Leitsatz
[1] Schwere Misshandlungen nach Vollendung einer Raubtat können den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit.a StGB nur dann erfüllen, wenn sie weiterhin von Zueignungs oder Bereicherungsabsicht getragen sind, insbesondere der Beutesicherung oder der Erlangung weiterer Beute dienen (im Anschluss an BGHSt 20, 194; BGH NJW 2008, 3651, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Gesetze: StGB § 250 Abs. 2
Instanzenzug: LG Berlin, vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten Z. und Se. wegen Raubes sowie wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und den Angeklagten R. wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und wie folgt verurteilt: den Angeklagten Z. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten, den erwachsenen Angeklagten R. - unter Anwendung des § 250 Abs. 3 StGB - zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten Se. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, der Angeklagte Z. auch die Verletzung formellen Rechts. Die Rechtsmittel erzielen - hinsichtlich der Schuldsprüche in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt - den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.
1.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a)
Die Angeklagten hatten sich am Abend vor der Tat in der Wohnung des Angeklagten R. getroffen und dort gemeinsam mit zwei Mädchen alkoholische Getränke konsumiert. Um Nachschub zu besorgen, begaben sie sich zu einem "Spätkauf". Da ihr Geld nicht ausreichte, machte letztlich der Angeklagte Z. den Vorschlag, jemanden "abzuziehen". Diesem Vorhaben schloss sich der Angeklagte Se. ohne Zögern an, während sich der Angeklagte R. zunächst nicht beteiligen wollte und mit den Mädchen in einigem Abstand hinter den beiden anderen herlief. Auf der Straße begegneten die Angeklagten den Geschädigten Si. und Kö. . In Ausführung ihres Planes beraubten Z. und Se. zunächst den Zeugen Si. . Unter Einsatz von Faustschlägen und Tritten nahmen sie ihm eine Schachtel Zigaretten weg.
Während dieser Tat hatte sich der Zeuge Kö. ängstlich entfernt. Der Angeklagte R. verfolgte ihn und versperrte ihm mit ausgestreckten Armen den Weg. Die beiden anderen Angeklagten kamen hinzu und bauten sich, ihren Tatplan wieder aufgreifend, vor dem Zeugen auf. Sie schubsten ihn und verlangten Geld von ihm verbunden mit der Drohung, ihn im Falle der Weigerung "abzustechen". Nachdem der inzwischen "panische" Zeuge sich auf ihr Geheiß auf die Eingangsstufen eines Hauses gesetzt und dem Angeklagten Se. seine Geldbörse ausgehändigt hatte, trat dieser zur Seite, um sie zu durchsuchen. Als der Geschädigte nun aufstehen und sich entfernen wollte, hinderten R. und Z. ihn daran. Sie versetzten ihm so heftige Faustschläge und Tritte, dass er zu Boden ging. Beide Angeklagte traten mehrfach gegen den Kopf des Zeugen. Nachdem der Angeklagte Se. der Geldbörse des Kö. einen Fünf-Euro-Schein entnommen und die Börse weggeworfen hatte, beteiligte er sich ebenfalls an den Misshandlungen und trat wiederholt ins Gesicht des am Boden Liegenden. Die Angeklagten ließen den Geschädigten schließlich bewusstlos zurück.
b)
Das Landgericht hat die Tat gegen den Zeugen Kö. als (besonders) schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a, § 25 Abs. 2, § 52 StGB) gewertet. Der Umstand, dass die körperlichen Misshandlungen erst nach Herausgabe der Geldbörse erfolgten, stehe der Annahme des Qualifikationsmerkmals des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB nicht entgegen. Denn anders als bei den Zwangsmitteln des Grundtatbestandes bedürfe es insoweit keiner finalkausalen Verknüpfung. Vielmehr reiche nach dem Gesetzeswortlaut eine Misshandlung "bei der Tat", d. h. zu irgendeinem Zeitpunkt während des Tathergangs aus.
2.
Diese Begründung ist unter sachlichrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.
a)
Zwar trifft es im Ansatz zu, dass eine Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB auch noch in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung der Raubtat möglich ist (Fischer, StGB 56. Aufl. § 250 Rdn. 26). Dies hat der Bundesgerichtshof für den ähnlichen Fall des Verwendens einer Waffe "bei der Tat" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 342; BGH NJW 2008, 3651, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) im Einklang mit seiner Rechtsprechung zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. (vgl. BGHSt 20, 194, 197) mehrfach bejaht. Danach genügt es zur Anwendung des § 250 StGB, dass die Waffe dem Täter zu irgendeinem Zeitpunkt des Tathergangs zur Verfügung steht. Unter Tathergang ist dabei nicht nur die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale bis zur Vollendung des Raubes zu verstehen, sondern das gesamte Geschehen bis zu dessen tatsächlicher Beendigung. Allerdings hat der Bundesgerichtshof stets darauf abgestellt, dass der Täter die Waffe zwischen Vollendung und Beendigung des Raubes zur weiteren Verwirklichung seiner Zueignungsabsicht und in diesem Abschnitt der Tat insbesondere zur Beutesicherung eingesetzt hat. Nichts anderes hat zu gelten, wenn nach Vollendung einer räuberischen Erpressung der Waffeneinsatz in Frage steht. Er muss entsprechend zur weiteren Verwirklichung der Bereicherungsabsicht erfolgt sein.
b)
Der schlichte räumlichzeitliche Zusammenhang zwischen einem - vollendeten - Raub oder einer räuberischen Erpressung und einer unmittelbar nachfolgenden schweren Misshandlung genügt für die Annahme des Tatbestandsmerkmals "bei der Tat" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB nicht. Dem steht schon der systematische Zusammenhang entgegen, in dem der Tatbestand steht. Da die Raubdelikte durch die finale Verknüpfung von Gewalt und rechtswidriger Vermögensverfügung geprägt sind, bezieht sich das Merkmal "bei der Tat" auf eben diese Verknüpfung. Hierfür spricht auch die Regelung des räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB, wonach der auf frischer Tat betroffene Dieb nur dann gleich einem Räuber - mit den entsprechenden Qualifikationen - bestraft werden kann, wenn er die Gewalt einsetzt, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. Die Qualifikation betrifft deshalb bei den übrigen Raubtatbeständen auch nur die besondere Form oder Intensität des Gewalteinsatzes, der für die Herbeiführung der Vermögensverfügung aufgewendet wird. Dabei ist - wie der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag zutreffend ausgeführt hat - bei der Auslegung des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Vorschrift gegenüber den als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Strafbestimmungen der §§ 224 und 226 StGB eine deutlich angehobene Strafrahmenuntergrenze aufweist. Das bloße Übergehen zur schweren körperlichen Misshandlung nur bei Gelegenheit eines bereits vollendeten Raubes vermag diese signifikante Anhebung der Mindeststrafe nicht zu rechtfertigen.
Zwar erscheint es vom Wortlaut her möglich, im weiteren Zusammenhang mit einem vollendeten Raub oder einer räuberischen Erpressung stehende Körperverletzungen - etwa aus Wut über eine zu geringe Beute ausgeführte schwere Misshandlung - der Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB zu unterstellen. Der besondere Schutzzweck des Raub- und Erpressungstatbestandes erfordert indes, dass die als schwere Misshandlung zu qualifizierende Körperverletzung von einer weiteren Verwirklichung der Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht getragen ist (vgl. BGHSt 20, 194, 197 ; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 250 Rdn. 12; a. A. Fischer aaO).
c)
So liegt es hier aber nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht. Die massiven, zur Ohnmacht des Opfers führenden Verletzungshandlungen der Angeklagten standen in keinem Zusammenhang mit der Erpressungstat. Der Angeklagte Se. hatte die aus fünf Euro bestehende Tatbeute bereits an sich genommen und die offensichtlich für wertlos gehaltene Geldbörse des Opfers weggeworfen. Die Angeklagten hatten keinen Anlass für die Annahme, der Geschädigte werde versuchen, seine Geldbörse wieder zu erlangen. Des Weiteren ist nicht festgestellt, dass die Angeklagten den Geschädigten durch die Misshandlungen etwa noch zur Herausgabe weiterer Wertgegenstände veranlassen wollten.
3.
Das weitere Revisionsvorbringen der Angeklagten zu den jeweils erhobenen Sachrügen zeigt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keine Rechtsfehler des angefochtenen Urteils auf; dasselbe gilt für die offensichtlich unbegründete Verfahrensrüge des Angeklagten Z. .
4.
Der Senat ändert den Schuldspruch, da ein anderweitiger Nachweis der Qualifikation bei der gegebenen Beweislage ausgeschlossen erscheint.
5.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs gegen den Angeklagten R. und der Aussprüche über die Höhe der Jugendstrafe gegen die beiden übrigen Angeklagten. Bei dem erwachsenen Angeklagten R. unterscheidet sich der hier anzuwendende Strafrahmen des § 224 Abs. 1 erste Alternative StGB (i.V.m. § 249 Abs. 2, § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB) zwar nicht wesentlich von dem angewendeten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB. Indes liegt es - abgesehen von der geringeren Mindeststrafe - nicht fern, dass die konkrete Straffindung von der zu Unrecht angenommenen Qualifikation beeinflusst worden ist. Bei den jugendlichen Angeklagten lässt angesichts zweier Raubtaten der Wegfall der Qualifikation die Notwendigkeit der Verhängung von Jugendstrafen wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) ersichtlich unberührt. Trotz der sehr mild bemessenen Strafen kann der Senat letztendlich nicht ausschließen, dass das Landgericht noch etwas mildere Jugendstrafen verhängt hätte. Denn die Jugendkammer hat nicht etwa, wie es auf der Hand gelegen hätte, die besondere Brutalität der Tat, sondern eine erhöhte Mindeststrafe des Normalstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB bei beiden Angeklagten als maßgeblichen Zumessungsgrund benannt (UA S. 31, 34) und insgesamt erzieherische Erwägungen bei seiner Strafzumessung vernachlässigt.
Da lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt, können sämtliche Feststellungen bestehen bleiben; sie sind allenfalls durch weitere Feststellungen ergänzbar, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 3041 Nr. 41
CAAAD-19706
1Nachschlagewerk: ja