Neuer Tatsachenvortrag im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigungsfähig; Verletzung des rechtlichen Gehörs; Verlust des Rügerechts, wenn Kläger die mündliche Verhandlung verlässt
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119 Nr. 2, FGO § 119 Nr. 3, ZPO § 227
Instanzenzug:
Gründe
I. In dem zu Grunde liegenden Verfahren wegen Einkommensteuer 1997 bis 2003 waren zwischen dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) verschiedene materiell-rechtliche Punkte streitig.
In der Ladungsverfügung des zur mündlichen Verhandlung vom wurde darauf hingewiesen, dass auch die Frage angesprochen werden solle, innerhalb welcher Frist die Klage erhoben worden sei. Auf Rückfrage des Klägers vom teilte der Berichterstatter mit, dass nach Aktenlage die Einhaltung der einmonatigen Klagefrist fraglich sei angesichts des anzunehmenden Zeitpunkts des Zugangs der mit einfachem Brief übermittelten Einspruchsentscheidung.
In der mündlichen Verhandlung lehnte das FG eine beantragte Vertagung ab. Noch vor der Entscheidung über einen außerdem gestellten Befangenheitsantrag verließ der Kläger den Sitzungssaal und nahm an der weiteren Verhandlung nicht mehr teil.
Das FG wies die Klage ab, weil die Klage wegen Versäumung der Klagefrist bereits unzulässig sei, „im Übrigen” hinsichtlich aller Streitpunkte auch unbegründet.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Mit seinem neuen Tatsachenvortrag zum Zeitpunkt des Zugangs der Einspruchsentscheidung kann der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht mehr gehört werden (ständige Rechtsprechung, s. etwa , BFH/NV 1999, 497; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 30, jeweils m.w.N.). Im Übrigen blieben die Ausführungen des FG zum materiellen Recht in dem kumulativ begründeten Urteil unberührt, auch wenn man insoweit dem neuen tatsächlichen Vorbringen folgen könnte.
2. Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht festzustellen. Das FG hat dem Kläger die Möglichkeit der begehrten Akteneinsicht mit angemessener Fristsetzung (12. November bis ) eingeräumt. Da der Kläger hiervon ohne Angabe von Gründen keinen Gebrauch gemacht und sich auch in der folgenden Zeit zunächst nicht nochmals um Akteneinsicht bemüht hat, war das FG nicht gehalten, den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung deshalb aufzuheben, weil der Kläger mit einem erst am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schreiben erneut Akteneinsicht begehrt hat. Ein Anspruch auf Vertagung nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung besteht nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte von der ihm gebotenen Möglichkeit der Akteneinsicht keinen Gebrauch gemacht hat (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 196, 39, 56, BStBl II 2001, 802, 809; Gräber/ Koch, a.a.O., § 91 Rz 6, m.w.N.); den Ausnahmefall einer fortdauernden Unmöglichkeit der Akteneinsicht aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen hat das FG rechtsfehlerfrei verneint.
Zieht man auch noch in Betracht, dass der Kläger seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vorzeitig beendet hat, so lässt sich außerdem feststellen, dass er nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung hat er damit sein Recht auf Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs verloren (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 13, m.w.N.).
3. Soweit der Kläger ausführt, als weiterer Verfahrensmangel werde „vorsorglich” auch die „Frage der Befangenheit des Berichterstatters” (beim FG) „nicht außer Acht zu lassen sein”, ist angesichts dieser Formulierung bereits fraglich, ob ernstlich der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht werden soll. Jedenfalls hat der Kläger einen solchen Grund nicht hinreichend dargelegt. Über die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hat das FG im Rahmen der mündlichen Verhandlung ohne Mitwirkung des betroffenen Richters entschieden und das Begehren abgelehnt. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 2 FGO ist deshalb auszuschließen. Dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs „greifbar gesetzwidrig” gewesen wäre (vgl. dazu Gräber/ Ruban, a.a.O., § 119 Rz 9, m.w.N.), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAD-19015