Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrAVG § 1; BetrVG § 75; BetrVG § 77; ZPO § 256 Abs. 1
Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 18 Sa 1930/06 vom ArbG Wiesbaden, 8 Ca 25/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch über Beihilfeansprüche des Klägers.
Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie ist aus der Stadtwerke W AG hervorgegangen. Am schloss sie mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat die Betriebsvereinbarung "Umstrukturierungsprozesse" (im Folgenden: BV Umstrukturierung) ab. Unter § 6 Abs. 6 dieser Betriebsvereinbarung heißt es:
"6. Es besteht Einvernehmen, dass die in Jahrzehnten gewachsenen betrieblichen Sozialleistungen erhalten bleiben."
Der am geborene Kläger, der verheiratet ist, war vom bis zum Beschäftigter der Stadtwerke W AG. Zuletzt war er als Bademeister im Hallenbad tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Aufhebungsvertrages vom . Dessen § 3 lautet:
"Herr K erwirbt ab dem den Anspruch auf alle Vergünstigungen, die ihm durch den Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 60. Lebensjahres zustehen würden (Beihilfen, Fahrausweise, Tankberechtigung, Betriebsgemeinschaft)."
Die Stadtwerke W AG gewährte ihren aktiven und ehemaligen Mitarbeitern sowie unter bestimmten Voraussetzungen deren Familienangehörigen Beihilfeleistungen im Krankheits-, Geburts- und Todesfall unter Anwendung der Hessischen Beihilfenverordnung. Hierüber schloss sie am eine Betriebsvereinbarung ab, die Leistungen rückwirkend ab dem vorsah. Diese Betriebsvereinbarung wurde mehrfach geändert, ua. durch die Betriebsvereinbarung vom (im Folgenden: BV 1998). Die Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom (im Folgenden: BV 2000), nach welcher der Kläger zuletzt auf Antrag Beihilfe erhalten hatte, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pensionärinnen und Pensionäre der Stadtwerke W AG, nachstehend ESWE genannt, erhalten in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Beihilfen nach der Hessischen Beihilfeverordnung (HBeihVO) in der jeweils geltenden Fassung, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist.
§ 2
Von den Vorschriften der HBeihVO wird wie folgt abgewichen:
1. In den Kreis der beihilfeberechtigten Personen werden einbezogen:
...
d) Witwen, Witwer und Vollwaisen, die Versorgungsbezüge von ESWE oder Versorgungsbzw. Versichertenrenten der Zusatzversorgungskasse erhalten. ..."
Am schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung über Beihilfeleistungen für die Zeit ab dem (im Folgenden: BV 2006) ab, die ua. folgenden Inhalt hat:
"§ 1
Beschäftigte der ESWE Versorgungs AG, die am beschäftigt sind oder ehemalige Beschäftigte, erhalten in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Beihilfen auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung.
§ 2
a) Beschäftigte erhalten in Krankheitsfällen Beihilfen gemäß Anlage 1.
b) Ehe- und Lebenspartner von Beschäftigten können ebenfalls in Krankheitsfällen Beihilfen gemäß Anlage 1 erhalten, sofern ein Bruttojahreseinkommen von 10.000 Euro nicht überschritten wird und dies durch Vorlage des letzten Einkommenssteuerbescheides nachgewiesen wird.
c) Kinder von Beschäftigten können in Krankheitsfällen Beihilfe gemäß Anlage 1 erhalten, sofern für diese Kinder Kindergeld gezahlt wird.
...
§ 4
Ehemalige Beschäftigte erhalten in Krankheitsfällen Beihilfen nach Anlage 3.
Ehe- und Lebenspartner von ehemaligen Beschäftigten sowie Witwen/Witwer sind nicht beihilfeberechtigt.
...
§ 6
Im Todesfall von Beschäftigten, Ehepartnern und Kindern von Beschäftigten, sofern für diese Kinder Kindergeld gezahlt wird, sowie im Todesfall von ehemaligen Beschäftigten wird eine Beihilfe in Höhe von 750 Euro gezahlt."
Die in § 4 BV 2006 genannte Anlage 3 unterscheidet sich von der in § 2 BV 2006 genannten Anlage 1 dadurch, dass die in ihr aufgeführten Beihilfesätze und Höchstbeträge unter denen der Anlage 1 liegen. Bei den Höchstbeträgen beläuft sich die Differenz auf 25 %, bei den Beihilfesätzen für Brillen/Kontaktlinsen ebenfalls auf 25 %, für die übrigen Leistungen auf 20 %.
Mit seinem Hauptantrag verlangt der Kläger, ihm und seiner Ehefrau weiterhin Beihilfe nach den Bestimmungen der BV 2000 zu gewähren. Mit seinem Hilfsantrag macht er geltend, zumindest sei er nicht schlechter zu behandeln als die Aktiven, dh. sein Anspruch richte sich nach der Anlage 1 der BV 2006. Durch die BV 2006 könne nicht wirksam in seine Rechte eingegriffen werden. Der Betriebsrat sei nicht befugt gewesen, eine für Betriebsrentner nachteilige Betriebsvereinbarung abzuschließen; ihm habe die Regelungskompetenz gefehlt. Eine sog. "Jeweiligkeitsklausel" müsse im Arbeitsvertrag selbst vereinbart sein. Ihre Regelung in der Betriebsvereinbarung reiche nicht aus. Dadurch dass die Beihilfe nach seinem Ausscheiden auf der Grundlage der BV 1998 und der BV 2000 abgewickelt worden sei, sei keine Jeweiligkeitsabrede getroffen worden. Im Übrigen seien ihm die Beihilfeleistungen durch § 3 des Aufhebungsvertrages zugesagt worden. Diese Regelung habe konstitutiven Charakter. Nichts anderes folge aus § 6 Abs. 6 der BV "Umstrukturierungsprozesse". Im Gegenteil, danach sei eine Änderung gegen seinen Willen und den der übrigen Rentner nicht möglich. Es komme hinzu, dass es sich bei den Beihilfeleistungen um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handele, die nur unter engen Voraussetzungen eingeschränkt bzw. widerrufen werden könnten. Diese Voraussetzungen habe die Beklagte nicht dargelegt. Aber auch dann, wenn es sich bei der Beihilfe nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handeln sollte, sei die BV 2006 insoweit unverhältnismäßig und damit unwirksam.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm und seiner Ehefrau Beihilfe nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom zu gewähren;
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm und seiner Ehefrau Beihilfe nach Anlage 1 der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Hauptantrag für unzulässig gehalten und geltend gemacht, der Kläger könne einen Beihilfeantrag stellen und dann Leistungsklage erheben. Hinsichtlich der Ehefrau fehle es ihm im Übrigen an der Aktivlegitimation. In der Sache selbst hat sie die Auffassung vertreten, die BV 2000 sei wirksam durch die BV 2006 abgelöst worden. Die Vereinbarung vom entfalte keine konstitutive Wirkung. Die Regelungskompetenz der Betriebspartner bestehe auch für Betriebsrentner. Im Übrigen sei die Beihilfe stets auf der Grundlage von Betriebsvereinbarungen gewährt worden. Damit sei für alle erkennbar gewesen, dass es sich nicht um eine dauerhafte und unabänderliche Leistung des Arbeitgebers gehandelt habe. Zudem habe der Kläger mit der Abwicklung der Beihilfe über die BV 1998 und die BV 2000 deren Endlichkeit und Abänderbarkeit akzeptiert. Bei der Beihilfe handele es sich nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so sei den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung getragen worden. Die Einschränkungen seien aus wirtschaftlichen Erwägungen aufgrund der massiven Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt und den am Markt stattgefundenen Veränderungen der letzten Jahre erforderlich gewesen. Das Verhältnis zwischen den aktiven und ehemals Beschäftigten habe sich verändert. Inzwischen gebe es immer weniger Aktive und immer mehr Rentner. Der Kläger habe auch nicht hilfsweise einen Anspruch auf Gleichstellung mit den Aktiven nach der BV 2006. Im Ergebnis würden die Rentner nämlich gegenüber den Aktiven nicht schlechter gestellt. Sie hätten steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vorteile. Dies zeige eine Vergleichsberechnung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit dem Hilfsantrag zu 2. stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber der Klage mit dem Hauptantrag zu 2. stattgegeben. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Abweisung der Klage.
Gründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Die Klage mit dem Haupt- und Hilfsantrag zu 2. - nur insoweit ist der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt - ist zulässig; sie ist allerdings nur mit dem Hilfsantrag begründet, mit dem Hauptantrag ist sie hingegen unbegründet.
A. Die Klage ist zulässig. Sie richtet sich sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen bzw. auch auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken ( - zu B I 1 der Gründe, BAGE 99, 250; - 3 AZR 783/06 - Rn. 15). Vorliegend geht es um die Frage, auf welche Anspruchsgrundlage der Kläger seinen Anspruch auf Beihilfeleistungen gegenüber der Beklagten stützen kann. Damit geht es um die Klärung des Umfangs der Leistungspflicht.
Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung des Umfangs seiner Beihilfeansprüche. Damit wird auf Dauer eine Klärung unter den Parteien darüber herbeigeführt, nach welcher Betriebsvereinbarung sich der Beihilfeanspruch des Klägers und seiner Ehefrau richtet. Auf die Erhebung immer neuer Leistungsklagen kann der Kläger nicht verwiesen werden.
B. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers findet auf seine Beihilfeansprüche nicht die BV 2000, sondern die BV 2006 Anwendung. Allerdings richten sich seine Ansprüche aus der BV 2006 nach der für die Aktiven geltenden Anlage 1 und nicht nach der für die Ruheständler geltenden Anlage 3.
I. Der Kläger ist aktivlegitimiert, Beihilfeleistungen für sich und seine Ehefrau geltend zu machen. Nach der Hessischen Beihilfenverordnung (HBeihVO) vom idF vom (GVBl. I S. 482, 491, 564), auf die die BV 2000 verweist, ist nach § 2 beihilfeberechtigt nur der Kläger, während seine Ehefrau nach § 3 zu seinen Lebzeiten lediglich eine im Rahmen einer Antragstellung durch den Kläger berücksichtigungsfähige Angehörige ist. Eine Erweiterung des Kreises der Beihilfeberechtigten hat durch die BV 2000 insoweit nicht stattgefunden. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. d BV 2000 werden Witwen, Witwer und Vollwaisen, die Versorgungsbezüge von ESWE oder Versorgungs- bzw. Versichertenrenten der Zusatzversorgungskasse erhalten, in den Kreis der beihilfeberechtigten Personen einbezogen. Die BV 2006 sieht vor, dass die Beihilfeansprüche von dem Beschäftigten bzw. ehemaligen Beschäftigten geltend gemacht werden. Nach § 7 Abs. 3 BV 2006 erhalten Beschäftigte die Beihilfen mit der nächstmöglichen Entgeltabrechnung, ehemalige Beschäftigte per Banküberweisungen. Damit kann der Ehepartner des jeweiligen Berechtigten zu dessen Lebzeiten etwaige Beihilfeansprüche nicht selbst geltend machen, sondern lediglich im Rahmen eines Antrags des Berechtigten realisieren.
II. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarung nicht Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter begründen oder modifizieren, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand getreten sind (vgl. ua. - GS 1/55 - BAGE 3, 1; - 1 AZR 75/97 - zu I 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1). Ob an dieser im Schrifttum zunehmend kritisierten Auffassung festzuhalten ist, kann hier ebenso wie in den Urteilen des Senats vom (- 3 AZR 100/98 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 89, 262) sowie vom (- 3 AZR 476/05 - Rn. 30, BAGE 120, 330) dahinstehen.
1. Bejaht man eine Regelungskompetenz der Betriebspartner für ausgeschiedene Mitarbeiter, so gilt das Ablösungsprinzip. Danach löst eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist (st. Rspr., vgl. ua. - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187).
a) Allerdings ermöglicht das Ablösungsprinzip nicht jeden Eingriff. So darf höherrangiges Recht - hierzu gehört auch der Gleichbehandlungsgrundsatz, der im Betriebsverfassungsrecht seinen Niederschlag in § 75 BetrVG gefunden hat - nicht verletzt werden. Bei Eingriffen in Besitzstände sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten ( - zu II 4 c cc (1) der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 25 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 12).
Die für das Betriebsrentenrecht entwickelten Anforderungen an die Änderungen von Versorgungsregelungen gelten im vorliegenden Fall nicht. Die vom Kläger geforderte Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen zählt nicht zur betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Es handelt sich nicht um Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Die betriebliche Altersversorgung knüpft an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht an und verlangt die Übernahme bestimmter biometrischer Risiken. Dabei deckt die Altersversorgung das "Langlebigkeitsrisiko", die Hinterbliebenenversorgung ein "Todesfallrisiko" und die Invaliditätsversorgung einen Teil der "Invaliditätsrisiken". Andere Risiken wie etwa der Arbeitslosigkeit und auch das Krankheitsrisiko sind von den Versorgungsrisiken des Betriebsrentenrechts zu unterscheiden. Sozialversicherungsrechtlich handelt es sich dabei um einen eigenständigen Versicherungszweig. Auch das in der BV 2000 und der HBeihVO vorgesehene Sterbegeld ist keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung, obgleich es an den Tod anknüpft. Dieser Leistung fehlt der Versorgungscharakter. Das Sterbegeld stellt lediglich einen Beitrag zu den anfallenden Bestattungskosten dar. Das Gleiche gilt für die Beihilfe nach § 6 der BV 2006 (zum fehlenden Versorgungscharakter von Sterbegeld vgl. auch - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 29 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 16).
b) § 4 BV 2006, wonach ehemalige Beschäftigte in Krankheitsfällen Beihilfen nach Anlage 3 erhalten und Ehe- und Lebenspartner von ehemaligen Beschäftigten sowie Witwen/Witwer nicht beihilfeberechtigt sind, verstößt gegen § 75 BetrVG und ist deshalb unwirksam. Bejaht man die Regelungskompetenz der Betriebspartner für die Betriebsrentner, ist auch diese Vorschrift anwendbar, obwohl sie sich ihrem Wortlaut nach nur auf die "im Betrieb tätigen Personen" erstreckt.
aa) Die Betriebsparteien haben auch bei Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Regelbildung auszuschließen. Er kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Betriebsparteien bei der Regelung unterschiedliche Gruppen bilden ( - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 33 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 30). Dies ist hier der Fall. Die BV 2006 unterscheidet zwischen den aktiven Beschäftigten, die gem. § 2 Beihilfen nach der Anlage 1 erhalten, sowie deren Ehe- und Lebenspartner und deren Kinder, die unter bestimmten Voraussetzungen Beihilfeleistungen beanspruchen können, auf der einen Seite und den ehemaligen Beschäftigten auf der anderen Seite, deren Anspruch sich gem. § 4 nach der Anlage 3 richtet und deren Ehe- und Lebenspartner sowie Witwen/Witwer nicht beihilfeberechtigt sind.
Sind für verschiedene Personengruppen unterschiedliche Rechtsfolgen, insbesondere unterschiedliche Leistungen vorgesehen, so verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass die Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist.
bb) Dies ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Differenzierung darauf berufen, die Rentner würden im Ergebnis gegenüber den Aktiven nicht schlechter gestellt. Sie hätten steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vorteile. Die Sätze der Anlage 3 entsprächen mindestens 75 % der Sätze der Anlage 1. Die Differenz in Höhe von maximal 25 % werde durch die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile kompensiert. Die Rentner erhielten Nettoleistungen in der Höhe, wie sie brutto den Aktiven zustünden. Dies zeige eine Vergleichsberechnung.
Der Senat konnte offenlassen, ob die Beklagte bei ihrer Differenzierung zwischen den aktiven und ehemaligen Beschäftigten überhaupt auf die Belastung mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben abstellen durfte; hiergegen bestehen bereits deshalb Bedenken, weil die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Vergütungen durch die Steuer- und Sozialversicherungsgesetze geregelt ist, und diese Gesetze auf die individuellen Umstände abstellen und zudem ständigen Veränderungen unterliegen. Die von der Beklagten vorgebrachte Begründung rechtfertigt bereits aus einem anderen Grunde nicht die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen. Zwischen der Gruppe der ehemaligen Beschäftigten und der Gruppe der Aktiven bestehen im Hinblick auf die unterschiedliche Belastung durch Sozialversicherungsabgaben und Steuern keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Gruppe der Aktiven stellt vielmehr im Unterschied zur Gruppe der ehemaligen Beschäftigten eine im Hinblick auf diese Kriterien völlig inhomogene Gruppe dar. Auch innerhalb der Gruppe der Aktiven gibt es Beschäftigte, die hohe Sozialversicherungsabgaben und Steuern treffen, und solche, die geringe Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu zahlen haben. Bereits deshalb verbietet sich eine Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung von Nettoleistungen auf der einen und Bruttobeträgen auf der anderen Seite. Da die Beklagte bei den Aktiven nicht nach den anfallenden Sozialversicherungsbeiträgen und der Steuerlast differenziert, darf sie an diesen Differenzierungsgrund auch nicht im Hinblick auf die Rentner anknüpfen. Andernfalls würde sie sich in Widerspruch zu ihren eigenen Ordnungsgrundsätzen setzen (vgl. für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 60 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 29).
Es kommt hinzu, dass sich mit dem Argument der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile ein völliger Ausschluss der Ehe- und Lebenspartner von ehemaligen Beschäftigten und der Witwen/Witwer ehemaliger Beschäftigter von Beihilfeleistungen nicht begründen lässt. Insoweit stellt die Vergleichsberechnung der Beklagten auch nur auf einen Anspruch eines Aktiven und den eines Ruheständlers ab. Etwaige Leistungen für die Ehe- und Lebenspartner werden in der Vergleichsberechnung überhaupt nicht berücksichtigt.
Soweit die Beklagte ihr Vorgehen schließlich allgemein damit begründet hat, wirtschaftliche Erwägungen hätten sie zu dem Schritt gezwungen; das Verhältnis der Rentner und Aktiven habe sich deutlich verändert, inzwischen gebe es immer weniger Aktive und immer mehr Rentner, die zu versorgen seien, so kann sie hieraus nichts für eine unterschiedliche Behandlung der Rentner gegenüber den Aktiven herleiten. Mit diesem Vorbringen hat sie lediglich allgemein die Hintergründe geschildert, die sie zu dem Wechsel im System der Beihilfengewährung, nämlich zu der Abkehr von der Anlehnung an die Hessische Beihilfenverordnung hin zur eigenständigen Formulierung von Beihilfetatbeständen bewogen haben.
c) Die Unwirksamkeit und damit Nichtigkeit von § 4 BV 2006 führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Betriebsvereinbarung; vielmehr ist § 2 BV 2006 dahin ergänzend auszulegen, dass er auch ehemalige Beschäftigte erfasst.
aa) Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung führt nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der übrigen Bestimmungen. Sie lässt die Wirksamkeit der übrigen unberührt, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält ( - zu II 2 c cc der Gründe, BAGE 104, 353; - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (4) (b) der Gründe, BAGE 114, 162).
Die BV 2006 ist nicht insgesamt nichtig; nichtig ist nur deren § 4. Die Betriebspartner wollten mit der BV 2006 erkennbar das alte System der Beihilfengewährung, das sich an die Hessische Beihilfenverordnung anlehnte, ablösen und durch eine eigenständige Regelung ersetzen. Dieses Ziel würde bei Annahme der Gesamtnichtigkeit völlig verfehlt.
bb) Die Nichtigkeit des § 4 BV 2006 führt aber entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht zur Anwendbarkeit der BV 2000 auf die Betriebsrentner. Auch eine unterschiedliche Behandlung von Aktiven und Betriebsrentnern liefe den Zielen der Betriebspartner zuwider. Zum einen würde das Ziel, eine neue Regelung zu schaffen, nicht voll erreicht; zum anderen käme es zu einer nicht gewollten Besserstellung der Betriebsrentner. Die Lücke ist durch ergänzende Auslegung der Betriebsvereinbarung zu schließen. Wäre den Betriebspartnern der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bewusst gewesen, so hätten sie die Beihilfeansprüche der Betriebsrentner ebenso wie die der Aktiven geregelt.
2. Verneint man die Regelungskompetenz der Betriebspartner für ausgeschiedene Arbeitnehmer, so führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach der bisherigen Rechtsprechung ändert sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rechtsgrundlage und die Betriebsrentner erwerben einen der kollektivvertraglichen Zusage entsprechenden schuldrechtlichen Anspruch; damit ist jedoch noch nicht endgültig über das weitere Schicksal dieses Anspruchs entschieden. Wie der Erste Senat in seinem Urteil vom (- 1 AZR 75/97 - zu I 4 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1) ausgeführt hat, kommt es vielmehr auf den Inhalt des "umgewandelten Individualanspruchs" an.
Der Anspruch auf Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Betriebsrentner war nach seiner Umwandlung "mit dem Vorbehalt einer späteren Änderung der entsprechenden kollektivrechtlichen Regelung für die aktive Belegschaft belastet" ( - zu I 4 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1; vgl. auch - 3 AZR 476/05 - Rn. 34 mwN, BAGE 120, 330). Die abgelösten Regelungen der BV 2000 sahen für die Betriebsrentner und die aktiven Arbeitnehmer gleiche Beihilfeleistungen vor. Aktive und Ruheständler sollten gleichgestellt sein. Vor diesem Hintergrund können die begünstigten Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden nicht damit rechnen, besser als die Aktiven behandelt zu werden. Sie können aber darauf vertrauen, auch nicht schlechter gestellt zu werden (vgl. - zu I 4 a der Gründe, aaO.). Insoweit gilt mit dem Ausscheiden eine sog. Jeweiligkeitsklausel, die nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Dass § 2 BV 2006 iVm. der Anlage 1 gegenüber den Aktiven unwirksam ist, macht der Kläger nicht geltend.
3. Weitergehende Ansprüche ergeben sich weder aus § 6 Abs. 6 BV Umstrukturierung noch aus § 3 des unter dem geschlossenen Aufhebungsvertrages.
Es konnte offenbleiben, ob es sich bei § 6 Abs. 6 BV Umstrukturierung überhaupt um eine Regelung mit normativer Wirkung handelt, oder ob sich die Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Beklagter erschöpfen. Jedenfalls ist diese Bestimmung so allgemein gefasst, dass sie allenfalls geeignet ist, Beihilfeleistungen dem Grunde nach zu garantieren. Über den Umfang der Begünstigung lassen sich § 6 Abs. 6 BV Umstrukturierung hingegen keinerlei Anhaltspunkte entnehmen.
Nach § 3 der Aufhebungsvereinbarung vom sollte der Kläger einen Anspruch auf alle Vergünstigungen erwerben, die ihm durch den Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 60. Lebensjahres zustehen würden. Mit dieser Bestimmung sollte er - er war bei seinem Ausscheiden erst 58 Jahre alt - so gestellt werden wie ein Beschäftigter, der mit Vollendung des 60. Lebensjahres ausscheidet und seine Rente vorgezogen in Anspruch nimmt, nicht schlechter, aber auch nicht besser. Damit hatte die Beklagte ihm nicht garantiert, dass er Beihilfeleistungen auf der Grundlage der BV 2000 in Anspruch nehmen kann. Vielmehr muss er nach § 3 der Aufhebungsvereinbarung Einschränkungen in demselben Umfang hinnehmen wie ein Beschäftigter, der mit Vollendung des 60. Lebensjahres ausscheidet, um seine Rente vorgezogen in Anspruch zu nehmen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2009 S. 1303 Nr. 24
NAAAD-19695
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein