BFH Beschluss v. - X S 11/09

Entsprechende Anwendung des § 68 FGO im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren; erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Änderung des Steuerbescheids

Gesetze: FGO § 68, FGO § 69 Abs. 6

Gründe

I. Zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner (Finanzamt —FA—) ist die Höhe von Hinzuschätzungen umstritten, die das FA aufgrund von Erkenntnissen der Steuerfahndung und der Außenprüfung beim Antragsteller in diversen Änderungsbescheiden im Januar und Februar 2007 steuererhöhend vorgenommen hatte.

In Bezug auf diese Änderungsbescheide hatte der Antragsteller bei dem Finanzgericht (FG) beantragt,

- die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2004 in der folgenden Höhe von der Vollziehung auszusetzen:


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Einkommensteuerbescheid 1995
vom
.. €
Einkommensteuerbescheid 1996
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 1997
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 1998
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 1999
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 2000
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 2001
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 2002
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 2003
vom
… €
Einkommensteuerbescheid 2004
vom
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- die Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 2004 in der folgenden Höhe von der Vollziehung auszusetzen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Umsatzsteuerbescheid 1995
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 1996
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 1997
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 1998
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 1999
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 2000
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 2001
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 2002
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 2003
vom
… €
Umsatzsteuerbescheid 2004
vom
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- die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge für 1995 und 1997 vom , für 1996 vom sowie für 1998 bis 2004 vom in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen.

Mit Beschluss vom 3 V 1336/07 hatte das FG die Einkommensteuerbescheide und Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 1995 bis 2002 insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als vorläufig von zusätzlichen Betriebsausgaben (Wareneinsatz) in Höhe von 20 % der vom FA vorgenommenen Erhöhung der Betriebseinnahmen auszugehen sei; die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 2002 wurde insoweit ausgesetzt, als einstweilen die auf den zusätzlichen Wareneinsatz entfallenden Vorsteuern zu berücksichtigen seien. Im Übrigen wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide hatte das FG nur insoweit, als das FA den erhöhten, der Besteuerung nunmehr zugrunde gelegten Betriebseinnahmen keinen ausreichenden zusätzlichen Wareneinsatz als Betriebsausgaben gegenübergestellt hatte.

Unter dem änderte das FA die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide sowie die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1995 bis 2002, indem es die entsprechenden Steuerbeträge in dem durch den Aussetzungsbeschluss des FG umschriebenen Umfang reduzierte.

Das FG hat die Klage des Antragstellers wegen der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und der Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 1995 bis 2004 mit Urteil vom 3 K 3150/07 abgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller fristgerecht am Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt; die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Vorsitzenden des angerufenen Senats bis zum verlängert.

Wegen einer am anberaumten Zwangsversteigerung seiner Wohnimmobilie, die von der Stadt X beantragt wurde und der das FA beigetreten ist, beantragt der Antragsteller sinngemäß, die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag der Jahre 1995 bis 2004 in dem vormals auch beim FG beantragten Umfang auszusetzen. Er begründet den Antrag damit, dass das Urteil des FG den relevanten Sachverhalt in besonderer Weise verkenne. Die angegriffenen Steuerbescheide hätten weder unter Zugrundelegung der amtlichen Richtsätze noch unter Zugrundelegung der „absolut üblichen Umsatzanteile von Bareinnahmen von 1/3 und Einnahmen über Kassenrezepte von 2/3 in irgendeiner Weise gerechtfertigt und aufrechterhalten werden können”. Im Weiteren verweist er auf die als Anlage beigefügte —nicht unterschriebene— Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, in der er vor allem die Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärungspflicht durch das FG rügt.

II. Der Antrag ist unzulässig und daher abzulehnen.

1. Der Antragsteller beantragt die Aussetzung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide sowie der Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 1995 bis 2004 in dem von ihm näher konkretisierten Umfang.

a) Die bloße Erwähnung der Einkommensteuer 2005 unter Hinweis auf die entsprechende Nichtzulassungsbeschwerde X B 15/09 führt nicht zu einer Einbeziehung in den Aussetzungsantrag. Der Antragsteller nennt den Einkommmensteuerbescheid für 2005 weder in seinem Antrag der auszusetzenden Beträge noch in seinen anschließenden Ausführungen.

b) Der Antragsteller berücksichtigt nicht, dass das FA in Bezug auf die Einkommensteuer 1995 bis 2002, die Umsatzsteuer 1995 bis 2002 und die Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 1995 bis 2002 durch die Änderungsbescheide vom bereits in dem Umfang, in dem das FG die Vollziehung ausgesetzt hatte, die jeweilige Steuer bzw. die Messbeträge reduziert hat, so dass dementsprechend für die insoweit beantragte AdV das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

2. Auch im Übrigen ist der Antrag unzulässig. Nachdem das FG über den Aussetzungsantrag des Antragstellers bereits ablehnend entschieden hat, wäre auch ein Antrag an den Bundesfinanzhof (BFH) nur unter den Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Änderung der ergangenen Entscheidung des FG verlangt werden kann.

a) Ist ein Steuerverwaltungsakt Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO dessen Vollzug unter bestimmten Umständen aussetzen. Damit ist zur Entscheidung über den Antrag auf AdV der BFH zuständig, denn er ist seit Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Gericht der Hauptsache.

Das Gericht der Hauptsache kann einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit aufheben oder ändern (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Dies gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist (Beschluss vom I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86).

Derartige Umstände liegen dann vor, wenn entweder nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten den Fall in tatsächlicher Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen oder wenn eine Gesetzesänderung oder eine zwischenzeitlich ergangene gerichtliche Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können. Bei unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage erfüllen lediglich neue rechtliche Überlegungen des Antragstellers ebenso wenig wie die bloße Wiederholung der bisherigen Argumentation den Tatbestand des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO. Sie sind deshalb nicht geeignet, die Statthaftigkeit eines wiederholten Antrags auf gerichtliche AdV zu begründen.

Durch § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO soll verhindert werden, dass sich das Gericht wiederholt mit denselben Aussetzungsbegehren befassen muss. Diese Einschränkung gilt erst recht in der Revisionsinstanz; denn anderenfalls könnte durch wiederholte Aussetzungsanträge die Regelung des § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach welcher die Beschwerde gegen den eine AdV ablehnenden Beschluss des FG nur statthaft ist, wenn das FG sie zugelassen hat (, nicht veröffentlicht).

b) Die hiernach zu erfüllenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines wiederholten Antrags auf AdV gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO liegen im Streitfall nicht vor.

aa) Zwar richtet sich der Antrag zum Teil gegen die geänderten Steuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2002. Dies ändert jedoch nichts daran, dass über die Frage der fehlenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide in den entscheidenden Punkten im vorangegangenen Aussetzungsverfahren gegen die ursprünglichen Bescheide bereits sachlich entschieden worden ist. Unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 68 FGO, der entsprechend im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren gilt (vgl. , BFH/NV 1995, 611), und dem Sinn und Zweck der Regelung des § 69 Abs. 6 FGO kann eine nochmalige Überprüfung der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung nur erreicht werden, wenn in der Änderung der Bescheide ein veränderter Umstand berücksichtigt wurde (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 166). Dies ist hier nicht der Fall, da die Änderung der Bescheide lediglich dem finanzgerichtlichen Aussetzungsbeschluss Rechnung trug.

bb) Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist es den Akten zu entnehmen, dass im Anschluss an die Aussetzungsentscheidung des FG Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts oder der maßgeblichen Rechtslage bewirken könnten. Tatsachen und Beweismittel sind nur dann ein veränderter Umstand, wenn sie im Zeitpunkt der Erstentscheidung noch nicht vorgelegen haben, weil sie erst nachträglich entstanden sind (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 166). Daher kann sein Vorbringen in Bezug auf die Richtsatzsammlung und die behauptete Relation von Bareinnahmen und Einnahmen bei Kassenrezepten keinen neuen Umstand begründen. Dasselbe gilt für seine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und gegen die Sachaufklärungspflicht durch das FG im Rahmen des Hauptsacheverfahrens, da hierdurch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden, die zu einer Neubewertung der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide führen (vgl. dazu Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 1229).

Ebenso wenig hat der Antragsteller geltend gemacht, vor dem FG bestimmte Umstände ohne Verschulden nicht vorgebracht zu haben. Vielmehr beruft er sich vornehmlich auf dieselben Tatsachen und Erwägungen wie in dem bereits abgeschlossenen Verfahren wegen AdV.

Somit handelt es sich um schlichte Wiederholungen eines bereits negativ beschiedenen Antrags, die gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht zur Statthaftigkeit eines erneuten Antrags führen können. Der Antrag ist deshalb abzulehnen, ohne dass in diesem Verfahren auf die sachliche Berechtigung des Begehrens des Antragstellers einzugehen ist.

Fundstelle(n):
KAAAD-19028