BFH Beschluss v. - X B 38/08

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3, AO § 162

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Keiner der nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemachten Verfahrensfehler liegt vor.

1. Ein Verfahrensmangel liegt nicht darin, dass die Nichtzulassung der Revision in der Urteilsformel nicht ausgesprochen wurde. Nach § 115 Abs. 1 FGO findet die Revision nur statt, wenn das Finanzgericht (FG) oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) diese zugelassen hat. Enthält die Entscheidung des FG keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist sie versagt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss vom VIII R 7/95, BFH/NV 1995, 995, m.w.N.).

2. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor.

a) Die Kläger rügen, das FG habe gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen. Es habe seine Entscheidung zur Schätzung darauf gestützt, dass die Buchführung der Kläger der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden könne, da diese formell und materiell derart mangelhaft gewesen sei, dass sie zur Gänze zu verwerfen gewesen sei. In den Gesprächen im Rahmen der Außenprüfung und auch in der Verhandlung vor dem FG sei aber nur die Beibringung der entsprechenden Nachweise für die Darlehn aus Griechenland thematisiert worden, und nicht die Höhe der Zuschätzung. Deshalb sei es im Rahmen des rechtlichen Gehörs geboten gewesen, den Klägern Gelegenheit zu geben, hierzu im Einzelnen noch vorzutragen.

b) Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG— i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) gewährleistet den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, sich zu Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern, die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen (, BVerfGE 49, 325). Die Verfahrensbeteiligten werden durch Art. 103 Abs. 1 GG auch davor geschützt, dass das Gericht ihnen den Vortrag zur Rechtslage dadurch abschneidet, dass es ohne vorherigen Hinweis auf einen nicht vorhersehbaren rechtlichen Gesichtspunkt abstellt (vgl. , BVerfGE 86, 133, 144; , BFH/NV 2000, 448, m.w.N.). Andererseits verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert (vgl. , BFHE 118, 361, BStBl II 1976, 431; vom VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375). Der Anspruch auf Schutz vor Überraschungsentscheidungen ist daher nicht schon dann verletzt, wenn das FG rechtliche Gesichtspunkte, die im bisherigen Verfahren nicht im Vordergrund standen, in der Entscheidung als maßgebend herausstellt (, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1, Rechtsspruch 160; , BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741). Ein Verstoß kommt allerdings dann in Betracht, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.).

c) Das Vorbringen der Kläger rechtfertigt nicht die Annahme eines Verfahrensfehlers. Das FG hat den Klägern in ausreichendem Maß rechtliches Gehör gewährt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ausdrücklich der Umstand angesprochen, dass der Kläger für die im Streit stehenden Jahre keine Kassenbelege oder Tagesendbons vorlegen konnte. Damit musste es für den sachkundig vertretenen Kläger naheliegen, dass das FG seine Buchführung nicht als ordnungsgemäß ansehen und zu einer Schätzung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) kommen würde. Einwendungen gegen die Höhe der Schätzung mussten sich daher aufdrängen; sie sind jedoch seitens der Kläger unterblieben.

3. Die von den Klägern gegen die Höhe der Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen. Sie haben einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG bei der Schätzung des Gewinns, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte (Senatsbeschlüsse vom X B 126/07, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom X B 38/06, BFH/NV 2007, 757), nicht hinreichend dargelegt.

a) Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss vom X B 142/03, n.v.). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 36/07, n.v.).

b) Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Das Vorliegen dieser besonderen Umstände ist in der Beschwerdeschrift darzulegen (Senatsbeschluss vom X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273).

c) Anhaltspunkte dafür, dass die für den Kläger nach Hinzuschätzung vom FG ermittelten Gewinne seines Bistros in den Streitjahren willkürlich hoch und realitätsfremd sind, wurden weder vorgetragen noch sind sie erkennbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
AAAAD-18979