Langfristige Vermietung eines Turnhallengebäudes an einen Verein; Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit; Vorsteuerabzug; Einheitlichkeit der Leistung ; Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft; Einkommensreduzierung auf Null
Leitsatz
Die Umsätze aus der langfristigen Vermietung eines Turnhallengebäudes an einen Verein, der steuerfreie Leistungen ausführt, sind gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 steuerfrei, wenn abgesehen von der Überlassung von Betriebsvorrichtungen keine weiteren Leistungen ausgeführt werden.
Gesetze: UStG 1999 § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. aUStG 1999 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1UStG 1999 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1FGO § 118 Abs. 2Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. b
Instanzenzug: (EFG 2008, 1337) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Strittig ist zwischen den Beteiligten, ob bei einer langfristigen Vermietung einer Turnhalle Vorsteuerbeträge auch insofern abgezogen werden können, als diese die Herstellungskosten des Gebäudes betreffen.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein. Er ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er in mehreren Bauabschnitten verschiedene Gebäude zum Betrieb einer Schule errichtete. Mit Mietvertrag vom vermietete er das Grundstück und —jeweils ab Bezugsfertigkeit— die noch zu errichtenden Gebäude an den Verein „X e.V.” (Verein). Dieser betreibt dort eine Schule. Der Mietvertrag wurde auf eine Dauer von 25 Jahren fest geschlossen und kann von den Vertragsparteien frühestens zum gekündigt werden.
In den Jahren 2001 und 2002 errichtete der Kläger auf dem Grundstück eine Turnhalle, die er ab zu einem monatlichen Mietzins von 7 113,83 € zuzüglich Umsatzsteuer an den Verein vermietete. Die ihm im Streitjahr 2002 im Zusammenhang mit der Errichtung der Turnhalle in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 85 118,92 € machte er in vollem Umfang als Vorsteuer geltend.
Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die Überlassung des Turnhallengebäudes an den Verein stelle eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfreie Grundstücksvermietung dar, die den Vorsteuerabzug ausschließe. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung sei nicht möglich, weil der Verein das Turnhallengebäude nicht ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwende. Nur soweit die geltend gemachten Vorsteuern auf die steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen entfielen, sei ein Vorsteuerabzug in Höhe von 10 255,58 € möglich. Eine Minderung der Steuer um die —zu Unrecht— für die Überlassung des Turnhallengebäudes erhobene Steuer, komme erst nach Vorlage entsprechend berichtigter Rechnungen in Betracht.
Dieser Auffassung folgend versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) mit Umsatzsteuerbescheid 2002 vom den Abzug von Vorsteuerbeträgen aus der Herstellung der Turnhalle insoweit, als diese nicht die Betriebsvorrichtungen betrafen.
Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Umsätze aus der langfristigen Vermietung des Turnhallengebäudes an den Verein in eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen seien. Ein Verzicht auf die Steuerfreiheit sei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeschlossen, weil der Verein als Leistungsempfänger das Grundstück zur Ausführung von nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen verwende. Das Urteil ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1337.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, es liege eine einheitliche Leistung vor, die nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG falle und daher nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern sei. Der Vorsteuerabzug werde hierdurch nicht —auch nicht teilweise— ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie den Bescheid über Umsatzsteuer 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 74 863,34 € zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die streitgegenständlichen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar sind.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet.
Im Streitfall ist die Vermietung des Turnhallengebäudes eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung. Der Vorsteuerabzug ist daher gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgeschlossen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger neben der Überlassung des Turnhallengebäudes dem Verein noch Betriebsvorrichtungen zur Verfügung stellte. Denn auch dies führt nicht zu einer steuerpflichtigen Grundstücksüberlassung. Diese wäre nur dann steuerpflichtig, wenn sie Teil einer steuerpflichtigen einheitlichen Leistung wäre. Das ist aber nicht der Fall.
1. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Leistungen so aufeinander abgestimmt sind, dass sie aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ihre Selbständigkeit verlieren und wirtschaftlich etwas selbständiges „Drittes” bilden oder wenn es sich um eine Haupt- und eine Nebenleistung handelt (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-41/04 —Levob Verzekeringen und OV Bank—, Slg. 2005, I-9433, Randnrn. 19 bis 22, sowie Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 30).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der —Stockholm Lindöpark— (Slg. 2001, I-493) zur Besteuerung von Sportanlagen Stellung genommen. Danach ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Zurverfügungstellung von Räumen für die Ausübung von Sport oder die Körperertüchtigung unter besonderen Umständen eine Vermietung eines Grundstücks darstellen und damit in den Anwendungsbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern fallen kann (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, Randnr. 22).
Jedoch sind die Dienstleistungen, die mit Sport und Körperertüchtigung zusammenhängen, möglichst als Gesamtheit zu würdigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Betreiben einer Sportanlage im Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des Grundstücks, sondern außerdem seitens des Dienstleistenden eine Vielzahl geschäftlicher Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung, Zurverfügungstellung anderer Anlagen u.Ä. umfasst. Sofern nicht ganz besondere Umstände vorliegen, kann die Vermietung des Grundstücks daher nicht die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, Randnr. 26, konkret zur Vermietung eines Golfplatzes; , BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658).
Der EuGH weist ferner darauf hin, dass die Zurverfügungstellung einer Sportanlage gewöhnlich nach Gegenstand und Dauer der Benutzung beschränkt sein könne. Insoweit ergebe sich aus seiner Rechtsprechung, dass die Dauer der Grundstücksnutzung ein Hauptelement eines Mietvertrags bilde (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, Randnr. 27).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vermietung des Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen an einen einzigen Vertragspartner jedenfalls keine einheitliche Leistung, die steuerpflichtig ist. Sie ist mit den Umsätzen des Betreibers einer Sportanlage, der eine Vielzahl von unterschiedlichen Leistungen erbringt, nicht vergleichbar. Vielmehr gäbe hier die steuerfreie Grundstücksvermietung der Leistung des Klägers das Gepräge.
Der Mietvertrag war auf die Dauer von 15 Jahren und damit langfristig geschlossen. Die Mietdauer ist —wie dargestellt— aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein geeignetes Kriterium, um eine selbständige Vermietungsleistung von einer einheitlichen sonstigen Leistung abzugrenzen (vgl. auch —Temco Europe—, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 20, m.w.N.).
Die Grundstücksüberlassung beschränkte sich auch nicht auf die Zeiten, in denen in der Turnhalle tatsächlich Sport ausgeübt wurde, sondern das Gebäude stand dem Verein ununterbrochen und ausschließlich zur Verfügung. Die Leistung des Klägers bestand allein in der „passiven” Zurverfügungstellung des Turnhallengebäudes und der darin befindlichen Betriebsvorrichtungen.
Sofern der Kläger ausführt, im Streitfall würden neben der Überlassung des Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen Leistungen wie z.B. Wartung, Hausmeister usw. in nicht unerheblichem Umfang erbracht, hat das FG derartige Leistungen nicht festgestellt. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an den vom FG festgestellten Sachverhalt gebunden; Verfahrensrügen hat der Kläger nicht erhoben.
Der Senat kann offenlassen, ob die Vermietung des Turnhallengebäudes und der Betriebsvorrichtungen entsprechend der Auffassung des FG und des FA unter Berücksichtigung von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG als zwei selbständige Leistungen zu qualifizieren sind und das FA für die Betriebsvorrichtungen zu Recht einen anteiligen Vorsteuerabzug gewährt hat (vgl. zur Einschränkung des sog. Aufteilungsgebots Klenk in Sölch/ Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 12 Rz 19). Denn selbst wenn abweichend von der Ansicht des FG eine einheitliche Leistung anzunehmen wäre, wäre diese jedenfalls steuerfrei. Die steuerfreie Grundstücksvermietung wäre als die Hauptleistung und die Überlassung der Betriebsvorrichtungen als untergeordnete Nebenleistung anzusehen (vgl. zur einheitlichen Vermietungsleistung auch , BFHE 221, 310). Diese Frage ist aber nicht entscheidungserheblich, weil das FA dem Kläger einen anteiligen Vorsteuerabzug gewährt hat und eine sog. Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 208
BBK-Kurznachricht Nr. 11/2009 S. 525
BFH/NV 2009 S. 1041 Nr. 6
BFH/PR 2009 S. 263 Nr. 7
DB 2009 S. 885 Nr. 17
DStR 2009 S. 797 Nr. 16
DStRE 2009 S. 573 Nr. 9
DStZ 2009 S. 498 Nr. 14
HFR 2009 S. 594 Nr. 6
KÖSDI 2009 S. 16481 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 17/2009 S. 1243
StB 2009 S. 179 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2009 S. 442
UR 2009 S. 423 Nr. 12
UStB 2009 S. 124 Nr. 5
UVR 2009 S. 230 Nr. 8
GAAAD-19025