgangsbetrages hinausgehenden Regelungsgehalt enthält diese Norm nicht. Insbesondere lässt sich ihr keine Regelung der Art entnehmen, dass eine Berücksichtigung der nach der Ziff 2.3 der Vergütungsvereinbarungen zusätzlich gezahlten Vergütungen für psychotherapeutische Leistungen ausgeschlossen ist.
Gegen die Annahme, dass Art 2 § 1 WOrtPrG neben der Gesamtvergütung gezahlte Vergütungen wie auch ein "Aufsatteln" auf den Ausgangsbetrag verbindlich ausschließe, spricht bereits die Entstehungsgeschichte des WOrtPrG. So sah Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG in der Fassung des Gesetzesentwurfs (BR-Drucks 336/01 S 3) die Berücksichtigung von außerhalb der Gesamtvergütungen gezahlten Vergütungsanteilen ausdrücklich vor ("sowie der Summe der sonstigen für das Jahr 2001 auf der Grundlage des Gesamtvertrages gezahlten Vergütungen"). Dieser Einschub ist im Verlauf der Ausschussberatungen entfallen (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/6595, S 5 - zu Art 2 - zu Buchstabe a - zu Abs 1) . Die Änderung dürfte im Wesentlichen auf einen Vorschlag des Gesundheitsausschusses des Bundesrats zurückgehen, welcher wiederholt (vgl BR-Drucks 336/1/01 unter Ziff 5, BR-Drucks 336/01 = BT-Drucks 14/6410 S 8 Ziff 5 und BR-Drucks 484/1/01 Ziff 3 - jeweils zu Art 2 § 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG) vorgeschlagen hatte, bei der Berechnung des Ausgangsbetrages (allein) auf den für "budgetierte Leistungen" entrichteten Anteil an der Gesamtvergütung abzustellen, und zur Begründung darauf verwies, dass bei der Bildung einer Kopfpauschale, die auch den Anteil der für "nicht budgetierte" Leistungen gezahlten Gesamtvergütung in den Ausgangswert einbeziehe, dieser Anteil auch den Ärzten derjenigen KÄVen zugute kommen würde, die niemals derartige Leistungen angeboten hätten. Da Einwände nicht gegen die Berücksichtigung dieser Anteile an sich erhoben wurden, sondern lediglich deren Einbeziehung in die Berechnung des bundesdurchschnittlichen Durchschnittswerts kritisiert wurde, weil dies regionale Besonderheiten außer Betracht ließe, spricht dies dafür, dass Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG einer Erhöhung des Ausgangsbetrages um Zahlungen, die außerhalb der Gesamtvergütung geleistet werden, gerade nicht entgegensteht. Dasselbe folgt aus dem Umstand, dass sich in den Gesetzesmaterialien kein Hinweis dafür finden lässt, dass mit der Änderung eine Absenkung des Ausgangsbetrages zu Lasten der Vertragsärzte beabsichtigt war.
Ergänzend ist - speziell zu der hier allein strittigen Aufstockung der Vergütungen für zeitgebundene psychotherapeutische Leistungen - darauf zu verweisen, dass der Senat in einem Urteil aus dem Jahre 2004 (BSGE 92, 87 ff = SozR 4-2500 § 85 Nr 8) ausdrücklich auf die auch finanzielle Mitverantwortung der Kassen für die angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen hingewiesen hat. Er hat ausgeführt, dass in der hier bestehenden besonderen Situation, dass nämlich das Vergütungsniveau einer Gruppe von Leistungserbringern maßgeblich durch für die einzelne KÄV verbindliche Vorgaben des Bewertungsausschusses beeinflusst wird, die Notwendigkeit einer Anpassung der Gesamtvergütung bestehen könne, da die bislang für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile zu niedrig veranschlagt worden seien. Auf der Basis einer geänderten Rechtsgrundlage, wie sie vom Bewertungsausschuss zu schaffen sei, könne sich die Notwendigkeit ergeben, auch die Höhe der Gesamtvergütung zu modifizieren (aaO, jeweils RdNr 35) .
Ein qualifizierter Rechtsverstoß ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der weiteren von der Beklagten angeführten Rechtsnormen, insbesondere des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Selbst wenn die Vereinbarungen diesen Grundsatz nicht hinreichend beachtet hätten, wäre dies hier nicht als qualifizierter Rechtsverstoß im Sinn der Senatsrechtsprechung anzusehen.
Zwar darf eine Veränderung der Gesamtvergütung nach dem in § 85 Abs 3 Satz 2 iVm § 71 Abs 1 und 2 SGB V normierten Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur innerhalb des Steigerungssatzes des Beitragsaufkommens der Krankenkassen vorgenommen werden ( - SozR 4-2500 § 85 Nr 41 RdNr 14) . Gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V (in der ab geltenden, also hier maßgeblichen Fassung) haben die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um den Vorgaben nach Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 aaO zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Abs 3 aaO ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten (§ 71 Abs 2 Satz 1 SGB V) .
Jedoch ermöglichen diese Rechtsnormen in zahlreichen Konstellationen keine eindeutige, auf der Hand liegende Antwort auf die Frage, ob eine vereinbarte Erhöhung der Gesamtvergütung dem Gebot der Beitragssatzstabilität entspricht oder nicht. Auch die Beklagte hat einen derartigen Verstoß nicht substantiiert darlegt, sondern lediglich pauschal behauptet. Zum einen ergibt sich ein (möglicher) Verstoß nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern es bedarf hierzu ergänzender Feststellungen durch das Bundesministerium für Gesundheit, welches gemäß § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V bis zum 15.9. eines jeden Jahres die nach den Abs 1 und 2 anzuwendenden durchschnittlichen Veränderungsraten festzustellen hat. Zum anderen begründet selbst eine "rechnerisch" eindeutige Überschreitung der Veränderungsrate nicht zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, da die Norm Ausnahmen zulässt. So ist der Grundsatz nicht verletzt, wenn die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V) . Zudem lässt das Gesetz eine Überschreitung der Veränderungsrate etwa dann zu, wenn die Mehrausgaben in einem Leistungsbereich durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V) oder wenn Mehrausgaben aufgrund von Beschlüssen nach § 135 Abs 1 SGB V entstehen (§ 85 Abs 3 Satz 3 SGB V) ; weitere Ausnahmen ergeben sich etwa aus Art 2 § 2 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 und Art 3 Satz 1 WOrtPrG. Schließlich ist ggf danach zu differenzieren, ob sich die Erhöhungen der Gesamtvergütungen auf alle Kassen, auf eine einzige Kassenart oder nur auf einzelne Krankenkassen auswirken. Klarzustellen ist, dass die vorstehenden Ausführungen allein die fehlende Geeignetheit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für Dritte, hieraus einen qualifizierten Rechtsverstoß herzuleiten, betreffen, nicht aber dessen Bedeutung für die unmittelbar Beteiligten bzw. für die Aufsichtsbehörden relativieren.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bleibt diese nicht schutzlos, wenn sie mangels Vorliegens eines qualifizierten Rechtsverstoßes gehindert ist, gegenüber einer KÄV die Nichtigkeit des maßgeblichen Gesamtvertrages geltend zu machen. Wie der Senat bereits im Urteil vom (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, jeweils RdNr 14) ausgeführt hat, wird die Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarungen in einem objektivierten, nicht von der Geltendmachung subjektiver Rechtsverletzungen abhängigen Verfahren durch die für die Vertragspartner des Gesamtvertrages zuständige Aufsichtsbehörde vorgenommen. Gemäß § 71 Abs 4 SGB V sind Vereinbarungen über die Vergütung von Leistungen - ua nach den §§ 83 und 85 SGB V - den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen, welche diese beanstanden können. Prüfungsmaßstab ist dabei gemäß § 87 Abs 1 Satz 2 SGB IV die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgeblich ist; dies gilt für die KÄVen entsprechend (§ 78 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-19734