Entkräftung des Anscheinsbeweises für die private Nutzung des Dienstwagens
Gesetze: EStG § 8 Abs. 2 Satz 2, EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Im finanzgerichtlichen Verfahren war streitig, ob ein Vorteil aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs nach der so genannten 1 %-Regelung einkommensteuerrechtlich als Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes anzusetzen ist.
Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, wandten sich mit der Klage im Ergebnis erfolgreich dagegen, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nach der 1 %-Regelung ein Vorteil für die private Benutzung eines Firmenfahrzeugs angesetzt worden war. Das Finanzgericht (FG) stützte seine der Klage stattgebende Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und widerspruchsfrei dargelegt habe, das Firmenfahrzeug ausschließlich betrieblich benutzt zu haben sowie, dass aufgrund seiner familiären Situation kein Anlass bestanden habe, das Fahrzeug für Privatfahrten zu nutzen. Dem Kläger und seiner Familie hätten ausreichend private Kraftfahrzeuge zur Verfügung gestanden. Auf eine private Nutzung des Kraftfahrzeugs habe der Kläger durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber verzichtet, was der Arbeitgeber mit einem dem Gericht vorliegenden Schreiben bestätigt habe.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) begehrt mit der Beschwerde die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt im Streitfall nicht vor.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert. In diesem Sinne ist eine Entscheidung des BFH u.a. dann erforderlich, wenn im Falle der sog. Divergenz das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 70/07, BFH/NV 2008, 216; vom VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53, jeweils m.w.N.). Dagegen genügt eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen nicht.
a) Im Streitfall hat das FG seiner Entscheidung keinen mit der Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt. Zutreffend weist das FA zwar darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BFH die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, nicht ausreiche, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen (, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; vom X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; BFH-Beschlüsse vom VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300; vom X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801). Davon abweichende Rechtsgrundsätze hat das FG indessen nicht herangezogen. Denn unter Bezugnahme auf und in Übereinstimmung mit der vorstehenden Rechtsprechung hat es die Auffassung vertreten, dass die 1 %-Regelung nicht zur Anwendung komme, wenn eine Privatnutzung ausscheide. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Dieser könne jedoch durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden, ohne dass es hierzu des Beweises des Gegenteils bedürfe. Vielmehr genüge die Darlegung eines Sachverhaltes, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergebe.
b) Das FG gelangte im Streitfall auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsgrundsätze und der daran anknüpfenden Tatsachenwürdigung zu der Überzeugung, dass der Anscheinsbeweis entkräftet sei. Diese dem Bereich der Beweiswürdigung zuzuordnende Entscheidung ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zu Stande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (Senatsurteil in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; Senatsbeschlüsse vom VI B 45/08, BFH/NV 2008, 2021, m.w.N.; vom VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 247 und § 96 FGO Rz 97 ff.). Davon ist im Streitfall auszugehen. Das FG hat sich nicht auf die bloße Behauptung des Klägers, das Fahrzeug nicht privat zu nutzen, gestützt, sondern hat hierzu ergänzend weitere Umstände herangezogen und gewürdigt. Angesichts dessen konnte es zu der Würdigung gelangen, dass der Kläger zur Überzeugung des FG einen Sachverhalt dargelegt hat, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Im Streitfall hat das FG mithin keine von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtsgrundsätze zu Grunde gelegt, sondern lediglich den Sachverhalt abweichend von der Einschätzung des FA gewürdigt.
2. Das FA macht weder ausdrücklich noch der Sache nach den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend. Im Übrigen wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis als entkräftet gilt, eine im Einzelfall von der Sachverhaltswürdigung des FG abhängige Frage bleiben, für die sich kaum allgemeine Rechtsgrundsätze aufstellen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 25/97, BFH/NV 1998, 1109; in BFH/NV 2005, 1801).
Fundstelle(n):
EAAAD-18499