Steuerliche Behandlung von der Wiederanlage zugeführten Erträgen ohne Ausgabe neuer Anteile in einem Spezialfonds beim Anteilscheininhaber
Bezug:
Die Frage, wie der Wiederanlage zugeführte Erträge ohne Ausgabe neuer Anteile in einem Spezialfonds beim Anteilscheininhaber nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) oder dem Investmentsteuergesetz (InvStG) – sog. „Wiederanlage ohne Ausgabe neuer Anteile” – steuerlich zu behandeln sind, wurde bundeseinheitlich mit folgendem Ergebnis abgestimmt:
Bei der Wiederanlage ohne Ausgabe neuer Anteile handelt es sich um eine rechnerische Verringerung des ausschüttungsfähigen Volumens. Dabei werden insbesondere auch außerordentliche Erträge, die als thesaurierte Erträge beim Anleger nicht steuerbar sind, dem ausschüttungsfähigen Volumen entzogen. Der Anleger kann erst im Falle der Veräußerung der Anteile wirtschaftlich über die Wiederanlagebeträge verfügen.
Es stellt sich die Frage, ob die Wiederanlage als (steuerpflichtige) Ausschüttung („Schütt-aus-leg-ein”) oder als steuerlich irrrelevanter Vorgang zu behandeln ist.
Der Begriff der Wiederanlage ist weder im KAGG noch im InvStG definiert. Maßgebend für die Beurteilung der Wiederanlage sind nach den allgemeinen Grundsätzen bei Spezialfonds die Vertragsbedingungen zwischen Kapitalanlagegesellschaft (KAG) und Anleger (siehe , BStBl 1995 II S. 54). Eine Ausschüttung setzt einen Zufluss beim Anteilscheininhaber voraus, d. h., der Ausschüttungsbetrag muss dem Fondsvermögen entnommen und dem Anteilscheininhaber zugewendet worden sein.
Im Zusammenhang mit dem Aktivierungszeitpunkt von Ausschüttungen haben die Einkommensteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen, dass der Anspruch auf Ausschüttungen eines Spezialfonds zu aktivieren ist, sobald nach den Vertragsbedingungen ein unmittelbarer schuldrechtlicher Anspruch auf die Ausschüttung entstanden ist. Sofern in den Vertragsbedingungen lediglich ausgeführt wird, dass ordentliche Erträge grundsätzlich ausgeschüttet werden können, führt dies alleine noch nicht zur Entstehung eines Ausschüttungsanspruchs. Er entsteht vielmehr erst durch Konkretisierung im Ausschüttungsbeschluss ( BStBl 2005 I S. 728, Rz. 28 und H 4.2 (1) EStH 2007 „Wertpapierfonds”).
Können Erträge nach den Vertragsbedingungen zur Wiederanlage bestimmt werden, obliegt die Entscheidung über eine Ausschüttung der KAG. Wenn die KAG die Entscheidung zur Wiederanlage trifft, sind diese Erträge endgültig dem Fondsvermögen zugeordnet. Die Erträge sind nicht – auch nicht für eine juristische Sekunde – in die Verfügungsmacht des Anlegers gelangt. Damit liegt keine (steuerpflichtige) Ausschüttung vor.
Im Zusammenhang mit der abgestimmten Rechtsfrage ist jedoch ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
Ungeachtet einer Zuordnung zur Wiederanlage unterliegen die auf Ebene des Investmentvermögens erzielten und im Rahmen der Wiederanlage thesaurierten Erträge der laufenden Besteuerung beim Anleger, soweit Sie unter die Definition der ausschüttungsgleichen Erträge i. S. des § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG fallen und somit zum Ende des Geschäftsjahres des Investmentvermögens den Anlegern als zugeflossen gelten (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Werden die auf Ebene des Investmentvermögens erzielten Erträge als ausschüttungsgleiche Erträge erfasst, sind diese im Falle ihrer späteren Ausschüttung als „ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre” von einer nochmaligen Besteuerung ausgenommen.
Unabhängig von ihrer Zuordnung zur „Wiederanlage” fließen die ausschüttungsgleichen Erträge steuerlich nicht in die Substanz des Investmentvermögens ein. Sie stellen vielmehr weiterhin auf Ebene des Investmentvermögens erzielte Erträge dar. Bei einer späteren Ausschüttung dieser Erträge handelt es sich nicht um eine Substanzausschüttung.
Hinsichtlich der Erträge, die nicht als ausschüttungsgleiche Erträge zeitnah besteuert werden, hat die Investmentgesellschaft entsprechende steuerliche Töpfe zu bilden. Somit können bei einer späteren Ausschüttung dieser Erträge die jeweils vorgesehenen steuerlichen Privilegien geltend gemacht werden (z. B. § 8b Abs. 2 KStG, § 3 Nr. 40 EStG und § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG i. d. F. vor Unternehmensteuerreformgesetz 2008). Sollte bei einer Ausschüttung von Vorjahreserträgen nicht nachvollziehbar sein, um welche Erträge es sich genau handelt, ist von deren voller Steuerpflicht auszugehen.
Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 1980.1.1-5/4 St 31
Fundstelle(n):
OAAAD-18957